eJournals Transforming cities 7/3

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2022-0067
95
2022
73

CLEVER Cities in Hamburg

95
2022
Maja Berghausen
Martina Zimpel
Das EU-Projekt CLEVER Cities hat ein neuartiges Modell initiiert, das unterschiedliche Starkregenereignisse simuliert, um lokale Schwachpunkte im Entwässerungssystem zu identifizieren. Naturbasierte Entwässerungslösungen mit Fokus lokale Versickerung, Wiederherstellung des natürlichen Wasserkreislaufs und Regeneration von Grundwasser zeigen Lösungsansätze in der naturbasierten Starkregenvorsorge, welche mit dem Modell geprüft wurden. Die auf der Analyse basierenden NBS-Projekte werden zur Erforschung neuer Beteiligungsformate bei der Gestaltung von naturbasierten Lösungen mit Bürgern genutzt.
tc730082
82 3 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Luft, Boden, Wasser CLEVER Cities in Hamburg Neue Wege in der Starkregenentwässerungsanalyse und -vorsorge Starkregen, Starkregenentwässerungsanalyse, Naturbasierte Lösungen, CLEVER, CLEVER Cities, Beteiligung Maja Berghausen, Martina Zimpel Das EU-Projekt CLEVER Cities hat ein neuartiges Modell initiiert, das unterschiedliche Starkregenereignisse simuliert, um lokale Schwachpunkte im Entwässerungssystem zu identifizieren. Naturbasierte Entwässerungslösungen mit Fokus lokale Versickerung, Wiederherstellung des natürlichen Wasserkreislaufs und Regeneration von Grundwasser zeigen Lösungsansätze in der naturbasierten Starkregenvorsorge, welche mit dem Modell geprüft wurden. Die auf der Analyse basierenden NBS-Projekte werden zur Erforschung neuer Beteiligungsformate bei der Gestaltung von naturbasierten Lösungen mit Bürgern genutzt. Die Starkregenvorsorge spielt in Hamburg eine wichtige Rolle. In den letzten Jahren wurden bereits wichtige Kartengrundlagen und Strategien entwickelt, die das vorhandene Sielnetz entlasten sollen, aber auch ortsnahe natürliche Wasserkreisläufe wiederherstellen können. [1] Dieses ist nicht nur in Hinblick auf die im Juni 2021 eingeläutete UN- Dekade zur Wiederherstellung von Ökosystemen relevant. Es spiegelt auch das städtische Leitbild Hamburgs als eine „Grüne, gerechte, und wachsende Stadt am Wasser“ [2] wider. Bislang zeigen die bestehenden Karten jedoch nicht, wie die unterschiedlichen Entwässerungsstrukturen Hamburgs, welche u.a. aus dem unterirdischen Sielnetz und diversen oberirdischen System wie offenen Gräben, Regenrückhaltebecken und Ähnlichem bestehen, Bild 1: Oberirdische Straßenansicht eines Versickerungsbeets. © Bezirksamt Harburg 83 3 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Luft, Boden, Wasser dass hier ein besonderer Handlungsschwerpunkt vorliegt. Im Projekt CLEVER Cities wurde nun für diesen Stadtteil erstmals eine gekoppelte hydrodynamische Abflussmodellierung erstellt, mit der für das 42 km² große Wassereinzugsgebiet kleinteilige, straßenzugsgenaue und damit sehr realitätsnahe Auswirkungen für unterschiedliche Starkregenereignisse simuliert werden können (Bild-2). In einem zweiten Schritt wurden für das Gebiet naturbasierte Maßnahmen entwickelt, die eine Reduktion der Überflutungsgefährdung zum Ziel haben und deren Wirksamkeit für unterschiedliche Regenereignisse durchgerechnet werden kann. Bei den Maßnahmen handelt es sich um gezielte Wasserführung auf