Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2023-0011
36
2023
81
Krisen-Resilienz als Anpassungsstrategie für Kommunen
36
2023
Rico Kerstan
André Röhl
Kommunen sehen sich mit neuen Krisen konfrontiert – vom Stromausfall bis zum Starkregenereignis. Die Komplexität infolge vielschichtiger Abhängigkeiten innerhalb der Gesellschaft macht eine Vorbereitung auf potenzielle Krisen erforderlich. Die Autoren haben hierfür ein Modell für kommunale Krisen-Resilienz entwickelt, das als methodische Unterstützung bei der Vorbereitung unterschiedlicher Krisen dienen kann. Der Beitrag stellt die Notwendigkeit der Vorbereitung sowie das methodische Vorgehen dar.
tc810037
37 1 · 2023 TR ANSFORMING CITIES THEMA Krisen managen Neue Herausforderungen erfordern neue Vorgehensweisen Corona-Pandemie, Energiekrise, Hochwasser im Ahrtal, Afrikanische Schweinepest und Hackerangriffe auf zahlreiche Gebietskörperschaften sind prominente Beispiele für Krisen und Katastrophen, die die Verwundbarkeit unseres Gemeinwesens aufzeigen. Dabei ergibt sich die besondere Vulnerabilität aus der vielschichtigen Vernetzung einer digitalen Gesellschaft, die zu einem fast verzuglosen und weitreichenden Übergreifen von Schadensereignissen auf kritische Infrastrukturen und - viel wichtiger - auf kritische Prozesse und Wechselwirkungen führen kann. Für Kommunen und die kommunale Selbstverwaltung stellen solche Extremereignisse Stressoren dar, die sie vor besondere Herausforderungen stellen. In Bezug auf die Vorbereitung auf künftige Krisen greift ein Verweis auf die Kompetenzen von Katastrophenschutzbehörden zu kurz. Die neuen Krisen müssen unmittelbar und adhoc in jeder Kommune bewältigt werden. Zumal der Katastrophen- Wie sich Kommunen mittels methodischen Vorgehens auf aktuelle und künftige Krisenszenarien vorbereiten Resilienz, Krisenmanagement, Bevölkerungsschutz, Gefahrenabwehr Rico Kerstan, André Röhl Kommunen sehen sich mit neuen Krisen konfrontiert - vom Stromausfall bis zum Starkregenereignis. Die Komplexität infolge vielschichtiger Abhängigkeiten innerhalb der Gesellschaft macht eine Vorbereitung auf potenzielle Krisen erforderlich. Die Autoren haben hierfür ein Modell für kommunale Krisen-Resilienz entwickelt, das als methodische Unterstützung bei der Vorbereitung unterschiedlicher Krisen dienen kann. Der Beitrag stellt die Notwendigkeit der Vorbereitung sowie das methodische Vorgehen dar. © Samuel F. Johanns auf Pixabay Krisen-Resilienz als Anpassungsstrategie für Kommunen 38 1 · 2023 TR ANSFORMING CITIES THEMA Krisen managen fall nicht ex ante festgestellt werden kann. Grundsätzlich ist daher jede Krise eine kommunale Krise. Kommunen müssen tätig werden, wenn Gefahr im Verzug ist, insbesondere wenn Gefahr für Leib und Leben besteht 1 . Sie übernehmen auch Aufgaben der Gefahrenabwehr, die nicht spezialrechtlich (zum Beispiel im Katastrophenschutzrecht) geregelt sind 2 . Zwar geht im Katastrophenfall die taktisch-strategische Steuerung der Krise auf die Katastrophenschutzbehörde über. Erfahrungen aus dem Ahrtal- Hochwasser zeigen jedoch, dass Kommunen in den ersten 48 Stunden einer Großschadenslage auf sich allein gestellt sind. Überörtliche Hilfe ist nicht oder nur eingeschränkt und verzögert verfügbar. Zudem werden die eigenen, dem Katastrophenschutz zuzuordnenden Ressourcen, durch die übergeordnete Steuerung gewissermaßen vereinnahmt. Die schränkt die Handlungsfähigkeit weiter ein. Die Notwendigkeit, mögliche Risiken