Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2022-0018
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Urbane Luftmobilität
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Tim Fraske
Alexandra Weissbach
Corinna Endreß
Rainer Noennig
Die Visionen zur Anwendung urbaner Luftmobilität sind vielfältig – als unterstützendes Element im Gesundheitswesen und der städtischen Logistik bis hin zur alltäglichen Nutzung im Personentransport. Neben der Gestaltung der technologischen und rechtlichen Rahmenbedingungen stellen sich hierbei grundlegende Fragen für die Stadtplanung. Wie verläuft das Zusammenspiel mit bestehenden Mobilitätsformen? Und wie können kommunale Akteure integrative und partizipative Ansätze nutzen, um einen kritischen Umgang mit Geschäftsmodellen, Nachhaltigkeit und zivilgesellschaftlicher Akzeptanz zu fördern?
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58 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Mobilität Neue Mobilitätsform, alte Herausforderungen? Die zunehmende Belastung städtischer Verkehrssysteme durch Urbanisierungsprozesse fördert die Idee neuartiger Mobilitätsformen - wie der urbanen Luftmobilität. Insbesondere die steigende Überlastung etablierter Infrastrukturen führt zu Debatten darüber, wie durch innovative Lösungen eine Entlastung der städtischen Mobilität angestrebt werden kann. Neben dem Verkehrsmanagement, Lärmemissionen und der bodengebundenen Infrastruktur [1] zählt die gesellschaftliche Akzeptanz als eines der Schlüsselelemente einer erfolgreichen Integration dieser neuen Mobilitätsform [2, 3]. Dies stellt die besondere Bedeutung für die kommunalen und planenden Akteure heraus, welche an den Schnittstellen dieser technischen und sozialen Entwicklungen für eine verträgliche Umsetzung sorgen müssen. Urbane Luftmobilität Wie sich die Städte der Zukunft auch in der Luft nachhaltig und sozialverträglich gestalten lassen Flugtaxis, Drohnen, City-Logistik, Personenverkehr, Automatisierung, Smart City Tim Fraske, Alexandra Weissbach, Corinna Endreß, Jörg Rainer Noennig Die Visionen zur Anwendung urbaner Luftmobilität sind vielfältig - als unterstützendes Element im Gesundheitswesen und der städtischen Logistik bis hin zur alltäglichen Nutzung im Personentransport. Neben der Gestaltung der technologischen und rechtlichen Rahmenbedingungen stellen sich hierbei grundlegende Fragen für die Stadtplanung. Wie verläuft das Zusammenspiel mit bestehenden Mobilitätsformen? Und wie können kommunale Akteure integrative und partizipative Ansätze nutzen, um einen kritischen Umgang mit Geschäftsmodellen, Nachhaltigkeit und zivilgesellschaftlicher Akzeptanz zu fördern? Bild 1: GRAFT VoloPort. © bloomimages Berlin GmbH 59 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Mobilität Dieser Artikel soll einen Überblick über den aktuellen Stand der Debatte und die Nutzungsfunktionen urbaner Luftmobilität geben und anhand exemplarischer Praxisbeispiele die damit verbundenen Herausforderungen für die Stadtplanung aufzeigen. Grundlegend lassen sich die vielseitigen Anwendungsszenarien von Urban Air Mobility (UAM) in zwei zentrale Funktionen untergliedern: den Transport von Gütern, Kameras oder Messgeräten durch Drohnen sowie den Personentransport durch Flugtaxis. Die Vielfalt an Nutzungskonzepten unterstreicht die Notwendigkeit einer sensiblen und kleinteiligen Betrachtungsweise für die planenden Akteure. So reichen die Ideen von kommerziellen Nutzungen wie Business-Flügen bis hin zur Einbettung in den öffentlichen Personennahverkehr. Neben der Integration in bestehende soziale und technologische Gefüge kreiert UAM zudem einen Raum zur Erprobung neuer Geschäftsmodelle. Alternative Formen des