Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2022-0034
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Vorausschauende Daseinsvorsorgeplanung
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Oliver Rottmann
Thomas Beukert
Während in der Daseinsvorsorge in den vergangenen Jahrzehnten vor allem Fragen im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung sowie der Privatisierung und Rekommunalisierung öffentlicher Leistungen (Gesellschafterstrukturveränderung, Aufgabenverzicht etc.) diskutiert wurden, stehen gegenwärtig zunehmend Entwicklungen im Kontext der Digitalisierung, von „Smart City“ oder der Energie- bzw. Mobilitätswende im Fokus. Neben den mit dem Klimawandel verbundenen Herausforderungen nimmt dabei vor allem die digitale Transformation eine besonders prägende Rolle für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik ein. Da sich diese mehr oder weniger auf alle Lebensbereiche auswirkt, werden davon auch die „klassischen“ Aufgabenbereiche der Daseinsvorsorge berührt. Gleichzeitig ergeben sich unter dem Begriff der „digitalen Daseinsvorsorge“ auch neue Aufgabenfelder im Rahmen der kommunalen Leistungserbringung.
tc720026
26 2 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stresstest für Städte Mit Blick auf die vielfältigen demografischen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Entwicklungs- und Veränderungsprozesse steigen auch die Herausforderungen im Hinblick auf eine zukunftsfähige und qualitativ hochwertige Daseinsvorsorge. Dies gilt sowohl unter Planungsals auch Finanzierungsbedarfen. Ein wesentlicher Aspekt ist dabei zunächst das möglichst frühzeitige Erkennen der aus den verschiedenen sozio-ökonomischen Transformationsprozessen resultierenden Entwicklungen sowie der damit verbundenen Chancen und Risiken. Daher gewinnen, im Sinne einer nachhaltig-digitalen Entwicklung der Daseinsvorsorge, auch Instrumente der Raumbeobachtung sowie der strategischen Planung zunehmend an Bedeutung, wobei unter anderem auch die im Zuge der Digitalisierung wachsenden Datenbestände genutzt werden können. Im Rahmen einer solchen vorausschauenden und vorsorgenden Daseinsvorsorgeplanung stellen sich zahlreiche Fragen, wie beispielsweise nach der Bedeutung einer derartigen Planung im Hinblick auf eine nachhaltige und digitale Transformation der Daseinsvorsorge. Zudem, welche Ansatzpunkte sich vor diesem Hintergrund für konkrete Instrumente, Prozesse und Formate der Früherkennung und der strategischen Planung ergeben oder inwiefern derartige Instrumente und Ansätze in die bestehenden Strukturen, Planungs- und Entscheidungsprozesse auf kommunaler bzw. regionaler Ebene integriert werden können. Bedeutung und Potenzial strategischer und vorausschauender Daseinsvorsorge Auf die Entwicklung der Daseinsvorsorge wirken zahlreiche (Makro-)Trends. Hier ist die demographische Entwicklung zu nennen, mit ihren Kernen „Alterung“ und „Schrumpfung“, mit jeweilig substanziellen Herausforderungen auch für die Leistungserbringung und das Angebot in der Daseinsvorsorge. Weiterhin wirken Themen des Klimawandels/ der Dekarbonisierung, in Form von Energiewende und Mobilitätswende, aber auch die Anforderungen und Facetten der Digitalisierung auf die Daseinsvorsorge. So führen die Trends, insbesondere jener der Digitalisierung, dazu, dass Leistungen der Daseinsvorsorge nicht mehr nur sektoral, sondern häufig auch sektorübergreifend gedacht werden müssen. Im technischen Sinne lässt sich beispielhaft die Sektorenkopplung anführen. All diese Trends weisen Implikationen für die Erbringung der Daseinsvorsorge auf. Ferner bildet auch die Finanzsituation der öffentlichen Haushalte einen zentralen Aspekt im Rahmen der Daseinsvorsorge, insbesondere auch auf der kommunalen Ebene. Die kommunale Finanzausstattung ist häufig unzureichend (unzureichende Steuerbasis, Verschuldung, hoher Aufgabenkatalog), so dass sich seit langem die Frage stellt, wie sich die kommunale Finanzlage nachhaltig stärken lässt, damit die Kommunen ihren