eJournals Transforming cities 8/1

Transforming cities
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2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2023-0021
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Finanzsicherheit durch Citymaut?

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2023
Rafael Oehme
Christian Scherf
Cornelia Emmerich
Wolfgang Schade
Im Rahmen von Verkehrskonzepten haben Kommunen die Möglichkeit, den öffentlichen Raum nachhaltig umzugestalten, was auch der Verkehrssicherheit und der Gesundheit dient. Für die Beeinflussung des Verkehrs stehen verschiedene Anlagen und Maßnahmen, wie zum Beispiel Ampeln, Fahrrad-, Fußgänger- oder Umweltzonen zur Verfügung. Zudem besteht die Möglichkeit, die Finanzsicherheit der Kommunen durch Instrumente mit finanziellen Einnahmen, namentlich Parkraumbewirtschaftung oder Citymaut, zu erhöhen. Wichtig ist dabei die Beachtung möglicher Zielkonflikte.
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82 1 · 2023 TR ANSFORMING CITIES THEMA Krisen managen Eine Citymaut ist die Erhebung eines Entgelts für den Straßenverkehr in stark verkehrsbelasteten Innenstadträumen. In europäischen Städten werden aktuell verschiedene Citymaut-Modelle betrieben. Der geografische Geltungsbereich wird häufig mithilfe von Ringen, sogenannten Kordons, um ein bestimmtes (Innen-)Stadtgebiet definiert. Beim Kordonsystem, wie beispielsweise in Oslo oder Stockholm, fallen für die Einund/ oder Ausfahrt der Ringe Kosten an. Eine Alternative ist ein Gebietssystem wie zum Beispiel in London, bei dem alle Fahrten innerhalb des Geltungsbereichs bepreist werden [1]. Teilweise werden die Nutzungsentgelte nur zu bestimmten Tageszeiten (Hauptverkehrszeiten) oder an Werktagen erhoben [2]. Die städtischen Mautsysteme unterscheiden sich außerdem in der Art der Gebührenerhebung, zum Beispiel durch automatische Nummernschilderkennung, Transpondertechnologie im Fahrzeug oder GPS-basierte Überwachung. Die Mautkonzepte umfassen auch Verkehrsmanagement-Instrumente, die über die reine Bepreisung des Straßenverkehrs hinausgehen [3]. In Bologna und Mailand gibt es zum Beispiel ein Einfahrverbot für Fahrzeuge mit niedrigen Emissionsklassen - entsprechend den in Deutschland verbreiteten Umweltzonen [2]. Vorteile einer Citymaut Eine Citymaut hat gegenüber anderen Maßnahmen den Vorteil, dass sie nicht nur eine verkehrliche Lenkungswirkung hat, sondern auch eine wirtschaftliche Komponente mit finanzieller Sicherheit für die Kommune durch Mauteinnahmen bietet. Die Benutzung der öffentlich bereitgestellten Straßeninfrastruktur verursacht gesamtwirtschaftliche Kosten, die den Verursachern normalerweise nicht angelastet werden, sogenannte „Externalitäten“ oder externe Kosten. Diese umfassen Umweltkosten (zum Beispiel: Gesundheitsschäden durch Abgase, Lärm und Klimawandel), Stau- und Infrastrukturkosten. Die Implementierung von Mautsystemen führte in mehreren Städten zu einer Reduzierung des fließenden Verkehrs im Geltungsbereich um 15 bis 22 % [5]. Einerseits reduziert die Einführung einer Citymaut die externen Kosten des Verkehrs. Auch die Verkehrssicherheit steigt, wenn weniger PKW und andere Fahrzeuge in Innenstädten fahren. Andererseits können die Einnahmen aus der Citymaut zum Ausgleich der externen Kosten des Motorisierten Individualverkehrs (MIV) verwendet werden. Häufig werden mit den Einnahmen Investitionen in das urbane Verkehrssystem, insbesondere in den Ausbau des ÖPNV, finanziert [5]. Die operativen Kosten sowie die Kosten für die Implementierung der Mautsysteme variieren je nach Ausgestaltung. Voraussetzung für ein praktikables Mautsystem ist, dass neben der direkten Lenkungswirkung Nettoeinnahmen generiert werden, welche zur Finanzsicherheit beitragen und ins Verkehrssystem reinvestiert werden können. So unterscheiden sich die Systeme in Singapur, London, Stockholm und Mailand hinsichtlich der Kosten- und Einnahmenstruktur deutlich, sind aber alle profitabel [5]. Auf der Einnahmenseite ist eine adäquate Bepreisung, beispielsweise in Anlehnung an ÖPNV-Tarife, notwendig. Neben der Prüftechnik fallen operative Kosten für technische und administrative Aufgaben an, die mit zunehmender Komplexität des Systems steigen. Zu nennen sind zum Beispiel die Befreiung bestimmter Fahrzeuge oder Nutzer*innen (Taxis, Busse, mobilitätseingeschränkte oder finanzschwache Finanzsicherheit durch Citymaut? Zielkonflikt zwischen fiskalischer und verkehrlicher Wirkung Citymaut, Kommune, Externalität, Finanzsicherheit, Zielkonflikt Rafael Oehme, Christian Scherf, Cornelia Emmerich, Wolfgang Schade Im Rahmen von Verkehrskonzepten haben Kommunen die Möglichkeit, den öffentlichen Raum nachhaltig umzugestalten, was auch der Verkehrssicherheit und der Gesundheit dient. Für die Beeinflussung des Verkehrs stehen verschiedene Anlagen und Maßnahmen, wie zum Beispiel Ampeln, Fahrrad-, Fußgänger- oder Umweltzonen zur Verfügung. Zudem besteht die Möglichkeit, die Finanzsicherheit der Kommunen durch Instrumente mit finanziellen Einnahmen, namentlich Parkraumbewirtschaftung oder Citymaut, zu erhöhen. Wichtig ist dabei die Beachtung möglicher Zielkonflikte. 