eJournals Transforming cities 9/3

Transforming cities
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2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2024-0030
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10 Jahre Zukunftsinitiative Klima.Werk

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Andreas Giga
Ulrike Raasch
Nora Schecke
Die Zukunftsinitiative Klima.Werk (ZI) ist ein Netzwerk der Emscher-Lippe-Region, das in diesem Jahr 10-jähriges Bestehen feiert. Die Akteure aus kommunalen und regionalen Verwaltungen, Wasserverbänden, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Wohnungsbau, Industrie und vielen weiteren Bereichen haben sich zum Ziel gesetzt, die Region gemeinsam blauer und grüner und damit klimaresilient zu gestalten. Die ZI wird nicht nur von ihren Akteuren wertgeschätzt, auch national und international besteht großes Interesse, zu erfahren, wie und warum dieses Modell so erfolgreich ist. Einige Antworten hierauf gibt dieser Beitrag. Er zeigt, dass der Erfolg keineswegs projekt- oder zielimmanent ist, und beleuchtet neben einigen Umwegen auch die wichtigsten Erfolgsfaktoren und Prämissen für diese Form der (integralen und agilen, eigenverantwortlichen und selbstbeauftragten) Zusammenarbeit. Der Beitrag folgt der Entwicklung des Netzwerks von ersten stark wasserwirtschaftlich geprägten Appellen über das Aufzeigen von Synergien für städtebauliche oder wirtschaftliche Aspekte bis zur wachsenden Bereitschaft, die Beschäftigung mit der Ressource (Regen-)Wasser und blau-grünen Infrastrukturen in den Städten als elementar für die notwendige Anpassung an den Klimawandel dieser urban geprägten Region mit wechselvoller Geschichte aufzufassen.
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10 Jahre Zukunftsinitiative Klima.Werk Wie ein interkommunales Netzwerk eine Region blauer und grüner macht Agilität, interkommunale Zusammenarbeit, Klimaresilienz, naturnahe Regenwasserbewirtschaftung, Netzwerk, Schwammstadt, Selbstbeauftragung Andreas Giga, Ulrike Raasch, Nora Schecke Die Zukunftsinitiative Klima.Werk (ZI) ist ein Netzwerk der Emscher-Lippe-Region, das in diesem Jahr 10-jähriges Bestehen feiert. Die Akteure aus kommunalen und regionalen Verwaltungen, Wasserverbänden, Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Wohnungsbau, Industrie und vielen weiteren Bereichen haben sich zum Ziel gesetzt, die Region gemeinsam blauer und grüner und damit klimaresilient zu gestalten. Die ZI wird nicht nur von ihren Akteuren wertgeschätzt, auch national und international besteht großes Interesse, zu erfahren, wie und warum dieses Modell so erfolgreich ist. Einige Antworten hierauf gibt dieser Beitrag. Er zeigt, dass der Erfolg keineswegs projekt- oder zielimmanent ist, und beleuchtet neben einigen Umwegen auch die wichtigsten Erfolgsfaktoren und Prämissen für diese Form der (integralen und agilen, eigenverantwortlichen und selbstbeauftragten) Zusammenarbeit. Der Beitrag folgt der Entwicklung des Netzwerks von ersten stark wasserwirtschaftlich geprägten Appellen über das Aufzeigen von Synergien für städtebauliche oder wirtschaftliche Aspekte bis zur wachsenden Bereitschaft, die Beschäftigung mit der Ressource (Regen-)Wasser und blau-grünen Infrastrukturen in den Städten als elementar für die notwendige Anpassung an den Klimawandel dieser urban geprägten Region mit wechselvoller Geschichte aufzufassen. 