Transforming cities
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2366-7281
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2022-0089
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Geschäftsreisen der Zukunft
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Rebecca Heckmann
Dennis Dreher
Lutz Gaspers
Bis 2020 stieg die Anzahl der Geschäftsreisen kontinuierlich an und der Reiseverkehr führte in Städten zu einer zusätzlichen Belastung durch Luftverschmutzung und Erwärmung in Folge von Treibhausgasemissionen. Durch die Corona-Pandemie reduzierte sich die Anzahl der Geschäftsreisen um rund 90 %. Von den niedrigen Emissionen und den ausbleibenden Verkehrsstaus profitierten besonders die urbanen Räume. Nachdem 2022 eine Vielzahl der coronabedingten Restriktionen entfielen, erholten sich die Reisezahlen zügig, sodass sie bereits im März wieder bei 50 % des Niveaus von vor Corona lagen. Das Paper beschäftigt sich mit drei Szenarien, wie sich Reisen in Zukunft entwickeln können und wie sich demnach die Verkehrslast auf Städte, Luft und Klima auswirken wird. Dafür werden Studien zum Einfluss der Corona-Pandemie auf das Mobilitätsverhalten und die Verkehrsbelastung verglichen und eine Prognose zu den Umwelteinflüssen in Zukunft vorgestellt.
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70 4 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Mit neuer Energie Geschäftsreisen der Zukunft Digital oder vor Ort? Geschäftsreisen, Pandemie, Mobilitätsverhalten, Umweltauswirkungen Rebecca Heckmann, Dennis Dreher, Lutz Gaspers Bis 2020 stieg die Anzahl der Geschäftsreisen kontinuierlich an und der Reiseverkehr führte in Städten zu einer zusätzlichen Belastung durch Luftverschmutzung und Erwärmung in Folge von Treibhausgasemissionen. Durch die Corona-Pandemie reduzierte sich die Anzahl der Geschäftsreisen um rund 90 %. Von den niedrigen Emissionen und den ausbleibenden Verkehrsstaus profitierten besonders die urbanen Räume. Nachdem 2022 eine Vielzahl der coronabedingten Restriktionen entfielen, erholten sich die Reisezahlen zügig, sodass sie bereits im März wieder bei 50 % des Niveaus von vor Corona lagen. Das Paper beschäftigt sich mit drei Szenarien, wie sich Reisen in Zukunft entwickeln können und wie sich demnach die Verkehrslast auf Städte, Luft und Klima auswirken wird. Dafür werden Studien zum Einfluss der Corona-Pandemie auf das Mobilitätsverhalten und die Verkehrsbelastung verglichen und eine Prognose zu den Umwelteinflüssen in Zukunft vorgestellt. © Headway on Unsplash 71 4 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Mit neuer Energie Geschäftsreisen führen zu Verkehrsstaus, zu Emissionen und Luftverschmutzungen Durch die COVID-Pandemie kam das Reiseaufkommen fast vollständig zum Erliegen; doch nachdem 2022 fast alle Restriktionen entfielen, stieg die Anzahl der Reisen auf das Niveau von 50 % von vor Corona. Der Artikel beleuchtet drei Reiseszenarien der Zukunft und zeigt, welche Werkzeuge Unternehmen helfen können, Geschäftsreisen sinnvoll, rentabel und vor allem umweltfreundlich zu gestalten, sodass Verkehrsstaus, Emissionen und Luftverschmutzung durch Geschäftsreisen in Zukunft nicht weiter steigen. Die Anfang 2020 sich weltweit ausbreitende COVID-Pandemie brachte enorme Veränderungen in allen Lebensbereichen mit sich. Die Reisemöglichkeiten und das Reiseverhalten wurden wie kaum ein anderer Bereich durch die Lockdowns und Restriktionen