Tourismus, wie Stadtrundflüge oder „Öko”-Tourismus in ländlichen Gebieten sind hierfür nur einige Beispiele - mit offensichtlichen Ambivalenzen hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit und nachhaltigen Nutzung. Dennoch setzen auch zivile und staatliche Einrichtungen auf den zukünftigen Einsatz von Luftmobilität, so für die ambulante Unterstützung in Notfallsituationen (Bild 2) oder im Katastrophenschutz [4]). Bild 3 illustriert die zentralen Anwendungsszenarien von UAM, deren räumliche Reichweite sowie den zu erwartenden Nutzen, basierend auf einer Studie der European Union Aviation Safety Agency [3]. Der akademische Diskurs als auch konzeptionelle Ansätze stützen sich bislang stark auf den nordamerikanischen Raum sowie Metropolregionen- [5]. Mögliche Szenarien fokussieren sich so beispielsweise auf die Anwendung von UAM im Central Business District einer Stadt, um die Anbindung für Geschäftsleute zwischen zentralen Orten innerhalb der Region zu stärken. Über diese Sonderfälle hinaus gilt es, die aus planerischer und städtebaulicher Perspektive relevanten, stadtspezifischen Eigenschaften für andere Nutzungskontexte stärker in den Vordergrund zu stellen - sowohl mit Hinblick auf potenzielle Anwendungsfelder, gesellschaftliche Sensibilisierung, aber auch die praktische Einbettung im urbanen Flächenmanagement. Bild 2: Medizin-Drohne. © Lufthansa Technik/ Sonja Brüggemann Bild 3: Anwendungsszenarien und Personenanteil, die Nutzen erwarten. © Fraske et al., eigene Darstellung nach [3], erweitert. 60 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Mobilität Ziel für eine ganzheitliche Betrachtung muss es daher sein, UAM auf europäische Stadtformate anzupassen und das Potenzial für ländliche Räume sowie interregionale Anwendungen zu konzipieren [6]. Für öffentliche Akteure resultiert hieraus die Herausforderung, diesen Wandel nicht nur passiv zu begleiten, sondern proaktiv an der Gestaltung urbaner Luftmobilitätskonzepte in ihrem räumlichen Kontext zu partizipieren. Zunehmend adressieren Förderaufrufe das aufkommende Thema innovativer Luftmobilität, so auch in der „UAM-Initiative for Cities & Communities (UIC2)” der EU-Kommission. In Deutschland beteiligen sich die Modellregionen Aachen, Hamburg, Ingolstadt und Nordhessen in diesem Innovationsnetzwerk [7]. Neben der Luftraumintegration und dem Auf- und Umbau relevanter Infrastrukturen zielen die Maßnahmen auf einen engen Wissensaustausch sowie die Förderung gesellschaftlicher Akzeptanz ab - und somit der praktischen Anreizschaffung für Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Neben der gezielten Förderung von Best-Practice- Beispielen und regionalen Innovationssystemen entwickelt sich der Markt für UAM in beeindruckender Geschwindigkeit - wenngleich bisher nur wenige dieser Anbieter ihre Technologien in der Praxis erproben konnten. Neben Großunternehmen wie Boeing oder Airbus entwickelt sich ein breit aufgestellter Start-up-Markt, welcher allein 2021 bereits über 4,3- Mrd. EUR Risikokapital erschließen konnte [8]. Der deutsche Flugtaxi-Hersteller Volocopter präsentierte in Kooperation mit dem britischen Unternehmen Skyports den ersten funktionsfähigen Vertiport. Bild 4 zeigt die Start- und Landeinfrastruktur für Flugtaxis, auf dem Intelligent Transport Systems Congress in Singapur 2019. Diese Pionierleistungen sollen jedoch schon bald auf struktureller Ebene etabliert werden. So plant Paris, die ersten Flugtaxi-Routen Europas zu den Olympischen Sommerspielen 2024 in Betrieb zu nehmen. Neben der ökonomischen Euphorie für Flugtaxis sind andere Märkte für UAM bereits auf dem Boden der Tatsachen gelandet. So stellte DHL seine Entwicklung für Zustelldrohnen in der