eJournals Transforming cities 8/3

Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2023-0070
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2023
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Klimaanpassung mittels blau-grüner Infrastrukturen

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2023
Claudia Hohmann
Susanne Bieker
Unter den fortschreitenden und sichtbaren Veränderungen des Klimawandels und seinen Auswirkungen wird eine (schnelle) Anpassung urbaner Infrastrukturen immer wichtiger. Blau-Grüne Infrastrukturen können dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Die erforderlichen Technologien stehen bereit und die Notwendigkeit einer Anpassung erkennen zunehmend auch die dafür notwendigen Akteure – dennoch geht es mit der Umsetzung nur sehr schleppend voran. Dieser Beitrag führt das Infrastructure-Transition-Canvas (ITC) als ein Tool ein, das Umsetzungshemmnisse aufgrund fehlender Kooperationsstrukturen minimieren kann, indem es die relevanten Akteure und Stakeholder eines Vorhabens identifizieren und als Grundlage zur Entwicklung von Kommunikationsstrukturen und Ausgleichsmechanismen genutzt werden kann.
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71 3 · 2023 TR ANSFORMING CITIES THEMA Ökosystem Stadt Einführung Die durch den Klimawandel resultierenden Herausforderungen werden zunehmend sichtbar. Im Juli 2023 wurden weltweit die höchsten Temperaturen seit Beginn der Temperaturaufzeichnung gemessen [1]. Zunehmende Starkregenereignisse, Hitze- oder Trockenperioden üben Druck auf bestehende urbane Infrastrukturen aus. Bisher sind urbane Infrastrukturen oftmals in funktionalen Silos organisiert. Zuständigkeiten für verschiedene Sektoren wie Wasser, Mobilität oder Energie sind einzelnen Fachabteilungen zugewiesen und die erforderlichen Schnittstellen in definierten Prozessen geregelt. Entsprechend werden viele Aufgaben weitestgehend unabhängig voneinander in getrennten Abteilungen und Verantwortungs- Klimaanpassung mittels blaugrüner Infrastrukturen Beschleunigung von Nachhaltigkeitstransformationen mit dem Infrastructure-Transition-Canvas (ITC) Klimaanpassung, blau-grüne Infrastrukturen, Siedlungswasserwirtschaft, Transformation, Infrastructure-Transitions-Canvas (ITC) Claudia Hohmann, Susanne Bieker Unter den fortschreitenden und sichtbaren Veränderungen des Klimawandels und seinen Auswirkungen wird eine (schnelle) Anpassung urbaner Infrastrukturen immer wichtiger. Blau-Grüne Infrastrukturen können dazu einen wichtigen Beitrag leisten. Die erforderlichen Technologien stehen bereit und die Notwendigkeit einer Anpassung erkennen zunehmend auch die dafür notwendigen Akteure - dennoch geht es mit der Umsetzung nur sehr schleppend voran. Dieser Beitrag führt das Infrastructure-Transition- Canvas (ITC) als ein Tool ein, das Umsetzungshemmnisse aufgrund fehlender Kooperationsstrukturen minimieren kann, indem es die relevanten Akteure und Stakeholder eines Vorhabens identifizieren und als Grundlage zur Entwicklung von Kommunikationsstrukturen und Ausgleichsmechanismen genutzt werden kann. © Hermann Kollinger auf Pixabay 72 3 · 2023 TR ANSFORMING CITIES THEMA Ökosystem Stadt bereichen bearbeitet. Die Anpassung urbaner Infrastrukturen im Kontext des Klimawandels erfordert jedoch häufig eine Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Sektoren, da die Herausforderungen vielfach mehrere Abteilungen und Verantwortungsbereiche betreffen. Entsprechend erfordern die Folgen des Klimawandels neben grundlegenden