zu antizipieren, folgt insofern auch der Verantwortung für die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Zudem haben die Kommunen die Pflicht zum Selbstschutz im Rahmen des Zivilschutzes 3 . Bei jüngeren Krisen, beispielsweise der Corona- Pandemie oder dem Hochwasser im Ahrtal, wurde deutlich, dass die steigende Vernetzung der Gesellschaft durch digitale Medien und die schnelle Verbreitung von Informationen zu neuen Modellen der Kooperation bei der Krisenbewältigung führen oder bereits bekannte Modelle intensivieren kann. Zum einen schlossen sich mehrere Organisationen zum Zwecke der Krisenbewältigung zusammen [1], wie das Beispiel der Zusammenarbeit von ALDI SÜD und McDonald’s zeigt. Im Zuge des ersten Shutdowns im März 2020 setzte McDonalds freigewordenes Personal bei ALDI SÜD ein, das mit stark erhöhter Nachfrage zu kämpfen hatte [2]. Zum anderen kooperierten einzelne Menschen oder Initiativen miteinander und brachten sich in die Krisenbewältigung ein. Beispielhaft seien hier private Initiativen zum Maskennähen zu Beginn der Pandemie oder der Helfer- Shuttle, der Privatpersonen vom Betriebsparkplatz der Firma Haribo in das Katastrophengebiet im Ahrtal brachte, genannt [3, 4]. Kommunen können das eigene Krisenmanagement durch die Einbindung solcher Initiativen bereits in der Planungsphase anreichern. Verschiedentlich ist dies neben pragmatischen Lösungen vor Ort auch schon in der wissenschaftlichen Betrachtung berücksichtigt worden. Zumeist stand dabei die Einbindung der Potenziale der Zivilgesellschaft im Mittelpunkt [5]. Ein Konzept 1 vgl. § 6 OBG NRW oder Brandenburg 2 vgl. § 3 i. V. m. § 5 ebenda 3 vgl. § 5 Abs. 1 ZSKG zu einer systematischen Einbindung von Unternehmen und anderen Organisationen zusammen mit einer Stärkung der eigenen organisationalen Bewältigungsfähigkeit stand bislang aber noch aus. Bedingt unter anderem durch den Klimawandel werden Kommunen in Zukunft häufiger mit Krisen konfrontiert sein. Unabhängig von der Wirksamkeit politischer Maßnahmen zum Klima- und Umweltschutz ist bereits heute klar, dass die Veränderungen direkten Einfluss auf die Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen haben werden. Dies verstärkt die Notwendigkeit wirksame Vorkehrungen zu treffen. Kommunale Gefahrenabwehr ist mehr als der Einsatz der örtlichen Feuerwehr Am Beispiel eines zweitägigen, überregionalen Stromausfalls erschließt sich die Notwendigkeit, Gefahrenabwehr auf kommunaler Ebene weiter zu denken. Für die kommunale Gefahrenabwehr unterhalb der Kreisebene ist die (freiwillige) Feuerwehr vor Ort eine wichtige und schnell einsetzbare Ressource. Aber sie stößt mit ihren Kompetenzen bei einem überregionalen Stromausfall schnell an ihre Grenzen. Bei einem Stromausfall ist die Feuerwehr mit vielen (Bagatell-)Einsätzen konfrontiert: Personen stecken in Aufzügen fest, Züge bleiben stehen, Ampeln fallen aus und es kommt zu Unfällen, Brandmeldeanlagen lösen fehlerhaft aus, usw. Die Feuerwehr hat sofort alle Hände voll zu tun. Daher steht sie für weitere Maßnahmen nur eingeschränkt zur Verfügung. Fällt der Strom aus, steht die Kommunikationsgesellschaft sofort Kopf. Festnetzanschlüsse funktionieren nicht mehr, da heimische Router keine Notstromversorgung haben. Menschen ohne Mobiltelefon können keine Notrufe mehr absetzen. Hausnotrufsysteme für Pflegebedürftige fallen aus. Mobilfunkmasten sind nur für kurze Zeit notstromversorgt. Das Netz funktioniert nur für begrenzte Zeit