83 1 · 2023 TR ANSFORMING CITIES THEMA Krisen managen Nutzer*innen), die zeitliche Differenzierung oder die unterschiedliche Bepreisung verschiedener Fahrzeugklassen (differenziert nach Schadstoffausstoß etc.) [5]. Mögliche Zielkonflikte beachten Wichtig bei der Entwicklung eines City Maut-Konzepts ist die Beachtung möglicher Zielkonflikte. So kann die Einnahmengenerierung der Steuerungswirkung entgegenstehen: Verkehrsreduktion verursacht sinkende Einnahmen. Komplexere Mautsysteme sind mit höheren Kosten verbunden, generieren dadurch weniger Nettoeinnahmen, haben aber die Möglichkeit einer spezifischen Zielsetzung. Anstelle oder neben der Finanzsicherheit bestehen hier (auch) Ziele wie der Gesundheitsbzw. Klimaschutz oder die Steigerung der Verkehrssicherheit. So besitzt eine fahrleistungsabhängige Maut eine große Lenkungswirkung, ist aber sehr kostenintensiv, da der technische und administrative Aufwand entsprechend groß ist. Nicht-fahrleistungsabhängige Mautsysteme bieten hingegen geringere Anreize zur Verkehrsvermeidung. Zudem ist bei der Ausgestaltung darauf zu achten, dass die Differenzierungen im Einklang mit den definierten Zielen stehen und für die Nutzer*innen akzeptabel sind. Eine zeitliche Mautdifferenzierung eignet sich insbesondere zur Staureduktion. Ist die Zielsetzung der Klimaschutz, müsste eine Maut hingegen nicht nur an Werktagen oder zu Stoßzeiten, sondern dauerhaft erhoben werden [3]. Besonders nach Emissionsart gestaffelte Mautsysteme fördern die Nutzung emissionsarmer Verkehrsmittel. Allerdings müssen alternative (umweltfreundliche) Transportmöglichkeiten ausreichend vorhanden sein bzw. geschaffen werden, wozu die Mauteinnahmen verwendet werden können. Allgemein ist im Blick zu behalten, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung vor Einführung einer City Maut eher bei lediglich 40 % liegt. Nach der Einführung wendet sich dies und sie liegt häufig bei 60 % (5). Fazit Jedes Citymaut-System ist einzigartig, da jeweils unterschiedliche Verkehrskonzepte und besondere Ausgangslagen bestehen. Bei der Konzeption sollten Wirtschaftlichkeit sowie potenzielle Zielkonflikte stets Beachtung finden, um unerwünschte Effekte bzw. Zielverfehlungen zu vermeiden. Im Rahmen eines Verkehrskonzepts eignet sich eine City-Maut zusammen mit anderen Maßnahmen für eine effektive und nachhaltige Gestaltung des städtischen Verkehrssystems sowie zur Absicherung der kommunalen Finanzen. LITERATUR [1] Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (Hrsg.): Verkehrssteuerung in europäischen Städten durch eine City-Maut. Aktenzeichen WD5- 3000-147/ 18, 27.11.2018, online: https: / / t1p.de/ wdcitymaut. [2] ADAC (Hrsg.): Zufahrtsbeschränkungen in Italien. Online: https: / / t1p.de/ adac-citymaut. [3] Hautzinger, H., Fichert, F., Fuchs, M., Stock, W.: Eignung einer City-Maut als Instrument der Verkehrs- und Umweltpolitik in der Freien und Hansestadt Hamburg. IVT, Mannheim/ Heilbronn 2011. Online: https: / / t1p.de/ hh-citymaut. [3] Knie, A., Canzler, W.: Die Citymaut - Neuer Freiraum für die Verkehrspolitik in Zeiten des Wandels. Oekom, München 2020. [5] Blanck, R., Zimmer, W., Mottschall, M., Göckeler, K., Keimeyer, F., Runkel, M., Kresin, J., Klinski, S.: Mobilität in die Zukunft steuern - Gerecht, individuell und nachhaltig. Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau 2021. Online: https: / / t1p.de/ uba-mobil-gerecht. Rafael Oehme Wissenschaftlicher Mitarbeiter M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics Kontakt: rafael.oehme@m-five.de Dr. phil. Christian Scherf Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Mobilitätsexperte M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics Kontakt: christian.scherf@m-five.de Cornelia Emmerich, LL.M. (LLS) Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Rechtsexpertin M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics Kontakt: cornelia.emmerich@m-five.de Dr. rer. pol. Wolfgang Schade Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter M-Five GmbH Mobility, Futures, Innovation, Economics Kontakt: wolfgang.schade@m-five.de AUTOR*INNEN