beschnitten. Eine Studie von PwC rund drei Monate nach dem ersten großen Lockdown untersuchte das Mobilitätsverhalten von Personen in der Pandemie und deren Vorstellungen zur Mobilität nach der Pandemie. Von den 2 000 Befragten gaben 44 % an, in Zukunft weniger Urlaubsreisen tätigen zu wollen und 66 % erklärten, weniger dienstlich reisen zu wollen. Die Reduktion der Geschäftsreisen ist vor allem auf die gute Funktionalität von Online-Meetings zurückzuführen, so die Studie. Weiterhin geht die Studie davon aus, dass die Erfahrungen aus der Pandemie, nämlich eine mögliche gesteigerte Arbeitseffizienz und Kostenreduktionen durch verminderte Dienstreisen, Unternehmen dazu bringen werden, ihre Dienstreiseregelungen dauerhaft anpassen zu wollen. [1] Corona hatte vor allem in den ersten beiden Jahren der Pandemie bemerkenswerte Einflüsse auf die Reisetätigkeit. Dies ergab nicht nur die PwC-Studie, sondern wird auch beim Blick auf die Fahrgastzahlen deutlich. Im März gingen die Fluggastzahlen an deutschen Flughäfen im Vergleich zum Bezugszeitraum März 2019 um 89,8 % zurück. Diese Tendenz ist jedoch wieder rückläufig. Im März 2022 waren es noch 51,1 % weniger Fluggäste als 2019. Seit März 2022 wurden viele Lockerungen beschlossen, die diese Entwicklung weiter begünstigten dürften, so haben viele Länder Einreisebeschränkungen aufgehoben, die Maskenpflicht in Flugzeugen und an Flughäfen wurde aufgehoben, die allgemeine Homeoffice-Verpflichtung lief aus, immer mehr Regierungen weltweit stufen die Bedrohlichkeit von Corona zurück oder erklären, COVID-19 sei keine Bedrohung mehr [2, 3] Diese Zahlen aus 2022, also nach rund 2,5 Jahren Pandemie, widersprechen den Erwartungen der PwC-Studie aus den Anfangszeiten der Pandemie in einigen wesentlichen Punkten. Der Flugverkehr nimmt wieder stark zu, entgegen der Aussagen, dass Urlaubs- und Geschäftsreiseverkehr zu 44 % bzw. 61 % auf Dauer rückläufig sein dürften. Die Studie von PwC ermittelte außerdem die Attraktivität von Verkehrsmitteln in der Wahrnehmung der Probanden. Die Studienteilnehmer wurden befragt, welche Verkehrsmittel sie bei Aufhebung der Reisebeschränkungen für Geschäftsreisen künftig nutzen würden. Dabei wird deutlich, dass mehr Menschen individuelle statt öffentlicher oder geteilter Verkehrsmittel nutzen wollen. Der eigene PKW soll zu 28 % häufiger für Geschäftsreisen genutzt werden, wenn möglich wollen 22 % ausschließlich zu Fuß gehen, 21 % würden das Fahrrad nutzen. Öffentliche Verkehrsmittel und Sharing-Angebote wollen zwischen 4 und 10 % der Befragten nutzen. Dies bedeutet eine starke Verlagerung der Verkehrsmittelwahl in Richtung Individualverkehr. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam auch eine Studie zur Untersuchung der Nutzung und Attraktivität von Verkehrsmitteln für Reisen ab 50 km [4, 5]. Die Ergebnisse zeigen, dass die Pandemie die Nutzung und Attraktivität öffentlicher Verkehrsmittel negativ beeinflusst hat. Gleichzeitig hat die Nutzung des privaten PKW zugenommen. Diese Entwicklung bedeutet eine zunehmende Emissionslast durch Reisen. Wo zu Beginn der Pandemie noch eine starke Überzeugung herrschte, dass Geschäftsreisen nachhaltig deutlich reduziert werden, ist nach 2,5-Jahren Pandemie die Lage weniger eindeutig. Zwar mögen Online-Meetings Zeit und Kosten sparen und vermeintlich eine Effizienzsteigerung mit sich bringen, so werden gleichzeitig immer mehr Bedenken Verkehrsmittel Nutzungsveränderung im