Transforming cities
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Die Stadt Hagen geht neue Wege, um die urbane Verkehrswende zu gestalten. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen und Unternehmen hat sie das ehrgeizige Wasserstoffprojekt „HyExperts Hagen“ ins Leben gerufen.
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20 4 · 2023 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität Im Zuge der weltweiten Bemühungen um den Klimaschutz und die Erreichung von Klimaneutralität setzt die Stadt Hagen ein Zeichen des Wandels. Mit dem visionären Projekt „HyExperts Hagen“ möchte die Stadt einen nachhaltigen Beitrag zur Reduzierung von CO 2 -Emissionen leisten und den Weg in eine klimafreundliche Wasserstoffzukunft ebnen. Im Fokus des Projekts steht die Integration von Wasserstoff als nachhaltigem, zukunftsweisendem Energieträger für die Industrie und den Transport. Hagen nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein und bietet optimale Voraussetzungen für die Gestaltung des Wasserstoffzeitalters. HyExperts - Wasserstoffexperten vor Ort „HyLand - Wasserstoffregionen in Deutschland“ ist ein vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) im Jahr 2019 ausgerufener Wettbewerb, der Akteure in Deutschland dazu motiviert, Konzepte mit Wasserstoffbezug zu initiieren, zu planen und umzusetzen. Ziel ist es, die innovativsten und erfolgversprechendsten regionalen Konzepte zu identifizieren und zu fördern. Die Teilnahme erfolgt in drei Kategorien: HyStarter, HyExperts und HyPerformer. Im Rahmen von HyLand II wurden im September 2021 und April 2023 33- Kommunen und Regionen als HyStarter, HyExperts und Hy- Performer ausgezeichnet. Die Stadt Hagen ist eine von 15 Städten und Kommunen, die sich als Standort mit vielen ansässigen Wasserstoffakteuren im Wettbewerb durchsetzen konnte. Die ausgewählten Kommunen erhalten entsprechende Förderinstrumente und Unterstützung bei der Erstellung von regional integrierten Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologiekonzepten im Verkehrsbereich. Die Finanzierung dieses ambitionierten Projekts erfolgt im Rahmen des Nationalen Innovationsprogramms Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie (NIP2), mit einer Gesamtförderung von 400 000 EUR durch das H 2 -Nutzung ins Rollen bringen Shaun Pick, Lena Maier Die Stadt Hagen geht neue Wege, um die urbane Verkehrswende zu gestalten. In Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen und Unternehmen hat sie das ehrgeizige Wasserstoffprojekt „HyExperts Hagen“ ins Leben gerufen. Bild 1: Bahnhof Hagen bei Nacht. © Christian auf Pixabay 21 4 · 2023 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität Bundesministerium für Digitales und Verkehr. Die NOW GmbH koordiniert die Förderrichtlinie, während der Projektträger Jülich (PtJ) die Umsetzung überwacht. Die Unternehmen BBH Consulting AG, EMCEL GmbH sowie umlaut energy GmbH (Teil von Accenture Industry X) sind Partner beim HyExperts-Programm und arbeiten an einem Gesamtkonzept für den Einsatz von Wasserstoff in der Hagener Region. Weitere Dienstleister für das Hy- Experts-Programm in Hagen sind Becker Büttner Held, die Fernuniversität Hagen, die sbc soptim business consult GmbH und die Tracemaker Strategie- und Kommunikationsberatung. CVD und THG als gesetzliche Leitplanken Mobilität ist nicht nur in Hagen ein wichtiger Schwerpunkt. Der Verkehrssektor konnte seine Treibhausgas-Emissionen bislang nicht spürbar senken - im Gegenteil. Eine Reihe von Gesetzen und Verordnungen sollen das ändern. Mit der Clean Vehicles Directive (CVD) hat die EU zum Beispiel eine Richtlinie erlassen, die Neubeschaffungsquoten emissionsarmer und -freier Fahrzeuge in Fuhrparks