Transforming cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2024-0021
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Zivilschutz in urbanen Räumen
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Sascha Henninger
Philipp Junk
Vor dem Hintergrund der zunehmenden Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen wie Starkregen ist es notwendig, in städtischen Gebieten erneut ein flächendeckendes Warnnetz zur Alarmierung der Bevölkerung aufzubauen. Im Gegensatz zu ländlich geprägten Räumen sind viele dicht besiedelte Innenstädte in der Regel nicht mehr mit Sirenen ausgestattet. Angesichts der steigenden Anzahl von Gefahren, denen insbesondere die Bevölkerung in Ballungsräumen ausgesetzt ist, werden Warnmittel entwickelt, v. a. Warnmeldungen, die die Menschen individuell vor akuten Gefahren warnen können. Vielerorts fehlt jedoch ein flächendeckendes Netz erprobter Warnmittel. Ein solches Netz kann am effektivsten durch Sirenen realisiert werden, wobei der Aufbau in konkretem städtischem Kontext allerdings mit einer Reihe von Fragen und Problemen verbunden ist. So dürfen Sirenen eine bestimmte Lautstärke nicht überschreiten, um die körperliche Unversehrtheit der Passanten in der unmittelbaren Umgebung zu gewährleisten. Gleichzeitig muss das gesamte Beobachtungsgebiet durch das Sirenennetz mit ausreichender Lautstärke beschallt werden, damit die Menschen angemessen auf die Warnmeldungen reagieren können. Daraus ergibt sich eine Vielzahl von möglichen Standorten, die im Zuge der Analyse zu einem funktionierenden Netz zusammengefügt werden müssen, um abschätzen zu können, wo und in welcher Anzahl die Warnsysteme letztendlich platziert werden müssen.
tc920064
64 2 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0021 Zivilschutz in urbanen Räumen Herausforderungen bei der Implementierung von Sirenen im Bestand Sirenen, Zivilschutz, Städtische Räume, Extremwetterereignisse Sascha Henninger, Philipp Junk Vor dem Hintergrund der zunehmenden Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen wie Starkregen ist es notwendig, in städtischen Gebieten erneut ein flächendeckendes Warnnetz zur Alarmierung der Bevölkerung aufzubauen. Im Gegensatz zu ländlich geprägten Räumen sind viele dicht besiedelte Innenstädte in der Regel nicht mehr mit Sirenen ausgestattet. Angesichts der steigenden Anzahl von Gefahren, denen insbesondere die Bevölkerung in Ballungsräumen ausgesetzt ist, werden Warnmittel entwickelt, v. a. Warnmeldungen, die die Menschen individuell vor akuten Gefahren warnen können. Vielerorts fehlt jedoch ein flächendeckendes Netz erprobter Warnmittel. Ein solches Netz kann am effektivsten durch Sirenen realisiert werden, wobei der Aufbau in konkretem städtischem Kontext allerdings mit einer Reihe von Fragen und Problemen verbunden ist. So dürfen Sirenen eine bestimmte Lautstärke nicht überschreiten, um die körperliche Unversehrtheit der Passanten in der unmittelbaren Umgebung zu gewährleisten. Gleichzeitig muss das gesamte Beobachtungsgebiet durch das Sirenennetz mit ausreichender Lautstärke beschallt werden, damit die Menschen angemessen auf die Warnmeldungen reagieren können. Daraus ergibt sich eine Vielzahl von möglichen Standorten, die im Zuge der Analyse zu einem funktionierenden Netz zusammengefügt werden müssen, um abschätzen zu können, wo und in welcher Anzahl die Warnsysteme letztendlich platziert werden müssen. Einführung „Es ist heute unbestritten, dass die Bedeutung der Sirenen nach wie vor hoch und die Erwartung der Bevölkerung an die Bereitstellung von Sirenen groß ist“ [1]. Das Warnsystem des Katastrophenschutzes in Deutschland hat in jüngster Zeit Verbesserungen