technischen Innovationen auch neue Wege der Zusammenarbeit zwischen den relevanten Akteuren auf kommunaler Ebene. Kommunen im Klimawandel - neue Herausforderungen in der Siedlungswasserwirtschaft Im Rahmen der Siedlungswasserwirtschaft werden Abwasser und Niederschlagswasser getrennt oder gemeinsam erfasst und über die Kanalisation abgeleitet. Dieses seit über 100 Jahren etablierte System diente ursprünglich grundlegenden hygienischen Bedarfen. Aktuelle Entwicklungen als Folgen des Klimawandels stellen jedoch weitergehende Anforderungen. Eine Möglichkeit ist die Entkopplung des Regenwassers vom zentralen Abwassersystem. Dies kann in Form einer dezentralen Regenwasserbewirtschaftung, beispielsweise durch die Ergänzung um blau-grüne Infrastruktur (BGI), erfolgen. Die Möglichkeiten sind vielfältig, etwa über Speicherung und Versickerung in Mulden und Rigolen, in Wassereinstauflächen oder auf Gründächern. Diese ermöglichen die Annäherung an den natürlichen Wasserkreislauf, indem sie Niederschläge vor Ort zwischenspeichern, die dann zeitverzögert verdunsten oder versickern können. Das reduziert im Starkregenfall die abfließenden Wassermengen, die nicht über die Kanalisation aufgenommen werden können und ermöglicht die Nutzung von Niederschlagswasser zur Bewässerung. Gleichzeitig führt die naturnahe Regenwasserbewirtschaftung zu weiteren ökologischen Vorteilen, zum Beispiel zu einer Verbesserung des lokalen Kleinklimas oder zur Erhöhung der Biodiversität. Die Potenziale von BGI werden zunehmend erkannt, eine flächendeckende Umsetzung ist jedoch noch weit entfernt. Die konventionelle strategische Planung kommunaler Infrastrukturen ist oftmals ein Hindernis für die Umsetzung von BGI-Maßnahmen, da sie bestehende Strukturen begünstigt [2] und die Notwendigkeit koordinierter Planungsaktivitäten zwischen verschiedenen kommunalen Abteilungen und Behörden be- oder sogar verhindert [3]. Auch spielen in Planungsprozessen im Regelfall Kommunen und kommunale Unternehmen die zentrale Rolle - die Perspektiven und Möglichkeiten privater und privatwirtschaftlicher Akteure werden selten berücksichtigt. Dabei sind nur 1,8 % aller Wohngebäude in der Bundesrepublik in kommunaler Hand [4] und nur etwa ein Drittel aller Freiflächen [5]. Im folgenden Kapitel stellen wir das von Hohmann und Truffer [6] entwickelte Infrastructure-Transition- Canvas (ITC) vor, das Planungs- und Umsetzungsprozesse akteursübergreifend und wirkungsscharf abbildet und das dabei unterstützt, neue Infrastrukturmaßnahmen schneller und erfolgreich zu implementieren. Infrastructure-Transition-Canvas (ITC): Planungs- und Analysetool für eine erfolgreiche und zielorientierte kooperative Zusammenarbeit Ziel der Entwicklung des Infrastructure-Transition- Canvas (ITC) ist es eine Methode bereitzustellen, Bild 1: Infrastructure Transition Canvas. ----- Ebene 1: Akteurs- und wertebasierte Komponenten, ------ Ebene 2: Koordinationsstruktur. © Hohmann, Bieker, eigene Darstellung nach [6] Schlüsselakteure Schlüsselaktivitäten Schlüsselressourcen Stakeholder- Segment Stakeholder- Beziehung Kanäle Wertströme/ Erträge Kosten und Risiken Nutzenversprechen Kosten und Risiken Partnerschaft Stakeholder Werte, Kosten und Risiken für Schlüsselakt. Werte, Kosten und Risiken für Stakeholder Intermediär Anreiz und Ausgleich 73 3 · 2023 TR ANSFORMING CITIES THEMA Ökosystem Stadt die es ermöglicht, die Integration alternativer Infrastrukturen durch einen erweiterten Blick auf Planung, Implementierung und Betrieb zu unterstützen. Das