Transforming cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2024-0005
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2024
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Serielle Sanierung als transformative Innovation
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2024
Mirjam Sophie Mauel
Elisabeth Beusker
Holger Wallbaum
tc910028
28 1 · 2024 TR ANSFORMING CITIES THEMA Die urbane Verkehrswende DOI: 10.24053/ TC-2024-0005 1. Ausgangssituation Der Klimawandel macht die Wärme- und Energiewende zu einer der größten Herausforderungen. Die Dekarbonisierung sowie die Nutzung nachhaltiger Energieversorgungssysteme werden zunehmend dringlicher. Der Gebäudesektor birgt ein hohes Potenzial zur Steigerung der Energieeffizienz und zum Einsatz erneuerbarer Energien: Der Gebäudebestand in Europa ist für ca. 40-% des Energieverbrauchs und 36- % der THG-Emissionen verantwortlich. In Deutschland entfällt rund ein Drittel der CO 2 -Emissionen auf den Gebäudesektor [1/ 2]. Seit 2017 fördert die Initiative „Energiesprong Deutschland“ der Deutschen Energie-Agentur (dena) die energetische Sanierung von Mehrfamilienhäusern (MFH) aus den 1950 - 1970er Jahren. Hierbei wird eine erfolgreiche niederländische Strategie an den deutschen Markt angepasst, um Wohngebäude mit besonders hohem Energieverbrauch schnellstmöglich auf Net-Zero-Standard zu bringen. 2. Zielsetzung und Kontextualisierung Diese Studie untersucht Erfolgsfaktoren, Herausforderungen und Potenziale der Seriellen Sanierung in Deutschland. Ferner wird die Sanierungsstrategie im soziotechnischen Kontext betrachtet sowie ihre Rolle in der Wärme- und Energiewende erforscht. Abschließend werden Handlungsempfehlungen für einen erfolgreichen Markthochlauf der Strategie formuliert. Die „Energiesprong-Initiative“ (zzt. „Stroomversnelling“) wurde als größtes Markteinführungsprogramm für die industrielle Sanierung in Europa 2010 durch die niederländische Regierung ins Leben gerufen. Bestandteil der Strategie ist die Kombination von digitalisierten, standardisierten Prozessen bei gleichzeitiger Verwendung von vorgefertigten Dach- und Fassadenelementen mit einer tiefgehenden TGA-Modernisierung. Die Serielle Sanierung kann einen Beitrag zu einer kohlenstoffarmen Stadtentwicklung leisten. Die Kosteneffizienz des Serielle Sanierung als transformative Innovation Ein Schritt in Richtung urbane Nachhaltigkeit Mirjam Sophie Mauel, Elisabeth Beusker, Holger Wallbaum 29 1 · 2024 TR ANSFORMING CITIES THEMA DOI: 10.24053/ TC-2024-0005 Kommunale Wärmewende Ansatzes wird durch Standardisierung der Komponenten und industrielle Vorfertigung erreicht. Aktuelle Probleme wie der Fachkräftemangel, fehlende Versorgungssicherheit sowie Gasabhängigkeit, aber auch steigende Inflation und Energiepreise werden adressiert [3]. Es besteht ein erhebliches Marktpotenzial mit rund 3 Mio. Wohneinheiten mit einem geschätzten Wert von mehr als 100 Mrd. Euro [4]. Als transformative Innovation kann die Serielle Sanierung einen erheblichen Teil des Gebäudebestands optimieren und zur Einhaltung der Klimaziele beitragen: Schätzungen zufolge können durch den Ansatz im Zeitraum 2022 - 2050 kumuliert rund 158 TWh Endenergie und rund 36 Mt CO 2 für Heizung und Warmwasserbereitung eingespart werden [5]. 