erfahren, jedoch ist es noch nicht in allen Fällen optimal an die lokalen Gegebenheiten angepasst [2]. Generell ist der Aufbau eines entsprechenden Sirenenwarnnetzes im konkreten städtischen Kontext mit einer Reihe von Fragen und Problemen verbunden. In Deutschland wurde das Thema Katastrophenschutz durch den bundesweiten „Warntag“ im September 2020 und 2023 in das Bewusstsein der Öf- 65 2 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0021 THEMA Offene und sichere Städte nis genommen wird. Im ungünstigsten Fall kann dies zu Fehlverhalten oder zum Ignorieren der Warnung führen. Dadurch könnte eine Lücke im Warnprozess entstehen, die durch intelligente Sirenen mit entsprechenden Informationen geschlossen werden könnte. Die Bevölkerung, die die Warnung empfängt, wird in der Regel als einheitliche Gruppe interpretiert. Der Warnende ist auf die richtige Wahrnehmung der Warninformation angewiesen, aber viele Menschen sind möglicherweise nicht in der Lage, ein bestimmtes Warnsignal richtig wahrzunehmen und entsprechend zu handeln [6]. Im Ernstfall würde der schlecht informierte Teil der Bevölkerung wertvolle Zeit verlieren, bevor er angemessen handeln kann. Diese Situation könnte durch intelligente Sirenen verbessert werden, die mündlich über die Alarmsituation und das richtige Verhalten informieren. Dieser Übersichtsartikel soll aufzeigen, dass es im Allgemeinen erforderlich ist, in dicht besiedelten Gebieten Anstrengungen zu unternehmen, um die gesamte Bevölkerung vor Extremwetterereignissen und anderen Gefahren zu warnen. Betont sei dabei, dass es nicht ausreichend ist, Sirenen oder andere Warnmittel lediglich in den besiedelten Gebieten zu installieren, ohne die örtlichen Gegebenheiten genau zu berücksichtigen. Sirenen als Warnvorrichtungen Im Allgemeinen handelt es sich bei Sirenen um akustische Signalgeräte, die mittels eines lauten Tons, der als Weckeffekt fungiert, vor potenziellen Gefahren warnen. Obgleich der Ton sehr laut ist, übermittelt er nur begrenzt Informationen, da keine quantitativen Daten übertragen werden können. Weiterhin existiert kein einheitlicher Sirenenton. Intelligente Sirenen sind kleine, kompakte Geräte mit optionalen Zusatzfunktionen, die eine Kombination aus herkömmlicher Sirene und Lautsprecher darstellen können. Der Weckeffekt der intelligenten Sirenen ist vergleichbar mit den herkömmlichen Sirenen, jedoch weisen sie einen entscheidenden Unterschied auf: Neben dem Alarmton können sie zusätzlich Sprachnachrichten oder Live-Durchsagen abspielen. Auf diese Weise dienen intelligente Sirenen nicht nur der Warnung vor einer Gefahr, sondern können auch Informationen über die spezifische Gefahr und entsprechende Vorsorgemaßnahmen vermitteln. Während herkömmliche Sirenen häufig auf Dächern oder Masten montiert sind, können intelligente Sirenen beispielsweise an Straßenlaternen angebracht werden. Angesichts der zunehmenden Häufigkeit extremer Wetterereignisse wie Hitzewellen und Starkregen können intelligente Sirenen den Katastrophenschutz verbessern. fentlichkeit gerückt. Dieser „Warntag“ hat allgemein verdeutlicht, dass Warnsysteme im Ernstfall versagen können und Informationen über Warnstufen und die damit verbundenen Risiken für die breite Öffentlichkeit nicht zugänglich sind [3]. Druckluftsirenen sind zwar noch in einigen deutschen Kommunen zu finden, die Flächenabdeckung ist aber bei Weitem nicht ausreichend. Zudem weisen diese auch einen signifikanten Schwachpunkt auf, nämlich die begrenzte akustische Reichweite. Dichte Bebauung und andere Hindernisse verändern die Schallwellen, sodass die Sirene nicht oder nur unzureichend gehört werden kann. Ebenso bleibt der Grund für