eJournals Transforming cities 8/3

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2023-0059
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Care4GREEN

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Irene Zluwa
Michael Gräf
Doris Allerstorfer
Julia Salzlechner
Anna Briefer
Peter  Skolek
Rosemarie Stangl
Im Rahmen des vom Klima- und Energiefonds geförderten Forschungsprojektes „Care4GREEN“ wird die partizipative Erhaltungspflege durch Bewohner*innen entwickelt und an drei Case Studies im großvolumigen Wohnbau erprobt.
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32 3 · 2023 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Problemstellung: Um den negativen Auswirkungen des Klimawandels und urbaner Hitze entgegenzuwirken, gewinnt der Einsatz von „Grüner Infrastruktur“ immer stärker an Bedeutung. Allerdings brauchen Grünflächen entsprechende Pflege und Wartung und kontinuierliches Engagement, um die kühlende Wirkung in der Stadt aufrechterhalten zu können. Häufig sind die üblichen Pflegeintervalle externer Unternehmen nicht ausreichend, was zu verwilderten Grünflächen und Pflanzenausfällen aufgrund von Trockenheit führt, und in weiterer Folge die Qualität der Grünflächen beeinträchtigt. Ein Lösungsansatz dafür kann die partizipative Einbindung engagierter Bewohner*innen in die Pflege von Grünflächen sein. Für die Eigentümer*innen und Hausverwaltungen stellen dabei rechtliche Unsicherheiten und die Komplexität in Bezug auf Haftung, Risiko und Gewährleistung bis dato noch hohe Hemmschwellen für die Involvierung privater Nutzer*innen dar, ebenso fehlt es an attraktiven Anreizmodellen für Bewohner*innen. Im Zuge des Projekts wird versucht, diese Hindernisse anhand von Demo Cases zu untersuchen, zu dokumentieren und Antworten zu finden. Ziel des Projektes Care4GREEN ist es, Hausgemeinschaften im Wohnbau zu befähigen, ihre Grünflächen hochwertig und nachhaltig zu begrünen, den Grünbestand zu erweitern und sich aktiv und dauerhaft in die Pflege einzubringen. Dies geschieht über die Einbindung der Bewohner*innen und Hausverwaltungen mittels co-kreativer Workshops, um dem Bestand neue grüne Infrastrukturen hinzuzufügen und um die Bewohner*innen zur Grünpflege zu aktivieren. Im Idealfall entsteht eine Win-win-Situation: Für die Bewohner*innen steigen Zufriedenheit und Identifikation mit ihrem wohnungsnahen Grünraum. Gleichzeitig steigt durch die private Übernahme von Pflegetätigkeiten die Qualität der Begrünung bei gleichen oder geringeren Kosten für Hausverwaltung und Bauträger. Zudem steigert sich noch der Wert der Grünflächen durch die bessere Pflege. Ziele des Projekts sind:  die fachliche Ermächtigung der Bewohner*innen, um einfache Pflegetätigkeiten fachgerecht durchführen zu können,  Muster- und Pflegeverträge zur rechtlichen Absicherung der Bewohner*innen sowie der Hausverwaltungen,  erprobte Anreizmodelle,  eine Open Access Plattform zur Unterstützung der Selbstorganisation,  sowie praxistaugliche Leitfäden für Hausverwaltungen/ Bauträger und Bewohner*innen zur Erhaltung hochwertiger Grüner Infrastrukturen. Anreize zur Teilnahme an der Grünpflege Einsparungen und finanzielle Vergütung: Eine allgemeine Reduktion der Betriebskosten, die sich positiv auf alle Bewohner*innen auswirkt kann nur entstehen, wenn durch die Pflegetätigkeiten der Bewohner*innen auch tatsächliche Einsparungen durch die Reduktion der Leistung von Professionisten erreicht werden. Das heißt: Durch Änderung in den (bestehenden) Verträgen kann der Leistungsumfang der Grünpflegefirmen um den Umfang der Tätigkeiten, die von Bewohner*innen übernommen werden, reduziert Care4GREEN Bewohner*innen-Einbindung zur Pflege gemeinschaftlicher Grünflächen Irene Zluwa, Michael Gräf, Doris Allerstorfer, Julia Salzlechner, Anna Briefer, Peter Skolek, Rosemarie Stangl Im Rahmen des vom Klima- und Energiefonds geförderten Forschungsprojektes „Care4GREEN“ wird die partizipative Erhaltungspflege durch Bewohner*innen entwickelt und an drei Case Studies im großvolumigen Wohnbau erprobt. Ein Bewohner schneidet die Hecke. © Grünstattgrau 33 3 · 2023 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum werden. Die daraus resultierenden Einsparungen kommen dann den Bewohner*innen zugute. Voraussetzung für das Greifen dieses Anreizes ist, dass die Kosten, die bei der Unterstützung