22 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0030 Befestigung von Flächen sollten wo möglich die schnelle und vollständige Ableitung von Regenwasser in die Kanalisation ersetzen. Der Appell dieser Jahre war ebenso klar wie einseitig: „Die Emschergenossenschaft baut die Gewässer um. Damit das gut geht, müssen Flächen von der (Misch-)Kanalisation abgekoppelt werden.“ Im Rückblick ist es fast erstaunlich, dass diese wenig inkludierende oder motivierende „Werbung“ bereits Resonanz hatte und erste Maßnahmen zur Abkopplung im Siedlungsbestand - durch Kommunen, aber auch durch private und gewerbliche Immobilieneigentümer: innen, Kirchen und Wohnungsbaugesellschaften - umgesetzt wurden. Mit jedem umgesetzten Projekt wuchsen die Erfahrungen und das Wissen über Chancen und Grenzen des Machbaren. Werbewirksamer als bislang wurden die Vorteile für Maßnahmenträger: innen stärker betont: Geringere Abwassergebühren, ein ansprechendes ( Wohn-)Umfeld, Verbesserung des Kleinklimas, Entlastung der Grundstücksentwässerung - das Bewusstsein für die möglichen Mehrwerte wuchs kontinuierlich und bestärkte die Pioniere und Promotoren der Idee in ihrem Engagement. Seit den 2010er-Jahren bekam dann auch die Anpassung an den Klimawandel einen immer größeren Stellenwert, die die Maßnahmen der naturnahen Regenwasserbewirtschaftung unter dem Begriff der „Schwammstadt“ subsumiert. Warum blieb - gemessen an sonstigen Entwicklungen im Stadtbild - die Verbreitung der naturnahen Regenwasserbewirtschaftung trotzdem hinter den Möglichkeiten zurück? Dazu braucht es einen kurzen Blick in die Strukturen kommunaler Verwaltungen. Die meisten Kommunen haben in den letzten Jahren die Wichtigkeit von Klimaschutz und Klimaanpassung erkannt und den Aufgabenbereich der Klimaschutzbzw. Klimaanpassungsmanager: innen geschaffen. Dabei lassen sich diese Aufgaben nicht über ein einzelnes Amt lösen - für die Umsetzung der als notwendig erkannten Maßnahmen sind weiterhin der Straßenbau, die Immobilienwirtschaft, das Grünflächenamt, der Hochbau etc. zuständig. Eine breite Umsetzung von Maßnahmen ist also nur durch die integrale Betrachtung von Planungen möglich. Sogenannte „Regenwasserbeauftragte“ - in der Regel Mitarbeiter: innen der Tiefbau- oder Umweltämter - sollten in den Kommunen die Umsetzung von Maßnahmen zur Abkopplung koordinieren und als erste Ansprechpartner: innen für die Emschergenossenschaft, aber auch für Bürger: innen und alle anderen Flächeneigentümer: innen in ihren Kommunen fungieren. Eine nahezu unlösbare Aufgabe, fehlte es doch an entsprechenden Legitimationen, Veränderungen konkret einzufordern und durchzusetzen. Das wurde bei den seit den 1990ern stattfindenden jährlichen Treffen der „Regenwasserbeauftragten“ auch zunehmend deutlich. Diese Situation galt es in allen Kommunen der Region aufzulösen. Das Tref fen in 2014 stellte dann einen Wendepunkt dar, der heute als die Geburtsstunde der Zukunftsinitiative angesehen werden kann. Mit der Identifikation von „Stellschrauben“ und aus der Erfahrung über die eigene Wirkmächtigkeit in einem Zusammenschluss von Gleichgesinnten („Leidensgenoss: innen“) bildeten sich erste Arbeitsgruppen - die Vorläufer der heutigen Expertennetzwerke der ZI - mit dem Ziel, konkrete Veränderungen anzustoßen. Zunächst waren es einzelne Treiber