umfangreichen Aufgaben für die Bürger nachkommen können, nicht zuletzt in der Daseinsvorsorge. Die strukturell ange- Vorausschauende Daseinsvorsorgeplanung Digitale Daseinsvorsorge, Daseinsvorsorgeplanung, Raumbeobachtung, Makrotrends, kommunale Finanzlage, Foresight-Methoden Oliver Rottmann, Thomas Beukert Während in der Daseinsvorsorge in den vergangenen Jahrzehnten vor allem Fragen im Zusammenhang mit der demografischen Entwicklung sowie der Privatisierung und Rekommunalisierung öffentlicher Leistungen (Gesellschafterstrukturveränderung, Aufgabenverzicht etc.) diskutiert wurden, stehen gegenwärtig zunehmend Entwicklungen im Kontext der Digitalisierung, von „Smart City“ oder der Energiebzw. Mobilitätswende im Fokus. Neben den mit dem Klimawandel verbundenen Herausforderungen nimmt dabei vor allem die digitale Transformation eine besonders prägende Rolle für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik ein. Da sich diese mehr oder weniger auf alle Lebensbereiche auswirkt, werden davon auch die „klassischen“ Aufgabenbereiche der Daseinsvorsorge berührt. Gleichzeitig ergeben sich unter dem Begriff der „digitalen Daseinsvorsorge“ auch neue Aufgabenfelder im Rahmen der kommunalen Leistungserbringung. 27 2 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stresstest für Städte spannte fiskalische Lage lässt sich nachhaltig auch kaum mit Bundes- und Landesförderprogrammen lösen, sondern wirft auch Fragen der Steuerverteilung zwischen den föderalen Ebenen auf [1], die allerdings nicht Gegenstand dieses Beitrages sind. Ziele und Aufgaben einer strategischen und vorausschauenden Daseinsvorsorge Um sowohl auf der politischen als auch der unternehmerischen Ebene Entscheidungen treffen zu können, bedarf es umfassender Informationen zum jeweiligen Bewertungsgegenstand sowie den damit verbundenen Handlungsmöglichkeiten und deren potenziellen Wirkungen. Gleichzeitig sind politische und wirtschaftliche Entscheidungsträger gefordert, in immer kürzer werdenden Zeithorizonten auf zunehmend komplexere Herausforderungen und Problemlagen zu reagieren. [2, S. 420] Angesichts der skizzierten Entwicklungen und Makrotrends könnten diese Prozesse in Zukunft noch einmal zusätzlich an Dynamik gewinnen. Um dabei dennoch aktiv gestalten und im Rahmen möglichst breiter Handlungsspielräume agieren zu können, bedarf es einer vorausschauenden und langfristig an Zielen orientierten Politik bzw. Strategie, die dazu einen gewissen Informationsvorlauf im Sinne eines Frühwarnsystems benötigt, anhand dessen angemessene Reaktionen auf kurzfristige Veränderungen möglich sind. [2, S. 409] Dies gilt gerade auch für die im Rahmen der Daseinsvorsorge zu erbringenden Leistungen, die nach dem allgemeinen Begriffsverständnis die existenziellen Grundvoraussetzungen wesentlicher Lebensbereiche der Bevölkerung und die ökonomische Leistungs- und Entwicklungsfähigkeit einer Region sicherstellen sollen. [3] Gerade auch vor dem Hintergrund der offenen Konzeption [4] bzw. des dynamischen Begriffsverständnisses [5] der Daseinsvorsorge, die insbesondere auch im Zusammenhang mit dem gesellschaftlichen, technischen und ökologischen Wandel [6] zu sehen sind, erscheint ein relativ weit gefasster Blick auf die strukturellen und sozio-ökonomischen Entwicklungsprozesse in den einzelnen Regionen sinnvoll. Neben den fachlichen Anforderungen an die Leistungserbringung in der Daseinsvorsorge sind bei deren Ausgestaltung auch die finanziellen Ressourcen sowie übergeordnete gesellschaftspolitische Zielstellungen wie beispielsweise Fragen der Nachhaltigkeit und ökologische Aspekte von Bedeutung. Daher sollten auch diese Aspekte bei der Konzeption und der Arbeit mit einem Analyseinstrument im Sinne einer vorausschauenden und strategischen Daseinsvorsorge berücksichtigt werden, um damit die (kommunale) Nachhaltigkeits- und Umweltpolitik stärker in den Fokus der Infrastrukturausstattung und Leistungserbringung zu rücken. Zu beachten ist an dieser Stelle auch, dass sich demografische, wirtschaftliche, gesellschaftliche