strategisch geeigneten, temporär nutzbaren Rückhalte-/ Versickerungs-/ Verdunstungsflächen, beispielsweise über Versickerungsbeete. Die Wirksamkeit der Maßnahmen wurde anschließend mit erneuten Simulationsberechnungen überprüft. Die hier erstmals genutzte bi-direktionale Kopplung des unterirdischen 1D-Kanalnetzabflussmodells mit dem 2D-Oberflächenabflussmodell ist eine sehr aufwendige Methode, die in dieser Art erstmalig in Hamburg durchgeführt wurde. Sie ist sowohl aufgrund der Größe des Betrachtungsgebiets und aufgrund der Detailtiefe sehr komplex, da sie einerseits auf statischen Datensätzen wie dem digitalen Geländemodell (DGM) basiert, das dann unter anderem mit dem geologischen Schichtenaufbau, der Versickerungspotenzialkarte, einer Grundwasserflurkarte und der Fließwege- und Senkenkarte überlagert wurde. Diese Informationen wurden anschließend um Regenrückhaltebecken und Regenkanäle sowie um die leitungsgebundene Entwässerung, bei Starkregen als von einander abhängige Systemkomponenten interagieren. Die öffentlich einsehbare Starkregenhinweiskarte [3] bildet beispielsweise nur die Folgen von Starkregen auf der Oberfläche ab und berücksichtigt nicht das unterirdische Kanalnetz. Ein gekoppeltes sogenanntes 1D-2D-Modell ist jedoch eine wichtige Grundlage, um wirksame Maßnahmen zur Starkregenvorsorge planen zu können. Besonders im Kontext der Stadterneuerung und Klimaanpassung im Bestand sind die Möglichkeiten zur Erweiterung der sogenannten unterirdischen „grauen“ Infrastruktur oft sehr beschränkt. Gezielte dezentrale, auch sehr kleinteilige oberirdische naturbasierte Maßnahmen sind daher zunehmend ein wichtiger Bestandteil in der Starkregenvorsorge, damit der Objektschutz auf dem Grundstück, aber auch der Schutz der Bürger, im ausreichenden Maße umsetzt werden kann. Erstellung eines neuartigen gekoppelten Starkregenentwässerungsmodells durch CLEVER Cities Hamburg Das EU-Horizont 2020-Forschungsprojekt CLEVER Cities (GA 776604) erforscht seit 2018 naturbasierte Lösungen, kurz NBS (nature-based solutions), im Hamburger Stadtteil Neugraben-Fischbek. Das Projektgebiet befindet sich in städtischer Randlage und wird von zwei Naturschutzgebieten flankiert, der Fischbeker Heide im Süden und dem Moorgürtel im Norden. [4] Das Gelände ist gekennzeichnet durch starke Höhendifferenzen südlich und der flachen Marsch nördlich der Cuxhavener Straße. In dem Gebiet ist es wiederholt zu Überflutungen mit Sachschäden im Siedlungsbereich gekommen, so Bild 2: Auszug aus der Starkregenentwässerungsanalyse: Starkregengefahrenkarte für den Hamburger Starkregenindex (SRI) 8 (Extremer Starkregen). © HAMBURG- WASSER 84 3 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Luft, Boden, Wasser bestehend aus Schmutzwasser- und Regenwasserkanälen, ergänzt. Hinzu kamen außerdem Straßenentwässerungskanäle wie Rinnen, Grabenverrohrungen und Sickerschächte, Rauhheitsbeiwerte für die Oberflächenbeschaffenheit, Regeneinläufe („Trummen“) und deren parametrisiertes Schluckvermögen, und die Gebäudeanschlüsse, wobei die Gebäude selber als Abflusshindernis definiert wurden. Schließlich wurde das Pflege- und Entwicklungskonzept der Fischbeker Heide hinzugezogen, um die der Siedlung vorgelagerten potenziellen Retentionsräume für Regenwasser zu lokalisieren. Vieles musste auch