eJournals Transforming cities 7/1

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2022-0008
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Geodaten als Basis zukunftsweisender Verkehrskonzepte

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Jens Wille
Zunehmende Feinstaubbelastung, endlose Staus, zugeparkte Straßen und ein überfordertes öffentliches Verkehrsnetz – die Mobilität in unseren Städten kommt zunehmend an ihre Grenzen. Neue Konzepte sind nötig, um urbane Mobilität wirklich zukunftsfähig zu gestalten und wirtschaftliche Aspekte mit dem Klimaschutz in Einklang zu bringen. Data & Location Technology unterstützt Stadtverwaltungen und Unternehmen dabei, neue Verkehrskonzepte am tatsächlichen Bedarf auszurichten und umweltschonende Ansätze zu realisieren – kurz: Mobilität effizienter und nachhaltiger zu gestalten.
tc710023
23 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität Immer mehr, immer weiter, immer schneller - lange schien das die Devise moderner Großstädte beim Thema Mobilität zu sein. Mittlerweile ist dieses Credo jedoch in vielfacher Hinsicht an seine Grenzen gelangt: Der stetig zunehmende Verkehr sorgt längst nicht mehr für schnellere Erreichbarkeit, sondern hat Einbußen an Lebensqualität und gravierende Umweltbelastungen zur Folge. Ein Umdenken ist gefragt - es kann nicht länger um ein „Mehr“ an Verkehr gehen, sondern um ein geändertes „Wie“. Wie wir uns zukünftig fortbewegen, wird einen entscheidenden Einfluss auf unsere Lebensqualität haben, insbesondere in Städten. Seit einigen Jahren hat sich daher eine neue Kenngröße etabliert, um im Personenverkehr die Transportmittelwahl bzw. im Lastenverkehr die Verteilung des Transportaufkommens auf verschiedene Verkehrsträger zu messen - der sogenannte Modal Split. Er stellt die prozentuale Verteilung des Verkehrsaufkommens differenziert nach Verkehrsmitteln dar und gibt somit die Anteile verschiedener Verkehrsträger an den insgesamt zurückgelegten Kilometern wieder. So gehört der Modal Split auch zu den wichtigsten Erfolgs-Metriken in der Mobilitätswende, um die Veränderungen in der Verkehrsmittelnutzung abzubilden. Über die Analyse des Modal Split lässt sich zudem schnell erkennen, welchen Effekt bestimmte Maßnahmen zur Lenkung des Verkehrs haben - wie zum Beispiel die Installation von Popup-Radwegen, veränderte Streckenführungen oder auch die Reduzierung von Parkplätzen. Der Modal Split als Erfolgsmesser der Mobilitätswende Da sich der Modal Split zunehmend als Gradmesser für die Lebensqualität in Städten etabliert, wird seiner Erfassung zukünftig mehr und mehr Bedeutung zukommen. Doch die Erhebung der Metrik hat noch einige Schwächen: Bislang wird sie vor allem basierend auf Verkehrszählungen oder aufwändigen individuellen Wege-Tagebüchern erstellt. Leicht unterschiedliche Methodiken machen die verschiedenen lokalen Ergebnisse schwer vergleichbar - sowohl national als auch international. Standardisierte Ansätze mit Hilfe von speziellen Smartphone-Tracking- Apps stoßen auf Akzeptanzprobleme und bringen einen höheren Aktivierungsaufwand bei Testpersonen. Hier sind neue Konzepte gefragt, um die Erhebung der relevanten Daten schneller, effizienter und vergleichbarer zu machen - sowohl national als auch international. Geodaten als Basis zukunftsweisender Verkehrskonzepte Wie sich urbane Mobilität effizienter und nachhaltiger realisieren lässt Geodaten, Mobilität, Modal Split, Sharing-Angebote, Parkraum, Verkehrswende Jens Wille Zunehmende Feinstaubbelastung, endlose Staus, zugeparkte Straßen und ein überfordertes öffentliches Verkehrsnetz - die Mobilität in unseren Städten kommt zunehmend an ihre Grenzen. Neue Konzepte sind nötig, um urbane Mobilität wirklich zukunftsfähig zu gestalten und wirtschaftliche Aspekte mit dem Klimaschutz in Einklang zu bringen. Data & Location Technology unterstützt Stadtverwaltungen und Unternehmen dabei, neue Verkehrskonzepte am tatsächlichen Bedarf auszurichten und umweltschonende Ansätze zu realisieren - kurz: Mobilität effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Bild 1: Telekom- Mitarbeiter kalibriert Parksensoren. © Ubilabs GmbH 24 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität Die Data und