Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2023-0061
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Ökologischer Mehrwert, mehr Platz auf dem Dach
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Kristin Preßler
Weniger Konkurrenz um Flächen: Konzept kombiniert Gebäudekühlung mit Gründach. Detaillierte Modellierung bei neuem Leipziger Quartier
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36 3 · 2023 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum Ein Gründach mit Wärmetauscher - diese Verbindung ist neu auf dem Gebiet der blau-grünen Infrastrukturen. Mit der Kombination wollen die Umweltexperten des Leipziger Dienstleisters Tilia GmbH die Flächenkonkurrenz zwischen energetischen Maßnahmen und blau-grünen Systemen verringern. Ergebnisse ihrer aktuellen Modellierung zeigen: Viele Synergien sind möglich, zudem ergeben sich positive Zusatzeffekte. „Blau-grün ist ein neuer Ansatz“, berichtet Stefan Böttger, Senior Manager beim Leipziger Dienstleister Tilia. „Er verbindet ‚blaues‘ Wasser mit ‚grüner‘ Natur in der Stadt. Mit dem Konzept wollen Planer vor allem das zentrale Abwassersystem entlasten, Energieeffizienz und Mikroklima verbessern sowie Starkregenereignisse optimal auffangen. Hierbei spielen Grünflächen, Plätze und Parks eine zentrale Rolle. Sie können sowohl vor Überschwemmungen schützen als auch beispielsweise Dürreperioden abmildern - und helfen dabei, uns an die Folgen des Klimawandels anzupassen.“ Synergien statt Konkurrenz um Flächen Neben der Anpassung an die Klimafolgen bleibt der Klimaschutz die zweite Hauptaufgabe, vor allem, indem Städte weniger Energie verbrauchen und dafür Erneuerbare Energien nutzen. Das Problem: Beide Ziele stehen aufgrund rarer Flächen im Spannungsverhältnis. „Diese Konkurrenz macht Synergien notwendig“, so Stefan Böttger. „In unserem Ansatz kombinieren wir ein blau-grünes Konzept zum Regenwassermanagement mit einer Technologie der nachhaltigen Energiebereitstellung - der sogenannten „roten Energie“ - praktisch ein Systemansatz blaugrün-rot.“ In einer Modellierung hat Tilia jetzt gezeigt, welche Potenziale dieses Konzept auf Quartiersebene hat. Dafür haben die Modellierer den „Eutritzscher Freiladebahnhof“ in Leipzig gewählt. Hier entsteht in den kommenden Jahren auf 25- ha Fläche ein abflussloses und ressourceneffizientes Stadtquartier, das rund 3 500-Einwohner beherbergen wird. Die innerstädtische Entwicklungsfläche des ehemaligen Freiladebahnhofs ist Leipzigs größtes Bauprojekt und Betrachtungsgegenstand des Forschungsprojekts „Leipziger BlauGrün II“, an dem auch Tilia beteiligt ist. In der theoretischen Betrachtung wird das Quartier mit einem separaten Wärme- und Kältenetz ausgestattet sein. „Im Modell haben wir uns auf die Kühlung fokussiert“, sagt Stefan Böttger. „Bei unseren Überlegungen sind wir davon ausgegangen, dass im Sommer vor allem die Gewerbeeinheiten des neuen Viertels gekühlt werden müssten. Den Energiebedarf einer zentralen Kühlungsversorgung haben wir mit 4 360 MWh/ a und rund 600 Vollbenutzungsstunden pro Jahr angenommen. Und an dieser Stelle kommt das ‚Kühldach‘ ins Spiel.