und ökologische Entwicklungen, trotz allgemeiner Entwicklungstrends, in den einzelnen Regionen der Bundesrepublik und auch innerhalb der Länder sehr unterschiedlich ausprägen können. Insbesondere zwischen städtischen und ländlichen Räumen waren in der Vergangenheit deutliche Unterschiede zu beobachten. [7] Aber auch innerhalb von Landkreisen oder zwischen einzelnen Stadtteilen sind bei einer entsprechend differenzierten Betrachtung zum Teil deutliche räumliche Disparitäten zu verzeichnen. Insofern kommt der räumlichen Differenzierung eine wesentliche Bedeutung zu, um auch die regionalen und lokalen Ausprägungen und Wirkungen spezifischer Entwicklungen erkennen zu können. Vor diesem Hintergrund können folgende allgemeine Ziele und Aufgaben einer strategischen und vorausschauenden Daseinsvorsorge abgeleitet werden: Kontinuierliche Beobachtung wesentlicher Makrotrends mit Bezug zur Leistungserbringung in der Daseinsvorsorge und deren regionale Ausprägungen (unter anderem technologische Entwicklungen, Klimawandel, Digitalisierung), Identifizierung der damit verbundenen Chancen und Risiken für eine sozial-ökologische Transformation der Daseinsvorsorge, Fortlaufende Beobachtung der allgemeinen demografischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung in der jeweiligen Betrachtungsregion (inklusive Vergleich zu anderen Regionen), Analyse der Entwicklung der künftigen Bedarfe in den einzelnen Nutzergruppen sowohl unter quantitativen als auch unter qualitativen Aspekten (Veränderungen struktureller und sozio-ökonomischer Merkmale) sowie daraus resultierender Anforderungen an die Leistungserbringung, Identifizierung neuer Anforderungen und Aufgabenfelder sowie von Gestaltungspotenzialen im Hinblick auf eine nachhaltig-digitale Weiterentwicklung der Daseinsvorsorge, Betrachtungen weiterer Rahmenbedingungen der Daseinsvorsorge (zum Beispiel Organisationsstrukturen, rechtliche Rahmenbedingungen), Entwicklung der öffentlichen Finanzsituation sowie allgemeine Preisentwicklungen, Praxisorientierte Nutzbarmachung der Ergebnisse für Regional- und Fachplanungen sowie für kommunale Entscheider im Sinne einer strategischen und vorausschauenden Daseinsvorsorge. 28 2 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stresstest für Städte Darüber hinaus kann ein datengestütztes Informationssystem prinzipiell auch als Instrument zur strategischen Steuerung im Rahmen von gesellschaftspolitischen Prozessen eingesetzt werden, was eine entsprechende Implementierung in den wesentlichen Entscheidungsstrukturen voraussetzt. Anhand der fortlaufend zu erhebenden und analysierenden Indikatoren können hier gewisse Zielwerte definiert werden, die durch spezifische Maßnahmen erreicht werden sollen. Gleichzeitig dient das Informationssystem dabei als Monitoring- und Controllinginstrument. Dieser Aspekt ist vor allem im Kontext der nachhaltig-digitalen Transformation bzw. auch einer sozial-ökologischen Weiterentwicklung der Daseinsvorsorge relevant. Systemkomponenten Im Hinblick auf ein Informationssystem, das wesentliche Entwicklungen und Perspektiven in einem relativ weit gefassten Feld wie der Daseinsvorsorge abbilden soll, erscheint es sinnvoll, ein möglichst flexibles Instrument zu entwickeln. Dieses sollte einerseits den unterschiedlichen Abgrenzungen und Begriffsauslegungen der Daseinsvorsorge Rechnung tragen und andererseits auch eine spätere Integration weiterer Inhalte zulassen, die möglicherweise zukünftig an Bedeutung gewinnen. In diesem Sinne wird hier ein modularer Ansatz favorisiert, der sowohl aus verschiedenen thematischen als auch methodischen Bausteinen besteht und eine punktuelle oder fortlaufende Erweiterung um weitere Betrachtungsgegenstände ermöglicht. Damit kann auch eine kontinuierliche Anpassung im Hinblick auf neue Anforderungen und Aufgabenfelder im Rahmen einer nachhaltig-digitalen Weiterentwicklung der Daseinsvorsorge erfolgen. Unter inhaltlichen Aspekten könnte ein im Sinne einer vorausschauenden Daseinsvorsorge