die Warnung der Bevölkerung unbekannt, was allerdings in vielen Fällen von besonderer Bedeutung sein kann (z. B. Hochwassergefahr durch Starkregen). In solchen Situationen wäre es wünschenswert, eine Warnung über öffentlich zugängliche „Kanäle“ zu verbreiten, die Informationen über das richtige Verhalten im Sinne des Katastrophenschutzes enthalten. Warn-Apps können eine große Hilfe sein, aber eine vollständige Abdeckung kann nicht erreicht werden, da nicht alle Menschen direkten Zugang zu einem Smartphone haben. Intelligente Sirenen wären in solchen Risikosituationen ein geeignetes Hilfsmittel. Straßenlaternen oder Bushaltestellen könnten mit intelligenten Sirenen ausgestattet werden, um eine flächendeckende Erreichbarkeit zu gewährleisten. Eine frühzeitige Warnung der Bevölkerung mit Handlungsempfehlungen wäre so möglich. Im Vorfeld ist jedoch eine genaue Analyse der Siedlungsstruktur notwendig, um ein lückenloses, flächendeckendes und optimiertes Verteilungskonzept der Sirenen zu entwerfen. Ausgangspunkt einer solchen Analyse ist der Ist- Zustand der Katastrophenschutzsysteme in ländlichen und städtischen Gebieten, um festzustellen, ob die vorhandenen Warnsysteme im Katastrophenfall in der Lage sind, die gesamte Bevölkerung zu warnen. Denn wie die Hochwasserkatastrophe im Ahrtal 2021 gezeigt hat, versagen Warnapplikationen, wenn beispielsweise das Funknetz der Mobilfunkbetreiber aufgrund eines Stromausfalls zusammenbricht [4]. Auch wenn urbane Gebiete besonders anfällig für Hitzewellen oder Starkregenereignisse sind, sollten ebenfalls ländliche Regionen mitberücksichtigt werden. Die Diskussion um das deutsche Warnsystem im Katastrophenschutz wird von technischen und finanziellen Aspekten dominiert. Der soziale Aspekt des Katastrophenschutzes wurde bisher nur selten thematisiert [5]. Auch wenn ein Warnsystem den größten Teil der Bevölkerung erreicht, bedeutet dies nicht, dass die Warnung auch verstanden oder zur Kennt- 66 2 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0021 THEMA Offene und sichere Städte ihrer Schutzwirkung von der Bevölkerung nicht akzeptiert. Die Analyse der Eignung einer bestimmten Sirene A für einen bestimmten Standort B erfordert in der Praxis erheblichen Aufwand, da ein realistisches Modell der Umgebung verwendet werden müsste. Die Modellierung der akustischen Parameter und der Bebauung zur Berechnung der Schallausbreitung kann jedoch mithilfe geeigneter Computersoftware durchgeführt werden. Auf diese Weise wird das Grundwissen über die Schallausbreitung in einem komplexen numerischen Modell angewendet, um das Verhalten der Sirene A am Standort B abzuschätzen. Ebenso kann ein geplanter Sirenenstandort aufgrund denkmalpflegerischer und baulicher Belange ein Umdenken in der Planung erfordern. Im Rahmen des Denkmalschutzes ist es von Bedeutung, Kultur- und Baudenkmäler sowie kulturhistorisch bedeutsame Gesamtanlagen ohne Verfälschung, Beeinträchtigung oder Zerstörung zu erhalten und dauerhaft zu sichern (§ 4 Abs. 1 DSchG). Dazu gehören bauliche Anlagen sowie ortsfeste Einzeldenkmäler und Denkmalbereiche im Sinne des § 5 DSchG. § 13 DSchG Abs. 1 Nr. 2 bestimmt u. a., dass ein geschütztes Kulturdenkmal nur mit Genehmigung umgestaltet oder in seinem Wesensgehalt verändert werden darf. Die Genehmigung wird nur erteilt, „wenn Belange des Denkmalschutzes nicht entgegenstehen oder wenn andere Erfordernisse des Gemeinwohls oder private Belange die Belange des Denkmalschutzes überwiegen und diesen überwiegenden Belangen nicht auf andere Weise Rechnung getragen werden kann“ (§ 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 DSchG). Die Abwägung, ob der Bevölkerungsschutz als