Oktober 2020 gegenüber Oktober 2019 Bewertung der Attraktivität 0 = sehr unattraktiv, 10 = sehr attraktiv PKW + 9 % 7,4 Bahn -39 % 4,6 Flugzeug -42 % 3,5 Bus -38 % 2,8 Tabelle 1: Veränderte Verkehrsmittelung und Attraktivität der Verkehrsmittel in Folge der Corona-Pandemie [4] 72 4 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Mit neuer Energie geäußert, ob virtuelle Treffen reale wirklich ersetzen können. Zu diesem Schluss kam auch die Studie „Chefsache Business Travel 2020“. [6] Darin wurde im Juni 2020 untersucht, ob virtuelle Meetings Geschäftsreisen ersetzen können. Im Zeitraum März bis Juni 2020 wurden 69 % der Geschäftsreisen durch virtuelle Meetings ersetzt, dies bedeutete ein Anstieg von 39 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Laut der Studie wollten 42 % der Befragten auch künftig vermehrt virtuelle Meetings durchführen. 43 % hingegen sagten bereits damals aus, dass sie künftig wieder mehr reisen wollten, denn eine Videokonferenz bringe weniger Umsatz und eine schlechtere Beziehung zu Kunden mit sich, im Vergleich zu realen Zusammenkünften. Ein weiterer positiver Aspekt der Geschäftsreisen sei zudem, wie 19 % der Befragten angaben, dass sie unterwegs zu Geschäftsmeetings produktiver arbeiten könnten, als an ihrem Arbeitsplatz. Die andere Umgebung wirke kreativitätsfördernd. [6] Wenn gleich die Anzahl geschäftlicher Reisevorgänge durch die Pandemie rückläufig war, ist dies eine volatile Entwicklung, die durch Lockerungen der Restriktionen und Beendigungen der Lockdowns mitunter zügig umgekehrt werden kann, so wie es aktuelle Zahlen Mitte 2022 bereits belegen. Ob die Einstellungen zu den Verkehrsmitteln in ähnlich zügiger Weise verändert werden können und die Nutzung und Attraktivität von öffentlichen Verkehrsmitteln wieder zunimmt, ist schwerer absehbar. Der Drang, Geschäftsreisen nachhaltiger zu gestalten, könnte durch die Pandemie und ihre Auswirkungen gebremst worden sein. An Stelle von Umweltmerkmalen könnten Sicherheitsbedürfnisse, Flexibilität, Unabhängigkeit und das Reisen mit geringer Ansteckungsgefahr bedeutender werden. Dies könnte zur Folge haben, dass Geschäftsreisen selbst bei einer verringerten Anzahl von Reisen in Summe umweltbelastender werden, als es ohne Pandemie der Fall geworden wäre. Reiseverhalten in drei Szenarien Um mögliches Reiseverhalten bewerten zu können, wurden drei unterschiedliche Szenarien entwickelt, die Geschäftsreisen in Abhängigkeit zu den Pandemie-Entwicklungen setzen. Es wurde untersucht, ob Geschäftsreisen stattfinden würden, ob Umweltfaktoren bei Reisen in Zukunft eine Rolle spielen würden und wie sich die Umweltauswirkungen durch Reisen entwickeln könnten. Den Szenarien zugrunde liegt eine Studie von PwC aus dem Jahre 2022. [7] Die Befragung von Travel Managern ergab, dass durchschnittlich 36 % weniger Geschäftsreisen im Vergleich zum Vor- Corona-Niveau stattfinden werden. Ein Blick auf den Anlass einer Geschäftsreise kann Aufschluss darüber geben, welche Reisen in Zukunft wegfallen oder stark vermindert sein könnten. In 86 % der befragten Unternehmen sind die häufigsten Reiseanlässe Veranstaltungen, Konferenzen oder Fortbildung. Dies sind alles Anlässe, die vermeintlich auch virtuell abgehandelt werden könnten. In 70 % der Unternehmen ist der Hauptreiseanlass eine Montage oder eine Inbetriebnahme, Anlässe die nicht digital ersetzbar sind. 71% der Unternehmen mit mehr als 2 000 Beschäftigten haben ihre Reiserichtlinie in Folge der Pandemie verändert. Dies umfasst nicht nur das Verhalten bei Reisen in Risikogebiete, sondern auch Gebote und Empfehlungen, bestimmte Dienstreisen durch digitale Formate zu ersetzen. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass lediglich 35 % der Unternehmen den ökologischen Fußabdruck von Geschäftsreisen ermitteln. 13 % planen, ein Tool für die Messbarkeit zu implementieren. 45 % schließen die Nutzung eines solchen Tools aus. [6] Ein Tool, welches Geschäftsreisenden einen Rahmen vorgibt, wie umweltbelastend ihre Reise sein darf und vor allem Möglichkeiten bietet, umweltfreundlich zu reisen, wäre eine Möglichkeit, den Hang zum individuellen motorisierten Reisen zu begrenzen. Obwohl kaum Unternehmen planen, ihren Angestellten eine Softwarelösung für emissionsarmes Reisen zur Verfügung zu stellen oder gar die Nutzung verpflichtend zu machen und dies mittels einer angepassten Reiserichtlinie durchzusetzen, so hat sich dennoch die Mehrheit dieser Unternehmen strategische ökologische Ziele gesetzt. Jedes zweite Unternehmen geht davon aus, dass Anreize geschaffen werden müssen, Geschäftsreisen ökologischer zu gestalten. Dies spricht deutlich dafür, dass es nicht nur ein Planungstool für ökologische Geschäftsreisen braucht, sondern vor allen Dingen ein Incentivierungssystem. Geschäftsreisen sollten daher nicht länger mit Google Maps oder der üblichen Flügebuchungsplattform geplant werden, sondern mit einem holistischen Tool, welches Reisezeiten, Kosten und Ökologie in Einklang bringt und Reisende animiert, auf den eigenen ökologischen Fußabdruck zu achten. Bild 1 zeigt die Vision der Autoren zu einem multimodalen Reiseangebot, zu welchem der Geschäftsreisende via digitaler Schnittstelle (EmiLa) Zugang erhält und in einem Tool planen, buchen, bilanzieren, abrechnen und berichten kann - stets fokussiert auf ökonomisch und ökologisch effiziente Reisen. Das EmiLa-Tool ist speziell als solches Tool entwickelt worden. In Abhängigkeit der Pandemie-Entwicklungen zeigt sich, wie essentiell das 73 4 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Mit neuer Energie Eingreifen in die Planung und Durchführung von Geschäftsreisen sein kann. Szenario 1: Die COVID-bedingten Reduzierungen von Geschäftsreisen bleiben bestehen Dem ersten Szenario zugrunde liegt die Annahme, dass auch in den kommenden Jahren Restriktionen in Folge der Pandemie das Reisegeschehen beherrschen werden. Sehr wahrscheinlich ist eine starke Varianz zwischen den Sommer- und Wintermonaten. So wird in diesem Szenario davon ausgegangen, dass in den Sommermonaten Reisen mit geringfügigen Einschränkungen möglich sind, in den Wintermonaten jedoch weitestgehend Reiseverbote, Homeoffice-Regelungen und Lockdowns Geschäftsreisen stark einschränken. Szenario 1 geht außerdem von einer schlechten Planbarkeit der Pandemielagen aus, da Mutationen auch unvorhersehbare neue Einschränkungen mit sich bringen können. Dieses Szenario suggeriert zunächst einen nur marginalen Einfluss durch ökologische Werte auf die Reiseplanung von Geschäftsreisen. Bei langfristig geringen Reisezahlen, dem Einsatz von Videokonferenzen und Reiserichtlinien der Unternehmen, die Reisetätigkeiten auf ein Minimum reduzieren, sind die reisebedingten Emissionslasten gering. Unternehmen würden keinen oder nur einen sehr geringen Bedarf an einem System haben, welches Reiseverhalten ökologisch optimiert bzw. Angestellte auffordert