eJournals Transforming cities 7/1

Transforming cities
tc
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2022-0010
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Warum Elektromobilität und Smart Buildings im urbanen Raum zusammengehören

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Stephan Saal
Mit dem ungebrochenen Trend zu mehr Elektromobilität steigt naturgemäß auch der Bedarf an entsprechender Ladeinfrastruktur. Eine zentrale Rolle übernehmen dabei so genannte Smart Buildings. Denn die Integration von intelligenten Technologien zum Laden von Elektrofahrzeugen in das Gebäudemanagement birgt enorme Potenziale, gerade auch für die lokale und regionale Netzstabilität.
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28 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität Einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende soll die Umstellung auf Elektromobilität darstellen. Und die Zahlen der Elektrofahrzeuge steigen stetig: Im Jahr 2030 sollen allein in Deutschland rund 11,5 Mio. Elektrofahrzeuge zugelassen sein - eine Steigerung des Anteils am Gesamt-PKW-Bestand von 1,2 % im Jahr 2020 auf dann 24,4 % [1]. Diese Fahreuge brauchen für ihren Betrieb zum einen eine dezentrale Energieversorgung, die unter anderem in Form von in den Fahrzeugen verbauten Batterien (bi-direktionales Laden) bereitgestellt werden kann, und zum anderen eine leistungsfähige Ladeinfrastruktur: Wiederum bis 2030 werden wohl bis zu 843 000 öffentlich zugängliche Ladepunkte für Elektrofahrzeuge benötigt [2]. Ein großer Anteil dieser Ladepunkte wird auf das so genannte Destinations- oder Workplace- Laden entfallen und damit in Gebäuden und in deren unmittelbarem Umfeld installiert sein, zum Beispiel in Shoppingcentern, in Parkhäusern oder auf Firmengeländen. Auch dort steigen mit jedem Ladevorgang Spitzenlast und Energieverbrauch an. Herkömmliche Gebäudenetze sind jedoch nicht auf diese besonderen Anforderungen ausgelegt, zumal es sich in den häufigsten Fällen um Bestandsbauten handelt. Was das in der Praxis bedeutet, zeigt ein Beispielszenario: Werden zwanzig E-Autos (à 11- kW) gleichzeitig geladen, ergeben sich Lastspitzen von 220 Kilowatt- Peak (kWp), bei 40 Fahrzeugen Warum Elektromobilität und Smart Buildings im urbanen Raum zusammengehören Elektromobilität, Ladeinfrastruktur, Smart Buildings, Netzstabilität Stephan Saal Mit dem ungebrochenen Trend zu mehr Elektromobilität steigt naturgemäß auch der Bedarf an entsprechender Ladeinfrastruktur. Eine zentrale Rolle übernehmen dabei so genannte Smart Buildings. Denn die Integration von intelligenten Technologien zum Laden von Elektrofahrzeugen in das Gebäudemanagement birgt enorme Potenziale, gerade auch für die lokale und regionale Netzstabilität. Bild 1: Mit dem Siegeszug der Elektromobilität wird ein großer Anteil der Ladepunkte in Gebäuden und in deren unmittelbarem Umfeld installiert sein. © Siemens AG 29 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität sind es dementsprechend schon 440 kWp. Die Leistungswerte eines durchschnittlichen Gebäudelastprofils würden dabei teils um das Doppelte überschritten. Die normale Netzanschlusskapazität reicht dafür also längst nicht aus bzw. die Lastüberschreitungen würden die Nutzer überproportional viel kosten. Integration in das Gebäudemanagement Theoretisch könnte in einem solchen Fall eine Netzerweiterung Abhilfe schaffen. Diese wäre allerdings, soweit von Seiten des Netzbetreibers überhaupt umsetzbar, sehr teuer und langwierig. Eine kostengünstigere Lösung bietet ein Spitzenlastmanagement mit dem Ziel, den Stromverbrauch aktiv zu steuern, dadurch Strombezugsspitzen zu vermeiden und damit die Leistungspreise des Stromanbieters zu reduzieren. Der Nachteil: Über ein solches Modell lassen sich nur kleinere Zusatzkapazitäten sinnvoll realisieren. Bleibt als dritte und vielversprechendste Möglichkeit ein dynamisches Lastenmanagement, das intelligent regelt, wohin die verfügbare Energie jeweils fließen soll. So können dann zum Beispiel in der Tiefgarage eines Bürogebäudes nachts die E-Autos des Fahrzeugpools geladen werden. Ungenutzte Energie kann zudem in Batteriespeichern zwischengespeichert werden. Ein solches dynamisches Lastenmanagement lässt sich über ein leistungsfähiges zentrales Gebäudemanagementsystem abbilden. Eine integrierte, skalierbare und offene Gebäudemanagement-Plattform ermöglicht die Integration unterschiedlicher Technologien. So können etwa auch Photovoltaikanlagen und Batteriespeicher gezielt und situationsabhängig zur Deckung des Ladebedarfs genutzt werden. Als positiver Nebeneffekt verbessert der erhöhte Eigenverbrauch an grünem Strom die Wirtschaftlichkeit. Wenn es darum geht, unterschiedliche Nutzergruppen und Tarifmodelle zu managen sowie Ladekosten transparent weiterzuberechnen, kommt hingegen eine weitere Software ins Spiel, das sogenannte eMobility-Backend. Gebäude- und Abrechnungsmanagement können zwar miteinander verbunden werden, um Zusatzfunktionen wie ein VIP- Charging