Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2023-0031
65
2023
82
Design von Smart City-Applikationen
65
2023
Jakob Ossmann
Kasra Seirafi
Larissa König
Tobias Hagen
Smart City-Applikationen haben das Potenzial, das Leben in der Stadt nachhaltig zu verbessern. Die Use Cases dieser neuen Technologien lassen sich aber meist nur realisieren, wenn User*innen sich aktiv über das Teilen von Daten beteiligen. Welche User Experience-Funktionen dazu animieren, ist bisher nicht hinreichend erforscht. Zur Bewertung von Designs für Datenerhebungsfunktionen kann das Technology Acceptance Model (TAM) eingesetzt werden. Anhand des Forschungsprojekts start2park sowie weiterer Smart City-Projekte wird auf Basis des TAM ein Katalog mit Best Practices und Leitlinien für die Praxis vorgestellt.
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20 2 · 2023 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Smart City-Applikationen haben das Potenzial, Städte resilienter zu machen und das Leben ihrer Bewohner*innen zu verbessern [1]. Parksuch-Apps, Klimavisualisierungen, Zustandsreportings, Verkehrsoptimierungen oder Wissensvermittlungen für die Stadt funktionieren dabei jedoch meistens erst, wenn User*innen aktiv bereit sind, sich durch das Teilen der von ihnen aktiv oder passiv generierten Daten zu beteiligen. Während eine große Bereitschaft zur Nutzung von Smart City-Applikationen beobachtbar ist, sind Bürger*innen jedoch oftmals zurückhaltend, wenn es um Daten-Sharing geht. So zeigt sich in einer repräsentativen Umfrage vom Dezember 2022 [2], dass fast zwei Drittel der Deutschen einer Nutzung ihrer personenbezogenen Mobilitätsdaten kritisch gegenüberstehen. Auch Kosten- oder Emissionsreduktionen können nur eine Minderheit zum Teilen von persönlichen Mobilitätsdaten bewegen. Ein Misstrauen im Hinblick auf den Datenschutz geht auch damit einher, dass nur jeder achte überhaupt Shared-Mobility-Dienstleistungen nutzt [2]. Technische Konzepte, welche User*innen Ängste vor dem Teilen ihrer Daten nehmen können [3], oder Data Governance-Konzepte für Smart Cities, welche ethische Fragen der „Data Value Chain“ behandeln [4], wurden bereits erforscht. Die vor allem Design von Smart City-Applikationen Leitlinien und Best Practices für Partizipation, Motivation und Data Sharing UX Design, Datenerhebung, Smart City, Technology Acceptance Model, Rewardsystem Jakob Ossmann, Kasra Seirafi, Larissa König, Tobias Hagen Smart City-Applikationen haben das Potenzial, das Leben in der Stadt nachhaltig zu verbessern. Die Use Cases dieser neuen Technologien lassen sich aber meist nur realisieren, wenn User*innen sich aktiv über das Teilen von Daten beteiligen. Welche User Experience-Funktionen dazu animieren, ist bisher nicht hinreichend erforscht. Zur Bewertung von Designs für Datenerhebungsfunktionen kann das Technology Acceptance Model (TAM) eingesetzt werden. Anhand des Forschungsprojekts start2park sowie weiterer Smart City-Projekte wird auf Basis des TAM ein Katalog mit Best Practices und Leitlinien für die Praxis vorgestellt. Bild 1: Green Living Augmented Reality App. ©fluxguide 21 2 · 2023 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation für Expert*innen aus der Praxis relevante Frage, welche User- Experience-Funktionen Benutzer*innen dazu animieren Daten zu teilen, ist dagegen nicht hinreichend erforscht. Das vorliegende Paper beschreibt Gestaltungs-Prinzipien, die User*innen dazu motivieren