ITC (Bild 1) soll direkt beteiligten Akteuren (links) und indirekt beteiligten Stakeholdern (rechts) die Orientierung in Vorhaben erleichtern, gemeinsames Handeln ermöglichen und als vorbereitende Grundlage für die Formalisierung von Beziehungen und Verantwortlichkeiten sowie dem Interessensausgleich dienen. Das ITC ist in zwei Ebenen untergliedert. Die orangefarbene Ebene umfasst alle Elemente, die sich auf einzelne Akteure und Stakeholder beziehen, die grüne Ebene umfasst die Koordinationsstruktur. Innerhalb der orange gefärbten Ebene sind auf der linken Seite die Schlüsselakteure abgebildet, das heißt, die aktiv zu involvierenden Personen und Institutionen. Diesen zugeordnet sind ihre Aktivitäten und Ressourcen. Als Stakeholder sind auf der rechten Seite Personen und Institutionen dargestellt, die entweder Ansprüche an die Umsetzung der alternativen Infrastrukturen stellen oder davon betroffen sind, zum Beispiel Genehmigungsbehörden oder Bürger*innen. Darunter zugeordnet sind die Beziehungen zwischen Ihnen und den Schlüsselakteuren und dazugehörige Kommunikationskanäle. Schlüsselaktivitäten und Schlüsselressourcen umfassen die wichtigsten Handlungen und materielle sowie immaterielle physische, intellektuelle, menschliche oder finanzielle Einsatzfaktoren, die für eine erfolgreiche Planung, Implementierung und den Betrieb erforderlich sind. Das ITC unterscheidet zwischen dem „Wertstrom“ für die Schlüsselakteure (einschließlich des Umsatzstroms) und dem „Wertangebot“ für die Stakeholder, das auch alle nichtmonetären Werte, wie beispielsweise die Verbesserung des lokalen Kleinklimas oder die Erhöhung der Aufenthaltsqualität, umfasst. Darüber hinaus enthält das ITC die wichtigsten Kosten, Risiken und negativen externen Effekte, mit denen die Akteure und Stakeholder von der Planung bis zum Betrieb konfrontiert sind („Kosten und Risiken“). Die grüne Ebene umfasst die Koordinationsstruktur. Intermediäre können verschiedene Akteurstypen sein, von engagierten Individuen, über Organisationen und Netzwerken bis hin zu Technologien. Essenziell im grünen Teil sind die Anreiz- und Kompensationsmechanismen, die unterschiedliche Interessen und Bedürfnisse von Akteuren und Stakeholdern thematisieren und ausgleichen. Die Koordinationsstruktur versetzt in die Lage, bessere Lösungen zu erzielen als das, was ein einzelner Akteur allein erreichen könnte, indem sie die Einzelelemente des ITC synergistisch zusammenbringt [6]. Anwendung des ITC: Alternatives Vorgehen in Planung, Betrieb und Implementierung blaugrüner Infrastrukturen in der Stadt Bochum Zur Klimaanpassung müssen alternative Lösungen im kommunalen Kontext zeitnah und in großflächigem Maßstab umgesetzt werden. Die Herausforderungen liegen hierbei oftmals im Bereich der Implementierung und nicht in fehlenden oder hochinnovativen Technologien begründet. Das ITC kann helfen, die bestehende Implementierungslücke zu schließen, indem zu Beginn einer Projektplanung die relevanten Akteurs- und Stakeholdergruppen und deren Rollen und Ansprüche im Vorhaben identifiziert und entsprechende Kooperations- und Ausgleichsmechanismen entwickelt werden. Zur Veranschaulichung der Performanz des ITC wird nachstehend ein Pioniervorhaben für die Umsetzung von BGI in Bochum vorgestellt, in dem 2020 vernetzte Baumrigolen nach dem Stockholmer Modell [7] in einer Hauptverkehrsstraße mit straßenbegleitenden Pflanzungen installiert wurden. Bild-2 zeigt einen Auszug der Ergebnisse des ITC-Workshops, der Ende 2019 mit den relevanten