städtischen Logistik innerhalb Deutschlands ein, ohne unmittelbare Aussicht auf Folgeprojekte. Behördliche Regularien und zu hohe Kosten würden momentan eine effiziente Nutzung in der City-Logistik nicht ermöglichen [9]. Es bleibt festzuhalten, dass sich UAM trotz der aufkommenden Debatten und praktischen Initialzündungen in einer sehr frühen Phase der soziotechnischen Integration befindet. Aus planerischer Sicht entwickelt sich diese neue Mobilitätsform entlang bestehender Diskurse, wie dem der Smart City, wobei sie den bislang praktisch nicht umkämpften urbanen Luftraum als neuen Planungshorizont erschließt. Trotz des vermeintlich „unbesetzten” Raumes sind die sozialen und rechtlichen Fragestellungen nicht zu unterschätzen. Wie lässt sich die Bevölkerung für unterschiedlichen Nutzungsszenarien sensibilisieren und aktiv einbinden? Wie kann UAM effizient in bestehende Verkehrssysteme eingebettet werden? Und wie kann urbaner Luftraum aus rechtlicher Perspektive als neuer Mobilitätsraum begriffen werden? Exemplarische Herausforderungen in der Praxis Anhand von drei im Hamburger Kontext angesiedelten, aktuell laufenden Innovationsprojekten, in denen die Verfasser*innen des Artikels beteiligt sind, sollen die konkreten Herausforderungen beleuchtet werden, die sich in Forschung und Entwicklung wie auch in der praktischen Umsetzung stellen. Die Arbeitsgruppe Digital City Science der HafenCity Bild 4: GRAFT VoloPort Singapur. © Nikolay Kazakov Bild 5: Medifly-Drohne. © Airial Robotics 61 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Mobilität Universität Hamburg fokussiert sich auf die wechselseitige Verbindung und Analyse urbaner und technologischer Systeme [10]. Die Projekte geben exemplarisch einen Einblick in die Komplexität des Themas UAM - und erste Wegweisungen für potenzielle Lösungs- und Entwicklungsansätze. Medifly Das Ziel des Projektes Medifly ist die sichere Integration medizinischer Luftfrachtdienste mittels unbemannter Luftfahrzeuge (Bild 5) in den urbanen Luftraum innerhalb sowie außerhalb der Kontrollzone eines Verkehrsflughafens. Das Verbundprojekt wird geleitet von der Hamburger Behörde für Wirtschaft und Innovation. Darüber hinaus soll erarbeitet werden, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, damit aus Einzelanwendungen regulärer Verkehr entstehen kann bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der Sicherheitsbedürfnisse; und inwieweit der Einsatz von Drohnen, am Beispiel des medizinischen Sektors, sowohl einen gesellschaftlichen als auch wirtschaftlichen Mehrwert bieten kann. Ein wichtiger Aspekt hierbei ist die Einbindung der Bevölkerung. Um Drohnenverkehr zu replizieren und zu skalieren, ist die entsprechende Akzeptanz in der Bevölkerung notwendig, die durch den Ausgleich der Interessen erreicht wird. Dafür werden im Projekt eine Status-Quo-Analyse zu Beginn, eine mehrfache Befragung im Projektzeitraum sowie ein digitales Beteiligungstool eingesetzt. Im Teilvorhaben „Einbindung der Bevölkerung“ sollen zwei Fragen beantwortet werden: Wie ist die Einstellung der Bevölkerung gegenüber Drohnen/ Urban Air-Mobility? Kann die Einstellung der Bevölkerung durch eine umfassende Einbindung, im Kontext eines medizinischen Anwendungsfalls, erhöht werden? Dazu wird seit Ende 2021 eine Online-Befragung durchgeführt und die Bevölkerung zu öffentlichen Beteiligungsworkshops eingeladen, die im Frühjahr 2022 geplant sind. Hier können die Teilnehmenden sich in einer digitalen 3D-Stadtumgebung (im U_CODE der TU- Dresden) die genauen Flugrouten der Medifly- Drohnen anschauen, diese kommentieren und eigene Vorschläge zu möglichen Start- und Landeplätzen machen (Bild 6). i-LUM Das Projekt i-LUM (Innovative