Gemeinwohlbelang die Belange des Denkmalschutzes überwiegt, kann nicht pauschal beantwortet werden, sondern erfordert eine Einzelfallprüfung. Daher ist es im Rahmen einer Netzkonzeption in der Regel vorteilhafter, auf die Nutzung denkmalgeschützter Einzelgebäude/ Ensembles als Sirenenstandort zu verzichten - auch wenn sich ein solches Gebäude ggf. im Eigentum der öffentlichen Hand befindet und für die Installation von Sirenen besonders geeignet wäre, da in diesem Fall keine Einigung mit privaten Eigentümern über die Aufstellung der Warnanlage erforderlich ist. Material und Methoden „CadnaA“ ist eine Software zur Modellierung der Schallausbreitung und zur Bewertung von Umgebungslärm. Sie ermöglicht die Analyse verschiedener Sirenen in ländlichen und städtischen Gebieten, insbesondere im Hinblick auf die Integration intelligenter Sirenen in das örtliche Katastrophenschutzsystem. Herausforderungen bei der Implementierung von Sirenen Ziel verschiedener Sirenen-Studien war es, zu evaluieren, wie intelligente Sirenen einen effektiven Beitrag zum Katastrophenschutz leisten können und wie die Abdeckung in besiedelten Gebieten mit inhomogenen Strukturen, wie z. B. der aktuellen Bebauung und Topographie, sonstigen baulichen Gegebenheiten, Vegetation sowie der Schallleistung der Sirenen, optimiert werden kann [7] [8] [9]. Aufgrund der Vielzahl von Faktoren, die die Anzahl der erforderlichen Sirenen in einem städtischen Gebiet beeinflussen, ist eine präzise Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten bezüglich der Bedingungen zur Begrenzung der Schallausbreitung nötig. Die Schallausbreitung des Sirenensignals wird auf dem Weg zum Immissionsort durch Schallabsorption, -reflexion und -beugung gedämpft. Dabei ist es fraglich, ob das Warnsignal noch mit ausreichender Lautstärke wahrgenommen werden kann. Bei einem zentralen Sendepunkt wie der Zentralsirene ist die Schallausbreitung innerhalb einer Siedlung problematisch. Dies ist häufig in kleineren Siedlungen und im ländlichen Raum zu beobachten [9]. Ein weiterer limitierender Faktor ergibt sich aus dem Schutz der Anwohner vor unerwünschtem Lärm, insbesondere vor Straßen- und Gewerbelärm. Daher sollen die Gebäudeanordnung und die Baumaterialien die Schallausbreitung so weit wie möglich minimieren oder eliminieren. Dieser Ansatz wird u. a. dadurch verfolgt, dass bauliche Anlagen parallel zur jeweiligen Schallquelle (i. d. R. eine Straße) angeordnet werden, um das Eindringen der Schallwellen in die meist rückwärtig gelegenen Innenhöfe zu verhindern. Darüber hinaus kann die Verwendung schallabsorbierender Baustoffe, insbesondere bei der Fassadengestaltung, die Reflexion an den Gebäuden verringern. Dadurch erhält das Gebäude die Funktion eines Lärmschutzriegels bzw. Lärmpuffers [10]. Der Schall kann nicht mehr alle Flächen in ausreichender Lautstärke erreichen. Die akustischen Warnsignale, die von Sirenen ausgehen, unterliegen dem Problem des Schallpegels. Dieser muss zwischen 65 db(A) und 118 db(A) liegen, wobei das Warnsignal deutlich von anderen Schallquellen zu unterscheiden sein muss [11]. Der Unterschied zwischen dem A-bewerteten Schalldruckpegel der Sirene und dem A-bewerteten Schalldruckpegel anderer Geräusche muss mindestens 15 db(A) betragen [12]. Die Sirenen müssen laut genug sein, um trotz Hintergrundgeräuschen gehört zu werden. Es ist möglich, dass Sirenen als zu laut oder als unerwünschtes Geräusch empfunden werden. In einigen Fällen werden Sirenen in der Nachbarschaft trotz 67 2 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0021 THEMA Offene und sichere Städte Gehörschaden erleiden könnten. Dies kann erreicht werden, indem die Höhe