der Bewohner*innen entstehen (Zurverfügungstellung von Material und Geräten), die Kosten von externen Firmen nicht übersteigen. Eine Aufteilung der eingesparten Kosten auf Einzelpersonen, die die Pflege durchführen, ist gesetzlich nicht vorgesehen. Entsprechende Gutschriften könnten allenfalls über Einzelvereinbarungen erreicht werden, was von den meisten Hausverwaltungen und Bewohner*innen nicht gewünscht ist. Gemeinschaftsgefühl/ Soziale Interaktion: In den Hausgemeinschaften, in denen sich viele Personen für das Gärtnern in der eigenen Anlage interessiert haben, wurde das Plaudern und der Kontakt zu den Nachbar*innen als großer Motivator empfunden. Zur Stärkung des Gemeinschaftsgefühls könnten die Hauseigentümer*innen (oder Hausverwaltungen) etwa einmal im Jahr ein Gartenfest veranstalten. Damit wird die Leistung der Bewohner*innen anerkannt, Bindungen gestärkt und möglicherweise neue Interessierte für die Übernahme von Pflegetätigkeiten gestärkt. Wissenserwerb/ Anleitung: Durch Pflegetätigkeiten und anfängliche Begleitung durch Grünpflegeexpert*innen bzw. spezifische Aufbereitung der anstehenden Pflegetätigkeiten auf der hauseigenen Grünfläche im Jahresverlauf erhält man Informationen und kann sein gärtnerisches und botanisches Wissen erweitern. Um die Pflegetätigkeiten der Bewohner*innen fachlich zu unterstützen wurde eine Lernplattform mit Schrittfür-Schritt-Anleitungen entwickelt; diese sind abrufbar unter: https: / / care4green-lernplattform. fluxguide.com. Es wurden auch Workshops abgehalten, bei denen die Bewohner*innen Anleitung durch Fachkräfte bekamen. Naturerlebnis/ Lust am Gärtnern: Die Freude an gärtnerischen Tätigkeiten und der Aufenthalt in der Natur sind ein Motivator für Bewohner*innen, sich in Pflegetätigkeiten einzubringen. Gestaltungsbeteiligung an der eigenen Wohnhausanlage: Die Motivation, sich an der Pflege der Grünflächen zu beteiligen, ist davon angeregt, den eigenen Wohnraum verbessern und schön gestalten zu wollen. Eigenanbau: Die Nachfrage nach privaten Anbauflächen für Kräuter, Gemüse und Zierpflanzen ist im städtischen Raum sehr hoch. Im Tausch gegen die Möglichkeit, ein privates Beet nützen zu dürfen, erhöht sich die Bereitschaft, sich auch an der Pflege der Begrünung auf Gemeinschaftsflächen zu beteiligen oder einen Geldbetrag bezahlen, der dann in die Pflegekosten der Gemeinschaftsflächen direkt einfließt. Pflege durch Bewohner*innen oder Fachkräfte Tätigkeiten die von Bewohner*innen übernommen werden können: Rasenmähen, Müll einsammeln, Laub entfernen, Kompost sammeln und aufbereiten, Entfernung unerwünschter Beikräuter, Hecken/ Strauchschnitt, Pflege von Kletterpflanzen vom Boden aus, Pflege von Gemüsepflanzen und Stauden, Bewässern der Grünanlage. Nicht ausgelagert werden sollten: Baumschnitt und andere baumpflegerische Arbeiten, Arbeiten in der Höhe (auf einer Leiter, einem Gerüst, oder einer nicht mit Geländer gesicherten Dachfläche) und die Kontrolle, Einstellung und Wartung von komplexen technischen Einrichtungen. Um die Hemmschwelle für Hausverwaltungen zu verringern, Bewohner*innen in die Pflege von Grünanlagen einzubinden, wurden Musterverträge ausformuliert, die im Zuge des Projektes laufend weiterentwickelt und zu Projektende öffentlich zur Verfügung gestellt werden. Conclusio Durch die Befähigung der Bewohner*innen zur Nutzung und Übernahme von Pflegeaktivitäten des wohnungsbezogenen Freiraums wird dessen Qualität erhöht, wie es sonst nur durch kostenintensive Pflege möglich wäre. Wenn funktionierende Strukturen aufgebaut werden, können Kosten durch Vermeidung von Pflanzen-Ausfällen (zum Beispiel durch regelmäßiges Gießen) reduziert werden. Dies führt zur Immobilienaufwertung, Maximierung der positiven mikroklimatischen Wirkungen des Grüns, Vermeidung von Hitzeinseln und Verbesserung der Biodiversität. Nichtsdestotrotz bleibt für gewisse Tätigkeiten, wie dem Baumschnitt, der Pflege von Fassadenbegrünungen oder der Kontrolle von technischen Ausstattungen (Bewässerung) der Einsatz von Professionisten unerlässlich. Dieses Projekt wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen des Programms „Smart Cities Demo - Boosting Urban Innovation 2020“ durchgeführt. Dr. Irene Zluwa Projektmitarbeit, Forschung GRÜNSTATTGRAU Forschungs- und Innovations-GmbH, Wien irene.zluwa@gruenstattgrau.at KONTAKT