und animiert, umweltfreundlich zu reisen. Da in diesem Szenario wenige Reisen stattfinden und im Bereich von Montagen, welche auch weiterhin Anlass für Reisen bieten, die Verkehrsmittelwahlfreiheit aufgrund von beispielsweise benötigtem Werkzeug, eingeschränkter ausfällt, werden Nachhaltigkeitsfaktoren keinen Einfluss auf den geschäftsreiseinduzierten Emissionsausstoß von Unternehmen haben. Jedoch ist der ideelle Wert um einiges größer. Unternehmen wollen nachhaltiger sein und sie wollen ihre Mitarbeiter anhalten, nachhaltig zu agieren. Zwar ist die nachhaltigste Reise die, die nicht stattfindet. Doch gerade in Zeiten, in denen scheinbar jede Reise digital ersetzt werden kann, ist es besonders wichtig, die dann noch stattfindenden Reisen mit einem grünen Image zu versehen, da sich Unternehmen sonst schnell in einer Debatte über die eigene Verantwortung gegenüber Umwelt und Gesellschaft wiederfinden könnten. Bild 1: Vision der Autoren zu einem multimodalen Reiseangebot, zu welchem der Geschäftsreisende via digitaler Schnittstelle (EmiLa) Zugang erhält und in einem Tool planen, buchen, bilanzieren, abrechnen und berichten kann. © Heckmann et al. 74 4 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Mit neuer Energie Szenario 2: Die COVID-bedingten Reduzierungen von Geschäftsreisen gehen zurück Das zweite Szenario geht davon aus, dass sich die Tendenzen des zweiten Quartals 2022 weiter fortsetzen und sich die allgemeine pandemische Lage entspannen wird. Basierend auf dieser Annahme werden Geschäftsreisen weiter zunehmen. Denn nach 2,5 Jahren Pandemie sind einige Annahmen aus den Anfangszeiten von COVID revidiert worden. Virtuelle Meetings können einige realen Treffen ersetzen, aber eben nicht alle. Insbesondere Kundenkontakte und wichtige Geschäftsabschlüsse sollen wieder face-to-face stattfinden. Montagen, Besichtigungen, Inbetriebnahmen und vieles weitere kann nicht virtuell stattfinden. Vieles davon wurde in Zeiten von Lockdowns abgesagt oder aufgeschoben, ohne geht es aber nicht. Daher prognostiziert das zweite Szenario einen steigenden Bedarf und eine vehemente Nachfrage nach Geschäftsreisen, die zeit- und regionsweise durch pandemische Lagen eingeschränkt werden. So wird insbesondere für die Wintermonate mit Einschränkungen und einem niedrigeren Reisevolumen als in den Sommermonaten gerechnet, jedoch wird es nicht zu einem Erliegen der Reisetätigkeiten wie in Szenario 1 kommen. Szenario 2 geht in Summe davon aus, dass im Jahresschnitt zwar weniger Reisen stattfinden als zu Vor-Corona-Zeiten, aber eine Zunahme im Vergleich zur aktuellen Situation im Mai 2022 zu erwarten ist. In diesem Szenario ist eine unternehmensgesteuerte nachhaltige Ausrichtung von Geschäftsreisen relevant. Unternehmen sollten ihre Reiserichtlinien frühzeitig anpassen und ihren Angestellten geeignete Werkzeuge und Benefits bieten, um Geschäftsreisen umweltfreundlich abwickeln zu können. Unternehmen haben ein Eigeninteresse daran, den eigenen ökologischen Fußabdruck zu optimieren. Durch ein mittleres bis hohes Geschäftsreiseaufkommen sind monetäre Einsparmöglichkeiten durch Steuerersparnisse gegeben, wenn emissionsarm gereist wird, zum Beispiel durch Steuerbegünstigungen der öffentlichen Verkehrsmittel, Einsparungen bei teuren Flugreisen und Fahrten in Folge steigender Energiepreise, aber auch durch die Nutzung weiterer Steuersparmöglichkeiten bei steigenden CO 2 -Steuerabgaben. Auch das Image