3. Vorgehensweise und Methodik Neben einer umfangreichen Literaturrecherche und Marktanalyse wurden Experteninterviews geführt, um wesentliche Einflussfaktoren für die erfolgreiche Umsetzung der Seriellen Sanierung zu identifizieren. Die Literaturrecherche basiert auf Primär- und Sekundärliteratur. Der Großteil der Quellen stammt aus dem deutschsprachigen Raum der letzten fünf Jahre und behandelt Themen wie Sanierungsmethoden zur Steigerung der Energieeffizienz, Energieeffizienzpolitik, Bilanzierung sowie Lebens- und Nutzungsdauern [6/ 7/ 8]. Die durchgeführte Marktanalyse bewertet den bisherigen Markteinführungsstand und fokussiert dabei Länder aus dem europäischen Raum (UK, FR, IT und NL) [4]. Die Analyse der Markteinführungsprogramme erlaubt die Identifikation von Erkenntnissen und Erfolgen in der Planung und Durchführung. Relevante Faktoren für die Markterschließung sind z. B. die Anpassung der Strategie an landesspezifische Gegebenheiten, die Errichtung von Produktionskapazitäten und die frühzeitige Anpassung der Förderlandschaft. Bis Juni 2023 realisierte Pilotprojekte in Deutschland wurden untersucht, um den Wirkungsgrad der Seriellen Sanierung zu bewerten und zu dokumentieren. Interviews mit Experten aus der Planung und Umsetzung der Seriellen Sanierung in Deutschland wurden leitfadengestützt im Juni 2023 per Zoom durchgeführt. Die Datenauswertung der semiqualitativen Interviews erfolgte mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse [9]. Dabei konnten fünf der führenden Experten aus den Bereichen Architektur und Vertrieb mit bereits abgeschlossenen Projekten zur Seriellen Sanierung von MFH und Quartieren befragt werden. Die Serielle Sanierung wurde im Rahmen der Studie als innovativer Sanierungsansatz betrachtet und mithilfe der Kriterien des Wuppertal Instituts [10] als Transformationsprozess identifiziert. Durch die Anwendung der Multi-Level-Perspektive nach Geels [11] wurde der Ansatz in ein soziotechnisches System eingeordnet: Systemtransformationen wie die Wärme-, Energie- und Bauwende sind Teil der Großen Transformation [12] und stehen für nachhaltige Entwicklungen. Transformationen sind das Ergebnis des Zusammenspiels ökologischer, technologischer, ökonomischer, institutioneller und kultureller Aspekte. Durch die Analyse soziotechnischer Transformationsprozesse können Erkenntnisse über komplexe Wechselwirkungen zwischen Zivilgesellschaft, Kultur, Politik, Industrie, Technologie und Markt gewonnen werden [13]. Die Untersuchung der Seriellen Sanierung als Transformationsprozess ermöglicht die Identifikation von wichtigen Einflussfaktoren für die Umsetzung. 4. Ergebnisse Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die Serielle Sanierung von MFH ein vielversprechender Ansatz zur nachhaltigen Transformation des deutschen Wohngebäudebestands ist. Dem Markthochlauf stehen verschiedene Hürden und Herausforderungen entgegen (s. Tabelle. 1). Diese eröffnen jedoch wiederum Potenziale für Innovationen hin zu einem nachhaltigen und klimafreundlichen Bausektor (s. Tabelle. 2). Um die komplexe Marktsituation zu erfassen, wurde zwischen institutionellen, ökonomischen, technischen und kulturellen Aspekten differenziert. Die befragten Experten sehen die flächendeckende Anwendung Serieller Sanierungen als einzige Möglichkeit, den deutschen Wohngebäudebestand bis 2045 zu dekarbonisieren. Die Weiterentwicklung der Versorgungsinfrastruktur und der Ersatz veralteter Anlagentechnik sind entscheidend, um die Effizienz zu steigern. Besonderes Potenzial bietet die Sanierung der Fassade mit vorgefertigten Modulen zur Senkung des Wärmebedarfs in Kombination mit moderner Heiz- und Klimatechnik, um Wärmeenergie einzusparen. Mit neuester Gebäudetechnologie und der Veränderung der Versorgungsinfrastruktur kann eine besonders hohe Wirkungstiefe erzielt werden. Die Integration von Schlüsseltechnologien wie der Wärmepumpe kann zusätzliche Optimierungspotenziale aktivieren und Erdgas und Heizöl als dominierende Wärmequellen ablösen [14]. Auch die Einbindung des energetisch sanierten Gebäudebestands in Fernwärmenetze kann insbesondere auf Quartiersebene einen Beitrag zu einer nachhaltigeren Wärmeversorgung leisten. Smart-Home-Technologien ermöglichen daneben eine genaue Steuerung des Energieverbrauchs. 