vor Ort überprüft werden, weil beispielsweise Brückenquerungen im Geländemodell für die Modellierung nicht passend dargestellt waren. Für die eigentlichen Simulationen von unterschiedlich hohen Starkregenszenarien wurden einbzw. zweistündige Niederschläge in Intensitäten von 10-jährigen, 30-jährigen, aber auch 100-jährigen und über 100-jährigen Starkregen verwendet. Außerdem konnte das SRI-8 Starkregenereignis im Juni 2020 (extremer Starkregen, der nur alle über 100 Jahre vorkommt) [5] für die Kalibrierung des Modells genutzt werden. Zum Vergleich: Das vorhandene Siel-/ Kanalnetz ist vielerorts für durchschnittlich 5-jährliche Regenereignisse konzipiert, und daher langfristig nicht geeignet, die Wassermengen der zunehmenden teils sehr hohen Starkregenereignisse wie das SRI-8-Ereignis von 2020 aufzunehmen. CLEVER Cities initiiert Dialog zwischen den unterschiedlichen Akteuren Oft braucht es einen Impuls von außen, wie durch das CLEVER Cities-EU-Projekt, um den Dialog zwischen den unterschiedlichen Akteuren zu initiieren. Im Jahr 2019 wurde daher der sogenannte CLEVER CiBiX-Workshop [6] organisiert, bei dem Fachleute aus Verwaltung und Fachbüros sowie Vertreter der Wirtschaft, die Technische Universität Hamburg (TUHH), HamburgWasser als kommunales Versorgungsunternehmen und die IBA Hamburg GmbH zum Thema Regenwassermanagement zusammenkamen. Der Workshop formulierte deutlich den Bedarf für ein gekoppeltes Regenwassermodell und gab damit den Startschuss für die Erstellung des nun vorliegenden Starkregenentwässerungsmodells. In acht folgenden Sitzungen konnten dann gemeinsam die Parameter und genauen Anforderungen an die Modellierung erarbeitet sowie Fokusgebiete und Lösungen für naturbasierte Entwässerung identifiziert werden. Die Ergebnisse der im Juli 2021 fertiggestellten Modellierung werden nun von den unterschiedlichen Akteuren für ihre Zwecke genutzt. So wird unter anderem die Studie im Bezirk Harburg vor allem in der Bebauungsplanung verwendet. Zwei der naturbasierten Entwässerungslösungen konnten zudem von der Tiefbau- und Forstabteilung baulich umgesetzt werden. Auf ministerieller Ebene wendet beispielsweise die Behörde für Umwelt, Energie, Klima und Agrarwirtschaft (BUKEA) das Modell inzwischen auf alle Wassereinzugsgebiete Hamburgs an, so dass zukünftig Hamburg flächendeckend in dieser gekoppelten Weise gerechnet sein wird. Damit hat die Starkregenentwässerungsstudie über den Stadtteil Neugraben-Fischbek hinaus einen wichtigen Beitrag zur Standardisierung und Vereinheitlichung von gekoppelten Regenwassermodellen sowie einen Erkenntnisgewinn für die Anpassung an den Klimawandel in Hamburg geleistet. Was sind naturbasierte Entwässerungslösungen? Die Europäische Kommission definiert naturbasierte Lösungen als „Lösungen, die von der Natur inspiriert und unterstützt werden, die kosteneffizient sind, gleichzeitig ökologische, soziale und wirtschaftliche Vorteile bieten und zum Aufbau von Resilienz beitragen.