eJournals Transforming cities 7/1

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2022-0020
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Urbane Logistik: Eine interdisziplinäre Aufgabe

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Mario Flammann
Philipp Hölderich
Pascal Wolff
Neben der leistungsfähigen und stadtverträglichen Abwicklung des Personenverkehrs muss künftig auch das Wachstum innerstädtischer Waren- und Wirtschaftsverkehre deutlich stärker in der Stadtentwicklung eingeplant werden. Hier sind vor allem Konzepte zu entwickeln, die die Wechselwirkungen zwischen Logistiksektor, Stadt- und Verkehrsplanung in urbanen Stadtquartieren stärker berücksichtigen. Eine Vielzahl innovativer Lösungsansätze für eine effizientere und stadtverträgliche (Waren-)Verkehrsabwicklung wird aktuell erprobt – sie bieten die Chance, Stadt und Logistik neu zu denken.
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68 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Mobilität Urbane Logistik: Eine interdisziplinäre Aufgabe Integriert gedachte Logistikansätze für urbane Stadtquartiere Mikro-Hub, Multi-/ Mixed-Use, letzte Meile, Quartierslogistik, Urbanes Gebiet Mario Flammann, Philipp Hölderich, Pascal Wolff Neben der leistungsfähigen und stadtverträglichen Abwicklung des Personenverkehrs muss künftig auch das Wachstum innerstädtischer Waren- und Wirtschaftsverkehre deutlich stärker in der Stadtentwicklung eingeplant werden. Hier sind vor allem Konzepte zu entwickeln, die die Wechselwirkungen zwischen Logistiksektor, Stadt- und Verkehrsplanung in urbanen Stadtquartieren stärker berücksichtigen. Eine Vielzahl innovativer Lösungsansätze für eine effizientere und stadtverträgliche (Waren-)Verkehrsabwicklung wird aktuell erprobt - sie bieten die Chance, Stadt und Logistik neu zu denken. © Manuel Alvarez auf Pixabay Aktuelle Entwicklungen und Handlungserfordernis Das anhaltende Wachstum der Städte und der Trend zur Nachverdichtung, der gesellschaftliche und demografische Wandel, Digitalisierung sowie Umweltbelastungen und Klimaschutz sind grundsätzliche Herausforderungen, mit denen sich die Stadt- und Verkehrsplanung seit Jahren konfrontiert sieht. Dabei steigen die Anforderungen an die Verkehrsinfrastruktur rapide an. Zugleich gewinnen hochwertig nutzbare öffentliche Stadträume nicht erst seit der Covid-19-Pandemie an Bedeutung. Insbesondere in den stark verdichteten Stadtquartieren werden die daraus resultierenden Flächenkonkurrenzen und Nutzungskonflikte zunehmend sichtbar. Zugleich erschweren Verfügbarkeiten und Bodenpreise die Umsetzung geeigneter Logistiklösungen. Neben den Konflikten der klassischen Verkehrsträger im Personenverkehr (Fußverkehr, Radverkehr, öffentlicher Personennahverkehr und motorisierter Individualverkehr) hat seit eh und je der Straßengüterverkehr besondere Ansprüche an Verkehrsinfrastruktur und Flächen (Umschlagplätze) gestellt. In den urbanen Räumen konkurriert ein Teil dieses Güterverkehrs verstärkt um Flächen, die nicht per se gewerblichen Nutzungen vorbehalten sind. Trotz des großen Anteils der Business-to-Business (B2B) dominierten Konsumgüterlogistik im Wirtschaftsverkehr in Deutschland mit einem Transportaufkommen von 360 Mio. Tonnen gegenüber 69 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Mobilität dem Stückgutverkehr