vorgibt. Für Deutschland wird das seit dem 2. August 2021 im Saubere- Fahrzeuge-Beschaffungs-Gesetz (SaubFahrzeugBeschG) geregelt. Im Klartext heißt das: Wenn Kommunen neue Busse oder Nutzfahrzeuge für die Abfallentsorgung anschaffen, müssen feste Quoten für saubere Fahrzeuge eingehalten werden - etwa durch die Nutzung von Wasserstoff. Diese gesetzliche Vorgabe hat zur schnellen Einführung von Wasserstoffbussen sowie anderen Fahrzeugtypen wie Abfallsammelfahrzeugen in kommunalen Fuhrparks geführt. Zudem schafft die seit 2015 bestehende Treibhausgasminderungs- (THG) Quote zusätzliche Motivation sowohl für private als auch für kommunale Akteure. Innerhalb dieses gesetzlichen Rahmens sind Kraftstoffinverkehrbringer, hauptsächlich Raffinerien, verpflichtet, die CO 2 -Emissionen zu reduzieren, die durch die Herstellung von Diesel- und Otto-Kraftstoffen entstehen. Bis 2030 soll damit die Quote zur Treibhausgasminderung bei Kraftstoffen im Vergleich zum Basiswert auf 25 % angehoben werden, so die Vorgabe. Wer die Quote nicht erfüllt, muss mit Strafzahlungen rechnen. Den Unternehmen werden zwei Mechanismen zur Erfüllung ihrer Quoten zur Verfügung gestellt: Durch die Nutzung erneuerbarer Energien in ihren vorgelagerten Prozessen oder durch den Kauf von Quoten von nachgelagerten Betreibern von Tankstellen, die erneuerbare Energie in den Verkehrssektor bringen. Durch den Handel von Quoten werden zusätzliche Einnahmen für die Betreiber von Tankstellen generiert. Diese Einnahmen haben das Potenzial, den Wasserstoffpreis je nach heutigem Quotenpreis erheblich um 2 bis fast 6 EUR/ kg H 2 zu reduzieren. Durch die Senkung der Kraftstoffkosten für Wasserstoff und andere erneuerbare Energien haben private und kommunale Akteure nun einen größeren Anreiz, in die Technologien zu investieren. H 2 kommt an Was tut sich denn bereits konkret in Hagener Unternehmen in der Kommune und der Wirtschaft mit Blick auf die gesetzlichen Verpflichtungen? Wie sieht es in ihren Fuhrparks aus und welche Überlegungen gibt es dabei in Sachen Wasserstoff? Dazu haben die HyExperts erste Gespräche mit Akteur*innen in der Region geführt. Beteiligt waren Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen, darunter aus der Kommune, aus Verkehr und Logistik sowie der Energieversorgung. Von 27 Betrieben, so die beiden Fachleute, interessieren sich 23 für das Thema Wasserstoff. Dabei lassen sich mehrere Tendenzen erkennen: Während etwa die Busunternehmen im ÖPNV für ihre Flotten eher auf batterieelektrischen Antrieb setzen, um die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen, zeigen insbesondere die örtlichen Logistik-Unternehmen starkes Interesse am Antrieb mit Wasserstoff. Die meisten Akteure sind noch in der Phase der Bild 2: Hagens Oberbürgermeister Erik O. Schulz beim Wasserstoffdialog - Perspektiven für Hagen im September 2023. © Tracemaker, Kleinert/ Baumgarten 22 4 · 2023 TR ANSFORMING CITIES PRAXIS + PROJEKTE Mobilität Konzeption und Ideenfindung. Nur eine sehr geringe Zahl ist bereits auf dem Weg der konkreten Umsetzung. Laut dem Beraterkonsortium beträgt die bisher bestätigte Wasserstoffnachfrage im Verkehrsbereich ungefähr 30 t H 2 / a, wenn die Fördermittel für die Brennstoffzellen-Fahrzeuge bewilligt werden. Dennoch ist das theoretische Potenzial enorm. Basierend auf Flottendaten von drei weiteren Akteuren, die aktiv die Einführung von Wasserstofffahrzeugen in ihre Flotten in Erwägung ziehen, könnte die Nachfrage bei einer vollständigen Umstellung der Fahrzeugflotten auf Wasserstoff bis zum Jahr 2030 bei 1 400 t H 2 / a liegen. Von der Gasleitung zur H 2 -Pipeline Dass insbesondere in und um Hagen Wasserstoff als ernstzunehmende Option für die Wirtschaft gehandelt wird, mag