“ [7] Die Starkregen-Modellierung wurde auch dazu verwendet, geeignete Maßnahmen einer naturbasierten Entwässerung im Stadtraum und im höher gelegenen Naturschutzgebiet aufzuzeigen. Hierzu wurden sowohl die Art als auch die Dimensionierung dieser Lösungen konzeptionell in die Modellierung eingebaut und deren Wirkung geprüft. Naturbasierte Entwässerungslösungen zielen darauf ab, Regenwasser ortsnah versickern und verdunsten zu lassen, indem geeignete Versickerungsmöglichkeiten und Zwischenspeicher zur Drosselung von Regenwasserspitzen geschaffen werden. Die Bild 3: CLEVER CiBiX Workshop 2019 beim CLEVER Partner Hamburgisches Welt- WirtschaftsInstitut (HWWI). © Bezirksamt Harburg 85 3 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Luft, Boden, Wasser Lösungen können unter anderem aus Tiefbzw. Versickerungsbeeten, Notwasserwegen, multifunktionalen Flächen, Gründächern, Entsiegelung und Mulden-Rigolen-Systemen bestehen. Leider sind sie häufig aufwendiger zu planen und zudem sehr flächenintensiv, was vor allem im dichter bebauten, städtischen Raum nicht einfach umzusetzen ist. Das mit CLEVER gebaute Beispiel der Versickerungsbeete, die Teil des Maßnahmenkatalogs waren, zeigt, dass diese zwar in eine bestehende Anwohnerstraße integriert werden können. Allerdings mussten hierfür vorhandene Parkplätze weichen. Zudem mussten bei der Dimensionierung der Beete die zulässige Fahrbahnbreite, vorhandene Einfahrten und Schächte im Untergrund sowie geeignete Filtersysteme für das Regenwasser berücksichtigt werden, was eine merkliche Beschränkung der Länge und Breite der Beete zur Folge hatte. Das resultierende „technische“ Bauwerk ist dadurch nicht nur sehr schmal und lang geworden, sondern lässt sich auch nur schwer mit Straßenbäumen bepflanzen. Hier zeigt sich eine weitere Komplexität bei der Planung derartiger naturbasierter Lösungen: Idealerweise erzeugen Versickerungsbeete neben ihrer technischen Funktion auch einen gestalterischen Mehrwert für das Straßenbild und Wohnumfeld. Bei der Bepflanzung der Beete mit Straßenbäumen ist jedoch darauf zu achten, dass die Baumarten für wechselfeuchte Baumgruben geeignet sind, dass es sogenannte „Klimabäume“ sind, das heißt, besonders angepasst an die zu erwartende Erderwärmung, und dass sie vor allem zur Familie der Flachwurzler gehören, damit ihre Wurzeln nicht das nur etwa 80 cm tief liegende Rigolenbauwerk für den Überflutungsschutz zerstören. Damit kommen herkömmliche Straßenbaumarten oft nicht in Frage. Erfahrungswerte für geeignete Bäume sind häufig jedoch noch nicht ausreichend vorhanden. Meist wird daher statt der schattenspendenden Bäume lediglich eine bienenfreundliche Wiesenmischung als Bebzw. Unterpflanzung der Beete gesät, die gut auf der obersten Schicht der Beete aus versickerungsfähigem magerem Schotterrasen wächst, und ebenso, wenn auch in geringerem Maße, zu einer Erhöhung der biologischen Vielfalt beitragen und damit einen ökologischen Mehrwert sowie zusätzlich eine Verschönerung des Straßenbilds hervorrufen kann. Dennoch zeigt das Beispiel der Versickerungsbeete, dass die Hemmschwelle, die oftmals bei neuartigen Planungsansätzen vorhanden ist, durch die modellgestützte ortsgenaue und Maßnahmen formulierende Starkregenentwässerungsanalyse für die kommunale Arbeitsebene maßgeblich gesenkt werden konnte. Die ausführenden Fachplaner im Bezirk konnten die Lösungen schnell ausschreiben, umsetzen und in der Realität testen. Diese bauliche Umsetzung ist eine wichtige Voraussetzung, um eine fundierte Wirkungsanalyse und Validierung von NBS erstellen zu können. So wurde die technische Wirksamkeit der naturbasierten Lösung „Tiefbeet für Versickerung und temporärem Einstau von Regenwasser mit Wirkung Regenwasserrückhalt und -verdunstung“ aus der nun tatsächlich gebauten Dimension und Ausformung auch wieder in das für die Analyse erstellte gekoppelte Modell übernommen und erneut gerechnet. Erste empirische Erhebungen vor Ort als auch die gerechneten Ergebnisse belegen eine deutliche Verbesserung in der Entwässerung der Straße bei Starkregen. Wie naturbasierte Lösungen einen sozialen und wirtschaftlichen Mehrwert generieren Bezugnehmend auf die Definition von naturbasierten Lösungen geht es bei NBS aber nicht nur um die technische und ökologische Lösung. CLEVER Cities erforscht auch, wie derartige Projekte durch „Ko-Kreation“ einen wirtschaftlichen und sozialen Mehrwert generieren können, auch wenn üblicherweise die ko-kreativen Möglichkeiten bei derartigen Infrastrukturprojekten, die ein hohes Maß an Fachwissen und die Einbindung von Fachgewerken erfordern, beschränkt sind. Schließlich umfasst Ko-Kreation in der Regel eine Beteiligung nicht nur in der Ideenphase (Co-Ideation), sondern auch beim Entwurf (Co-Design), in der Umsetzung (Co-Implementation) sowie in der Pflege- und Instandhaltung (Co-Management) bzw. im Co-Monitoring der NBS. [8] Bild 4: Funktionsschnitt Versickerungsbeet. © Bezirksamt Harburg 86 3 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Luft, Boden, Wasser Um trotzdem durch ko-kreative Elemente einen sozialen Mehrwert zu generieren und vor allem den sozialen Zusammenhalt zu fördern und die Identifikation mit dem Stadtteil zu stärken, sind die Versickerungsbeete daher um „ko-kreative“ Komponenten erweitert worden: Zunächst wurde für jedes der sechs Testbeete eine andere Baumart gewählt, die auch nicht den üblichen Straßenbaumarten des Bezirks entsprechen. Durch die Verwendung von Bäumen, die sich mit den Jahreszeiten, vor allem hinsichtlich ihrer Blüten, Früchte und Herbstfärbung, verändern, soll der Blick verstärkt auf das „System“ Straßenbäume gelenkt werden. Während der Rotahorn beispielsweise im Herbst mit seiner Rotfärbung einen starken Kontrast zu den gelben Blättern der Eberesche bildet, riecht der Lebkuchenbaum dann nach Weihnachten. Gleichzeitig kann so erforscht werden, welcher Baum sich für derartige Beete zukünftig am besten eignet. Zu erwähnen ist, dass sich die Versickerungsbeete in einem Einfamilienhausgebiet mit großen Privatgärten und in unmittelbarer Nähe zum bewaldeten Naturschutzgebiet befinden. Bäume und Naturraum sind im „Überfluss“ vorhanden, so dass es besonders schwierig ist, bei den Anwohnenden Betroffenheit und Interesse für ökologische Belange im Siedlungsraum zu wecken. Außerdem sehen die Beete oberirdisch wie gewöhnliche Straßenbeete aus. Auch wenn die Anwohnenden in der Co-Design- Phase die Auswahl der Bäume selber nicht mitbestimmen konnten, wurden sie vor Baubeginn mittels Fragebögen über die Funktionsweise der Beete und die Ziele der Maßnahme informiert. Diese Form der Ko-Kreation in der Co-Implementationsphase entspricht nach Arnstein bereits einer niedrigen bis mittleren Beteiligungsstufe. [9] Mit der Möglichkeit zur Übernahme einer Beetpatenschaft, bei der sich die Anwohnenden für einen bestimmten Zeitraum verpflichten, sich um das Beet und den Baum kümmern, soll dann die Beteiligung der Anwohnenden