über Grund der Sirene so verändert wird, dass der vorgeschriebene Schalldruckpegel von 118 dB(A) nicht überschritten wird. Außerdem müssen die Sirenen unabhängig vom Stromnetz betrieben werden können. Das beispielhafte Untersuchungsgebiet liegt im Stadtteil „Innenstadt Ost “ der Stadt Kaiserslautern (Rheinland-Pfalz), dem flächenmäßig zweitkleinsten der neun Stadtteile der Kernstadt. Die Innenstadt Ost umfasst eine Fläche von 122,6 ha und ist mit 11.444 Einwohnern der bevölkerungsreichste Stadtteil. Der heterogene Charakter des Gebietes zeigt sich vor allem in den Randbereichen. Während der nordwestliche Bereich durch die historisch gewachsene Altstadt mit engen, verwinkelten Gassen und historischer Bausubstanz geprägt ist, schließen im Norden und Westen überwiegend enge Wohnbebauungen das Gebiet ab. Einfamilienhäuser, Doppelhäuser und Reihenhäuser sind im Gebiet nicht zu finden. Das Gebiet besteht zu 85 % aus geschlossener Blockrandbebauung mit 1,5 bis 7 Geschossen und zu 15 % aus sonstiger offener und geschlossener Bebauung mit 1,5 bis 12 Geschossen. Denkmalschutzaspekte aufgrund von Einzelgebäuden und historischen Gebäudekomplexen erschweren die Errichtung eines intelligenten Sirenennetzes, insbesondere im Bereich der Altstadt. Die Herausforderung bei der Berechnung besteht darin, zwischen „zu laut“ und „zu leise“ im Untersuchungsgebiet zu unterscheiden. „CadnaA“ hat die Sirenenfrequenzen automatisch mit einem Wert von 500 Hz nach [11] klassifiziert und als Punktquelle dargestellt. Auf Dächern montierte Sirenen befinden sich in der Regel 1 m über dem Dach. Für intelligente Sirenen, die auf Laternenmasten montiert sind, wird im Allgemeinen eine Höhe von 4 m über Grund angenommen. Für Wohngebäude gilt eine Höhe von 12 m, für öffentliche Gebäude von 20 m und für Nebengebäude (> 40 m 2 ) von 3,5 m. Nach Modellierung der akustischen Werte der Sirenen müssen auch Störgeräusche berücksichtigt werden, um festzustellen, ob ein bestimmter Sirenentyp zu laut oder zu leise ist. Die Auswertung erfolgt mit normalen Sirenen und zeigt lediglich die Ausbreitung der Schallwellen der Sirenen in der Umgebung. Bei intelligenten Sirenen wird zusätzlich ein Netzwerk modelliert, ausgewertet und aufgebaut, wobei die Anzahl und Position der Sirenen in jedem Modellierungsschritt verändert und optimiert wird, um die optimale Funktionalität des Netzwerks zu gewährleisten [8] [9]. Nicht alle Sirenentypen eignen sich als intelligente Sirenen aufgrund möglicher Lärmbelastung in bestimmten Gebieten. Daher muss darauf geachtet werden, dass Personen in der Nähe einer aktiven intelligenten Sirene keinen Bild 1: Ausschnitt aus der Starkregengefahrenkarte (Starkregenindex 7) der Stadt Kaiserslautern für das Untersuchungsgebiet ( Junk 2024, verändert nach [13]). 68 2 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0021 THEMA Offene und sichere Städte und 54 dB(A) - wurden in der Blockrandbebauung in der Mitte und im Norden des Gebietes sowie auf einem Parkplatz im Osten ermittelt. Obwohl an verschiedenen Messpunkten Störschallpegel < 45 dB(A) gemessen wurden, wurde für diese Bereiche ein Wert von 45 dB(A) festgelegt. Ein niedrigerer Wert hätte keine Auswirkungen auf den vom Sirenennetz zu erreichenden Mindestschallpegel gehabt, da die Norm DIN EN ISO 7731 einen Mindestwert von 65 dB(A) vorschreibt. Es wäre auch denkbar, bei der Einteilung des Untersuchungsgebietes in Störschallpegelkategorien die Kategorie 45 dB(A) mit der nächsthöheren Kategorie 50 dB(A) zusammenzufassen, da erst ab diesem Wert bei einer Unterschreitung des Störschallpegels um 15 dB(A) oder mehr der vorgeschriebene Mindestschalldruckpegel von 65 dB(A) erreicht