Location Technology Experten von Ubilabs entwickeln daher derzeit eine Lösung, die auf der (datenschutzkonformen! ) Analyse von Bewegungsdaten aus Mobiltelefonen basiert. Die Qualität der so gewonnenen Daten, welche durch die Beschleunigungssensoren der Smartphones zusätzlich um eine Kategorisierung der verwendeten Verkehrsmittel ergänzt wird, geht deutlich über andere Datenquellen hinaus. Zusätzlich zur Aufbereitung von Bewegungsdaten ist zudem die Einbeziehung weiterer Datenquellen möglich - so ließe sich zum Beispiel der Einfluss des Wetters oder die Auswirkungen neuer ÖPNV-Tarife auf die Inanspruchnahme verschiedener Verkehrsträger visualisieren. Von Verkehrsmodellierung bis zu betrieblichem Mobilitätsmanagement Die Vorteile einer zuverlässigen und langfristigen Analyse des Modal Split gehen jedoch weit über die Verkehrsplanung und Erfolgskontrolle hinaus: So geben genaue Analysen Anbietern des Öffentlichen Personennahverkehrs valide Grundlagen an die Hand, ihre Angebote besser auf den tatsächlichen Bedarf abzustimmen. Und nicht zuletzt sind Berechnungen des Modal Split auch für Großunternehmen relevant: Da sie auf verschiedenen Ebenen eine verkehrserzeugende Wirkung besitzen (Pendler-, Kunden- und Logistikverkehr), verfügen sie über eine zentrale Rolle in der Bewältigung der Verkehrswende. So haben sich in den letzten Jahren dedizierte Ansätze für ein betriebliches Mobilitätsmanagement entwickelt, um die Beschäftigten durch Incentivierung für umweltfreundlichere Verkehrsoptionen zu gewinnen. Dies ist auch für die Nachhaltigkeitsbilanz von Konzernen relevant und zahlt auf das Erreichen der Klimaziele ein. Die Berechnung des Modal Split spielt bei der Planung und Realisierung von Maßnahmen hin zu einer neuen urbanen Mobilität eine wesentliche Rolle. Das Potenzial von Data Analytics und Location Intelligence im Bereich der Mobilitätswende ist damit jedoch noch lange nicht ausgeschöpft. Interaktive Karten und digitale Dashboards helfen dabei, mit Echtzeitanalysen einen genaueren Überblick der aktuellen Verkehrs-, Emissions- oder Parkraumsituation zu gewinnen. Bezogen auf die unmittelbare Praxis von Mobilitätsanbietern und Verkehrsplanern lassen sich Dienstleistungen und Verkehrsströme mithilfe von Geodaten außerdem kosteneffizienter gestalten und nachhaltig optimieren. Einige Beispiele: Shared Mobility nach Bedarf Car-, Bike- und Scooter-Sharing- Dienste auf Abruf, genau dort, wo sie gebraucht werden: So das Ideal. In der Realität stimmen Angebot und Nachfrage jedoch oftmals nicht überein. Auch hier lässt sich mithilfe von Location Intelligence noch einiges Potenzial ausschöpfen - sowohl was die Gewinnung neuer Nutzer*innen als auch was die Steigerung der Nachhaltigkeit und Rentabilität betrifft: Hoch entwickelte Technologien leiten aus einer Vielzahl ortsbezogener Daten verlässliche Analysen und Prognosen ab und geben unter anderem Aufschluss darüber, an welchen Orten Mobilitätsangebote verfügbar sein sollten, wofür sie benötigt werden und wie sie beschaffen sein müssen. Anhand interaktiver Karten können Sharing-Anbieter detaillierte Auswertungen zur Flotten- Auslastung treffen, Hotspots und typische Verkehrsrouten erkennen und miteinander vergleichen. Sortiert nach Uhrzeit, Wochentag oder Jahreszeit: Wo wurden Mobilitätsdienste letzte Woche genutzt? An welchen Stellen bleiben Fahrzeuge zu lange stehen? Wo wird die Nachfrage nächste Woche am höchsten sein? Auf Basis dieser Informationen lassen sich nicht nur kundenfreundlichere und umweltbewusstere Lösungen entwickeln, sondern auch kosteneffizientere Prozesse einrichten. So konnte ein Floating-Anbieter dank der Analysetools von Ubilabs durch besseres Routing seine Downtimes wegen Service um mehr Bild 2: München Visualisierung Auslastung Shared Mobility. © Ubilabs GmbH 25 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität als 70 % senken und zudem seine Flotte deutlich verschlanken - weil die Fahrzeuge nun viel schneller wieder verfügbar sind. Incentivierungen und dynamische, nachfragebasierte Preismodelle sind eine gängige Praxis, um die Auslastung nachhaltiger Mobilität zu erhöhen. Weniger Verkehrsbelastung durch präzise Prognosen Der Parksuchverkehr ist in vielen städtischen