mit 90 Mio. Tonnen und der KEP-Branche (Kurier-, Paket- und Expressbranche) mit 25 Mio. Tonnen (Stand: 2018) zeigt sich dieser Trend insbesondere durch die Zunahme im B2C- Segment (Business-to-Consumer) [1]. Vor allem die Zunahme des Online-Handels hat den Güterverkehr in den vergangenen Jahren auch abseits von Hauptverkehrsstraßen und klassischen Umschlagplätzen im Stadtbild immer deutlicher sichtbar gemacht. Das signifikante Wachstum im deutschen Markt mit etwa 1,7 Mrd. Sendungen im Jahr 2000, gut 2,3 Mrd. Sendungen im Jahr 2010 und gut 4 Mrd. Sendungen im Jahr 2020 ist ungebrochen. Die Covid-19-Pandemie wirkt dabei als Trendbeschleuniger mit einem sprunghaften Anstieg um 400 Mio. Sendungen allein im Jahr 2020 gegenüber 2019 [2]. Immer kürzere Bestell- und Lieferzyklen mit „Same-Day-“ und „Instant-Delivery“-Services bei gleichzeitiger Zunahme anspruchsvoller Warengruppen und individuellere Kundenansprüche können dazu führen, dass sich das Sendungsaufkommen bis Ende des Jahrzehnts nochmals mehr als verdoppeln wird [3]. Die starke Präsenz insbesondere der KEP-Dienste im Stadtbild und die erwartete weitere Zunahme zeigen sich auch im Fahrzeugbestand. Auch bedingt durch geringere Transportvolumina der einzelnen Fahrzeuge liegen KEP-Dienste hier mit etwa 130 000 Fahrzeugen bereits deutlich vor dem Stückgutverkehr (etwa 70 000) und hinter der Konsumgüterlogistik (gut 210 000 Fahrzeugen) - allerdings weit weniger deutlich als in der Betrachtung der Gütermenge (Deutschland Stand: 2018) [1]. Dynamik und Prognosen der Stadt- und Mobilitätsentwicklung verdeutlichen die Notwendigkeit einer flächensparsamen und effizienten Organisation der Paketzustellung. Ihre stadtverträgliche Realisierung muss wichtiges Ziel in der Entwicklung urbaner Quartiere sein. Dafür müssen urbane, funktional wie räumlich anspruchsvolle, kompakte Logistiklösungen gesucht werden, die in gleichem Maße für den öffentlichen Stadtraum und das Quartier einen Mehrwert schaffen. Gerade bei starker urbaner Verdichtung ist eine integrierte und effiziente Abwicklung aller Mobilitätsaspekte erforderlich, um den hohen Ansprüchen an Lebensqualität durch die Förderung von Aufenthaltsqualität und Verkehrssicherheit gerecht werden zu können. Lösungsansätze - Mikro-Hubs als Dreh- und Angelpunkt der Quartierslogistik Das Spektrum an denkbaren urbanen Logistiklösungen muss dabei bewusst breit gedacht werden - innovative Pilotprojekte umfassen gleichermaßen Straßenraum, Immobilienplanung wie Organisationsstrukturen - das zeigen aktuelle Studien [4]. Im Fokus stehen dabei einerseits Überlegungen zu organisatorischen Maßnahmen (zum Beispiel: Quartierslogistikmanagement, sensorgestütztes Lieferzonenmanagement) und weitere Optionen im Ablauf der Endzustellung bzw. Übergabe der Ware (zum Beispiel: private Paketempfangsanlagen, öffentliche Quartiersboxen), die stark durch eine Optimierung der Logistikprozesse und damit verbundener Kostenreduktion getrieben sind; andererseits vor allem der urbane Transport und der dafür notwendige Warenumschlag. Einige Städte erproben in diesem Zusammenhang im Sinne der Verkehrsvermeidung, -verlagerung und verträglichen Abwicklung (umweltverträglich, sicher, leise usw.) der Verkehre zunehmend den Umgang mit Mikro-Hubs. Aktuell sind das nahezu ausschließlich Großstädte mit hohem Sendungsaufkommen