Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2022-0004
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Der Markt der Dach- und Fassadenbegrünung wächst weiter!
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Gunter Mann
Der Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) hat im letzten Jahr mit dem „BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2020” erstmals eine Übersicht der wichtigsten ermittelbaren Zahlen zur Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung in Deutschland veröffentlicht – ein Nachschlagewerk, auf das tausendfach von Politik, Industrie, Baubeteiligten, Medien, Hochschulen und Studierenden zurückgegriffen wurde. Mit dem vorliegenden „BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2021” werden die Zahlen des Gebäudebegrünungsmarktes aktualisiert, im Fokus hierbei die Zuwächse bei der Dach- und Fassadenbegrünung.
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10 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Gründachmarkt Zahlen für 2020 Die wichtigsten Ergebnisse der BuGG-Gründachsubstrat-Umfrage (eine Methode, bei der über die vertriebenen Mengen auf die eingebauten Flächen umgerechnet wird) werden wie folgt zusammengefasst: In Deutschland wurden im Jahr 2020 insgesamt 7 839 97 m² Dachbegrünung neu erstellt. Diese neue Gesamt- Gründachfläche besteht aus 6 437 762 m² Extensivbegrünung (Marktanteil von 82,1 %) und 1 402 215 m² Intensivbegrünung (Marktanteil von 17,9 %). Das scheint auf den ersten Blick viel zu sein, doch im Verhältnis zu den angenommenen 100 000 000 m² in 2020 neu entstandener Flachdachfläche (Neubau und Sanierung) sind das nur etwa 8 % - 92 % blieben unbegrünt - ein enormes Potenzial! 1.2 Entwicklungen im Gründachmarkt von 2008 bis 2020 Da die Gründachsubstrat-Umfrage mit gleicher Methode und denselben Teilnehmenden schon seit 2008 durchgeführt wird, lassen sich darüber auch gut Entwicklungen ablesen: Von 2008 bis 2020 wurden insgesamt 66 181 175 m² Gründachfläche angelegt. Von der Gesamtfläche wurden 55 543 998 m² extensiv begrünt, das entspricht 83,93 % und 10 637 177 m² intensiv begrünt, das entspricht 16,07 %. Der Gründach-Markt wächst im Durchschnitt jährlich um etwa 7 %, von 2008 bis 2020 wuchs er insgesamt um 117 %. Der Trend Der Markt der Dach- und Fassadenbegrünung wächst weiter! BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2021 Deutschland Gunter Mann Der Bundesverband GebäudeGrün e. V. (BuGG) hat im letzten Jahr mit dem „BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2020” erstmals eine Übersicht der wichtigsten ermittelbaren Zahlen zur Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung in Deutschland veröffentlicht - ein Nachschlagewerk, auf das tausendfach von Politik, Industrie, Baubeteiligten, Medien, Hochschulen und Studierenden zurückgegriffen wurde. Mit dem vorliegenden „BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2021” werden die Zahlen des Gebäudebegrünungsmarktes aktualisiert, im Fokus hierbei die Zuwächse bei der Dach- und Fassadenbegrünung. PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Bild 1: In Deutschland liegt der durchschnittliche Gründach-Index bei 1,3 - das heißt 1,3 m 2 Dachbegrünung pro Einwohner*in. © BuGG 11 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum geht zu Intensivbegrünungen (Dachgärten) und damit (überwiegend) begeh- und nutzbaren Dachbegrünungen. Lag der Anteil an Intensivbegrünungen in 2008 noch bei 11,4 % (extensiv: 88,6 %), so hat er in 2020 mit 17,9 % (extensiv: 82,1 %) eine deutlich höhere