umzusetzen, sie haben aber grundsätzlich unterschiedliche Funktionen. Ladelösungen für unterschiedlichste Szenarien Doch auch hardwareseitig sind an der Schnittstelle zwischen Ladeinfrastruktur und Gebäude die richtigen Entscheidungen zu treffen. Die jeweils optimale Lösung orientiert sich dabei immer am konkreten Anwendungsfall bzw. an der Zielsetzung. Soll das Fahrzeug also zum Beispiel besonders schnell geladen werden? Wo wird die Ladesäule eingesetzt? Welche Netzkapazitäten stehen dort zur Verfügung? Oder sind besondere gestalterische Ansprüche zu erfüllen? Der Markt bietet heute ein breites Spektrum an Möglichkeiten, solche Anforderungen passgenau zu erfüllen. Die Ladegeschwindigkeit wird dabei immer vom Ladegerät (Onboard Charger) des Fahrzeugs einerseits und von der Leistung der Ladesäule andererseits bestimmt. Netzseitig herrscht dabei immer Wechselspannung (AC: Alternate Current), batterieseitig Gleichspannung (DC: Direct Current). Die Umwandlung kann entweder beim sogenannten AC- Laden im Fahrzeug oder beim DC-Laden in der Säule erfolgen, wodurch höhere Ladeleistungen möglich sind. Die Ladezeit für eine zum Beispiel 75-kW-Batterie kann damit je nach Ladetechnologie zwischen 20 Stunden und 35 Minuten variieren. Der einfachste Fall - mit der längsten Ladezeit - ist das Laden an einer normalen Haushaltsteckdose, was technisch einem 1-phasigen 16-A-Anschluss mit maximal 3,7 kW Leistung entspricht. Dies wird über längere Ladezeiträume besonders aus Brandschutzgründen allerdings nicht empfohlen. Doch schon mit einer kompakten AC-Wallbox lassen sich in der eigenen Garage oder an einzelnen Parkplätzen Bild 2: Für das echte Schnellladen sind DC-Lösungen (hier die SICHARGE D von Siemens) unverzichtbar, gerade auch im Hinblick auf weiter steigende Batterieleistungen. © Siemens AG 30 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität Ladeleistungen bis 22 kW (bei einem 3-phasigen Anschluss und 32 A Stromstärke) sowie eine Vergleichsladezeit von nur noch 3,5- Stunden (je nach Batteriegröße und Ladezustand - SOC) erreichen. Für öffentliche Bereiche und Parkplätze können auch zwei AC-Ladepunkte mit jeweils 22 kW parallel in einer attraktiv designten Ladesäule untergebracht werden. Für das echte Schnellladen sind allerdings DC-Lösungen unverzichtbar, gerade auch im Hinblick auf weiter steigende Batterieleistungen. Gleichzeitig muss es darum gehen, die verfügbaren Leistungen beim Schnellladen tatsächlich optimal auszunutzen. Möglich wird dies durch eine dynamische Leistungszuweisung (Dynamic Power Allocation), wie sie Siemens mit einer Neuentwicklung erstmals für Ladesäulen umsetzt. Dabei wird der Leistungsbedarf eines jeden angeschlossenen Fahrzeugs berücksichtigt und der Ladevorgang automatisch an die Ladeleistungsfähigkeit und den Ladezustand des Fahrzeugs angepasst. Weil dadurch gewährleistet ist, dass jede Batterie genau die Leistung erhält, die sie im Moment benötigt, ist eine maximale Ausnutzung der vorhandenen Ladekapazitäten möglich. Und noch ein Aspekt wird angesichts hoher Ladeleistungen im DC-Bereich relevant: Aus Sicht der elektromagnetischen Verträglichkeit (EMV) treffen Spannungen und Stromstärken, wie sie bisher nur im industriellen Umfeld üblich waren, heute in Innenstadtbereichen zunehmend auf potenziell störanfällige Verbrauchergeräte wie Mobiltelefone und Computer. Vor diesem Hintergrund wird klar, dass insbesondere Ladesäulen künftig viel strengere Limits erfüllen müssen als nur die bisher vorgeschriebenen Industriestandards. Siemens Ladesäulen kommen den Anforderungen der relevanten Geräteklasse B gemäß IEC- 61851 erstmals serienmäßig sogar für sehr hohe Ladeleistungen bis 300 kW nach und gewährleisten gleichzeitig auch die höhere EMV- Störfestigkeit der Klasse A. Umfassende Betrachtung von der Planung bis zum Betrieb Bei der Entwicklung entsprechender Elektromobilitätskonzepte bilden die Hard- und die Software wichtige Bausteine, aber nur zwei von vielen. Siemens verfolgt deshalb einen umfassenden Ansatz und deckt den gesamten Prozess von der ersten Planung bis zum späteren Betrieb mit entsprechenden Services und Lösungen ab. Diese ganzheitliche Herangehensweise nimmt auch den Brandschutz ernst. Die Antwort auf die komplexen Anforderungen der Elektromobilität bieten also Lösungen, die sowohl die Gebäude- und Ladeinfrastruktur schützen, als auch die Energieverteilung sowie den Ladeprozess managen. Nur so ist gewährleistet, dass sich Elektromobilität in Zukunft weiter durchsetzt und so zum Gelingen der Energiewende beitragen kann. LITERATUR [1] ht tp s : / / d e. s t a ti s t a .com / th e men/ 608/ elektromobilitaet/ [2] https: / / www.handelsblatt.com/ unternehmen/ flottenmanagement/ studie-bis-2030 -fehlenmindes tens- 4 0 0 - 0 0 0 e -auto ladepunkte/ 26639832.html Stephan Saal Portfolio Manager E-Mobilität Siemens Smart Infrastructure, Deutschland About.si.de@siemens.com AUTOR DAS TECHNISCH-WISSENSCHAFTLICHE FACHMAGAZIN WISSEN WAS MORGEN BEWEGT www.internationales-verkehrswesen.de