30 1 · 2024 TR ANSFORMING CITIES THEMA DOI: 10.24053/ TC-2024-0005 Kommunale Wärmewende Dabei ist es wichtig, die Bestandsmieter über die Handhabung und das resultierende Nutzerverhalten in Bezug auf die Besonderheiten der Technologien zu informieren. Im Hinblick auf die Serielle Sanierung können die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit in den Grundzügen wiedererkannt werden. Der ökologische Beitrag zur Klimaneutralität bis 2045 wird maßgeblich durch die Nutzung erneuerbarer Energien geleistet. Die Sanierung der Anlagentechnik und der Gebäudehülle trägt aktiv zur Senkung des Wärme- und Energieverbrauchs bei. Auf der ökonomischen Ebene leistet die Serielle Sanierung einen großen Beitrag; so werden die Lebenszykluskosten durch die Umstellung der Energieversorgung gesenkt, indem die Gebäude eine Unabhängigkeit von Preissteigerungen fossiler Energieträger erlangen. Auf der soziokulturellen Ebene trägt der Serielle Sanierungsansatz zu einer Steigerung der Wohn- und Lebensqualität sowie zu einer Verbesserung der gebauten Umwelt bei. Um die Transformation des bestehenden soziotechnischen Systems voranzutreiben und dabei den Markthochlauf der Seriellen Sanierung in Deutschland zu unterstützen, müssen Handlungsempfehlungen formuliert und durch die Marktakteure Institutionelle Hürden Ökonomische Hürden Bauwirtschaftliche und technische Hürden Kulturelle und soziale Hürden Fehlende Sanierungspflicht für Wohnungs- und Wohnungsbaugesellschaften Preis- und Kostenreduktion des Ansatzes notwendig für zukünftige Skalierbarkeit Personal- und Fachkräftemangel in der Baubranche Neudenken der Planungsstrukturen (Wertschöpfungskette) Verbindliche politische Konsequenzen bei Nicht- Erreichen der Klimaneutralität für die Wohnungswirtschaft Diskrepanz zwischen Erwartungshaltung und Realität hinsichtlich der Refinanzierbarkeit Mangel an zugelassenen rezykliergerechten Materialien/ Produkten Bedenken hinsichtlich einer „gesichtslosen“ Stadtlandschaft (Verlust der architektonischen Qualität) Lange behördliche Prozesse (Prüf-/ Genehmigungsverfahren) Schwierigkeit bei Preiszusagen (Materialpreissteigerung/ Inflation) Vorbehalte gegenüber innovativen und digitalisierten Arbeitsabläufen Lange Entscheidungsprozesse bei Bestandshaltern und Wohnungswirtschaft Föderalismus erschwert die Übertragung von innovativen Sanierungskonzepten Unsichere Förderlandschaft (Förderzeitraum/ Fördersumme) Digitalisierungsstand/ Nutzung digitalisierter Methoden u.a. bei KMUs Informationsdefizit der breiten Gesellschaft durch mangelnde Öffentlichkeitsarbeit Klärung der Haftungsfrage und der Verantwortlichkeit (Bsp.: Zutrittsrecht) Geringe Planungssicherheit -> geringe Ausschöpfung des wirtschaftlichen Potenzials Modernisierung der TGA: Ausbau von Produktionskapazitäten und Innovation Belastung der Bewohner durch energetische Sanierung im bewohnten Zustand Tabelle 1: Hürden und Herausforderung der Seriellen Sanierung Institutionelle Potenziale Ökonomische Potenziale Bauwirtschaftliche und technische Potenziale Kulturelle und soziale Potenziale Harmonisierung der Vorschriften und Einführung einer Typengenehmigung Ausbau bundeslandspezifischer Förderung (Bsp.: RL Mod NRW* 2 ) Digitalisierung von behördlichen Prozessen Abstimmung der architektonischen Gestaltung durch Partizipationsprozesse Aktive politische Unterstützung der Kommunen bei der Wärmeplanung Erhöhung der Umlagefähigkeit zur Entlastung der Bestandshalter Etablierung von Kreislaufwirtschaft, Bauteilbörsen und Stoffkreisläufen Reduktion der Handwerkeranzahl auf der Baustelle durch Vorfertigung Schaffung von „Anreizsystemen“ für Wohnungs- und Wohnungsbaugesellschaften Potenzial für Warmmietenmodelle oder Energie- Kontingent-Flatrates Optimierung von Kommunikationsstrukturen und Wissensaustausch Schaffung/ Erhaltung von Arbeitsplätzen durch Verlagerung der Arbeit in die Produktionsstätte Politische Maßnahmen gegen „Bad Banks* 1 “ Erzeugung realistischer Renditeerwartungen durch