Größenordnung. Über die letzten 13 Jahre hinweg haben die Extensivbegrünungen im jährlichen Durchschnitt um 6,7 %, die Intensivbegrünungen dagegen durchschnittlich um 10,6 % zugenommen. Noch deutlicher ist der Trend zu Extensivbegrünungen in mehrschichtiger Bauweise: Lag das Verhältnis einzu mehrschichtig in 2008 bei 47 : 53, so wurden für 2020 27 : 73 ermittelt. Bei Intensivbegrünungen spielen einschichtige Bauweisen eine untergeordnete Rolle. Fassadenbegrünungsmarkt Zahlen für 2020 Eine Ermittlung der Größe der in 2020 begrünten Fassadenflächen ist schwerer durchzuführen als bei den begrünten Dachflächen. Die bei der Dachbegrünung angewandte Methode der Abfrage der Substratmengen und Umrechnung in Begrünungsfläche ist bei Fassadenbegrünungen systembedingt nicht möglich. Lassen sich die Werte von „wandgebundenen” Fassadenbegrünungen noch recht einfach ermitteln, da die Systemlösungen nur zum Zwecke der Begrünung und in Quadratmetern vertrieben und eingebaut werden, verhält sich das bei „bodengebundenen” Fassadenbegrünungen anders. Hier können Systemanbieter von Kletterhilfen (zum Beispiel: Seile und Netze) oft nicht eindeutig zuordnen, ob die verkauften Produkte für Begrünungszwecke eingesetzt bzw. welche Flächen tatsächlich begrünt wurden. Je nachdem, mit welchem Abstand lineare Rankhilfen nebeneinander eingebaut werden, ergeben sich unterschiedlich große Begrünungsflächen. Ein laufender Meter linearer Rankhilfe entspricht nicht zwingend einem Quadratmeter Fassadenbegrünung. Eine genaue Ermittlung der neu hinzugekommenen Flächen von bodengebundenen Fassadenbegrünungen mit selbstklimmenden Pflanzen (Direktbegrüner ohne Kletterhilfen) ist aus verschiedenen Gründen nicht möglich. Unter anderem sind die Vertriebswege der eingesetzten Pflanzen vielfältig, sowohl Fachleute als auch Privatpersonen führen die Begrünung durch. Der BuGG hat die Mitglieder, die Produkt- und Systemlösungen zur Fassadenbegrünung anbieten, nach begrünten Flächen in 2020 befragt. Dabei wurden die Flächensummen sowohl boden- (allerdings nur die Flächen mit Kletterhilfen) als auch wandgebundener Fassadenbegrünungen abgefragt, mit den folgenden Ergebnissen: In Deutschland wurden demnach im Jahr 2020 insgesamt etwa 55 000 m² Fassadenfläche mit wandgebundener und bodengebundener Fassadenbegrünung (mit Kletterhilfen) neu begrünt. Die wandgebundenen Fassadenbegrünungen nehmen dabei eine Fläche von etwa 10 000 m² ein. Bei bodengebundenen Fassadenbegrünungen mit Kletterhilfen beträgt die Fläche etwa 45 000 m². Kommunale Förderinstrumente Dach- und Fassadenbegrünung gewinnt im Rahmen einer klimaangepassten und wassersensiblen Stadtentwicklung bundesweit an Bedeutung, denn sie hat einen Mehrfachnutzen für die Stadt. Auf kommunaler Ebene kann die Umsetzung von Dach- und Fassadenbegrünung durch verschiedene Instrumente gefördert werden, die sich in ihrem Wirkungsbereich, ihrer Bild 2: Zahlen zum Gründachmarkt 2020. © BuGG 12 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Verbindlichkeit und ihrem finanziellen Aufwand für die Stadt unterscheiden. Folgende direkt und indirekt fördernde Instrumente stehen der Kommunalpolitik zur Verfügung: Festsetzungen in Bebauungsplänen Gestaltungssatzungen Förderprogramme mit finanziellen Zuschüssen Ökopunkte im Rahmen der Eingriffsregelung Gebührenreduktion bei der gesplitteten Abwassergebühr Mit Städte-Umfragen und zusätzlichen eigenen Recherchen hat der BuGG aktuelle Zahlen zu den kommunalen Förderinstrumenten zusammengetragen, die auszugsweise nachfolgend vorgestellt