Akteuren in Bochum durchgeführt wurde. Auf die einzelnen Elemente wird nachstehend kurz eingegangen. In konventionellen Infrastrukturprojekten trägt in Bochum das Tiefbauamt/ Abteilung „Entwässerung“ als kommunale Abteilung der Stadtverwaltung die Verantwortung für die Abwasserableitung (inklusive des Regenwassers) über den Mischwasserkanal. Entsprechend hatte die Abteilung auch die Einführung der vernetzten Baumrigolen als Maßnahme zur Siedlungsentwässerung übernommen. Das Tiefbauamt/ Abteilung „Entwässerung“ initiierte als führender Schlüsselakteur für die Stadtentwässerung den Prozess zur Einführung der vernetzten Baumrigolen in der Wasserstraße in Bochum, führte in dieser Rolle die Schlüsselaktivitäten Planung und Bau durch, und stellte die notwendigen Ressourcen für die Planungsleistungen und die Finanzierung des Baus bereit (Bild 2, oben links). Das Tiefbauamt/ Abteilung „Straße“ war bereits in dieser Phase als Schlüsselakteur für die Auswahl der Baumstandorte beteiligt. Das Vorhaben entsprach soweit klassischen Projekten und Erfahrungen des Tiefbauamtes. Das Tiefbauamt beantragte die erforderlichen baulichen und wasserrechtlichen Genehmigungen (zur Versickerung) bei der zuständigen Genehmigungsbehörde, in diesem Fall bei der Unteren Wasserbehörde. Dafür waren die zeitliche und organisatorische Abfolge und die Stakeholder- Beziehung des Tiefbauamts zur Genehmigungsbehörde sowie die dafür notwendigen Kommunikationskanäle bekannt und wurden berücksichtigt. 74 3 · 2023 TR ANSFORMING CITIES THEMA Ökosystem Stadt Auch die Anwohner*innen der Wasserstraße sowie die gewerblichen Anlieger und deren Ansprüche an die Nutzung der Flächen vor Beginn der Arbeiten, während der Umbauphase und nach Fertigstellung der Baumrigolen, zum Beispiel die Nutzung der Parkflächen und die Bereitstellung von Zufahrtswegen für Einsatzfahrzeuge waren bekannt (Bild 2, oben rechts). Das Tiefbauamt kannte die eigenen (Bild 2, unten links) ebenso wie die Wertströme und Erträge anderer (Bild 2, unten zweite von rechts), beispielsweise ein verringertes Überflutungsrisiko, eine verbesserte Versorgungssicherheit der Bäume, durch gespeichertes Regenwasser in den Rigolen sowie die Entlastung der Kanalisation und es berücksichtigte diese in der Projektplanung. Bei der Betrachtung der Kosten und Risiken (Bild- 2, unten rechts) wurde deutlich, dass zwar die Planungsleistungen und Baukosten durch das Tiefbauamt bereitgestellt, die Betriebskosten und notwendige Erfahrungswerte mit dem Betrieb der Baumrigolen allerdings nicht allein durch das Tiefbauamt/ Abteilung „Entwässerung“ erbracht werden konnten. Dafür wurde das Umwelt- und Grünflächenamt als erforderlicher Akteur und von Beginn an in den Prozess eingebunden. Eine wichtige Voraussetzung für die Finanzierung und den Betrieb der Baumrigolen war die Definition der Baumrigole als „wasserwirtschaftliche Anlage“, als „Teil des Baumstandorts“ oder als „Straßenbegleitgrün“. Hierfür gibt es deutschlandweit bisher keine einheitliche Regelung; die Entscheidung muss für den Einzelfall getroffen werden - hat aber weitreichende Auswirkungen auf Finanzierung und Betrieb der Baumrigolen. „Baumstandorte“ verantwortet, finanziert und betreibt (im Bochumer Fall) das Umwelt- und Grünflächenamt (Finanzierung aus dem kommunalen Haushalt), eine „wasserwirtschaftliche Anlage“ obliegt in den genannten Schlüsselaktivitäten dem Tiefbauamt / Abteilung „Entwässerung“ (Umlagefinanziert aus den Abwassergebühren) und „Straßenbegleitgrün“ liegt beim Straßenbaulastträger, in Bochum das Tiefbauamt / Abteilung „Straße“. Im Bochumer Fall einigten sich die Akteure auf die Festlegung als „wasserwirtschaftliche Anlage“. Dieser Prozess erforderte zusätzliche Abstimmungen und Informationsaustausche zwischen dem Tiefbauamt und dem Umwelt- und Grünflächenamt und führte in Folge zu einem Mehraufwand im Projekt. 