auszugestaltendes Informationssystem in seiner Grundform die folgenden Komponenten umfassen: Allgemeine Strukturdaten (Demografie, Wirtschaft, Arbeitsmarkt, Soziales, Finanzsituation von Land und Kommunen), Strukturen und Entwicklungen in den Aufgabenbereichen der Daseinsvorsorge, zum Beispiel: Energieversorgung, Wasserversorgung, Entsorgung/ Kreislaufwirtschaft, Mobilität, Bildung, Kinderbetreuung, Wohnen, Gesundheit/ Pflege, Querschnittsthemen: Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Für die Gewinnung der für die Analyse und die strategische Bewertung erforderlichen Daten und Informationen erscheint ein Mix aus quantitativen und qualitativen Methoden sinnvoll, der eine fundierte Analyse aktueller und sich abzeichnender Entwicklungsprozesse ermöglicht, gleichzeitig jedoch auch im Sinne einer strategischen Vorausschau zur Generierung sinnvoller Erkenntnisse beiträgt. Die zentrale Basis sollte dabei eine umfassende und kontinuierlich zu aktualisierende Datenbank aus Zeitreihen- und Querschnittsdaten bilden, die es erlaubt, Entwicklungsprozesse und Abhängigkeiten anhand verschiedener Indikatoren im Zeitverlauf zu erkennen. Auf Grundlage dessen kann eine fortlaufende Analyse der allgemeinen strukturellen und sozio-ökonomischen Entwicklungen sowie der Entwicklungen in den relevanten Aufgabenfeldern der Daseinsvorsorge erfolgen. Zudem kann die Datenbasis, eventuell unter Hinzuziehung weiterer Datenbestände (punktuell oder laufend) für spezielle Sonderauswertungen im Sinne ergänzender und tiefergehender thematischer und regionaler Analysen genutzt werden. In ihrer Grundstruktur sollte eine Einordnung der Entwicklung der jeweiligen Region im regionalen sowie auch im überregionalen Kontext (Bundesländer, Deutschland, Vergleich mit anderen Regionen) möglich sein. Die grundlegende Datenanalyse sollte zudem ergänzt werden, um Instrumente einer strategischen Vorausschau sowie um weitere methodische Bausteine, um damit generell die Informationsbasis zu verbreitern, die Ergebnisse der statistischen Analyse zu vertiefen sowie vor allem auch zukünftig relevante Entwicklungspfade zu identifizieren, um diese im Sinne einer vorausschauenden Daseinsvorsorge aktiv gestalten zu können. Dabei erscheinen insbesondere sogenannte Foresight-Methoden, wie Trendmonitoring/ Horizon Scanning, Delphi- Befragungen, Zukunftswerkstätten oder Szenarioentwicklungen sinnvoll, die um Befragungen (zum Beispiel standardisierte schriftliche Befragungen, Experteninterviews), Literatur- und Dokumentenrecherchen zu spezifischen Themen, einen regelmäßigen Austausch mit den relevanten Fachplanungen sowie möglicherweise auch Formen der Bürgerbeteiligung ergänzt werden können. Prinzipiell können die einzelnen methodischen Komponenten dabei je nach Fragestellung und Zielausrichtung relativ flexibel eingesetzt werden, wobei hier jedoch auch gerade auf der kommunalen Ebene immer auch die verfügbaren personellen und finanziellen Ressourcen zu beachten sind. Ein allgemeiner Überblick über ein mögliches Informationssystem im Sinne einer vorausschauenden und strategischen Daseinsvorsorge illustriert Bild 1. 29 2 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stresstest für Städte Handlungsempfehlungen Der Aufbau eines Instrumentariums für eine mittel- und langfristig orientierte strategische und vorausschauende Daseinsvorsorge erscheint grundsätzlich sinnvoll und prinzipiell auch praktisch umsetzbar. Die Erfordernis dazu resultiert vor allem aus den aktuell zu beobachtenden Makrotrends und der im Zuge dessen stattfindenden Entwicklungsprozesse in der Daseinsvorsorge. Um angesichts dessen auch zukünftig ziel- und lösungsorientierte strategische Entscheidungen aktiv treffen zu können, sollte der Aufbau eines möglichst umfassenden Analyseinstruments forciert werden. Da die Daseinsvorsorge zudem ein relativ weites Themenspektrum umfasst, kommt hier auch dem Aspekt einer zusammenfassenden und stärker ganzheitlich orientierten Betrachtung eine stärkere Rolle zu. Dies