können, sich über das Teilen von Daten an Smart City-Applikationen zu beteiligen und dadurch die Qualität sowohl ihres eigenen Lebens als auch das Leben ihrer Mitmenschen zu verbessern. User*innen werden dabei als rationale Akteure betrachtet, welche sich zu einer Beteiligung an Services und zum Teilen von Daten entscheiden, wenn sie für sich selbst einen Nutzengewinn erkennen. Dieser Untersuchungsansatz beruht auf dem etablierten Technology Acceptance Model (TAM), das wiederum von der Theory of Planned Behaviour [5] abgeleitet ist und bereits mehrfach erfolgreich bei der Evaluation von Smart City- Technologien eingesetzt wurde [6, 7]. Das TAM geht davon aus, dass Benutzer*innen neue Technologien einsetzen und an deren Verbreitung partizipieren, wenn 1. der „perceived value” höher ist als die „perceived costs“, also ein Nutzengewinn („perceived usefulness“) wahrgenommen wird und 2. „perceived ease of use“ sicherstellt, dass keine zu komplexen Funktionen die Verwendung im Alltag behindern. In der Folge werden User Interface Best-Practices aus Smart City-Praxisprojekten im DACH- Raum vorgestellt, die einen Einfluss auf das value costs-Verhältnis haben und Data sharing bei Smart City-Applikationen positiv motivieren. Ein Fokus liegt dabei auf dem Projekt start2park, ein durch das BMDV gefördertes Projekt, welches über eine neue App Autofahrten und Parksuchverhalten aufzeichnet. Die gesammelten Daten sollen die Prognose von Reisezeiten verbessern, um Stress und Emissionen zu reduzieren. Die applikationsübergreifende Kategorien-Erstellung basiert auf über zehn Jahren Erfahrung der Autoren im Smart City-Bereich. Den Autoren entsteht keinerlei monetärer Nutzen durch weitere Downloads oder die Nutzung der hier vorgestellten, beispielhaften Applikationen. Onboarding Einführende Tutorials haben sich bewährt, um die „perceived usefulness” gleich am Anfang der Verwendung positiv zu beeinflussen. Das vierstufige Onboarding-Tutorial aus der start2park App besteht aus 1) Begrüßung, 2) Funktionsbeschreibung, 3) Menü-Übersicht und 4) Nutzen. Dabei liegt der Fokus anfänglich auf der Informationsvermittlung, um die Funktionsweise der App transparenter zu machen und Hemmnisse zur Aufzeichnung der persönlichen Fahrten zu reduzieren. Je simpler und intuitiver das Design der Applikation, desto kohärenter kann die Funktionsbeschreibung gehalten und Abwanderung während des Onboardings verhindert werden. Im letzten Schritt des Onboarding Tutorials wird auf kleine Preise für regelmäßige Nutzer*innen verwiesen, um von Beginn an eine extrinsische Motivationsquelle zu bieten. Ein weiteres Beispiel findet sich in der App Green Living Augmented Reality (Bild 2), welche Mikroklimadaten mittels Augmented Reality in der Stadt visualisiert. Interaktive Inhaltskarten beschreiben im Onboarding Flow den Nutzen der App und die Relevanz des Themas für das eigene Leben in der Stadt. Transparency Werden Daten von User*innen eingeholt, sollte die Applikation auch von sich aus Daten zur Verfügung stellen. Dieses Gleichgewicht zwischen geben und nehmen kann nutzungspsychologisch entscheidend sein und den „perceived value“ steigern. So kann etwa die Datenbasis für Entscheidungsprozesse transparent gemacht werden. Im Projekt Green Valuation (Bild 3) werden multiple Daten (CO 2 -Belastung, Hitzeentwicklung, Wasserverbrauch, ökonomische Metriken) interaktiv und verständlich visualisiert und in den Kontext von Immobilienbewertung und