1 Und zuletzt formierte sich eine Bürgerinitiative gegen die Fällung bestehender Bäume, die einen Teil des Infrastrukturprojektes in der Wasserstraße verhinderte. 1 In der Bochumer Wasserstraße darf der Straßenablauf aufgrund des Verschmutzungsgrades (auch bei Durchleitung durch die Baumrigolen) nicht versickert werden. Die Baumrigolen dürfen in diesem Fall entsprechend nicht als Versickerungsanlage genutzt werden (obwohl dies technisch möglich wäre), sondern übernehmen die Funktion eines Wasserrückhaltebeckens. Überschüssiges Wasser wird stattdessen nach Vorreinigung in ein nahegelegenes Fließgewässer eingeleitet. Schlüsselakteure Schlüsselaktivitäten Ressourcen Stakeholder- Segmente Stakeholder- Beziehung „Kanäle“ Tiefbauamt Umwelt- und Grünflächenamt Stadtwerke / Telekommunikationsanbieter Planung Bau Betrieb Planungsleistungen Finanzierung Bau Organisation und Finanzierung Betrieb Genehmigungsbehörden Anwohner Bürgerinitiative Behörden / Organisationen mit Sicherheitsaufg. bauliche und wasserrechtliche Genehmigung Sicherstellung der Zufahrtswege z. B. Beteiligungsverfahren, Informationsgespräche, Begehungen, ... Genehmigungs- Verfahren Wertströme / Erträge verringert Überflutungsrisiko Versorgungssicherheit Bäume Entlastung Kanalisation und Kläranlagen Lernen am Beispiel für bessere Ökosystemleistungen stadtweit Kosten und Risiken Planungsleistungen Betriebskosten Erfahrungswerte Betrieb Nutzenversprechen Verbesserung Kleinklima Anpassung an den Klimawandel Optische Straßenraumgestaltung Kosten und Risiken „Verlust“ängste (Teilw. auch unbegründete) ggf. fehlende Genehmigungsgrundlagen/ erfahrungen Fällung von bestehenden Bäumen Bild 2: Infrastructure Transition Canvas (Auszug) für die BGI-Maßnahme in Bochum. © Hohmann, Bieker, eigene Darstellung 75 3 · 2023 TR ANSFORMING CITIES THEMA Ökosystem Stadt Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Prozess zur Umsetzung der vernetzten Baumrigolen in Bochum durch eine späte Integration relevanter Schlüsselakteure und Stakeholder erschwert und verzögert wurde. Deren späte Integration war eine Folge der bisher funktionierenden Silostrukturen in der kommunalen Infrastrukturverwaltung, die zwar einerseits das Fachwissen für die einzelnen Infrastrukturbereiche bündelt, andererseits aber den Austausch zwischen den Beteiligten und Betroffenen und somit den Blick für die Ziele und Zwänge anderer erschwert. Die ex-post-Betrachtungen des Vorhabens im Rahmen der ITC-Workshops zeichneten erstmals ein Gesamtbild aller Beteiligten, Betroffenen, den Risiken und deren Bewertungen. Alle am Workshop teilnehmenden Expert*innen stuften das Ergebnis als sehr hilfreich und zielführend für kommende Projekte ein. Fazit und Schlussfolgerungen Eine Anpassung urbaner Infrastrukturen der Siedlungswasserwirtschaft in Deutschland ist aufgrund der Folgen des Klimawandels erforderlich. Blau- Grüne Infrastrukturen leisten hierzu einen wichtigen Beitrag. In der Praxis besteht allerdings oftmals ein Umsetzungsdefizit aufgrund silohafter Kommunikationsstrukturen und fehlender Kooperationsprozesse. Wie in der Bochumer Fallstudie gezeigt, kann der Einsatz des ITC zu Beginn einer