Portfoliosanierungen Aufbau einer Plattform zur Erleichterung von Kommunikation/ Kooperation Attraktivitätssowie Verständnissteigerung durch Medienpräsenz * 1 : Maßnahme zur Umgehung der Sanierung „energetisch schlechten“ Bestandes zur Verbesserung der Energiebilanz * 2 : Richtlinie zur Förderung der Modernisierung von Wohnraum im Land NRW Tabelle 2: Chancen und Optimierungspotenziale der Seriellen Sanierung 31 1 · 2024 TR ANSFORMING CITIES THEMA DOI: 10.24053/ TC-2024-0005 Kommunale Wärmewende wahrgenommen werden: Deren primäres Ziel ist ein Multiplikatoreffekt z. B. durch das Publizieren von Erfolgen und Maßnahmen der Seriellen Sanierung. Marktakteure können so die Serielle Sanierung als Chance erkennen, den Sanierungsansatz selbst zu erproben und in den Marktzweig einzusteigen. Andererseits können Bestandshalter sich an erfolgreich umgesetzten Sanierungsprojekten orientieren. Bei den Handlungsempfehlungen liegt der Fokus auf den Aspekten Nachhaltigkeit, Ressourceneffizienz, Resilienz sowie einer verstärkten Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette. Um das volle Potenzial des Ansatzes auszuschöpfen und den Übergang von der Pilotphase zur Serienphase zu erreichen, ist politisches und partizipatives Handeln erforderlich: Die Marktakteure müssen das Optimierungspotenzial erkennen und ihre Handlungen und Arbeitsabläufe anpassen. Ein sektorenübergreifendes Umdenken kann helfen, heute und auch in Zukunft soziale, klimapolitische, wirtschaftliche und gestalterische Aspekte miteinander zu verknüpfen. Handlungsempfehlungen: → Veränderungen auf politischer und institutioneller Ebene: Nachhaltigkeit und Effizienzsteigerung durch erhöhte Verfügbarkeit von Schlüsselprodukten, Förderung von Produktionsstätten und Anreizsystemen (Bsp.: BAFA SerSan-Förderung Modul 2) Förderung der Seriellen Sanierung durch Pilotprojekte, gezielte Öffentlichkeitsarbeit durch die dena und Marktteilnehmer sowie Ausbau von Fördermaßnahmen in verschiedenen Bundesländern zur Stärkung einer nachhaltigen Baubranche (Bsp.: RL Mod NRW 2023) Erleichterung des Bauordnungsrechts (Bsp.: Landesbauordnung), Einführung einer Typengenehmigung, Mieterstrommodelle für nachhaltiges Bauen und Verkürzung der administrativen und behördlichen Bearbeitungszeiträume Unterstützung der Kommunen bei der Wärmeplanung, um die Dekarbonisierung und die kommunale Wärmewende voranzutreiben (Bestandsanalyse, Potenzialanalyse, Zielszenario, Maßnahmenplan) → Veränderungen in Forschung und im Markt: Einbindung von Strategien zur Verlängerung der Bauteillebensdauer und zur Implementierung resilienter Strukturen Anpassen von Stoffkreisläufen (Kreislaufwirtschaft) durch Nutzung von Materialdatenbanken (Bsp.: Madaster/ Restado) Strategie, um die Zusammenarbeit entlang der Wertschöpfungskette in der Seriellen Sanierung zu intensivieren, den Wettbewerb zu fördern und Synergien zu nutzen Stärkung des Wissensaustauschs und der baubrancheninternen Kooperation → Veränderungen auf sozialer und kultureller Ebene: Erzeugung von Gestaltungsvarianz durch Anbieterflexibilität zur Vermeidung eines „gesichtslosen“ Gebäudebestands Steigerung der Attraktivität und Sozialverträglichkeit durch Bewohnerpartizipation 5. Einordnung in die aktuelle Debatte Die Ergebnisse der vorliegenden Studie spiegeln sich in zahlreichen aktuellen Publikationen wider: Die Umsetzung der Wärmewende erfordert eine besondere Beachtung der zentralen Rolle von MFH zur Sicherung von bezahlbarem Wohnraum in Deutschland. Die Wohnungswirtschaft steht unter erheblichem Handlungsdruck, da viele Bewohner durch ihre Energiekosten belastet und von Energiearmut bedroht sind. Durch gezielte Maßnahmen zur Verbesserung des energetischen Gebäudezustands kann die Belastung reduziert und die Sozialverträglichkeit und Akzeptanz gesteigert werden [15]. Fördermaßnahmen und politische Regulierung