in der anschließenden Co-Monitoringphase auf eine eher partnerschaftliche Ebene angehoben werden, um eine Form des Co-Management von öffentlichen Räumen zu initiieren, bei dem sich die Bürger*innen gemeinsam mit der Stadt um ihr Wohnumfeld kümmern und dadurch ermächtigt werden, ihren Lebensraum aktiv mitzugestalten. Zusätzlich wurde gemeinsam mit der HafenCity Universität ein digitales Beobachtungsprojekt eingerichtet, bei dem die Anwohnenden ihre Beobachtungen zu den Beeten und Bäumen auf einer öffentlichen Online-Plattform [10] hochladen können. Gleichzeitig können sie hier sehen, was andere Anwohnende zu den Beeten geschrieben haben. Die Beete sind hierfür vor Ort mit QR-Codes markiert, um einen niedrigschwelligen Informationsaustausch zu ermöglichen. Die sich wiederholende Beobachtung und Dokumentation der Beete, eine Form des Co-Monitoring, kann zu einer erhöhten Verbundenheit mit seinem Wohnumfeld und den Nachbarn führen. Außerdem kann dadurch das Wissen über die Bäume und das lokale Ökosystem verbessert werden, so dass künftig eine stärkere Teilhabe an ko-kreativen NBS-Projekten ermöglicht werden kann. Die frei zugängliche Bereitstellung von ökologischen Beobachtungen unterstützt zudem das Ziel, Daten- und Wissenssilos, die traditionell der Verwaltung und der Wissenschaft vorbehalten sind, aufzubrechen, und der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Der kollektive, ko-kreative Charakter der Versickerungsbeete wird ferner durch den sogenannten „CLEVER Parcours“ unterstützt, welcher alle NBS- Projekte von CLEVER Cities [11] im Stadtteil, so auch die Versickerungsbeete aus der Starkregenentwässerungsmodellierung, verbindet und kennzeichnet. Die Schilder des Parcours wurden gemeinsam mit den Anwohnenden des Projektgebiets entwickelt und teilweise auch von diesen mit einer NBS wie etwa einem kleinen Insektenhotel, einer Vogeltränke oder einem Fledermaushaus befüllt. So kann der rund 4 km lange Parcours als Wander- oder Fahrradstrecke genutzt werden, während gleichzeitig ein Überblick über die vielfältigen Ausgestaltungen von naturbasierten Lösungen im Kontext der Stadterneuerung gewährt wird. Eine dazugehörige Wanderkarte, die unter anderem in der örtlichen Bücherei ausliegt, gibt zusätzlich Auskunft über die Strecke und die Projekte. Zudem ist der Weg in mehreren Sport-Apps zu finden. Da CLEVER Cities zeitgleich auch in anderen EU-Städten, wie London, Mailand, Madrid, Belgrad, Malmö, Sfantu Georghe und Larissa stattfindet und sogar einen Ableger in Quito, Ecuador, hat sowie durch den UrbanbyNature Hub in China verbreitet wird, kann sich über die unmittelbare Nachbarschaft hinaus ein Gemeinschaftsgedanke entfalten, der sich nicht nur auf das Projektgebiet in Hamburg bezieht, sondern sich auf ganz Europa sowie andere Teile der Welt ausweiten lässt. So kann NBS im Kontext der Starkregenvorsorge und Klimaanpassung als Gemeinschaftsaufgabe wahrgenommen und verdeutlicht werden. Das Projekt der Versickerungsbeete als ein Resultat der Starkregenentwässerungsanalyse zeigt, dass die Transformation sozio-technischer Systeme einem ganzheitlichen Ansatz folgen muss. Was als theoretische und virtuelle Simulation in Form einer 87 3 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Luft, Boden, Wasser gekoppelten Entwässerungsmodellierung