in den Innenstädten und Stadtteilzentren. Die Mikro-Hubs stellen im Gegensatz zu großen regionalen Verteilzentren ein meist innerstädtisch gelegenes und verhältnismäßig kleines Zwischendepot dar, von dem aus die kundennahe Endzustellung stattfindet. Die Feindistribution auf der „letzten Meile“ hin zum Endkunden findet von dort aus stadtverträglich und ressourcenschonend zu Fuß (mit Unterstützung durch verschiedene Transportvehikel), mit dem (E-)Lastenfahrrad oder E-Kleinstfahrzeugen wie beispielsweise speziellen E-Scootern oder Elektrodreirädern statt. Neben den aktuellen Möglichkeiten der Endzustellung sind künftig auch Bild 1: Transportmenge und Fahrzeugbestand je Segment. © Planersocietät Bild 2: Entwicklung Sendungsaufkommen KEP-Dienste. © Planersocietät 70 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Mobilität automatisierte Paketzustellungen durch autonome Fahrzeuge bzw. selbstfahrende Paketroboter denkbar, sobald technologische Hürden überwunden und ein konfliktfreies und sicheres Verkehrsgeschehen sichergestellt werden kann. Hierzu laufen Pilot- und Forschungsprojekte derzeit vornehmlich auf Privatgrundstücken oder im Ausland (Beispiel: Posten Norge: Norwegen 2018). Während die Feindistribution auf der „letzten Meile“ immer vielfältiger wird und gemeinsam mit dem eigentlichen Warenumschlag gedacht wird, ist die Anlieferung des Mikro-Hubs - also die „vorletzte Meile“ - von einem zentralen Depot oder einem regionalen Verteilzentrum meist nicht Gegenstand der Betrachtungen und wird klassisch per LKW oder mit einem Transporter im Nahverkehr gewährleistet. Aber auch hier existieren aktuelle Trends und visionäre Ansätze: Sowohl eine zeitliche als auch eine räumliche Verlagerung der Wirtschaftsverkehre wird hier geprüft, um Störungen zu minimieren. So werden beispielsweise Projekte zu geräuscharmer Belieferung in Randzeiten erprobt (Beispiel: GeNaLog: Köln 2017). Auch mit der Einbindung etwa von Straßenbahnen (Beispiel: Logistiktram: Frankfurt 2020) oder der Verlagerung auf eigenständige unterirdische Warentransportsysteme (Beispiel: Smart-City-Loop: Hamburg 2021) wird experimentiert und geforscht. Dabei gilt es, Vor- und Nachteile, die sich durch die Mehrfachnutzung bestehender bzw. den Aufbau spezifischer Infrastrukturen hinsichtlich Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit ergeben, sorgfältig abzuwägen. Soll eine stadtverträgliche Optimierung der Warentransporte im urbanen Raum gelingen, sind in diesem Zusammenhang nicht nur verkehrsbezogene Fragen des Zu- und Abverkehrs eines Mikro- Hubs zu beantworten, sondern die städtebauliche Integration und flächensparende Gestaltung eines solchen „Mikro-Umschlagplatzes“ insgesamt mitzudenken. Inzwischen existieren verschiedene Ansätze und Ideen, einen oder zumeist mehrere Mikro-Hubs in urbanen Räumen zu etablieren. Erste Erfahrungen wurden in der Praxis vornehmlich mit (temporären) Single-User Mikro-Hubs gesammelt (Beispiel: UPS Hamburg Modell: Hamburg 2015). Das sind Umschlagspunkte, die lediglich durch einen Dienstleister/ Nutzer in Anspruch genommen werden. Die Möglichkeit des Warenumschlags bzw. die zur Verfügung stehende Fläche und übrige Infrastruktur (Beispiel: E-Lademöglichkeiten) wird also von nur einem Akteur als Baustein der Lieferkette genutzt. Da bei jedem weiteren Nutzer Skaleneffekte