weiter. Es ist davon auszugehen, dass das Anrufaufkommen bei einem Stromausfall steigt, weil sich die Bürger informieren wollen. Die Verfügbarkeit des Mobilfunknetzes sinkt damit. Die Bürger sind nicht mehr in der Lage, Hilfe zu rufen, sollte es zu einem Herzinfarkt oder einem Brand durch den Campingkocher kommen. Gefahr ist im Verzug. Die Kommune muss tätig werden. Ohne Vorbereitung wird sich aber der Ausfall eines Notrufsystems nicht kompensieren lassen. Polizisten an Kreuzungen zu positionieren, hilft nur eingeschränkt. Die Kommune muss folglich weitere (Selbst-)Hilfekräfte aktivieren. Frage ist: Wie können heimbeatmete Patienten, deren Akku nur noch eingeschränkte Zeit Energie 39 1 · 2023 TR ANSFORMING CITIES THEMA Krisen managen liefert, Hilfe holen? Wer hilft und wie werden die Helfer erreicht? Wer kümmert sich um die Kinder in der Schule, wenn die Eltern zum Zeitpunkt des Blackouts nicht in der Nähe sind? Und wie lange funktioniert eigentlich das Klärwerk? Modell für kommunale Krisen-Resilienz Aus den Erkenntnissen der vergangenen Krisenjahre haben die Autoren ein Resilienzmodell entwickelt, das dabei helfen kann, die kommunale Krisen-Resilienz zu steigern. Es beschreibt Resilienz zunächst als Verbindung von Widerstandsfähigkeit und Bewältigungsfähigkeit. Erstere soll den Eintritt eines möglichen Schadens verhindern oder ihn minimieren. Letztere umschreibt die Befähigung, entstandene Schäden zu kompensieren und trotz vorhandener Einschränkungen die wichtigsten Aufgaben weiter ausführen zu können. Kombiniert werden diese beiden Perspektiven durch eine Innensicht und eine Außensicht der Organisation in Form eines inneren und eines äußeren Ökosystems. Damit werden die einzubindenden Akteure und Netzwerke und die zu berücksichtigenden Schnittstellen beschrieben. In Form einer Matrix ergeben sich daraus vier Handlungsfelder organisationaler Resilienz (Bild 1). Nano- und Mikro-Resilienz fördern durch entschlossenes und agiles Handeln die Störungsbehebung. Meso-Resilienz umfasst ein funktionierendes Krisenmanagement zur Aufrechterhaltung der wichtigsten Prozesse. Makro-Resilienz ermöglicht durch Kooperation unterschiedlicher Akteure die gemeinsame Nutzung und den Austausch notwendiger Ressourcen. Dies macht Ressourcen für die Verwaltung nutzbar, die sonst verborgen bleiben, weil sie nicht zu den klassischen Akteuren der Gefahrenabwehr gehören. Insbesondere die Makro-Resilienz ermöglicht es der Kommune die Kooperation mit und zwischen Organisationen und Initiativen außerhalb der Blaulichtorganisationen für sich zu nutzen. Zwar können im Rahmen der Katastrophenschutzgesetze Helfer und Organisationen verpflichtet werden, doch ist dann weder der Grad der Handlungsfähigkeit der Verpflichteten bekannt, noch ist die Zusammenarbeit formal geregelt. Das Ahrtal-Hochwasser hat gezeigt, dass zu Beginn der bidirektionale Informationsaustausch zwischen Betreibern kritischer Infrastrukturen mit den zuständigen Behörden auf unterschiedlichen Ebenen eine besondere Herausforderung war [6]. Gerade zu Beginn sind Informationen jedoch entscheidend für effektives Krisenmanagement. Das Resilienzmodell lässt sich nicht nur singulär auf einzelne Krisenszenarien (zum Hochwasser, Stromausfall, IT-Ausfall) anwenden. Es liefert vielmehr Methoden für die Anpassung an unterschiedliche Krisenauslöser. Neuen Krisen methodisch begegnen Aufbauend auf dem Resilienzmodell haben die Autoren eine Methode zur Analyse des Gesamtökosystems