eines Unternehmens, welches nachhaltig reisen lässt, wird profitieren. Zumal die Diskussionen um den Nutzen von ortsverändernden Reisen statt virtueller Meetings lauter sein werden - adäquat zum ersten Szenario - als vor Corona, als Online-Meetings kaum gangbar waren. In dieser Diskussion wird es für Unternehmen umso wichtiger sein, kommunizieren zu können, dass Reisen stattfinden, wenn sie nötig sind, aber eben ökologisch optimiert. Szenario 3: COVID hat keinen Einfluss mehr auf das Geschäftsreisevolumen Vor Corona haben Geschäftsreisen immer weiter zugenommen und damit auch der Emissionsausstoß. Dadurch wurde der Handlungsbedarf, Reisen umweltverträglicher abzuwickeln, stetig größer. Szenario 3 geht davon aus, dass die Pandemie keine Einflüsse mehr auf das Geschäftsreisevolumen mehr haben wird. Dennoch bleiben Einflüsse auf das Reiseverhalten aus den Pandemiezeiten, wie die geringere Nutzung des öffentlichen Verkehrs und die dafür häufigere Verwendung der eigenen PKWs, bestehen. Dieses Szenario verdeutlicht den immensen möglichen Nutzen eines Tools, welches Geschäftsreisen ökologisch optimiert. Denn es wird nicht nur mehr Reisen geben als je zuvor, sie werden, zumindest in den kommenden Nach-Corona-Jahren, vermutlich häufiger mit dem motorisierten Individualverkehr getätigt. In diesem Szenario wird der Emissionsausstoß der Geschäftsreisen im Jahre 2023 über dem aus dem Jahre 2019 liegen. Ein weiterer Faktor, der noch mehr Reisen fördern könnte, ist die Tatsache, dass viele Menschen nach 2,5 Jahren Einschränkungen auch vermeintlich unnötige Reisen tätigen werden, da sie längere Zeit auf Reisen verzichten mussten. Kunden, die womöglich lange nicht besucht werden konnten, werden nun häufiger besucht, Treffen mit wichtigen Partnern werden intensiviert, all das sind mögliche Faktoren, die es zu berücksichtigen gilt. Eine solche Überkompensation erscheint, wenn ein Ausgleich geschaffen werden muss, der eine höhere Differenz zum Normalzustand aufweist. Dieser übersteigerte Ausgleich entsteht durch vorangegangene Minderungsverhältnisse, wie sie die Corona- Restriktionen waren. Diese potenziellen Entwicklungen hätten einen kaum vorhersehbaren Anstieg der Geschäftsreisetätigkeit und des Emissionsausstoßes zur Folge. Bei einer Überkompensation ist in jedem Fall mit einem höheren Emissionsausstoß zu rechnen, sofern nicht mit geeigneten Methoden entgegengewirkt werden kann. Das Entgegenwirken durch ein nachhaltigkeitsgeprägtes Planungs- und Belohnungssystem kann einen explosionsartigen Anstieg des Emissionsausstoßes zunächst vermeiden, wenn Unternehmen in der Phase der Wiederaufnahme der Reisetätigkeiten gezielt Anreizprogramme etablieren, die 75 4 · 2022 TR ANSFORMING CITIES THEMA Mit neuer Energie das Verhalten nachhaltig lenken, bevor wieder eine Reiseroutine eingetreten ist. Die Pandemie und das Verlorengegangensein von Routinen bei Geschäftsreisen bietet nun die Möglichkeit, das Verhalten zu verändern, bevor das Reisevolumen stark ansteigt und sich nicht-nachhaltige Verhaltensweisen wieder etabliert haben. In Szenario 3 ist der Nutzen eines nachhaltigen Reisetools bemerkenswert hoch. Entscheidend ist der richtige Zeitpunkt für den Einsatz des Systems - nämlich zeitnah und bevor Geschäftsreisen, wie vor der Pandemie oder noch vermehrter, mit Flugzeug und PKW zum Alltag wurden. In dieser Umbruchphase, in der Ready-Steady-Go-Phase vor der Freiheit, wieder uneingeschränkt reisen zu