für die notwendigen Flächen für diese Umschlagspunkte (vor allem die Zu- und Abfahrten, Rangierflächen) und ergänzende Infrastrukturen auftreten, können in einer gemeinsamen Nutzung Flächen- und Kostenvorteile (etwa anfallende Nebenkosten oder auch notwendige sanitäre Anlagen) liegen. Diese Vorteile entstehen insbesondere bei Nutzung geeigneter zentrumsnaher Immobilien und Flächen, die angesichts der hohen Miet- und Nebenkosten in der Regel für einen einzelnen Nutzer nicht effizient bewirtschaftet werden können. Als eine konsequente Weiterentwicklung der Single-User Mikro-Hubs sind demnach die (temporären) Multi-User Mikro-Hubs zu verstehen (Beispiel: KoMoDo und Te-Damm: Berlin 2018 und 2020). Neben der kooperativen Nutzung durch die großen national und international tätigen KEP-Dienstleister ist auch eine „Beimischung“ von etablierten lokalen Händlern oder weiteren Akteuren möglich. Eine Bild 3: Single-User Mikro- Hubs - temporäre Pilotphasen der Innenstadtlogistik. © pesch partner Bild 4: Multi-User Mikro-Hubs - kooperative Nutzungsperspektiven. © pesch partner 71 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Mobilität stadtraumgestalterische Einbindung dieser, wenn auch teilweise nur temporär genutzten Flächen ist für deren Akzeptanz von besonderer Bedeutung. Der erforderliche Flächenbedarf hängt dabei von der Anzahl der Dienstleister und der potenziellen Empfänger im Einzugsbereich des Mikro-Hubs ab. Die Vorteile einer effizienteren räumlichen Nutzung stehen hierbei den individuellen Nachteilen einer Anpassung und Harmonisierung der Betriebsabläufe der Nutzenden gegenüber. Der am stärksten kooperativ angelegte Ansatz des Mikro-Hubs ist die Verknüpfung mit einer White-Label-Belieferung (Beispiel: Velocarrier: mehrere Städte seit 2017), bei der eine gebündelte Zustellung vom Mikro-Hub auf der letzten Meile durch einen neutralen Transportdienstleister erfolgt. Hoher Konkurrenzdruck in der KEP-Branche mit jeweils eigenen optimierten Logistiksystemen erschwert jedoch oftmals die Zusammenarbeit und die Bereitschaft, Infrastrukturen gemeinsam zu nutzen. Mit dem Ziel einer minimalen Verkehrsbelastung im Quartier kann eine solche Bündelung aus Sicht der Kommunen jedoch wünschenswert sein. Die Ausweisung größerer Neubauflächen für Logistik in urbanen Quartieren wird nur in seltenen Fällen gelingen, stehen sie doch in direkter Konkurrenz zu weiteren innenstadtrelevanten Nutzungsarten wie Wohnen, Büro und Handel; zudem bestehen bei solchen Flächen hohe Miet- und Preiserwartungen. So liegt es nahe, dass nicht nur Akteure aus der Logistik-Branche verstärkt eine kooperative Gebäude- oder Flächennutzung in den Blick nehmen und effiziente nutzungsgemischte Lösungen im Bestand gesucht werden. Hier bietet der Ansatz der Multi- oder Mixed-Use-Immobilien und -Flächen neue Chancen für eine nachhaltige urbane Logistik. Durch die Kombination unterschiedlicher Nutzungen kann einerseits die Kostenstruktur der Mikro-Hubs verbessert werden, zugleich bieten neue Nutzungsnachbarschaften Möglichkeiten für Angebotserweiterungen und Synergieeffekte. Pilot- und Forschungsprojekte untersuchen die funktionalen und ökonomischen Vor- und Nachteile von Mehrfachnutzungen (Beispiel: Parkup, evopark/ Velocarrier/ Fraunhofer IAO, Stuttgart 2017). Sie zeigen auf, dass von erweiterten