wird. Ein Störschallpegel von 45 dB (A) muss in jedem Fall um mindestens 20 dB(A) überschritten werden, sodass die Zusammenfassung der beiden untersten Kategorien keinen Einfluss auf die Netzgestaltung hat. Die hohen Anforderungen an die Mindestlautstärke des intelligenten Sirenennetzes entlang der Hauptverkehrsstraßen von mindestens 90 dB(A) führen in diesen Bereichen zu einer hohen Anzahl notwendiger Sirenen, deren Mehrwert durchaus fraglich ist, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass Autofahrer bei geschlossenen Fenstern Im Untersuchungsgebiet gibt es nur wenige öffentliche Grünflächen. Das Gebiet weist keine topographischen Besonderheiten auf (235 bis 238,75 m ü. NN). Diese geringen Höhenunterschiede innerhalb des Untersuchungsgebietes machen sich jedoch in der Starkregengefahrenkarte der Stadt Kaiserslautern negativ bemerkbar. Blaue Farbtöne in Bild 1 kennzeichnen Oberflächenwasser, das in straßenseitige Gebäudeöffnungen eindringen und die Zugänglichkeit erschweren oder unmöglich machen kann. Gelbe und braune Farbtöne zeigen mögliche Wassertiefen in Geländemulden. Hier liegen die Gebäude in einer Senke, sodass Wasser durch alle Gebäudeöffnungen eindringt. Ein Betreten oder Verlassen des Gebäudes ist hier teilweise nicht mehr möglich [13]. Dieses Beispiel verdeutlicht die Notwendigkeit eines flächendeckenden Warnnetzes für die dort lebende Bevölkerung, um diese rechtzeitig und adäquat, z. B. durch Sprachdurchsagen, zu informieren. Eine wichtige Voraussetzung für die Modellierung eines optimierten Starkregenwarnnetzes ist die vorherige Ermittlung der Lärmbelastung im Untersuchungsgebiet. Erwartungsgemäß wurden im Bereich der Hauptverkehrsstraßen meist hohe Pegel von > 60 dB(A) und an den meisten Durchfahrten entlang dieser Straßen > 65 dB(A) gemessen. Die vermeintlich leisesten Stellen im Gebiet - mit Pegeln zwischen 45 Bild 2: Räumliche Darstellung der Lautstärke, die eine Sirene im Untersuchungsgebiet erreichen muss, um gehört zu werden ( Junk 2024). 69 2 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0021 THEMA Offene und sichere Städte die Lokalisierung. In ländlichen Gebieten kann ein intelligentes Sirenennetz trotz größerer Fläche mit der gleichen Anzahl von Sirenen wie in dicht bebauten städtischen Gebieten aufgebaut werden [9]. Hochleistungssirenen zeigen ihre Funktionalität sowohl in ländlichen als auch in städtischen Gebieten, haben aber den Nachteil, dass sie keine Sprachdurchsagen ermöglichen. Im Allgemeinen ist die Installation eines Sirenennetzes in ländlichen Gebieten einfacher als in städtischen Gebieten, da die Bebauung weniger dicht und der Umgebungslärm geringer ist. Allerdings kann die Topographie die Installation eines solchen Netzes in ländlichen Gebieten erschweren. Bei der Planung eines intelligenten Sirenennetzes unter Berücksichtigung der Ressourcenschonung gibt es u. a. innerstädtische Bereiche, die nur schwer abzudecken sind [9]. Neben den Warnsystemen gibt es weitere wichtige Faktoren in Notfallsituationen wie den Einfluss verschiedener behördlicher Zuständigkeiten, z. B. die Aktivierung der Sirenen [15], oder das allgemeine Wissen der Bevölkerung über Warnsignale und das richtige Verhalten [16]. In der vorliegenden Studie wurde lediglich die Kommunikation der Behörden mit den Bürgern über die Sirenen fokussiert. Zusammenfassend muss ein effektives Warnsystem vielfältig sein, um alle Menschen erreichen zu können. Ein Sirenennetz sollte als integraler Bestandteil eines solchen Systems betrachtet werden. Darüber hinaus können intelligente Sirenen mit Solarenergie betrieben werden, autark sein, zusätzliche Informationen übertragen und Immissionsstandards