aus der Emschergenossenschaft und einigen Kommunen, die mit ihrer Begeisterung und ihrem Einsatz andere angesteckt und mit- Warum die Zukunftsinitiative vor zehn Jahren entsteht: Den Anfang macht ein Ende Die ZI gibt es seit 10 Jahren. Um ihr Entstehen zu begreifen, muss man allerdings deutlich weiter zurückgehen - bis in die 1990er- Jahre. In dieser Zeit begann in der Industrieregion „Emschergebiet “ die Emschergenossenschaft als Flussgebietsbewirtschafterin mit dem Umbau des altindustriellen Emscher-Systems. Mit der Nordwanderung des Bergbaus waren auch die Bergsenkungen weitestgehend abgeschlossen, und die offenen Abwasserableitungen in begradigten Gewässern verloren ihre Notwendigkeit. Bei den Planungen für neue, abwasserfreie Gewässer ging es von Beginn der Planungen an auch um den Wasserhaushalt und die Wasserbilanzen. Durch die großflächige Bebauung ist einerseits die Grundwasserneubildung im Emschergebiet stark verringert, der hohe Versiegelungsgrad andererseits führt zu steilen und großen Abflussspitzen. Eine weitestgehend abgeschlossene Siedlungsentwicklung im größten Teil des Einzugsgebietes, ein Bestandsschutz für bestehende Grundstücksentwässerungen (im Mischsystem) sowie großflächige Polderlandschaften limitierten die Handlungsmöglichkeiten des Wasserwirtschaftsverbandes Emschergenos senschaf t , hier selbst direkt oder indirekt für eine Veränderung im Umgang mit der Ressource Regenwasser zu sorgen. Mit zahlreichen Informationskampagnen, ergänzt durch finanzielle Unterstützung durch den sogenannten „Regenwasserwettbewerb“, wurde in den folgenden Jahren dafür geworben, Regenwasser von der Kanalisation abzukoppeln. Maßnahmen der naturnahen Regenwasserbewirtschaftung wie Versickerung, Dach- oder Fassadenbegrünung, Entsiegelung oder durchlässige PRAXIS + PROJEKTE interkommunale Zusammenarbeit 23 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0030 Hebel zur Umsetzung verschiedener Maßnahmen geschaffen. Bis 2030 können so im Rahmen der Förderrichtline „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft “ (kurz: KRiS) und mit Unterstützung durch die jeweiligen Wasserwirtschaftsverbände rund 250 Mio. EUR in den klimafesten Umbau der Region investiert werden. Aus einer gemeinsamen Aktion der Emscherkommunen wurde ein Unterstützungsangebot für den gesamten Planungsraum des Regionalverbandes Ruhr (RVR), der als Förderkulisse gilt (Bild 1). Seit 2020 gibt es zudem die Serviceorganisation in der Emschergenossenschaft, die als zentraler Ansprechpartner und Kümmerer rund um das Thema Klimafolgenanpassung fungiert. Die Emschergenossenschaft übernimmt als Teil der ZI-Verantwortung in der Region und ermöglicht mittels der Serviceorganisation die kontinuierliche Unterstützung und Weiterentwicklung des Netzwerkes. Gemeinsam mit den Kommunen sichert sie so den Bestand und die Handlungsstärke der ZI. Bild 1: Kommunen im Netzwerk der Zukunftsinitiative Klima.Werk (dunkel hinterlegt) und Fördergebiet der KRiS-Förderung. © Zukunftsinitiative Klima.Werk / EGLV genommen haben, so dass die Zahl der Aktiven schnell wuchs. Aus einem resignierten „man müsste mal“ wurde ein „das starten wir jetzt“, woraus zwei der wichtigsten Leitlinien der Zusammenarbeit werden sollten: „Wenn du willst, dass etwas geschieht, dann nimm es in die Hand“ und „Wenn du es nicht machst, musst du es so nehmen, wie andere es gestalten.