in der Kommune entwickelt: die Municipal Impact Analysis, kurz MIA (übersetzt: kommunale Wirkungsanalyse). Der Name leitet sich von der „Business Impact Analysis“ ab, dem Kernelement betrieblicher Kontinuitätsplanungen. Ziel von MIA ist es, die Handlungsfähigkeit der Kommunalverwaltung als Organisation zu verbessern und die Bewältigungsfähigkeit in der örtlichen Gemeinschaft zu erhöhen. Damit soll insbesondere dem Umstand Rechnung getragen werden, dass es bei Kommunen in einer Krisensituation nicht nur um die Frage geht, ob und welche (Alltags-)prozesse aufrechterhalten werden. Vielmehr muss die Kommune, wie dargestellt, zusätzliche Aufgaben wahrnehmen können. Dazu zählt auch die Befähigung weiterhin Äußeres Ökosystem Inneres Ökosystem Widerstandsfähigkeit Bewältigungsfähigkeit Nano-Resilienz Verschiebung des Ausnahmezustandes Fähigkeit zu agilem Handeln Adaption bestehender Prozessschritte Mikro-Resilienz Kooperationsfähigkeit der Mitarbeiter in außergewöhnlichen Situationen Eigenständige Anpassung der Arbeitsweise Meso-Resilienz Betriebskontinuitätsplanung und Umsetzung Etablierung von Krisenmanagementstrukturen Makro-Resilienz Kooperationsfähigkeit der Kommune mit wichtigen Stakeholdern Analyse und Bewertung des eigenen Einflusses auf das Ökosystem Interoperabilität mit anderen Verwaltungen Szenarioanalyse Fokus auf Prävention Fokus auf Reaktion Grad des Verständnisses der Ökosysteme Bild 1: Resilienzmodell. © Kerstan, Röhl 40 1 · 2023 TR ANSFORMING CITIES THEMA Krisen managen Entscheidungen treffen zu können, da davon auszugehen ist, dass jede Krise neue, bisher nicht vorhergesehene Herausforderungen mit sich bringen wird. Die MIA umfasst folgende Schritte (Bild 2): Schritt 1: Zu Beginn der Analyse sind die zu betrachtenden Ökosysteme abzugrenzen. Zu klären ist beispielsweise in Abhängigkeit bestehender Wechselwirkungen, ob kommunale Unternehmen unterschiedlicher Rechtsformen dem inneren oder äußeren Ökosystem zugeordnet werden oder ob KRITIS außerhalb des Gemeindegebietes zu berücksichtigen sind. Ebenfalls festgelegt werden das höchste akzeptable Risiko sowie zu betrachtende Szenarien und Schadensereignisse. Schritt 2: Es folgt eine Stakeholderanalyse des äußeren Ökosystems, um Organisationen und Akteure zu identifizieren, bei denen Abhängigkeiten bzw. Wechselwirkungen bestehen, die einen besonderen Unterstützungsbedarf haben oder über besondere Ressourcen verfügen, die in einem Krisenszenario von Bedeutung sein könnten. Schritt 3: Im einem Expertenworkshop mit Vertretern der Verwaltung und ausgewählter Organisationen die Bedeutung jeder Organisation für das Ökosystem „Kommune“ bewertet. Dies beinhaltet für jedes Szenario eine organisationsbezogene Einschätzung der Ausfallwirkung, der Unterstützungsbedürftigkeit und des Unterstützungspotenzials entlang einer zeitlichen Entwicklung. Schritt 4: Anschließend werden im Kontext des Ökosystems die wichtigsten Prozesse innerhalb der kommunalen Verwaltung identifiziert: Welche Auswirkung hat der Ausfall der Verwaltungsdienstleistung in den jeweiligen Zeitspannen? Auch in einer Krise muss die Kommune wesentlichen Aufgaben nachkommen können. Während die Beantragung von Negativbescheiden für Hauskäufe beim Stromausfall keine Bedeutung haben dürften, ist die Registrierung von Geburten und Sterbefällen essenziell. Schritt 5: Es folgt die Einschätzung der akzeptablen Ausfallzeiten sowohl bezüglich der Verwaltungsprozesse als auch der Prozesse