werde. Festsetzung in Bebauungsplänen Um bestimmte Ziele in der Bauleitplanung zu erreichen, können aus städtebaulichen Gründen rechtsverbindliche Festsetzungen getroffen werden. Die Gründe einer Festsetzung sind in § 9 Abs. 1 BauGB aufgelistet. Als rechtliche Grundlage zur Festsetzung einer Dach- oder Fassadenbegrünung können je nach Zielsetzung § 9 Abs. 1 Nr. 20 sowie Nr. 25 a, b BauGB dienen. Auch länderspezifische Bauordnungen und Landeswassergesetze in Verbindung mit § 9 Abs. 4 BauGB können für Gebäudegrün hinzugezogen werden. Als Ergebnis der BuGG-Städteumfrage 2021 lässt sich für alle deutschen Städte mit mehr als 50 000 Einwohner*innen festhalten, dass rund 83 % der Städte Dachbegrünung und 55 % der Städte Fassadenbegrünung bereits in B-Plänen festgesetzt haben. Zuschüsse für Dach- und Fassadenbegrünung Bei kommunalen Förderprogrammen sind die Städte selbst die Fördermittelgeber. Die Mittel stammen in der Regel aus dem eigenen kommunalen Haushalt und können mit Landes- und Bundesmitteln verbunden werden. Als Ergebnis der BuGG- Städteumfrage 2021 lässt sich für alle Städte mit mehr als 50 000 Einwohner*innen festhalten, dass bereits 82 Städte (42 %) finanzielle Zuschüsse für Dachbegrünungen bereitstellen. Für Fassadenbegrünungen bieten 65- Städte (34 %) finanzielle Zuschüsse an. Darüber hinaus haben auch Städte mit weniger als 50 000 Einwohner*innen in der Städteumfrage angegeben, Gebäudegrün zu fördern. Im Vergleich zum Marktreport 2020 konnten in diesem Jahr viel mehr Förderprogramme aufgelistet werden. Grund hierfür ist unter anderem das Sonderprogramm „Klimaresilienz in Kommunen“, mit dem das Land NRW Kommunen finanziell bei der Förderung von Dach- und Fassadenbegrünung unterstützt. Die Förderhöhen variieren jedoch stark von Stadt zu Stadt. Gesplittete Abwassergebühr Gemeinden regeln individuell durch Satzung die Abwasserbeseitigung für ihr Gemeindegebiet und stellen die notwendige Infrastruktur sicher. Mit der gesplitteten Abwassergebühr wird die Beseitigung des Schmutzwassers nach dem Frischwassermaßstab berechnet. Zur Ermittlung der Niederschlagswassergebühr dient hingegen die befestigte und abflusswirksame Fläche mit Kanalanschluss des jeweiligen Grundstücks. Für Maßnahmen, die zum lokalen Regenwasserrückhalt beitragen, kann innerhalb der Satzung eine Gebührenreduktion für die Nieder s chlag s was s erbe s eitigung erlassen werden. Zu diesen Maßnahmen zählt unter anderem die Dachbegrünung, sodass diese indirekt gefördert wird. Ergebnis der BuGG-Städteumfrage 2021 mit Recherche der Abwassersatzungen für alle deutschen Städte mit mehr als 50 000 Einwohner*innen (193 Städte): Alle Städte haben die gesplittete Abwassergebühr eingeführt. Bei 149 Städten (77 %) besteht eine Gebührenreduktion für Gründächer. Bild 3: Im Jahr 2020 sind rund 10 000 m² wandgebundene Fassadenbegrünungen umgesetzt worden. © BuGG 13 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Die Niederschlagswassergebühr für das Jahr 2021 liegt im Durchschnitt bei 0,87 EUR / m² (149 Städte) . Die durchschnittliche maximale Gebührenreduktion beträgt 59 % bzw. 0,51 EUR / m² (149 Städte). Je nach Stadt variiert die Höhe der Niederschlagswassergebühr pro Jahr und die Höhe der maximalen Gebührenreduktion für eine Dachbegrünung stark. Hemmnisse und Hürden Der Bundesverband Gebäude- Grün hat in einer umfassenden Umfrage bei verschiedenen Zielgruppen unter anderem abgefragt, warum noch nicht mehr Dach- und Fassadenbegrünungen umgesetzt wurden. Dabei stellte sich heraus, dass die Sorgen um Herstell- und