kundenorientierten Serviceangeboten und integrierten Geschäftsmodellen nicht allein die Logistikdienstleister, sondern das Quartiersumfeld insgesamt profitieren kann (Beispiel: Logistik Concierge Wien 2018). Eine Kooperation der Logistiker ist darüber hinaus auch mit dem bestehenden Einzelhandel (Beispiel: RealLab Hamburg: Hamburg 2021) oder in Kombination mit Mobility-Hubs möglich. Multi-Use-Ansätze bieten vor allem Chancen für die Etablierung neuer urbaner Bausteine, in denen Logistikprozesse stadtverträglich integriert werden können. Einer lebendigen Erdgeschosszone kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Sie sollte, auch bei komplexen funktionalen Anforderungen an einen leistungsfähigen Güterumschlag, sorgfältig gestaltet und wo möglich mit attraktiven Nutzungen belegt werden, um Stadtraum und Nachbarschaft qualitativ aufzuwerten. Unter Berücksichtigung erforderlicher Einfahrtshöhen, Wenderadien, Flächenbedarfe und Gewichtslimits bieten insbesondere Parkhäuser und Tiefgaragen in Innenstadtnähe oder Quartiersgaragen Möglichkeiten für die Integration dieser kooperativen Konzepte. Auch bestehender Bild 5: Mixed-Use- Immobilien - neue Chancen für integrierte urbane Logistikbausteine. © pesch partner Leerstand im Erdgeschoss etwa durch ungenutzte Ladenlokale kann Potenzial für eine integrierte Logistikfläche bieten und so wiederbelebt werden. Die „Renaissance der Quartiersgaragen“, die nicht zuletzt aus Wirtschaftlichkeits- und Nachhaltigkeitsgesichtspunkten in aktuellen Quartiersentwicklungen verstärkt an Bedeutung gewinnen, bietet hier Chancen, Mobilitäts- und Logistikbedarfe mit ergänzenden Versorgungsinfrastrukturen für das Stadtquartier zu bündeln. Im besten Fall kristallisieren sich hier neue lebendige Begegnungsorte mit einem stadtteilrelevanten Versorgungsangebot (Paketstation, Nahversorgung, Quartierswerkstatt etc.) heraus. Die Gestaltpotenziale dieser neuen urbanen Logistikbausteine sind heute bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Umso mehr sollten sich Planer aufgefordert fühlen, die funktionalen und gestalterischen Chancen interdisziplinär auszuloten und überzeugende Bilder für deren stadtverträgliche Integration zu entwickeln. 72 1 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Urbane Mobilität Interdisziplinäre Kooperation in der Gestaltung urbaner Quartiere Die genannten Ansätze sind in erster Linie eine Reaktion auf die geschilderten Entwicklungen im urbanen Waren- und Wirtschaftsverkehr und zugleich wichtige Bausteine der künftigen Auseinandersetzung mit urbaner Logistik im Bestand. Um nicht durch die dynamische Entwicklung überrollt zu werden, wird es für die Kommunen entscheidend sein, diese Logistikbedürfnisse frühzeitig proaktiv mitzudenken, sie als wichtiges Handlungsfeld in alle relevanten Planungs- und Steuerungsprozesse zu integrieren und so die Möglichkeiten der konzeptionellen Steuerung bestmöglich zu nutzen [5]. Für eine ganzheitliche Betrachtung stadtverträglicher Lieferstrukturen können standortbezogene Mobilitätskonzepte, integrierte Stadtentwicklungskonzepte und Quartiersplanungen einen wichtigen konzeptionellen Rahmen schaffen. Nur so wird gleichermaßen Mehrwert für logistische Ver- und Entsorgung wie für Lebens- und Aufenthaltsqualität in Stadtraum und Quartier zu gestalten sein. Insbesondere bei