“ Energetisches Upgrade für das Gründach Beim Kühldach handelt es sich zunächst um ein Gründach mit Intensivbegrünung. Zwischen Aufwuchssubstrat und Dachkonstruktion sind Wasser-Retentionsboxen angeordnet. Diese Retentionsboxen dienen als Speicher sowie zur Abflussverzögerung. Zusätzlich wird ein Wärmetauscher installiert. In ihm zirkuliert ein umweltverträgliches Kältemittel, das die Wärme im Sommer aus dem Gebäude in das Gründach transportiert. Dieser Rücklauf wird über das Retentionskühldach vorgekühlt und anschließend an die zentrale Kälteversorgung weitergeleitet. Die Retentionsräume beziehen ihr Wasser aus dem Grundwasserleiter - falls keine Regenwasservorräte mehr vorhanden sind. „Nach der Kühlung des Kälteversorgungsrücklaufs (Aufnahme Gebäudewärme) kann das Wasser wieder in den Grundwasserleiter zurückgeführt werden“, so Stefan Böttger. „Eine Beeinträchtigung des Grundwasserleiters durch höhere Temperaturen ist praktisch nicht vorhanden - Temperaturdifferenz und Wassermengen sind zu gering. Mit dem erwärmten Grundwasser von den Gebäudedächern können beispielsweise auch Grünflächen bewässert werden, es muss nicht zwangsläufig wieder in den Grundwasserleiter fließen.“ Ökologischer Mehrwert, mehr Platz auf dem Dach Kristin Preßler Weniger Konkurrenz um Flächen: Konzept kombiniert Gebäudekühlung mit Gründach. Detaillierte Modellierung bei neuem Leipziger Quartier Gründach - Carport am UFZ im Bau. © M Ueberham UFZ 37 3 · 2023 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Stadtraum • Größte Fachmesse Deutschlands seit über 20 Jahren • Bundesweit einzigartiges Angebot für den kommunalen Bereich • Kombination aus Messe, Kongress, Fachforen und Netzwerkplattform • Digitalisierung, Klima, Energie und Wasser im Fokus • Garantiert dienstreisefähig! • Persönliches Treffen von Mensch zu Mensch KOMMUNALER BEDARF AUF DEN PUNKT GEBRACHT. MESSEZENTRUM NÜRNBERG 18. - 19.10.2023 BUNDESWEITE FACHMESSE UND KONGRESS JETZT TICKET SICHERN! kommunale.de/ besuch twitter.com/ kommunale #kommunale2023 follow us on in Zusammenarbeit mit KOM-23_Ad-Visitor_210x148mm_DE.indd 1 16.05.23 14: 18 Kristin Preßler Senior Manager Transformation Tilia GmbH, Leipzig Kontakt: kristin.pressler@tilia.info AUTORIN Hoher ökologischer Mehrwert 75 % der Dachflächen des Quartiers „Eutritzscher Freiladebahnhof“ wären potenziell für Retention und Kühlung nutzbar. Auf den Gebäudedächern sind das rund 30 100- m², auf den Tiefgaragen 10 500- m². Für das Quartier ist die Mehrfachnutzung des geförderten Grundwassers ein großer Vorteil. Mit dem Wasser werden die Gebäude gekühlt und Gründachflächen und sonstige Vegetation bewässert. Die Bewässerung verbessert aufgrund der hohe Verdunstungskühlung das Mikroklima im Quartier: Die Retentionsgründächer können durch Verdunstung Kühlungsenergie in Höhe von 14 000 MWh/ a bereitstellen. „Aus den Simulationen konnten wir für den ‚Eutritzscher Freiladebahnhof ‘ ermitteln, dass 15 % des gesamten zentralen Kühlungsbedarfs von 4 360- MWh/ a durch den Einsatz von Retentionsgründächern gedeckt werden kann - sofern eine dauerhafte Wasserzufuhr über Regen- oder Grundwasser gewährleistet ist“, resümiert Stefan Böttger. „Damit können wir den Energiebedarf für Kühlung deutlich reduzieren. In Verbindung mit erneuerbarem Strom aus Photovoltaikanlagen leistet das System einen Beitrag zum Klimaschutz. Und die Kombination mit einem Bewässerungskonzept verbessert die ökologische Bilanz noch weiter - ein echter Mehrwert.“ Um das Konzept zu vertiefen und erste praxisnahe Erfahrungen zu generieren, haben die Forschenden bereits im Jahr 2022 eine Pilotanlage auf dem Gelände des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung - UFZ in Leipzig errichtet. Ergebnisse der Tests, die noch in diesem Jahr vorliegen werden, sollen weitere Erkenntnisse für die großtechnische Anwendung bringen. Das Forschungsprojekt „Leipziger BlauGrün II“ ist Teil der Initiative „Ressourceneffiziente Stadtquartiere für die Zukunft“ (RES: Z) sowie der „FONAStrategie“ und wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung. ANZEIGE