Projektentwicklung wertvolle Beiträge für eine effiziente und erfolgreiche Projektentwicklung leisten. Auf Basis der Visualisierung mithilfe des ITC lassen sich in Vorhaben frühzeitig 1. Transparenz über die benötigten Akteure, Stakeholder und Strukturen herstellen, 2. Kommunikations- und Kooperationsstrukturen ableiten und 3. Ausgleichs- und Kompensationsmechanismen entwickeln. Insbesondere der letzte Punkt wird in Innovations- und Transformationsvorhaben oft vernachlässigt, weil gerne vermittelt wird, dass innovative Veränderungen ein „Gewinn für alle“ seien. Dies ist aber nicht immer der Fall. Veränderungen bringen Vorteile und Nachteile für verschiedene Akteure mit sich, in lokal unterschiedlichen Ausgestaltungen und Formen. Vom „Kontrollverlust“ wegen erforderlicher Abstimmungen mit anderen Ressorts, über neue Verantwortlichkeiten oder andere Flächennutzungen. Besonders sensibel sind daher Projekte, die mit Veränderungen im Bestand ansetzen - und das ist im Rahmen der Anpassung an den Klimawandel überwiegend der Fall. Gewohnte Strukturen, Abläufe und Nutzungen werden ungern aufgegeben oder verändert. Daher ist es einerseits wichtig, die Vorteile von Vorhaben zu identifizieren, deutlich zu machen und akteursgerecht zu kommunizieren. Und anderseits, entstehende Nachteile ernst zu nehmen und im Bedarfsfall Ausgleichsmechanismen zu entwickeln. Für diese Aufgaben bietet das ITC eine geeignete Grundlage. LITERATUR [1] Tagesschau 2023, online: US-Forscher: Montag war der heißeste Tag der Geschichte | tagesschau.de, letzter Zugriff am 21.7.23. [2] Malekpour, S., Brown, R. R., de Haan, F. J.: Disruptions in strategic infrastructure planning - What do they mean for sustainable development? Environment and Planning C: Politics and Space 35 (2017) S. 1285 - 1303. https: / / doi.org/ 10.1177/ 2399654417690735 . [3] Trapp, J. H., Kerber, H., Schramm, E.: Implementation and diffusion of innovative water infrastructures: Obstacles, stakeholder networks and strategic opportunities for utilities. Environmental Earth Sciences 76: 3 (2017). https: / / doi.org/ 10.1007/ s12665-017- 6461-8 . [4] Statistisches Bundesamt: Zensusdatenbank, Ergebnis 3000G-1005, Gebäude: Eigentumsform des Gebäudes (2011). Online verfügbar unter https: / / ergebnisse2011.zensus2022.de/ datenbank, zuletzt abgerufen am 21.7.2023. [5] Hansen, R., Born, D., Lindschulte, K., Rolf, W., Bartz, R., Schröder, A. et al.: Grüne Infrastruktur urbanen Raum: Grundlagen, Planung und Umsetzung in der integrierten Stadtentwicklung. Hg. v. Bundesamt für Naturschutz (2018). [6] Hohmann, C., Truffer, B.: The infrastructure transition canvas: A tool for strategic urban infrastructure planning. Nature-Based Solutions 2: 100039 (2022). https: / / doi.org/ 10.1016/ j.nbsj.2022.100039 . [7] Embrén, B.: Växtbäddar i Stockholms stad - en handbok 2017. Stockholms Stad (2017). https: / / leverantor.stockholm/ globalassets/ foretagochorganisationer/ leverantor-och-utforare/ entreprenad-i-stockholms-stads-offentliga-rum/ vaxtbaddshandboken/ va x tbaddar_ i _ s tock holm _ 2017.pdf ; letzter Zugriff am am 21.7.2023 Claudia Hohmann, MSc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin Wasserwirtschaft Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI Karlsruhe Kontakt: claudia.hohmann@isi.fraunhofer.de Dr.-Ing. Susanne Bieker Querschnittsfeldleitung Transformations- und Innovationssysteme urbaner Räume Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI Karlsruhe Kontakt: susanne.bieker@isi.fraunhofer.de AUTORINNEN