luftgestützte urbane Mobilität) stellt sich der Herausforderung, Flugtaxis (Bild 7) im Zusammenspiel ihrer komplexen Einzelelemente als ganzheitliches Phänomen zu begreifen. Das Verbundprojekt zwischen vier Hamburger Hochschulen sowie dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt vereint die technologische Entwicklung mit rechtlichen, nachfrageorientierten und planerischen Fragestellungen. In einer umfassenden Simulation soll die Aufgabe bewältigt werden, unterschiedliche quantitative als auch qualitative Parameter zu vereinen und somit ein denkbares Szenario für UAM in einem konkreten urbanen Umfeld zu entwickeln. Neben den stadtspezifischen Charakteristika in der Modellregion Hamburg kann durch eine flexible Anpassung der Simulationsparameter, beispielsweise der Dichte des Vertiport-Netzwerkes, eine Analyse unterschiedlicher Nachfrage- und Transportszenarien durchgespielt werden. Diese Herangehensweise soll somit Aufschluss darüber geben, welche Rolle UAM im Gesamtverkehr einer Metropolregion einnehmen kann. Aus Sicht der Stadtforschung ist hierbei besonders interessant, ob urbane Luftmobilität kritische Mobilitätsengpässe effektiv abmindern kann oder perspektivisch als eine Nische im Transportaufkommen zu betrachten ist. Zudem wird durch den kollaborativen und interdisziplinären Ansatz ein Beitrag zur theoretischen Bild 7: Visualisierung eines Flugtaxis. © Institut für Flugzeug-Produktionstechnik, Technische Universität Hamburg Bild 6: Beteiligungstool. © U_CODE TU Dresden 62 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Mobilität Grundlagenforschung und der Entwicklung geeigneter Methoden zur Analyse dieser neuen Mobilitätsform geleistet. LUV Im Verbundprojekt LUV - einer Forschungskooperation von Akteuren aus den Bereichen Wissenschaft, Wirtschaft und Verwaltung unter Leitung der Helmut-Schmidt-Universität Hamburg - werden Lösungen und Handlungsempfehlungen für die nationale Umsetzung der sogenannten U-Space-Verordnung entwickelt. Als U-Spaces werden dabei geographisch abgegrenzte Gebiete bezeichnet, in denen Betreiber von unbemannten Luftverkehrssystemen durch Inanspruchnahme von U-Space-Services neue Anwendungen in der Luftmobilität anbieten können. Mit der von der EU-Kommission im April 2021 verabschiedeten Durchführungsverordnung DVO (EU) 2021/ 664 existiert nun eine gesetzliche Grundlage und ein Rechtsrahmen, mit dem U-Space-Lufträume geschaffen werden können. Mit Erlass der Regelung sollen Mitgliedstaaten diese Durchführungsverordnung bis Januar 2023 in nationales Recht umsetzen - dabei haben die EU-Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Zuständigkeiten und Beteiligungsformen. Um die Gestaltung der Umsetzung zu unterstützen, werden in dem Anfang 2022 gestarteten Projekt LUV Handlungsempfehlungen entwickelt. Das europäische Recht fordert bei der Entscheidung, wo U-Space-Lufträume liegen, die Einbindung der relevanten Akteure. Ein Teilprojekt von LUV wird die Sachkompetenz der Kommunen im Bereich unbemannte Luftfahrt stärken, die vom U-Space maßgeblich betroffen sind und im Beteiligungsprozess daher eine relevante Position einnehmen werden. Dafür wird ein Modell für einen gemeindlichen Strategieprozess entwickelt, das Kommunen befähigen soll, im vorgesehenen Verfahren eine aktive Rolle zu spielen. Zudem wird ein Vorschlag für einen möglichen Stakeholder-Beteiligungsprozess erarbeitet. Ziel ist es, eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz und Gemeinwohlorientierung bei der Formulierung nationaler U-Spaces- Strategien zu erreichen. Die entworfenen Kommunikations- und Koordinierungsmechanismen sollen im Format von Planwerkstätten prototypisch getestet und evaluiert werden, um die