können dazu beitragen, Mieter wirtschaftlich zu entlasten und den Konflikt von Wohnraumpreisen und Bezahlbarkeit zu mildern [16]. Hierfür ist jedoch insbesondere eine umfassende Anwendung der Strategie auf dem breiten Markt erforderlich: Wichtige Maßnahmen für eine Skalierung sind unter anderem die Förderung von effizienzorientierten Sanierungsansätzen wie der untersuchten Strategie der Seriellen Sanierung. Zukünftig muss sich die Branche auf ein Handeln umstellen, das sich auf die Transformation der Strom- und Wärmeversorgung durch den Einsatz regenerativer Wärmequellen sowie Energieeinsparung und -effizienz konzentriert [14]. Quartiere bieten ein großes Potenzial für energetische Sanierung, da dort die Resilienz des Gebäudebestands schnell und wirkungsvoll gestärkt werden kann. Da die Serielle Sanierung in der Regel im bewohnten Zustand durchgeführt wird, stellt die frühzeitige Beteiligung der Bewohner ein Mittel dar, um Zielkonflikte zu vermeiden. Durch die Einbeziehung kann der soziale Zusammenhalt in der Nachbarschaft gestärkt und die Identifikation erhöht werden [16]. 32 1 · 2024 TR ANSFORMING CITIES THEMA DOI: 10.24053/ TC-2024-0005 Kommunale Wärmewende Darüber hinaus wurden weitere Erfolgsfaktoren durch die Integration von Vorfertigung und Digitalisierung identifiziert: Die angestrebte Verkürzung des Sanierungszeitraums, die Berücksichtigung von Zukunftstrends sowie aktuellen Herausforderungen kann den Markthochlauf der Seriellen Sanierung fördern und einen wichtigen Beitrag zur Transformation leisten. Die begrenzte Zeit bis 2045 erfordert eine anwendungsorientierte Strategie und betont die Dringlichkeit, Marktinnovationen zu integrieren. 6. Implikationen für die Forschung Ein Hinweis auf die Grenzen der Studie ist erforderlich, da sich die Serielle Sanierung zum Zeitpunkt der Untersuchung (Feb. - Aug. 2023) in der Pilotphase befand. Messungen hinsichtlich des Einsparpotenzials sowie Langzeitbeobachtungen zur Kostenentwicklung und zur Zeiteinsparung durch industrielle Vorfertigung lagen noch nicht vor. Die langfristigen Auswirkungen auf die Wärme-, Energie- und Bauwende konnten somit noch nicht vollständig erforscht werden. Da sich viele Projekte der Seriellen Sanierung noch in der Umsetzungsphase befinden, ist aufgrund der geringen Anzahl von abgeschlossenen Pilotprojekten bisher kein übergreifender Vergleich möglich. Die Transformation befindet sich in einem frühen Stadium und wirkt sich eher systemprägend als systemverändernd aus. Zukünftige Studien könnten durch die Einbindung weiterer Branchenakteure - wie Vertreter aus der Politik, Akteure aus der Baupraxis und Produktentwickler - ein breiteres Bild ergeben und zu umfassenderen Erkenntnissen sowie praxisrelevanten Schlussfolgerungen führen. Die Beschäftigung mit der Seriellen Sanierung kann insbesondere auf Quartiersebene einen zukunftsfähigen Ansatz für die Energie- und Bauwende darstellen. Der Ansatz zeichnet sich durch ein großes Marktpotenzial sowie hohe praktische Relevanz aus und berücksichtigt Megatrends sowie Herausforderungen der Bauindustrie. Da nicht alle Gebäude die Rahmenbedingungen einer Seriellen Sanierung erfüllen, muss die Forschung sich zukünftig noch stärker der Optimierung konventioneller Wohnraumsanierung widmen. Um die Transformation in Richtung eines rentablen und zeitlich effektiven Sanierungsansatzes zu ermöglichen, ist eine großflächige Umsetzung der Seriellen Sanierung erforderlich. Denn besonders durch die Dichte auf Quartiersebene kann die Serielle Sanierung ihr Potenzial mit Synergieeffekten durch Eingriffe in die Infrastruktur und Vernetzung von Energie- und Wärmeversorgung ausschöpfen. Interdisziplinäre Zusammenarbeit sowie das Erkennen von ökologischen Potenzialen sind wichtige Bausteine für einen Paradigmenwechsel im Bausektor. Auch ist eine Erhöhung der Geschwindigkeit bei Sanierungen wichtig, um die Klimaziele bis 2045 zu erreichen. Literatur [1] Königstein, Thomas (2020): Ratgeber energiesparendes Bauen und Sanieren. Neutrale Informationen für mehr Energieeffizienz. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag. [2] BMWK - Nils Thamling; Dominik Rau (2023): Hintergrundpapier zur Gebäudestrategie Klimaneutralität 2045. Online verfügbar unter https: / / www.bundesregierung.de/ breg-de/ suche/ hintergrundpapier-zurgebaeudestrategie-klimaneutralitaet-2045-2171310. [3] Dena (2023): Serielles Sanieren nach der Energiesprong-Idee. Tempo für klimaneutrale Gebäude. Online verfügbar unter https: / / www.energiesprong.de/ newsroom/ publikationsdetailansicht/ pub/ factsheetenergiesprong/ . [4] Ifok (2022): Ergebnisbericht. Marktstudie und Handlungsoptionen zur seriellen Sanierung. Online verfügbar unter https: / / www.bmwk.de/ Redaktion/ DE/ Publikationen/ Studien/ bafa-serielle-sanierung-gesamtbericht.pdf ? _ _blob=publicationFile&v=6. [5] Hermann, Laurenz et al. (2021): Serielle Sanierung in Europa und Deutschland. Abschlussbericht im Rahmen des Projekts „Abbau von Hemmnissen bei der energetischen Gebäudesanierung durch industrielle Vorfertigung“. Online verfügbar unter https: / / www. umweltbundesamt.de/ publikationen/ serielle-sanierung-in-europa-deutschland. [6] Helmrich, Robert et al. (2021): Baugewerbe zwischen Klimawandel und Fachkräfteengpass. Thesen und Maßnahmen angesichts der energetischen Sanierung und Aktivierung des Gebäudebestandes. Online verfügbar unter https: / / bibb-dspace.bibb.de/ curly/ bibbResolver.php? shrty=vet-repository_779583. [7] Eßmann, Frank et al. (2022): Energieeffiziente Gebäudesanierung. Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag. [8] Henger, Ralph et al. (2017): Energiewende im Gebäudesektor. 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[12] WBGU (2011): Welt im Wandel. Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation. Online verfügbar unter https: / / www.wbgu.de/ de/ publikationen/ publikation/ welt-im-wandel-gesellschaftsvertrag-fuer-einegrosse-transformation. THEMA Kommunale Wärmewende [13] Best, Benjamin (2019): Energiewende und Bürgerbeteiligung. Multi-Level-Konstellationsanalysen des Beteiligungsprozesses der InnovationCity Ruhr - Modellstadt Bottrop. (Dissertation/ Fakultät für Human- und Sozialwissenschaften, Bergische Universität Wuppertal). Berlin: Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. [14] Clausen, Jens et al. (2022): Wärmewende beschleunigen, Gasverbrauch reduzieren. Ein Kurzimpuls. Online verfügbar unter https: / / www.researchgate.net/ publication/ 359281137_Warmewende_beschleunigen_Gasverbrauch_reduzieren_Ein_Kurzimpuls. [15] Schumacher, Katja et al. (2023): Mehrfamilienhäuser: Der blinde Fleck der sozialen Wärmewende. Online verfügbar unter https: / / www.rosalux.de/ publikation/ id/ 50137/ mehrfamilienhaeuser-der-blinde-fleckder-sozialen-waermewende. [16] Kabisch, Sigrun et al. (2024): Die Resiliente Stadt. Online verfügbar unter https: / / link.springer.com/ book/ 10.1007/ 978-3-662-66916-7. Mirjam Sophie Mauel, M. Sc. RWTH Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin (0009-0004-6708-4189) Lehr- und Forschungsgebiet für Immobilienprojektentwicklung RWTH Aachen Elisabeth Beusker, Univ.-Prof. Dr.-Ing. Leitung (0009-0007-4692-1701) Lehr- und Forschungsgebiets für Immobilienprojektentwicklung RWTH Aachen Holger Wallbaum, Univ.-Prof. Dr. Leitung (0000-0001-5809-9400) Forschungsgruppe für Nachhaltiges Bauen Chalmers tekniska högskola AUTOR*INNEN Anzeige www.dvgw-kongress.de/ technikforum-wasserstoff l DVGW Kongress GmbH 4. Technikforum Wasserstoff Ergebnisse aus der Innovationsforschung für die H2-Praxis Neu: Ammoniak - Unerlässliches Derivat für den Wasserstoffhochlauf 23. - 24. 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