einhalten. Natürlich sollten auch andere Parameter, z. B. soziale Faktoren, in den Warnprozess einbezogen werden. Zukünftige Studien sollten untersuchen, wie die gesprochenen Warnmeldungen der intelligenten Sirenen dargestellt werden soll oder wie die Bevölkerung für den Warnprozess sensibilisiert werden kann, um im Ernstfall das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. LITERATUR [1] Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) (2021): Sirenenförderprogramm. Technische Rahmenbedingungen der Förderung. Aufgerufen unter: https: / / im.badenwuerttemberg.de/ fileadmin/ redaktion/ mim/ intern/ dateien/ pdf/ 20211001_ Anlage_1_%E2%80%93_Technische_Rahmenbedingungen_der_F%C3%B6rderung.pdf. Zugriff: 07.09.2023. [2] Voss, M. (2021) State and Future of Population Protection in Germany—Lessons to Learn; KFS Working Paper Nr. 22; Katastrophenforschungsstelle: Berlin, Germany. https: / / doi.org/ 10.17169/ refubium-31517. [3] Frische A.K., Kirchner J.F., Pawlowski C., Halsbenning S., Becker J. (2021) Leave No One Behind: Design Principles und/ oder eingeschaltetem Radio automatisch durch die Sirenen gewarnt werden - auch wenn diese den vorherrschenden Störschallpegel gemäß den gesetzlichen Anforderungen überschreiten. Ferner ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Autofahrer durch Radiodurchsagen effektiver gewarnt werden kann. Im Rahmen dieser Modellierung wird unter Berücksichtigung der geltenden Normen und damit der notwendigen Überschreitung des dominanten Störschallpegels um mindestens 15 dB(A) davon ausgegangen, dass die Warnwirkung der Sirenen für alle Personen im Untersuchungsgebiet als ausreichend anzusehen ist. Für den Aufbau des intelligenten Sirenennetzes im Untersuchungsgebiet kommen Modelle mit einer Leistung zwischen 100 und 900 Watt in Frage, da diese die Anforderungen an die maximale Lautstärke und die Möglichkeit der Ausstrahlung von zusätzlichen voraufgezeichneten oder live gesprochenen Warndurchsagen erfüllen. Sirenen mit einer Leistung > 900 Watt kommen aufgrund ihrer zu hohen Schallleistung für ein angestrebtes Stadtwarnnetz nicht in Frage. Ausgehend von den akustischen Leistungen der untersuchten Modelle und den sich daraus ergebenden möglichen bzw. nicht möglichen Standorten kann ermittelt werden, wie viele Sirenen für eine ausreichende flächendeckende Beschallung erforderlich sind. Als Sirenenstandorte kommen Dächer von öffentlichen Gebäuden, private, aber öffentlich genutzte Gebäude, Fabriken sowie Masten auf öffentlichen Plätzen oder in Grünanlagen und Masten auf öffentlichen Straßen in Frage. Aufgrund ihrer Lautstärke müssen Modelle mit einer Leistung von 600 bis 900 Watt hauptsächlich auf Gebäudedächern installiert werden, um die Anforderungen an die maximale Lautstärke von 118 dB(A) zu erfüllen. Fazit Diese Studie betont die Notwendigkeit eines vielfältigen Warnsystems, das sowohl eine Warn-App [14] als auch ein Sirenennetz umfasst, um alle Bevölkerungsgruppen zu erreichen und auf mögliche Ausfälle des Smartphone-Netzes bei Stromausfällen vorbereitet zu sein. Das Beispiel der Innenstadt von Kaiserslautern zeigt, dass ein unkoordinierter Einsatz der Sirenen nicht ausreicht, um das gesamte Stadtgebiet abzudecken. Aufgrund einer Vielzahl von standortbeeinflussenden Faktoren und einer heterogenen Siedlungsstruktur ergeben sich sowohl bei der Planung als auch bei der akustischen Modellierung des gewünschten Sirenennetzes unterschiedliche Anforderungen an 70 2 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0021 THEMA Offene und sichere Städte ten—Akustische Gefahrensignale, Beuth-Verlag: Berlin, Germany. https: / / doi.org/ 10.31030/ 1473661. [12] Dantscher S., Augustin S. (2012) Erfahrungen und Richtlinien für Warnsignale am Arbeitsplatz. Lärmbekämpfung. Zeitschrift für Akustik, Schallschutz und Schwingungstechnik, 7, 40-43. https: / / scholar.google. com/ scholar_lookup? title=Erfahrungen+und+Richtlin ien+f%C3%BCr+Warnsignale+am+Arbeitsplatz&auth or=Dantscher,+S.