gewonnenen Erkenntnisse schließlich zu Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der U-Space-Verordnung und zur Einrichtung von gesellschaftlich-akzeptierten U-Space- Lufträumen zu verdichten. Trotz der unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkte und räumlichen Anwendungsszenarien offenbaren alle Projekte verbindende Themen, welche zwangsläufig die erfolgreiche Umsetzung von UAM beeinflussen. So ist neben der offensichtlichen Nachfrage- und Verkehrsmodellierung eine kreative Einbindung der Zivilgesellschaft, wie durch den Einsatz digitaler Tools [11], zur Sensibilisierung für diese neue Nutzungsform unerlässlich. Nicht nur entsteht durch eine umfangreiche Partizipation ein grundlegendes Verständnis hinsichtlich praktischer Konfliktfelder wie Lärmemissionen, es senkt zugleich das Risiko falscher Erwartungen und eines Unsicherheitsgefühl, beispielsweise mit Hinblick auf die potenzielle „Beobachtung” der Privatsphäre. Wie bei allen Ansätzen einer effizienten Partizipation stellt sich jedoch die Herausforderung, soziale Randgruppen adäquat in diese Prozesse einzubinden. So kann es womöglich gar förderlich sein, diese neue Mobilitätsform zunächst in eher businessorientierten Geschäftsmodellen auszutesten, anstatt sie der breiten Gesellschaft zu schnell aufzudrängen. Erfahrungen aus diesen Anwendungsszenarien sollten als kritische Einblicke zur Analyse dafür genutzt werden, welcher soziale Nutzen von UAM erwartet werden kann, anstatt mit zu hohen Erwartungen in den Planungsprozess einzusteigen. Implikationen für die Stadtentwicklung Welche Erkenntnisse können Stadtplaner*innen aus dieser frühen Entwicklung von UAM ziehen? Trotz der Faszination, welche eine neue Mobilitätsform generell umgibt, gilt es, aus den zumeist punktuellen Experimenten Rückschlüsse auf ihre integrative Funktion zu ziehen. Innovative Luftmobilität dringt in einen Raum hinein, welcher bereits durch bestehende Konfliktfelder gezeichnet ist und mit der Digitalisierung, demographischem Wandel und Nachhaltigkeitstransformation immense Aufgaben zu bewältigen hat. Hier ist eine umfassende Einbindung der Bevölkerung ausschlaggebend, um die Akzeptanz für neue Mobilitätsformen zu fördern. Ein Beteiligungskonzept, wie der Einsatz digitaler Plattformen in Medifly, ist aus diesem Grund in vielen Projekten integriert. Negativerfahrungen, wie der bislang erfolglose Versuch, Drohnen in der City- Logistik zu nutzen, sind ein Fingerzeig für den sensiblen Umgang mit Erwartungen und Nachfrage für UAM. Fehlende soziale Integration und Gerechtigkeitsfragen stellen Luftmobilitätskonzepte vor die Gefahr, bestehende Formen sozialer Segregation, wie durch elitäre Geschäftsmodelle oder die fehlende Anbindung peripherer Räume, zu befördern. Diese Probleme können nur durch eine Verbindung der sozialen und technologischen Dimension von Drohnen und Flugtaxis gelöst werden. Wie eine interdisziplinäre Betrachtung von UAM gelingen kann, 63 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Mobilität soll am Beispiel Hamburg im Rahmen des i-LUM Projektes beantwortet werden. Zudem stellt sowohl der Energiebedarf im Betrieb als auch die Entstehung globaler Produktionsketten für die notwendigen Technologien nicht zu unterschätzende Ressourcenanforderungen an das Gesamtsystem. Ein maßvoller Umgang mit potenziellen Anwendungsszenarien, welcher den generellen Stadtentwicklungszielen nicht entgegenwirkt, ist daher notwendig. Oftmals verharren Fördermaßnahmen und „Top-down“-initiierte Pilotprojekte zu sehr in einem temporären und experimentellen Gedanken, anstatt die langfristigen und umfassenden Ziele für die Stadtentwicklung zu betonen [12]. Um dieses Phänomen näher zu untersuchen, werden