Hotspots ein großes Problem. Hierdurch wird das ohnehin bereits hohe Verkehrsaufkommen noch potenziert. Autos, die in zweiter (oder sogar dritter) Reihe parken, ausweichende Lieferwagen und Busse - dies alles geht für sämtliche Verkehrsteilnehmer mit einem erhöhten Stresslevel und Unfallrisiko einher. Zugeparkte Feuerwehrzufahrten können im schlimmsten Fall Rettungseinsätze erschweren oder verzögern - die Gründe sind daher zahlreich, um im Hinblick auf die Mobilitätswende auch den stehenden Verkehr genauer unter die Lupe zu nehmen. So stattet die Deutsche Telekom seit einem Jahr Parkplätze deutscher Städte und Gemeinden mit smarten Sensoren aus, um Einsichten in die Nutzung des Parkraums erhalten. Die Geodatenexperten von Ubilabs bereiten die gewonnenen Daten zu kartenbasierten Dashboards auf, mit deren Hilfe sich die Auslastung bestimmter Parkplätze über den Tag verfolgen lässt. Sie liefern auch ein wichtiges Werkzeug für Parkraummanager, deren Einsätze nun zielgerichteter gesteuert werden können. Im nächsten Schritt sollen Analysen historischer Daten, Vorhersagen oder auch Tourenplanungen für das Parkraummanagement ergänzt werden. Letztendlich geht es darum, den Parksuchverkehr zu reduzieren, Falschparken zu verhindern und die Verteilung des städtischen Raums für alle Anwohner zu verbessern. Optimierte Routenplanung nicht nur für die E-Mobilität Die E-Mobilität leistet einen wichtigen Beitrag zur Reduzierung der Feinstaub- und Stickoxid-Belastung. Ihre Akzeptanz und Durchsetzung wird neben nachhaltigen und finanziellen auch von rein praktischen Aspekten abhängen, wie die erzielbare Reichweite und die verfügbare Ladesäuleninfrastruktur. Auch hier kann die Erhebung und Visualisierung von Standortinformationen und Bewegungsdaten einen wichtigen Beitrag leisten. So stellen sie unter anderem die Grundlage dar für eine verbrauchsorientierte Routenoptimierung oder die verlässliche Anzeige erreichbarer Ladesäulen via App. Eine optimierte Routenplanung spielt selbstverständlich nicht nur bei der E-Mobilität eine Rolle. Sie ist auch für viele Einrichtungen entscheidend, die Straßen sicherer machen. Die Auswertung von Bewegungsdaten, Echtzeit-Verkehrsinformationen und deren simultane Abgleichung mit Höhenprofilen, Wetterdaten, Veranstaltungsinformationen, etc. bietet ein valides Fundament für die optimale Auslastung von Flotten und Verkehrsverbindungen. Das erstreckt sich bis hin zur möglichst effizienten Einsatzplanung von Räumfahrzeugen oder Lieferdiensten. So können Dispatcher und Fahrer von Räumfahrzeugen durch die Visualisierung von Wetter- und Sensordaten ein sehr genaues Lagebild gewinnen und ihre Einsätze entsprechend besser planen. Als ähnlich hilfreich wird sich die konzertierte Auswertung verschiedenster Daten für Notfalleinsätze der Feuerwehr oder Polizei erweisen. Den Menschen wieder in den Vordergrund stellen Neue Mobilitätskonzepte verbessern nicht nur das Leben in der Stadt. Sie bieten den Menschen auch immer fortschrittlichere und nachhaltigere Möglichkeiten sich fortzubewegen. An der Spitze der Mobilitätswende stehen Unternehmen und Verkehrsplaner, die ihre Angebote am Puls der Zeit ausrichten und laufend optimieren. Moderne Dienstleister, die ihre Services personalisieren, weil sie ihre Kunden gut kennen und verstehen. Und sich auf Basis von ortsbezogenen Daten echte Wettbewerbsvorteile verschaffen. Gut aufbereitete Daten sind daher wertvoll - vor allem, wenn sie visuell erfahrbar und interaktiv nutzbar sind. Zum einen, weil sie verlässliche Analysen und Prognosen ermöglichen. Zum anderen, weil sie die ideale Grundlage sind, um Service und Bedarf in Einklang zu bringen und Kunden zufriedener zu machen. Daten-Insights helfen Verkehrsplanern und Unternehmen aber auch, innovativer zu werden und kosteneffizienter zu arbeiten. Ob durch Visualisierungen, interaktive Karten oder digitale Dashboards - Location Intelligence kann viel für den Erfolg der Mobilitätswende tun. Letztendlich sollte es bei allen zukunftsweisenden Konzepten darum gehen, den Menschen selbst wieder in den Vordergrund der Verkehrs- und Raumplanung zu stellen. Jens Wille Geschäftsführender Gesellschafter Ubilabs GmbH, Hamburg Kontakt: wille@ubilabs.com AUTOR