gilt gerade auch im Zusammenhang mit einer nachhaltig-digitalen Transformation der Daseinsvorsorge, da ein entsprechend implementiertes Instrumentarium letztendlich auch im Sinne einer strategischen und politischen Steuerung genutzt werden kann. Im Hinblick auf die praktische Umsetzung könnte ein modularer Ansatz favorisiert werden, der Themenfelder Allgemeine strukturelle Entwicklungen (u.a. Demogra e, Wirtscha , Arbeitsmarkt, Soziales, Finanzitua on Land und Kommunen) Aufgabenbereiche Daseinsvorsorge Querschni sthemen Energieversorgung Wasserversorgung Entsorgung Mobilität Bildung Kinderbetreuung Wohnen Gesundheit/ P ege Digitalisierung Nachhal gkeit Betrachtungszeitraum Entwicklung zurückliegende Jahre Zukun sperspek ve Sta s sche Analysen (Basismodul) Methodik Analyse der Wirkungszusammenhänge Befragungen Foresight-Methoden (qualita v, z.B. Trendmonitoring/ Horizo n Scanning, Delphi-Befragungen, Zukun swerkstä en, Szenario -Studien) Literatur- und Dokumentenrecherche Austausch mit Fachplanungen Perspek visch Generierung weiterer Datenbestände Prognosen und Szenarienentwicklung (quan ta v) Bild 1: Übersichtsskizze eines Informationssystems der vorausschauenden und strategischen Daseinsvorsorge. © Rottmann 30 2 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stresstest für Städte sowohl aus verschiedenen thematischen als auch methodischen Bausteinen besteht und eine Erweiterung um zusätzliche Betrachtungsgegenstände zu einem späteren Zeitpunkt zulässt. Ein solches flexibel ausgestaltetes Instrument ermöglicht zum einen verschiedene methodische Zugänge zu den verschiedenen Fragestellungen und erlaubt auch eine ergänzende Bearbeitung von Themen, die erst in Zukunft an Bedeutung gewinnen. Zum anderen lässt ein modularer Ansatz die Integration weiterer Datenbestände zu, die perspektivisch im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung nutzbar gemacht werden können. Beim Aufbau eines derartigen Analyseinstruments sollte zudem beachtet werden, dass mit den unterschiedlichen Systemen der Raumbeobachtung auf den verschiedenen staatlichen Ebenen bereits eine gewisse konzeptionelle und eventuell auch praktische Grundlage vorhanden ist, an der sich eine vorausschauende Daseinsvorsorge orientieren kann oder auf der sich möglicherweise auch aufbauen lässt. Allerdings sind Systeme der Raumbeobachtung derzeit vor allem auf der Bundes- und Landesebene verfügbar, wohingegen für die regionale und kommunale Ebene zu vermuten ist, dass entsprechende Instrumente hier weniger umfassend ausgeprägt sind. Zudem bestehen dahingehend vermutlich auch große Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen. Letztendlich ist hier im Rahmen der praktischen Umsetzung zu klären, ob und eventuell wie bereits bestehende räumliche Analyseinstrumente noch stärker im Sinne einer vorausschauenden und strategischen Daseinsvorsorge genutzt werden können. Für kommunale Entscheider lassen sich daher spezifische Handlungsempfehlungen ableiten, die im Wesentlichen auf eine praktische Umsetzung eines geeigneten Instrumentariums einer mittel- und langfristig orientierten strategischen und vorausschauenden Daseinsvorsorgeplanung abzielen: Entwicklung eines konkreten Indikatorenkonzepts für die Landes- und kommunale Ebene, das auf die Ziele der Daseinsvorsorge im Sinne einer nachhaltig-digitalen Transformation ausgerichtet ist, − Zusammenstellung der bei den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder sowie aus weiteren Institutionen vorhandenen Datenbestände im Kontext einer strategischen Daseinsvorsorgeplanung (inklusive Angaben zur Verfügbarkeit auf den räumlichen Ebenen, Zeitpunkte der jährlichen Veröffentlichung usw.), − Erarbeitung spezifischer Indikatoren zur Darstellung der thematisch relevanten Sachverhalte inkusive einer standardisierten Übersicht zu den wesentlichen Merkmalen jedes Indikators (Definition, Aussagefähigkeit, Einheit, Datenquelle, Berechnungsformel usw.), − Empfehlungen für die Häufigkeit der Datenerhebungen (Datenaktualisierung) und Aussagen zu den Anforderungen an eine fortlaufende Beobachtung und Analyse des Betrachtungsgegenstandes inklusive Ausführungen für eine eventuell dafür zu schaffende Stelle. Prüfung, inwiefern die bereits vorhandenen Instrumente der Raumbeobachtung auf der Landes- und regionalen/ kommunalen Ebene auch für eine eventuell darüber hinausgehende Analyse im Sinne einer strategischen und vorausschauenden Daseinsvorsorge genutzt werden können; dies müsste separat für die einzelnen Bundesländer und Regionen/ Kommunen erfolgen, da hier von großen Unterschieden auszugehen ist, Vertiefende Analyse zum Einsatz von Instrumenten einer strategischen Vorausschau (Foresight- Methoden) auf der regionalen/ kommunalen Ebene (Welche konkreten Ansätze sind auch bei eingeschränkten Ressourcen möglich und sinnvoll? ), Initiierung eines Modellprojekts in einem oder mehreren Bundesländern über einen kooperativen Aufbau eines geeigneten Instrumentariums einer strategischen und vorausschauenden Daseinsvorsorge; sinnvoll erscheint hier eine gemeinsame Initiative des jeweiligen Landes mit einer oder mehreren Regionen (Regionale Planungsgemeinschaft oder Landkreis bzw. Kreisfreie Stadt), Perspektivisch: Erarbeitung einer Konzeption zur Einbeziehung und Nutzung „neuartiger“ Datenbestände, die sich aus der fortschreitenden digitalen Transformation aller Lebens- und Wirtschaftsbereiche ergeben. Dabei sollten vor allem Fragen der Aussagekraft und Qualität der Daten (vor allem im Hinblick auf eine langfristig orientierte systematische Nutzung), der Datenbereitstellung, des Datenmanagements sowie auch des Datenschutzes thematisiert werden. LITERATUR [1] Rottmann, O., Hesse, M.: Daseinsvorsorge wird vor Ort gemacht, Gastbeitrag in: Frankfurter Rundschau, 15.12.2021. [2] Gatzweiler, H.-P.: Raumbeobachtung - Was soll das? In: Informationen zur Raumentwicklung, Heft 7/ 8 (2011). 31 2 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Stresstest für Städte [3] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hrsg.): Sicherung der Daseinsvorsorge und Zentrale-Orte-Konzepte - gesellschaftspolitische Ziele und räumliche Organisation in der Diskussion. BMVBS-Online-Publikation, Nr. 12/ 2010. [4] Rottmann, O., Grüttner, A., Gramlich, L.: Zukunftsorientierte Daseinsvorsorge. Zeitgemäße Ausgestaltung statt ideologischer Schranken. In: Wirtschaftsdienst 99, (2019) S. 789 - 794. [5] Gabler Wirtschaftslexikon - Daseinsvorsorge. URL: https: / / wirtschaftslexikon.gabler.de/ definition/ daseinsvorsorge-28469/ version-378857 (20.12.2021). [6] Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) (Hrsg.): Regionale Daseinsvorsorgeplanung. Ein Leitfaden zur Anpassung der öffentlichen Daseinsvorsorge an den demografischen Wandel. Ein Projekt des Forschungsprogramms „Modellvorhaben der Raumordnung (MORO)“ des BMVBS, betreut vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung, Werkstatt: Praxis Heft 64, (2010) Berlin. [7] Beukert, Th.,/ Gramlich, L., Grüttner, A., Rottmann, O.: Delphi-Studie. Zukunftsorientierte Daseinsvorsorge in der kommunalen Infrastrukturversorgung, (2021). Dr. Oliver Rottmann Geschäftsführender Vorstand Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. (KOWID) und Kompetenzzentrum für kommunale Infrastruktur Sachsen (KOMKIS), Universität Leipzig Kontakt: rottmann@wifa.uni-leipzig.de Dipl.-Geogr. Thomas Beukert Wissenschaftlicher Mitarbeiter Kompetenzzentrum Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e. V. Kontakt: beukert@kowid.de AUTOREN Der Beitrag basiert auf einer Studie der Autoren für die CO: DINA-Forschungslinie „Zukunftsfähige Daseinsvorsorge“ Nothilfe Ukraine: jetzt spenden! Es herrscht Krieg mitten in Europa. Millionen Kinder, Frauen und Männer bangen um ihr Leben und ihre Zukunft. Aktion Deutschland Hilft leistet den Menschen Nothilfe. Gemeinsam, schnell und koordiniert. Helfen Sie jetzt - mit Ihrer Spende. Spendenkonto: DE62 3702 0500 0000 1020 30 Spenden unter: www.Aktion-Deutschland-Hilft.de Danke an alle, die helfen!