“ Wie die Zukunftsinitiative sich entwickelt: Vom Regenwasserwettbewerb zur klimaresilienten Region Diese und weitere Leitlinien für ein gemeinsames Handeln spiegeln sich in den Erfolgen und Meilensteinen des Netzwerks wider. Die 2014 unterzeichnete Absichtserklärung der 16 Städte und Gemeinden des Emschergebietes, der Emschergenossenschaft und des Umweltministeriums des Landes NRW bildete den Start der Zukunftsinitiative Klima.Werk (damals noch „Wasser in der Stadt von morgen“) und stärkte die Zielbilder einer wasserbewussten und nachhaltigen Entwicklung der Region sowie die politische Legitimation für ein integrales, agiles und interkommunales Handeln zur Verbesserung der Klimaresilienz. 2019 bewirkte die Zusammenarbeit in der Zukunftsinitiative die erfolgreiche Einreichung des Projektes „Klimaresiliente Region mit internationaler Strahlkraft “ bei der vom Land NRW veranstalteten Ruhrkonferenz. Das Vorhaben stellt eine regionale Klimaanpassungsinitiative dar, gemeinsam den extremen Auswirkungen von Hitzeperioden und Starkregenereignissen durch eine naturnahe und integrierte Siedlungswasserwirtschaft entgegenzuwirken. Um dies zu erreichen, einigten sich die Emscherkommunen verbindlich auf einheitliche, konkrete Ziele: Bis 2040 sind 25 % der befestigten Flächen von der Mischwasserkanalisation abzukoppeln, um den Abfluss des Regenwassers in die Mischwasserkanalisation zu verringern und den natürlichen Wasserhaushalt zu stärken. Daneben soll auch die Verdunstungsrate um 10 Prozentpunkte gesteigert werden. Mit der Förderung dieses Vorhabens für eine blau-grüne Region wurde durch das Umweltministerium NRW ein finanzieller PRAXIS + PROJEKTE interkommunale Zusammenarbeit 24 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0030 und integrale Zusammenarbeit zu organisieren. Doch wie kann das gelingen? In der Zukunftsinitiative Klima. Werk gibt es in jeder Kommune sogenannte „Stadtkoordinator: innen“. Sie sind als „kommunale Gesichter der ZI“ die Verbindungsstelle nach „innen“ (in ihre Kommune) sowie nach „außen“ (in die ZI). Die Stadtkoordinator: innen kümmern sich u. a. um Trägerschaft der ZI in den eigenen Städten und Verwaltungsspitzen, um die Mitarbeit von Vertreter: innen aus den Kommunen in der Zukunftsinitiative und bringen die integrale, fachbereichsübergreifende Zusammenarbeit und Planung von wassersensiblen Maßnahmen weiter voran. Ihr Engagement ist somit ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Ein kleines Team aus Stadtkoordinator: innen und Mitarbeiter: innen der Serviceorganisation kümmert sich zudem um die direkte Verbindung zwischen Sach- und Führungsebene und sichert den schnellen Informationsaustausch sowie das gegenseitige Verständnis auf eine Strategie und sorgt dafür, dass das Netzwerk in seiner Gesamtheit „auf Kurs bleibt“. Aber warum hat das Netzwerk auch nach 10 Jahren Bestand und wächst mit weiteren Lippekommunen stetig? Ein wichtiger Aspekt dabei ist die Identifikation mit dem Netzwerk. Nur wenn es ein Gemeinschaftsgefühl und eine gemeinsame Handlungsrichtung gibt, ist man bereit, sich aktiv einzubringen. Das wiederum ist die Voraussetzung, auch Verantwortung zu übernehmen und seinen „Teil“ für die Zielerreichung beizutragen. „Wir sprechen im Klima.Werk oft von der ZI-Familie. Das Netzwerk ist so stark, weil gegenseitiges Geben und Nehmen Teil