auch mit einem Vorteil zu tun haben, den man hier gegenüber anderen HyExperts-Regionen ins Feld führen kann: Es gibt sehr gute infrastrukturelle Voraussetzungen. Dazu zählen zum Beispiel regionale Gasleitungen, die in naher Zukunft auf Wasserstoffnutzung umgestellt werden könnten. Damit wäre ein sogenanntes Inselnetz denkbar, ein Anschluss an ein übergeordnetes Fernnetz erfolgt ab 2030. Ein wichtiger Aspekt, wie die Gespräche ergaben, ist auch der Standort einer zukünftigen Wasserstoff-Tankstelle für den Schwerverkehr. Hier ist bei der Planung neben den üblichen Kriterien wie Wirtschaftlichkeit oder Flächennutzung auch auf die Besonderheiten der Hagener Region zu achten. Für die LKW, die die H 2 - Lieferung für die erste Zeit nach dem Markthochlauf sicherstellen, aber auch für einen entspannten Stadtverkehr, wäre eine etwas außerhalb gelegene H 2 -Tankstelle sicher günstiger als eine im ohnehin viel befahrenen Innenstadtbereich. Tankstellen außerhalb der Innenstadt können auch den Transitverkehr entlang der Autobahnen und Bundestraßen besser bedienen. Eine Analyse des Beraterkonsortiums hat gezeigt, dass die durch aktuelle Vorschriften getriebene Nachfrage nach Wasserstoff entlang der A1 in der Nähe von Hagen im Jahr 2025 zu einer Nachfrage von etwa 20 t H 2 / a und im Jahr 2030 zu 140 t H 2 / a führen könnte, insbesondere bei Schwernutzfahrzeugen. Technische Probleme lösbar Die weiteren Herausforderungen, mit denen sich vor allem die Logistik-Unternehmen befassen, betreffen die Fahrzeuge selbst. Es sind schon erste Brennstoffzellen-Fahrzeuge im Schwerlastsegment auf dem Markt. LKW ist aber nicht gleich LKW. Zum Teil wird an technischen Herausforderungen noch gefeilt, etwa bei der Fahrerkabine, hinter der bislang häufig der Wasserstofftank eingebaut ist. Der Tank zwischen den Radständen bringt beispielsweise mehr Platz, wie es bei ersten Herstellern umgesetzt wird. Eine andere Position des Tanks brächte mehr Platz im Führerhaus, was insbesondere im Fernverkehr notwendig ist. Sich über all diese Details auszutauschen, hat nicht nur dem HyExperts-Team viel gebracht. Auch die teilnehmenden Stakeholder profitieren. Miteinander ins Gespräch zu kommen, ein Forum zum gegenseitigen Austausch zu haben, das wird aufseiten der Akteur*innen sehr begrüßt. Im Laufe der Gespräche war oft zu hören, dass mehr Netzwerk-Arbeit rund um das Thema dringend nötig ist. Positiver Ausblick Die Partner des Konsortiums sind dabei, ein sogenanntes „Verbundprojekt“ zu entwickeln, um die identifizierten Akteure zusammenzubringen und Synergien zwischen ihren eigenen Initiativen zu nutzen. Die Idee ist, einen Kern von Wasserstoffaktivitäten in der Region Hagen zu schaffen, in den weitere Akteure und Projekte in späteren Phasen integriert werden können. Dadurch profitiert die Region nicht nur von niedrigeren Systemkosten durch eine bessere Ressourcennutzung, sondern auch von der erhöhten Wahrscheinlichkeit der Umsetzung. Kurz gesagt, der Hochlauf hat eine höhere Erfolgschance bei geringeren Kosten. Derzeit umfasst das Verbundprojekt vier potenzielle Wasserstofferzeuger und vier Akteure im Mobilitätsbereich. Die Hoffnung ist, dass Akteure durch das Aufzeigen der starken Vorteile einer solchen Zusammenarbeit zur Kooperation motivieren werden können. Damit lässt sich der Kurs für den Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft in Hagen sicherstellen. Shaun Pick Projektleiter BBH Consulting AG shaun.pick@bbh-beratung.de Lena Maier Projektingenieurin EMCEL GmbH Kontakt: lena.maier@emcel.com AUTOR*INNEN Auftraggeber für das HyExperts-Projekt sind die Stadt Hagen, die Hagen Wirtschaftsentwicklung sowie die Enervie Gruppe. https: / / www.wasserstoff-hagen.de/ HyExperts Hagen