Quartiersneuentwicklungen machen es die aktuellen Trends im Warenverkehr erforderlich, sorgfältig auszuloten, welche Maßnahmen für die logistischen Anforderungen aus dem Quartier sowie den umgebenden Stadtvierteln umgesetzt werden können. Dabei bedarf es nicht nur einzelner Lösungen, sondern vielmehr eines breiten Maßnahmenspektrums: Neben der stadtraumverträglichen Integration geeigneter Mikro-Hubs müssen die neuen Anforderungen auch mit Flächenumverteilung und Neugestaltungen im Straßenraum einhergehen, sollen Güterströme verstärkt gebündelt und auf alternative Transportmittel umgeschlagen werden. Auch kann zentralen Orten wie den Haltepunkten des öffentlichen Verkehrs eine größere Bedeutung bei der Abwicklung von Lieferketten und Paketempfang zukommen. Darüber hinaus sind Organisations- und Managementstrukturen sowie Steuerungsinstrumente einzubeziehen und für die ortsspezifischen Bedarfe zu konkretisieren. Dabei ist darauf zu achten, dass urbane Logistikansätze der Dienstleister weniger miteinander konkurrieren, als dass an möglichst vielen gemeinsamen Lösungen gearbeitet wird. Mit der Novellierung der Baunutzungsverordnung 2017 und der neuen Gebietskategorie „Urbanes Gebiet“ werden künftig im Sinne der „Stadt der kurzen Wege“ verstärkt gemischte Quartiere und Stadtteile mit hoher Nutzungsdichte entstehen können - eine Chance, um die Perspektiven von Innenstadtlogistik und Stadtplanung zusammenzuführen und auch baurechtlich Grundlagen für neue Nutzungsmischungen vorzubereiten. Hier kann der Mixed-Use-Ansatz nicht nur eine Antwort auf den Mangel geeigneter Immobilien und Flächen sein, sondern ein bewusster Steuerungsansatz, um Logistikbedürfnisse und Stadtraumqualitäten in Einklang zu bringen. Die Gestaltung guter integrierter Lösungen setzt dabei von allen Akteuren - aus Wissenschaft, Wirtschaft, Stadt- und Verkehrsplanung sowie Politik - ein hohes Maß an Engagement und Offenheit voraus. Die Bereitschaft zur interdisziplinären Zusammenarbeit vorausgesetzt, kann so eine nachhaltige wie attraktive Logistik im urbanen Raum gelingen. LITERATUR [1] KE Consult & Prognos: Marktanalyse urbane Wirtschaftsverkehre in Deutschland, 2019. [2] BIEK: Presseinformation 07/ 2021; BIEK 2020: KEP- Studie 2020 - Analyse des Marktes in Deutschland, 2021. [3] Lierow, M., Wisotzky, D.: Letzte Meile macht E-Food zu schaffen. Lebensmittelzeitung 22 (2019) S. 34. [4] Industrie- und Handelskammer Region Stuttgart (Hrsg.): Hölderich, P., Weiß, M., Wolff, P., Rüdiger, D., Jarmer, J.-P., Flammann, M., Micchiche, G.: City-Logistik neu gedacht - Impulse für das Stuttgarter Rosensteinviertel, 2020. [5] Planersocietät (Hrsg.): Wolff, P., Frehn, M., Weiß, M., Redicker, L., Baniseth, R., Becker, N.: Urbane Logistik in der Stadt und Verkehrsplanung, 2021. • Alle Abbildungen in Anlehnung und Weiterentwicklung an die Impulsstudie „City-Logistik neu gedacht“ [4]. Dipl.-Ing. Mario Flammann Architekt und Stadtplaner Geschäftsführender Gesellschafter pesch partner architekten stadtplaner GmbH Stuttgart/ Dortmund Kontakt: Flammann@pesch-partner.de Philipp Hölderich, M.Sc. Stadt- und Verkehrsplaner Team- und Standortleiter Planersocietät in Karlsruhe Kontakt: hoelderich@planersocietaet.de Pascal Wolff, M.Sc. Geograph und Raumplaner Projektleiter Planersocietät in Dortmund Kontakt: wolff@planersocietaet.de AUTOREN