unserer Kultur sind“, findet die Stadtkoordinatorin Henrike Abromeit aus Bottrop. In Netzwerken kann man nichts „anweisen“. Hier sind Freiwilligkeit und das Pull- Prinzip die Basis des Handelns. Diese wiederum entsteht, weil man sich selber persönlich entwickeln und stets seinen Horizont erweitern kann, sein eigenes Netzwerk ausbaut und merkt, dass man gemeinsam mehr erreichen kann als alleine. Um die Kultur und Arbeitsweisen erlebbar zu machen und so zu arbeiten, gibt es in der ZI verschiedene Formate und Werkzeuge. Die Mitarbeit im Klima.Werk fühlt sich für den Stadtkoordinator Frank Restemeyer aus Gladbeck an „wie in einem anderen Betriebssystem“: Die meisten Verwaltungen sind geprägt von hierarchischen Strukturen. Für wiederkehrende Daneben berät die Serviceorganisation zu Fördermöglichkeiten, synchronisiert Einzelinteressen und hilft bei der Entwicklung von Projektideen und Standards sowie der gemeinsamen Öffentlichkeitsarbeit und Kommunikation unter dem Dach der Zukunftsinitiative Klima.Werk. Dies geschieht in einer vertrauensvollen und agilen Kultur der Zusammenarbeit, die Grundlage des gemeinsamen Handelns ist und eine integrale Projektarbeit unterstützt. So sind bereits viele Projekte auf den Weg gebracht und umgesetzt worden (Bild 2), die an früheren Abkopplungsmaßnahmen, die im Rahmen der „Zukunftsvereinbarung Regenwasser“ (als anteilsmäßige Förderung der Emschergenossenschaft) entstanden sind, ansetzen und die integrale Zusammenarbeit weiter professionalisieren. Die Projekte decken die gesamte Palette möglicher Schwammstadtmaßnahmen ab. Insgesamt wurden so in den Städten und Gemeinden der Emscherregion seit Start der gemeinsamen Anstrengungen mehr als 500 ha Fläche abgekoppelt. Bis 2030 sollen diese Erfolge durch die KRiS-Förderung noch weiter ausgebaut werden, um unsere Quartiere zukunftsfähig und lebenswerter aufzustellen. Wie die Zukunftsinitiative funktioniert: Von Formaten bis Arbeitsweisen Oft hören wir: „Wir haben kein Wissensdefizit, sondern ein Umsetzungsdefizit! “ Doch wie kommen wir vom Reden zum Handeln? Anders als in vielen Organisationsformen gibt es in Netzwerken keine vorgegebenen Arbeitsweisen und Strukturen. Sie können passend zu den Aufgaben funktionierende Strukturen und weiterbringende Arbeitsweisen etablieren und diese auch jederzeit anpassen. Für die Umsetzung von Projekten gilt es, Akteure zu gewinnen Bild 2: Multifunktionale Sport- und Freizeitfläche „Am Hausacker“ in Bochum (mit kombinierten Maßnahmen wie Versickerungsmulden, Baumrigolen, Retentionsflächen und Begrünung) © Zukunftsinitiative Klima.Werk / EGLV PRAXIS + PROJEKTE interkommunale Zusammenarbeit 25 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0030 sation nimmt sich der Aufgabe des Scrum Master selbstbeauftragt an, koordiniert die Treffen und kümmert sich um die Zusammenarbeit und Arbeitsfähigkeit im Expertennetzwerk. Mittlerweile wurden so bereits viele Netzwerke ins Leben gerufen, die an unterschiedlichen Produkten gearbeitet haben (oder weiterhin arbeiten) und sich nach Zielerreichung oder auch aufgrund von Anforderungs- oder Zielverschiebungen wieder dynamisch auflösten. Beispielhaft genannt sei das Netzwerk „Wassersensible Gebührengestaltung “, das eine gleichnamige Arbeitshilfe erstellt hat, oder das aktuelle Netzwerk der „Klimamanager: innen“, das Steckbriefe für eine gemeinsame