innerhalb des Ökosystems. Diese ergeben sich je Szenario aus den Analysen der Schritte drei und vier. Schritt 6: Die individuelle Widerstands- und Bewältigungsfähigkeit von Organisationen und Verwaltung werden im sechsten Schritt eingeschätzt. Dies erfolgt im Gespräch mit der Organisation selbst. Schritt 7: Im letzten Schritt werden die Widerstandswerte mit den akzeptablen Ausfallzeiten verglichen. Im Falle von Abweichungen werden Handlungsempfehlungen zur Anpassung der organisationalen Kompetenzen erstellt und umgesetzt. Die MIA ist als iterativer Prozess zu verstehen. Sie lässt sich auf unterschiedliche Szenarien anwenden: Klimawandel, Cybergefahren, Energieknappheit. Damit Kommunen nicht für jede Krise isolierte Planungen durchführen, ist ein integrierter Ansatz notwendig. Während die Kommune mit einem „Pilotszenario“ starten kann, zum Beispiel Stromausfälle aufgrund der Energiekrise, sollten später weitere Szenarien einbezogen werden. Dies stärkt die Vernetzung unterschiedlicher Akteure und vernetztes Denken gleichermaßen. Die MIA liefert der kommunalen Verwaltung ein fundiertes Lagebild zu den Potenzialen und Risiken innerhalb des kommunalen Ökosystems. Sie ist eine methodische Voraussetzung für die Beplanung unterschiedlicher Krisenszenarien und insbesondere für eine zielgerichtete Steuerung von Ressourcen im Krisenfall. Die MIA macht Ressourcen innerhalb der Kommune nutzbar, die heute unbekannt und schwer steuerbar sind. Darüber hinaus legt die MIA den Grundstein, um im Krisenfall Prioritäten abzuleiten. Sie liefert Informationen darüber, welche Organisationen in welcher Reihenfolge unterstützt werden müssen und wie lange sie ohne Unterstützung auskommen. Sie legt dar, welcher Verwaltungsprozess wann im Notbetrieb funktionieren muss. Im kommunalen Krisenmanagement können die knappen Ressourcen somit zielgerichtet eingesetzt werden. Die MIA ist insofern ein elementares Entscheidungswerkzeug. Schritt 1: Kontext festlegen Schritt 2: Auswahl der Organisationen von kommunaler Bedeutung Schritt 3: Expertenworkshop zur Kritikalitätsbewertung Schritt 4: Kritische Verwaltungsprozesse erheben Schritt 5: Akzeptable Ausfallzeiten für Organisationen und Verwaltung Schritt 6: Widerstands- und Bewältigungsfähigkeit bewerten Schritt 7: Abgleich und Maßnahmendefinition Municipal Impact Analysis Bild 2: Municipal Impact Analysis (MIA). © Kerstan, Röhl 41 1 · 2023 TR ANSFORMING CITIES THEMA Krisen managen Zielgruppen durch Vernetzung angemessen adressieren Mit dem Abschluss der ersten MIA-Iteration beginnt die gemeinsame Arbeit an der Gefahrenabwehr als kommunales Gemeinschaftsprojekt. Örtliche IT-Experten, die bei einem Cyberangriff unterstützen, Sportvereine, die Meldepunkte betreiben oder Tankstellenbetreiber, die für eine Kraftstoffversorgung beim Stromausfall sorgen könnten, benötigen eine gezielte Ansprache, die sich vom klassischen Tagesgeschäft einer Ordnungsbehörde unterscheiden. Kommune und Organisationen im Ökosystem müssen Kommunikationsstrukturen und -mittel für den Krisenfall abstimmen. Der kommunale Krisenstab muss über die Möglichkeit und die Fähigkeit der Kooperation mit den relevanten Organisationen verfügen und vice versa. Die Implementierung und Aufrechterhaltung dieser Strukturen bedingen unterschiedliche Ressourcen und Zuständigkeiten. Neben der Ordnungsbehörde müssen Wirtschaftsförderung und Pressestelle aktiv mitwirken. Es ist von besonderer Bedeutung, die Krisenplanungen nicht als