&author=Augustin,+S.&publication_ year=2012&journal=Larmbekampf.-Z.+Akust.+Schallsch utz+Schwing.&volume=7&pages=40%E2%80%9343. [13] STADTENTWÄSSERGUNG. (2020) Effective use of mobileenabled emergency warning systems. In Proceedings of the 28th European Conference on Information Systems (ECIS), an Online AIS Conference, Marrakech, Morocco, 15-17 June 2020. Available online: https: / / aisel.aisnet. org/ ecis2020_rp/ 130. [14] Fischer-Pressler D., Bonaretti D., Fischbach K. (2020) Effective use of mobile-enabled emergency warning systems. In Proceedings of the 28th European Conference on Information Systems (ECIS), an Online AIS Conference, Marrakech, Morocco, 15-17 June 2020. Available online: https: / / aisel.aisnet.org/ ecis2020_rp/ 130. [15] Chaves J.M., De Cola T. (2017) Public Warning Applications: Requirements and Examples. Wireless Public Safety Networks 3, 1-18. https: / / doi.org/ 10.1016/ B978- 1-78548-053-9.50001-9. [16] Gutteling J.M., Terpstra T., Kerstholt J.H. (2018) Citizens’ adaptive or avoiding behavioral response to an emergency message on their mobile phone. Journal of Risk Research, 21, 1579-1591. https: / / doi.org/ 10.1080/ 13669 877.2017.1351477. Eingangsabbildung: © iStock.com/ Savusia Konstantin for PublicWarning Systems in Federalism. In Proceedings of the International Conference on Business Information Systems, Hannover, Germany, 14-17 June 2021. Available online: https: / / aisel.aisnet.org/ wi2021/ XStudent/ Track03/ 4 (accessed on 12 December 2021). [4] Fekete A., Sandholz S. (2021) Here Comes the Flood, but Not Failure? Lessons to Learn after the Heavy Rain and Pluvial Floods in Germany 2021. Water, 13, 3016. https: / / doi.org/ 10.3390/ w13213016. [5] Geenen E. (1995) Soziologie der Prognose von Erdbeben- Katastrophen. Soziologisches Technology Assessment am Beispiel der Türkei, Duncker & Humblot: Berlin, Germany, 395 p. https: / / scholar.google.com/ scholar_lo okup? title=Soziologie+der+Prognose+von+Erdbeben- Katastrophen.+Soziologisches+Technology+Assessme nt+am+Beispiel+der+T%C3%BCrkei&author=Geenen, +E.&publication_year=1995. [6] Geenen E. (2004) Social Structure, Trust and Public Debate on Risk. 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Schneider (2021) Smarte Sirenen - Eine Möglichkeit zur Optimierung des Bevölkerungsschutzes. In: Meinel, G., Krüger, T., Behnisch, M. & D. Ehrhardt [Hrsg.]: Flächennutzungsmonitoring XIII. IÖR Schriften, Band 79, pp. 303-312. https: / / doi.org/ 10.26084/ 13dfnsp028. [9] Henninger, S., Schneider, M. & A. Leitte (2022) Smart Sirens—Civil Protection in Rural Areas. In: Sustainability, 14/ 15. https: / / doi.org/ 10.3390/ su14010015. [10] Bechthold, C. (2020) Städtebaulicher Entwurf. 270 Wohnungen mit Schallschutz für Heusenstamm. In: oponline.de. Aufgerufen unter: https: / / www.op-online. de/ region/ heusenstamm/ heusenstammwohnungenschallschutz-staedtebaulicher-entwurf-13814167.html. Zugriff: 15.09.2023. [11] DIN EN ISO 7731: 2008 (2018) - 12Ergonomie—Gefahrensignale für Öffentliche Bereiche und Arbeitsstät- Sascha Henninger, Prof. Dr., Fachbereich Raum- und Umweltplanung, Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau sascha.henninger@rptu.de Philipp Junk, B.Sc., Fachbereich Raum- und Umweltplanung, Rheinland-Pfälzische Technische Universität Kaiserslautern-Landau junk@rptu.de AUTOR*INNEN