Entwicklung und Bewertung von wassersensiblen Maßnahmen aus der Perspektive von Klimaanpassung und Klimaschutz erarbeitet hat. Ein „Klimapuzzle“ und weitere Materialien zur Umweltbildung und auch Öffentlichkeitsarbeit sind im Netzwerk „Kommunikation“ entstanden. Das Netzwerk „Baumrigolen“ bringt bundesweit Akteure der Wasserwirtschaft zusammen, um die (verfahrens-)technischen Implikationen von Baumrigolen zu eruieren und Lösungen für die integrale Planung und Umsetzung zu entwickeln. Ziel der Expertennetzwerke ist immer auch der interkommunale Wissens- und Erfahrungsaustausch. Dies alles entsteht aus einzelnen „Keimzellen“: Jemand hat eine Idee oder ein Anliegen und es finden sich Menschen, die diese Idee in die Umsetzung bringen. Die monatlich stattfindenden Stadtkoordinator: innentreffen dienen als weiteres Vernetzungs- und Arbeitsformat, in denen regelmäßig nach diesem Prinzip neue Aktivitäten entstehen. In diesen Treffen geht es darum, aktuelle Neuigkeiten und Informationen mit dem Netzwerk zu teilen und in Workshoprunden konkrete Anze diese Veranstaltung, um mich über meine Anliegen oder die aktuelle Fragestellung mit vielen Fachleuten aus anderen Kommunen auszutauschen und gemeinsam zu arbeiten“, stellt Tobias Unterbäumer von der AGG Gelsenkanal fest. Formate wie dieses entwickelten sich aus den Anforderungen des Netzwerks heraus und knüpfen an dessen kooperative und hierarchiefreiere Arbeitsweise an, z. B. an die seit 2014 gegründeten Arbeitsgruppen. Daraus entstanden die heutigen Expertennetzwerke, in denen gemeinsam an der innovativen Weiterentwicklung der Zukunftsinitiative sowie an fachspezifischen Themen und Fragestellungen gearbeitet wird. Die Organisation der Expertennetzwerke basiert auf agilen Prinzipien, die (in teilweise abgewandelter Form) für die vernetzte und flexible Zusammenarbeit im Netzwerk essenziell ist. Ein sich gründendes Netzwerk setzt sich eigeninitiativ zusammen, wobei kommunale Vertreter: innen (typischerweise die Stadtkoordinator: innen oder Dezernent: innen) die Rolle der Product Owner einnehmen, also als Anliegengeber: innen fungieren und die Zielerreichung der „Produkte“ überblicken. Die Serviceorgani- Aufgaben stellt dies eine gute Arbeitsweise dar. Die Klimafolgenanpassung ist jedoch aufgrund ihrer Herausforderungen, der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Vielzahl an Akteuren eine sehr komplexe Aufgabe. Hier braucht es statt Zuständigkeitsdenken und gleichbleibender Handlungsmuster andere, z. B. integrale und neue Herangehens- und Arbeitsweisen. In der ZI gibt es das dafür passende „Betriebssysteme“. Es werden Formate und Arbeitsweisen gemeinsam entwickelt und umgesetzt. Das bringt Trägerschaft und Engagement. Man löst sich dabei von seinem oft „sektoralen“ Denken und trägt zur Lösungsfindung und dem Überwinden von Hürden für die Umsetzung von Maßnahmen bei. Es wird miteinander statt neben- oder sogar gegeneinander gearbeitet. Die Energie des früher häufigen „Kirchturmdenkens“ einzelner Kommunen wird in der ZI in eine gemeinsame Handlungsrichtung gelenkt und genutzt. Ein Format hierfür sind z. B. die jährlich stattfindenden „Expertenforen“ (Bild 3) mit über 350 Teilnehmenden aus Verwaltung und Wissenschaft als große Innovations-, Vernetzung- und Arbeitsplattform. „Ich nut- Bild 3: Zusammenarbeit in Workshops beim Expertenforum 2023 