können, kann der gezielte Einsatz des Systems helfen, frühzeitig neue Geschäftsreiseverhaltensweisen zu etablieren, die langfristig ein höheres Geschäftsreisevolumen und dennoch einen geringeren Emissionsausstoß bedeuten. Unternehmen wird empfohlen, nicht nur die Anschaffung eines Anreizprogrammes zu tätigen, sondern auch die Beschäftigten für dessen Nutzung zu sensibilisieren und letztlich die ökologische Abbildung von Geschäftsreisen, das Vermeiden unnötiger Reisen bzw. den Ersatz durch virtuelle Meetings und die Nutzung von geeigneten Systemen für eine nachhaltig orientierte Planung und Durchführung von Reisen in der Unternehmensreiserichtlinie zu verankern. LITERATUR [1] Kauschke, P., Teichmann, G., Braun, M.: Wie COVID-19 die Mobilität in Deutschland bewegt. Ergebnisse einer repräsentativen Bevölkerungsbefragung. #2 Abschied von Urlaubds- und Dienstreisen? PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, 2020. Online verfügbar unter https: / / www. pwc.de/ de/ im-fokus/ mobility-transformation/ pwcmobilitaet-2-abschied-von-urlaubs-und-dienstreisen.pdf, zuletzt geprüft am 27.05.2022. [2] Stuttgarter Nachrichten: Corona-Fälle in Kliniken im Südwesten rückläufig. In: Stuttgarter Nachrichten, 12.05.2022. Online verfügbar unter https: / / www. stuttgarter-nachrichten.de/ inhalt.coronavirus-in-baden-wuerttemberg-corona-faelle-in-kliniken-im-suedwesten-ruecklaeufig.b9d64a51-3995-487b-b80dccdec23f7cc2.html, zuletzt geprüft am 27.05.2022. Dipl.-Ing. Rebecca Heckmann Akademische Mitarbeiterin Hochschule für Technik Hf T Stuttgart Kontakt: rebecca.heckmann@hft-stuttgart.de Dennis Dreher, M.Eng. Akademischer Mitarbeiter Teamleitung MoVe Hochschule für Technik Hf T Stuttgart Kontakt: dennis.dreher@hft-stuttgart.de Prof. Dr.-Ing. Lutz Gaspers Professor und Prorektor Gründer, Leiter und Sprecher des MoVe Hochschule für Technik Hf T Stuttgart Kontakt: lutz.gaspers@hft-stuttgart.de AUTOR*INNEN [3] Süddeutsche Zeitung: Meldungen zum Coronavirus. Erster Corona-Todesfall in Nordkorea. In: Süddeutsche Zeitung, 13.05.2022. Online verfügbar unter https: / / www.sueddeutsche.de/ politik/ corona-aktuellnordkorea-1.5577840, zuletzt geprüft am 27.05.2022. [4] Krämer, A.: Mobilität nach der Corona-Krise. Internationales Verkehrswesen (72) 3 (2020), S. 89 - 93. [5] Krämer, A.: Perspektiven für Bahn-Geschäftsreisen nach der Corona-Pandemie. Empirische Ergebnisse einer Verbraucher-Befragung in vier europäischen Ländern, 2021. Hrsg. v. Exeo Consulting (3). Online verfügbar unter https: / / exeo-consulting.com/ pdf/ exeo _ Per spek ti ven% 20 B ahn% 20 G e s chaef t srei sen%20nach%20Corona_2021.pdf, zuletzt geprüft am 27.05.2022. [6] Deutscher Reiseverband (DRV) (Hrsg.): Chefsache Business Travel. Studie 2020. Online verfügbar unter https: / / www.chefsache-businesstravel.de/ wpcontent/ uploads/ 2020/ 12 / 20 0221- DRV- Berichtsband-Business-Travel-2020.pdf, zuletzt geprüft am 27.05.2022. [7] Bauer, I., Ryser, C., Kauschke, P., Bransch, O.: Geschäftsreisen im Umbruch. Eine Befragung deutscher Unternehmen: Status Quo und Ausblick, 2022. Hrsg. v. PricewaterhouseCoopers GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Online verfügbar unter https: / / w w w.pwc.de/ de/ transpor tundlogis tik / gescha eftsreisen-im-umbruch.pdf, zuletzt geprüft am 27.05.2022. Call for Papers 2023 Themen und Termine auf: www.transforming-cities.de Ihre neuen Ergebnisse aus Forschung, Wissenschaft und Praxis in