Instandhaltungskosten, um Schäden am Gebäude und fehlendes (Fach-) Wissen Hemmnisse und Hürden darstellen. Eine seiner wichtigsten Aufgaben sieht der Bundesverband darin, Städte, Bauende und Planende zu den Grundlagen der Gebäudebegrünungen und deren Eigenschaften und Wirkungen aufzuklären. So bietet der BuGG verschiedene Veranstaltungsformate und ein umfassendes Fort- und Weiterbildungsangebot (BuGG-zertifizierte(r) Fachberater(in) Dachbzw. Fassadenbegrünung) an und versucht in Kooperation mit anderen Verbänden, Organisationen und Städten im Herbst 2020 eine „Aktionswoche Gebäudegrün“ auf die Beine zu stellen. In einer Woche sollen bundesweit Informationen zur Dach-, Fassaden- und Innenraumbegrünung in Form von Seminaren, Vorträgen, Besichtigungen, Show-Begrünungen, Foto-Wettbewerben usw. vermittelt werden. Ausblick Der eigene Dachgarten - nie war er so wertvoll wie heute! Zusätzliche Nutz- und Freizeitfläche für Menschen bietet der hauseigene Dachgarten als krisensichere Freizeit-, Erholungs- und Bewirtschaftungsfläche. Betrachtet man die Zahlen von 2008 bis 2020 dann geht die Entwicklung eindeutig in Richtung „Intensivbegrünung“ (Dachgarten). Wurden in 2008 nur 11,4 % der Dachbegrünung als Intensivbegrünung ausgeführt, sind es in 2020 schon 17,9 % gewesen. Begrünungen im Bestand Viele Städte fördern vor allem nachträglich an- und aufgebrachte Dach- und Fassadenbegrünungen im Bestand, um sogenannte „Hot Spots“ zu entschärfen und die Begrünungen mit ihren Kühlleistungen gezielt einzusetzen. Das lässt sich oftmals wegen der zu geringen statischen belastbarkeit der bestehenden Gebäude nicht oder nur bedingt umsetzen. Hier sind innovative Lösungen (zum Beispiel: Leichtbauweise mit/ ohne Bewässerung) gefragt. Zielkonflikt Photovoltaik und Begrünung Durch die aufkommende Solar- Pflicht in vielen Bundesländern scheint es einen Zielkonflikt „Solar“ versus „Dachbegrünung“ zu geben. Hier gilt es, das Wissen und die Möglichkeiten der „Solar-Gründächer“ breiter zu kommunizieren. Solar-Gründächer verbinden Klimaschutz und Klimawandelanpassung und dienen unter anderem der Überflutungsvorsorge! Trends Aus verschiedenen Gründen haben sich die Trends der letzten Jahre verfestigt - Retentionsgründächer, Biodiversitätsgründächer und Urban-Farming-Dächer sind bei Städten und auch bei Planenden recht gut bekannt und werden immer öfters gefordert, gefördert und umgesetzt. Neu hinzukommen Aspekte der Gesundheitsvorsorge (Planetary Health), die durch die vielen Wohlfahrtswirkungen von Dach- und Fassadenbegrünungen erreicht werden können. Forschung und Lehre Die Grundlagen der Gebäudebegrünung sind erforscht, doch nun muss es ins Detail und an spezielle Fragestellungen gehen. Es fehlen beispielsweise vielfach noch genauere Kenndaten zu Pflanzen und Systemen, um auf deren Grundlagen, Berechnungen und Simulationen zu den Auswirkungen der Begrünungen erstellen zu können. Die BuGG-Umfrage hat weiteren Forschungsbedarf ermittelt. Wichtig ist, dass die Lehre an den Hochschulen von Architektur und Stadtplanung das Thema Gebäudebegrünung fest in ihre Lehrpläne verankert. Publikation Der BuGG-Marktreport Gebäudegrün 2021 umfasst 116 Seiten und ist mit vielen Grafiken, Fotos und Tabellen anschaulich gestaltet. Er steht kostenlos als Download zur Verfügung bzw. kann auch als DIN A 4-Broschüre gegen eine Schutzgebühr von 19 Euro zuzüglich Versandkosten bestellt werden. www.gebaeudegruen.info/ kontakt/ prospektanforderung Dr. Gunter Mann Präsident Bundesverband Gebäude- Grün e. V. (BuGG) Kontakt: gunter.mann@bugg.de AUTOR