beginnt, kann in der Anwendung durch eine ganzheitliche Planung nicht nur funktionellen und ökologischen Nutzen haben, sondern auch einen sozialen und wirtschaftlichen Mehrwert erzeugen. Nur wenn NBS ganzheitlich betrachtet werden, wenn sowohl technische, soziale, wirtschaftliche und ökologische Aspekte als auch ein gemeinschaftlicher Planungsprozess ganzheitlich mitgedacht werden, können naturbasierte Lösungen als ein vielversprechender Ansatz in der Stadterneuerung gesehen werden, der nicht nur auf (Starkregen-)Vorsorge ausgerichtet ist, sondern die erweiterten Bedürfnisse der Bürger*innen mitdenkt. LITERATUR [1] HamburgWasser: Regeninfrastrukturanpassung, 2022. https: / / www.risa-hamburg.de/ downloads abgerufen am 05.08.2022 [2] hamburg.de GmbH & Co. KG: Räumliches Leitbild - Perspektiven der Stadtentwicklung: Grüne, gerechte, wachsende Stadt am Wasser. https: / / www.hamburg.de/ perspektiven-stadtentwicklung/ abgerufen am 05.08.2022 [3] hamburg.de GmbH & Co. KG: Planungshilfe Starkregenhinweiskarte. https: / / www.hamburg.de/ starkregenhinweiskarte/ abgerufen am 05.08.2022 [4] hamburg.de GmbH & Co. KG: Neugraben-Fischbek: Wissens- und Sehenswertes - Grüner Wohnvorort. https: / / w w w.hamburg.de/ sehenswertes-neugraben-fischbek/ aufgerufen am 05.08.2022 [5] HamburgWasser: Was ist ein Starkregenereignis? , 2022. https: / / www.hamburgwasser.de/ privatkunden/ themen/ starkregen aufgerufen am 05.08.2022 [6] hamburg.de GmbH & Co. KG: Intensivere Zusammenarbeit-CiBiX Workshop in Hamburg. https: / / www.hamburg.de/ harburg/ horizon-2020-clever-cities/ 13702348/ cibix-workshop-inhamburg/ aufgerufen am 05.08.2022 [7] Umweltbundesamt: „Naturbasierte Lösungen für klimaresiliente europäische Städte, 2021. https: / / www. umweltbundesamt.de/ naturbasierte-loesungen-fuer-klimaresiliente#undefined aufgerufen am 09.08.2022 [8] Brandsen, T., Steen, T., Verschuere, B. (Eds.): Coproduction and co-creation. Engaging citizens in public services. New York NY: Routledge (Routledge critical studies in public management), 2018. ht tps : / / w w w.t ay lor francis .com / book s / oa edit / 10.4324/ 9781315204956/ co-production-co-creationtaco-brandsen-trui-steen-bram-verschuere [9] Arnstein, S. R.: A Ladder Of Citizen Participation, Journal of the American Institute of Planners, 35: 4, (1969) p. 216 - 224, DOI: 10.1080/ 01944366908977225 [10] Centre for Genomic Pathogen Surveillance: CLEVER- CITIES_VERSICKERUNGSBEETE_NEUGRABEN, 2022. https: / / five.epicollect.net/ project/ clevercities-versickerungsbeete-neugraben aufgerufen am 05.08.2022 [11] hamburg.de GmbH & Co. KG: Der Clevere Weg in Neugraben-Fischbek: Entdecken Sie die CLEVER Projekte! . https: / / www.hamburg.de/ harburg/ clevercities-projekte/ 15441106/ clever-parcours/ aufgerufen am 05.08.2022 Dr. Maja Berghausen Sachbearbeiterin Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft Freie und Hansestadt Hamburg Kontakt: maja.berghausen@bukea.hamburg.de Martina Zimpel Projektleitung Horizon 2020 - CLEVER Cities Freie und Hansestadt Hamburg - Bezirksamt Harburg Kontakt: martina.zimpel@harburg.hamburg.de AUTORINNEN Wir sind für Sie da: Opfer-Telefon: 116 006 bundesweit kostenfrei Onlineberatung: www.weisser-ring.de Bundesweit für Sie vor Ort Rückhalt und Hilfe für Betroffene von Hass und Hetze