in Duisburg. © Zukunftsinitiative Klima.Werk / EGLV PRAXIS + PROJEKTE interkommunale Zusammenarbeit 26 3 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0030 eigene Selbstwirksamkeit kann die Schwammregion entstehen. Der Nutzen für den Einzelnen wird schlussendlich ein Nutzen für die gesamte Region. Eingangsabbildung: © Emschergenossenschaft/ Lippeverband gemeinsam besser zu erreichen, macht die ZI mit ihrer „Schlagkraft“ und ihrer Beständigkeit aus. Die Effizienz des Netzwerks lebt davon, dass jeder seinen Beitrag leistet und vom geteilten Wissen profitiert - Arbeitsaufträge werden nicht einfach formuliert und delegiert, sondern gemeinsam auf verschiedene Schultern verteilt. Diese Kultur der Zusammenarbeit ermöglichte die aufgezeigten Erfolge und wird auch in Zukunft eine Schlüsselrolle bei der klimaresilienten Transformation unserer Region einnehmen. Der Nutzen wird mit jeder umgesetzten Klimaanpassungsmaßnahme für die Bürger: innen sicht- und spürbar: Insbesondere die dicht besiedelten und stark versiegelten Quartiere und Räume profitieren von blau-grünen Maßnahmen, durch die die Verdunstung erhöht und die Aufenthaltsqualität gesteigert wird. Die unterschiedlichen Förderprogramme schaffen auch für Privatpersonen Anreize, selbst tätig zu werden (siehe z. B. die Website der ZI Klima.Werk: www.klima-werk.de). Erst durch die Vielzahl an Maßnahmen sowie durch ein gesteigertes Bewusstsein für Nachhaltigkeit und die liegen und Probleme gemeinsam und agil zu bearbeiten. Letztlich ist es genau das, was uns „vom Reden zum Handeln“ bringt, gepaart mit Freude und Zufriedenheit. Die Zukunftsinitiative als Modell: Ein Fazit Nach diesen Prinzipien des gemeinsamen und integralen Handelns und mit dem beschriebenen Bewusstsein, dass wir gemeinsam die Region und unsere verschiedenen Lebens- und Arbeitswelten gestalten können, richtet die Zukunftsinitiative auch zukünftig ihre Kultur, Arbeitsweisen und Grundprämissen der Zusammenarbeit aus. Wichtig dabei ist, dass neue Akteure und Kommunen, die dem Netzwerk beitreten und sich dort engagieren, die agile und vertrauensvolle Kultur der Zusammenarbeit übernehmen und selbst weitertragen. Gerade durch die vertrauensvollen Arbeitsbeziehungen zwischen den Menschen im Netzwerk, das gemeinsame Entwickeln von Projekten, das Erfahren von Erfolgen (und Misserfolgen) entsteht ein gemeinsames Selbstverständnis. Die Überzeugung, das Richtige zu tun und dies AUTOR*INNEN Andreas Giga Leiter der Serviceorganisation der Zukunftsinitiative Klima.Werk bei Emschergenossenschaft/ Lippeverband Kronprinzenstraße 24, 45128 Essen giga.andreas@eglv.de Ulrike Raasch Projektentwicklerin in der Serviceorganisation der Zukunftsinitiative Klima.Werk bei Emschergenossenschaft/ Lippeverband Kronprinzenstraße 24, 45128 Essen raasch.ulrike@eglv.de Nora Schecke Projektentwicklerin in der Serviceorganisation der Zukunftsinitiative Klima.Werk bei Emschergenossenschaft/ Lippeverband Kronprinzenstraße 24, 45128 Essen schecke.nora@eglv.de Anzeige Zunehmender Flächenversiegelung entgegenwirken, Regenwasser regulieren, die Kanalisation entlasten, das Stadtklima verbessern und Aufenthaltsorte zum Wohlfühlen schaffen. Nachhaltige Stadtentwicklung mit Begrünungssystemen vom Marktführer OPTIGRÜN macht’s möglich! Optigrün international AG | optigruen.de PRAXIS + PROJEKTE interkommunale Zusammenarbeit