nicht nur Bürger*innen, sondern auch Verwaltungen zur Beteiligung im LUV-Projekt eingeladen. Dennoch eröffnet UAM zugleich spannende und vielversprechende Qualitäten für die Stadt von morgen: Beschleunigte Abläufe in der medizinischen Versorgung, die Entlastung des bodengebundenen Verkehrs sowie neue Erreichbarkeiten im urbanen Raum können aktuelle Defizite im Transport mindern. Als neue Mobilitätsform sollte UAM als ein akzeptiertes Element einer pluralen Mobilität gedacht werden, welches neben einer zweckorientierten Nutzung auch breite Bevölkerungsteile anspricht. LITERATUR [1] Vascik, P. D., Hansman, R. J., Dunn, N.: Analysis of urban air mobility operational constraints. Journal of Air Transportation, 26 (4), (2018) S. 133 - 146. [2] Straubinger, A., Rothfeld, R., Shamiyeh, M., Büchter, K.-D., Kaiser, J., Plötner, K. O.: An overview of current research and developments in urban air mobility - Setting the scene for UAM introduction. Journal of Air Transport Management, 87, (2020). [3] European Union Aviation Safety Agency: Study on the societal acceptance of urban Air Mobility in Europe, 2021. [4] Lu, M., Liao, X., Yue, H., Huang, Y., Ye, H., Xu, C., Huang, S.: Optimizing distribution of droneports for emergency monitoring of flood disasters in China. Journal of Flood Risk Management, 13 (1), (2020). [5] Sun, X., Wandelt, S., Husemann, M., Stumpf, E.: Operational Considerations regarding On-Demand Air Mobility: A Literature Review and Research Challenges. Journal of Advanced Transportation, 2021. [6] Ploetner, K. O., Al, Haddad, C., Antoniou, C., Frank, F., Fu, M., Kabel, S., Llorca, C., Moeckel, R., Moreno, A. T., Pukhova, A., Rothfeld, R., Shamiyeh, M., Straubinger, A., Wagner, H., Zhang, Q.: Long-term application potential of urban air mobility complementing public transport: an upper Bavaria example. CEAS Aeronautical Journal, 11, (2020) S. 991 - 1007. Tim Fraske, M.Sc. Geograph Mitarbeiter im Projekt i-LUM HafenCity Universität Hamburg Kontakt: tim.fraske@hcu-hamburg.de Alexandra Weissbach, M.Sc. Stadtplanerin Mitarbeiterin im Projekt Medifly HafenCity Universität Hamburg Kontakt: alexandra.weissbach@hcu-hamburg.de Corinna Endreß, B.A. Soziologin Mitarbeiterin im Projekt Medifly HafenCity Universität Hamburg Kontakt: corinna.endress@hcu-hamburg.de Prof. Dr.-Ing. Jörg Rainer Noennig Architekt Professur für Digital City Science HafenCity Universität Hamburg Kontakt: joerg.noennig@hcu-hamburg.de AUTOR*INNEN [7] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur: Memorandum für smarte Städte und Regionen zwischen den deutschen Modellstädten und -regionen für Urban Air Mobility - Stadt Aachen, Freie und Hansestadt Hamburg, Stadt Ingolstadt und Region Nordhessen - sowie dem Bundesministerium für Verkehr und Digitale Infrastruktur (BMVI), 2021. [8] Financial Times: Investors pledge a record $ 4.3bn for air taxi start-ups. Online-Artikel vom 24.08.2021. [9] Tagesschau: DHL stellt Entwicklung ein. Paketdrohnen bleiben ein ferner Traum. Online-Artikel vom 09.08.2021. [10] Schwegmann, R., Ziemer, G., Noennig, J. R.: Digital City Science. Researching New Technologies in Urban Environments. Perspectives in Metropolitan Research 6. Jovis Verlag, 2021. [11] Baeza, J. L., Sievert, J. L., Landwehr, A., Luft, J., Preuner, P., Bruns-Berentelg, J., Noyman, A., Noennig, J. R.: City- Scope Platform for Real-Time Analysis and Decision- Support in Urban Design Competitions. International Journal of E-Planning Research (IJEPR), 10 (4), (2021) S. 121 - 137. [12] Lange, K., Knieling, J.: EU smart city lighthouse projects between top-down strategies and local legitimation: The case of Hamburg. Urban Planning, 5 (1), (2020) S. 107 - 115.