Anordnung im Sinne der Hilfeleistungspflichten der Katastrophenschutzgesetze zu verstehen. Vielmehr geht es um Kooperation: Während die Kommune Zugriff auf zusätzliche Ressourcen (insbesondere Personal, Wissen, Fähigkeiten und Technik) erhält, erhalten auch die beteiligten Organisationen Zugang zu einem Netzwerk und zu Unterstützung. Die Einbindung eines örtlichen Pflegeheims in die Krisenmanagementplanungen ist für Kommune und Pflegeheim gleichermaßen bereichernd. Das Pflegeheim kann beim Stromausfall direkt die eigene Lage an den kommunalen Krisenstab kommunizieren und so beispielsweise Unterstützung bei der Versorgung mit Diesel für den Generator erhalten. Der kommunale Krisenstab kann im Gegenzug einen notstromversorgten Anlaufpunkt mit medizinischer Grundausstattung einrichten, an dem sich niedergelassene Ärzte einfinden. Zudem kann die Küche des Pflegeheims bei der Versorgung der Bevölkerung unterstützen. Diese Mehrwerte entstehen vor allem, wenn die Partner auf Augenhöhe kommunizieren und gemeinsame Vorbereitungen treffen. Die Mitwirkung der Organisationen innerhalb der Kommune sollte eine Selbstverpflichtung zu einem Code of Conduct enthalten. Vernetzung und Kooperation funktionieren nur durch offenen Austausch und Vertrauen. Diese Werte sollten im Code of Conduct schriftlich niedergelegt werden. Zudem ist eine Selbstverpflichtung zur regelmäßigen Teilnahme an Schulungen und Ausbildungen sinnvoll. Als gemeinsamer Wert sollte das Verständnis verankert werden, dass Wissen, das im Rahmen der Initiative entsteht oder ausgetauscht wird, als Open-Source- Ressource uneingeschränkt innerhalb und außerhalb des kommunalen Gefahrenabwehr-Netzwerks zur Verfügung steht. LITERATUR [1] Dieterle , A. - K., Duchek, S.: „Unternehmenskooperation als Resilienzstrategie. Nutzen für die Krisenbewältigung,“ Der Betriebswirt, vol. 61, no. 3 (2020), pp. 173 - 184, doi: 10.3790/ dbw.61.3.173. [2] Aldi-Süd: „Personalpartnerschaft von McDonald’s Deutschland und ALDI,” 2020. https: / / unternehmen.aldi-sued.de/ de/ presse/ pressemitteilungen/ unternehmen/ 2020/ personalpar tnerschaf t-vonmcdonalds-deutschland-und-aldi/ (accessed Jan. 16, 2023). [3] NeueWerft - Gesellschaft für Markenentwicklung mbH: „Helfer-Shuttle,“ 2021. https: / / www.helfershuttle.de/ (accessed Jan. 16, 2023). [4] Jehle, S.: „Wie zwei Unternehmer die privaten Helfer organisieren,“ Die Rheinlandpfalz, Aug. 19, 2021. Accessed: Jan. 16, 2023. [Online]. Available: https: / / www.rheinpfalz.de/ politik/ rheinland-pfalz_artikel,wie-zwei-unternehmer-die-privaten-helfer-organisieren-_arid,5242150.html [5] Max, M., Schulze, M.: Hilfeleistungssysteme der Zukunft: Analysen des Deutschen Roten Kreuzes zur Aufrechterhaltung von Alltagssystemen für die Krisenbewältigung, 1st ed. Bielefeld, Germany: transcript Verlag, 2021. doi: 10.14361/ 9783839460320. [6] UP-KRITIS: Lessons-learned: Krisenvorsorge und Krisenbewältigung COVID-19 im Kontext des Schutzes KRITIS, May 26, 2021. Accessed: Jan. 16, 2023. Available: https: / / www.kritis.bund.de/ SharedDocs/ Downloads/ Kritis/ DE/ krisenvorsorge_krisenbewaeltigung_covid19.pdf ? _ _blob=publicationFile Rico Kerstan, MBA Mitgründer Deutsches Institut für Sicherheit und Krisenvorsorge Kontakt: rk@disk.institute Prof. Dr. André Röhl Leiter des Studiengangs Sicherheitsmanagement NBS Northern Business School. Wissenschaftlicher Leiter Deutsches Institut für Sicherheit und Krisenvorsorge Kontakt: ar@disk.institute AUTOREN