Stadtbegrünungs-Maßnahmen gestellt. Bild 2: GL ARA App. © fluxguide 22 2 · 2023 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Die App Green Living Augmented Reality visualisiert Mikroklimadaten direkt vor Ort in Straßenzügen und macht dadurch den Vorteil von Begrünungsmaßnahmen „on the spot“ sichtbar. Bild-1 zeigt, wie die Nutzung mobiler Endgeräte ohne weiteres Equipment einen möglichst breiten, hürdenlosen Zugang für interessierte Nutzer*innen ermöglicht. Darüber hinaus sollte eine Applikation explizit aufzählen, welche Daten erhoben werden und wie mit diesen Daten verfahren wird. Die Einhaltung der DSGVO ist dabei noch nicht hinreichend. Zusätzlich sollte den Nutzer*innen ein Gefühl der Sicherheit vermittelt werden, dass nur wirklich relevante Daten gesammelt werden, und kein „Data Grabbing“ stattfindet, also das Datensammeln ohne für die User*innen zu erkennenden Grund. In der start2park App erhalten die Nutzer*innen nach jeder Nutzung eine interaktive Visualisierung der soeben von ihnen aufgezeichneten Daten. Dabei werden sie aktiv in die Datengeneration einbezogen und ihnen wird die Möglichkeit eingeräumt, wichtige Datenpunkte zu korrigieren. Bild- 4 zeigt eine Beispielfahrt; in der intuitiv gestalteten Kartendarstellung können Nutzer*innen ohne großen Aufwand ihre Route nachvollziehen und bearbeiten. Data-Ownership Datenbesitz ist meist ein zweistufiger Prozess, der transparent gemacht werden sollte: 1.) lokales Einholen von Daten (etwa in einer lokalen Mobile-App) und 2.) Übertragung an einen Dritten (etwa dem App-Betreiber). Die App SimRa sammelt während des Fahrradfahrens GPS- und Geschwindigkeitsdaten, um Rückschlüsse auf die Fahrtsicherheit zu gewinnen. Die Daten werden nicht automatisch an die Herausgeber gesendet, sondern User*innen entscheiden in dem Menü in Bild 5 manuell, wann sie welche Datenpakete hochladen. Dabei wird die Data-Ownership transparent gemacht und die Kontrolle des Data-Sharing dem User übergegeben. Durch ein mehrstufiges System der Datenfreigabe fühlen sich die Nutzer*innen in ihrer Datensouveränität bestärkt und sehen dadurch geringe bis keine Kosten, die mit der Applikationsverwendung verbunden sind. Rewardsystem Das Sammeln von Daten scheitert oft nicht am Unwillen der User, sondern schlicht an fehlender Motivation. Naturgemäß ist der „perceived value“ beim bloßen Teilen von Daten gering, da kein direkter Benefit entsteht. Durch Belohnungs- und Sammellogiken kann ein intrinsisches Interesse für Nutzung und Daten-Sharing erzeugt werden. Gamification, etwa mittels integrierter Rätsel oder Clicker-Interaktion, und Ranglisten, die einen Vergleich zu anderen User*innen herstellen, sind weitere Möglichkeiten, um durch ein Rewardsystem Anwender*innen einen Nutzen zu liefern. Die start2park App sammelt Daten über das Parksuchverhalten. Um dies zu incentivieren wurde ein einfaches Levelsystem mit interaktiven Fortschrittsanzeigen und Erfolgs-Feedback umgesetzt, sowie mit Gutscheinen und Rabatten verknüpft. Um einen Gutschein zu erhalten, kann sich die User*in nach Freischaltung des Bonus per E-Mail beim Konsortium des Forschungsprojekts melden. Aus dieser Kommunikation sind keinerlei Rückschlüsse auf die gesammelten Daten möglich. Bild 3: Green Valuation Plattform. © fluxguide Bild 4: - Screenshot aus der start2park App. © Relut Frankfurt University of Applied Sciences 23 2 · 2023 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Kommunikation Jakob Ossmann, MSc. Digital Concepts fluxguide GmbH Kontakt: jakob@fluxguide.com Dr. Kasra Seirafi Gründer und R&D Consultant fluxguide GmbH Kontakt: kasra@fluxguide.com Larissa König, M.Phil. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Research Lab for Urban Transport (ReLUT) Frankfurt University of Applied Sciences Kontakt: larissa.koenig@fb3.fra-uas.de Prof. Dr. Tobias Hagen Professor für Volkswirtschaftslehre und Quantitative Methoden Frankfurt University of Applied Sciences Kontakt: thagen@fb3.fra-uas.de Die Energieführerschein-App arbeitet mit einem Level-basierten Rewardsystem, wobei sich eine animierte Insel, wie die in Bild 6, mit nachhaltigen Energieträgern schrittweise zusammensetzt. Die oft repetitive Aktivität der App-Nutzung und des Datensammelns wird somit in einen kurzweiligen Kontext und Motivationszusammenhang gestellt und die „perceived costs“ der Nutzung reduziert. Fazit Damit User*innen sich über das Teilen von Daten bei Smart City-Applikationen beteiligen, müssen ihnen diese Anwendungen einen Nettonutzengewinn liefern. Aus Smart City Projekten der letzten Jahre lassen sich Best Practices für User Interface- Funktionen ableiten, welche zum Teilen von Daten animieren. Im ersten Schritt muss der persönliche Nutzen direkt über ein verständliches Onboarding vermittelt werden. Transparenz bei den gesammelten Daten sollte damit einhergehen, dass auch den Daten teilenden User*innen etwas zurückgegeben wird. Über „Data Ownership“-Funktionen wird Vertrauen erhöht, „perceived costs“ werden gesenkt. Regelmäßiges Feedback und kleine „virtuelle“ oder materielle Belohnungen im Rahmen eines Rewardsystems, motivieren zu regelmäßiger Nutzung. LITERATUR [1] Al Nuaimi, E., Al Neyadi, H., Mohamed, N., Al-Jaroodi, J.: Applications of big data to smart cities. J. Internet Serv. Appl. 6, (2015) S. 25. https: / / doi.org/ 10.1186/ s13174-015-0041-5 [2] eco - Verband der Internetwirtschaft e. V.: Data Sharing als Hemmschuh für smarte Mobilität: eco Umfrage zeigt: Mehrheit der Deutschen hat nach wie vor große Vorbehalte bei Freigabe ihrer Mobilitätsdaten, Pressemeldung vom 11. Januar 2023. ht tp s : / / w w w.e co.de / pre s s e / data-sharing-als-hemmschuhf uersmar te mobilit a ete co umfrage -zeig tmehrheitderdeut schen-hat-nach-wie -vorgrosse-vorbehalte-bei-freigabe-ihrer-mobilitaetsdaten [3] Braun, T., Fung, B.C.M., Iqbal, F., Shah, B.: Security and privacy challenges in smart cities. Sustain. Cities Soc. 39, (2018) S. 499 - 507. https: / / doi. org/ 10.1016/ j.scs.2018.02.039 [4] König, P.D.: Citizen-centered data governance in the smart city: From ethics to accountability. Sustain. Cities Soc. 75, (2021) S. 103308. https: / / doi. org/ 10.1016/ j.scs.2021.103308 [5] Ajzen, I.: The Theory of Planned Behavior. Organ. Behav. Hum. Decis. Process. 50, (1991) S. 179 - 211. [6] Choi, J.: Enablers and inhibitors of smart city service adoption: A dual-factor approach based on the technology acceptance model. Telemat. Inform. 75, (2022) S. 101911. [7] Sepasgozar, S.M.E., Hawken, S., Sargolzaei, S., Foroozanfa, M.: Implementing citizen centric technology in developing smart cities: A model for predicting the acceptance of urban technologies. Underst. Smart Cities Innov. Ecosyst. Technol. Adv. Soc. Chall. 142, (2019) S. 105 - 116. https: / / doi.org/ 10.1016/ j.techfore.2018.09.012 Bild 5: SimRa App. © MCC TU Berlin Bild 6: Animiertes Rewardsystem. © Die Umwelt- Beratung AUTOR*INNEN
