eJournals Transforming cities 9/4

Transforming cities
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2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2024-0046
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2024
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Transforming Cities: Urbane Mobilität der Zukunft

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2024
Fabian Gierl
Wer sich nachhaltig durch seine Stadt bewegt, hat nicht nur ein gutes, grünes Gewissen. In aller Regel handelt es sich auch um die schnellste Form der Fortbewegung. Sei es das Fahrrad, mit dem man auf den Fahrradwegen am Stau vorbeizieht oder in Zukunft vielleicht sogar eine innerstädtische Seilbahn, die uns klimafreundlich von A nach B bringt. In den kommenden Jahren müssen Mobilitätskonzepte für Städte noch viel stärker den steigenden Herausforderungen der zunehmenden Verkehrsüberlastung begegnen. Vermeiden, verlagern, verbessern muss die Devise für urbane Mobilität lauten
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Transforming Cities: Urbane Mobilität der Zukunft Seilbahn, E-Mobilität, ÖPNV, Verkehrswende, Bikelane, Wohnortnähe, Vernetzung Fabian Gierl Wer sich nachhaltig durch seine Stadt bewegt, hat nicht nur ein gutes, grünes Gewissen. In aller Regel handelt es sich auch um die schnellste Form der Fortbewegung. Sei es das Fahrrad, mit dem man auf den Fahrradwegen am Stau vorbeizieht oder in Zukunft vielleicht sogar eine innerstädtische Seilbahn, die uns klimafreundlich von A nach B bringt. In den kommenden Jahren müssen Mobilitätskonzepte für Städte noch viel stärker den steigenden Herausforderungen der zunehmenden Verkehrsüberlastung begegnen. Vermeiden, verlagern, verbessern muss die Devise für urbane Mobilität lauten Verkehr ist einer der Hauptverursacher für Treibhausgasemissionen und Luftverschmutzung. Prognosen zufolge werden bis 2025 rund 4,6 Milliarden Menschen in Städten leben, und bis 2030 wird es weltweit 41 Megastädte geben. Dieses rasante Wachstum verschärft das Verkehrsaufkommen und damit den Bedarf an nachhaltigen Lösungen für den Personenverkehr. Bis 2050 wird der Nahverkehr voraussichtlich 6,71 Billionen Passagierkilometer bewältigen müssen. Im Fokus stehen drei Handlungsfelder, um den ökologischen Fortbewegungsabdruck des Verkehrssektors zu senken: den Verkehr zu vermeiden, den Verkehr zu verlagern und den Verkehr zu verbessern. Verkehr vermeiden: Die Stadt der kurzen Wege Paris macht vor, wie das Konzept der „Stadt der kurzen Wege“ in den Fokus der Stadtplanung rückt. Die Idee: Wohnen, Arbeiten und Freizeit sollen räumlich eng verknüpft werden, um Verkehr von vornherein zu vermeiden. In der französischen Metropole wendet man sich deshalb von einer auf das Auto ausgerichteten Stadt ab - und verdichteten, multifunktionalen Quartieren zu. 15 Minuten lautet dabei das ambitionierte Ziel der Bürgermeisterin Anne Hidalgo: Alle wichtigen Ziele der französischen Metropole sollen möglichst innerhalb einer Viertelstunde zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar sein. Auch in Deutschland experimentie- 14 4 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0046 Bahnen, Fahrräder und Carsharing-Angebote nahtlos miteinander kombiniert werden, fester Bestandteil des Nahverkehrs der Städte sind. Weitere Ebene nutzen: Seilbahn auf den Radarschirmen der Verkehrsplaner Teil des Verlagerns des Verkehrs kann auch sein, auf eine bislang ungenutzte Ebene auszuweichen. In den Städten Medellín, La Paz, New York, Portland, Algier, Lissabon, Brest, Bozen, London und Ankara gehören beispielsweise Seilbahnen im Nahverkehr zur Normalität. Auch in Deutschland taucht daher die Seilbahn angesichts zunehmender Staus, Lärm und Emissionen immer stärker als urbanes Nahverkehrsmittel auf den Radarschirmen der Verkehrsplaner*innen auf. Seilbahnen überspannen Flüsse und Bergeshöhen, große Verkehrsachsen und Bahntrassen. Sie sind schneller zu realisieren und signifikant kostengünstiger zu errichten, als Tunnel zu bohren oder Brücken zu bauen. Vor allem sind Seilbahnen klimafreundlich und können mit Ökostrom CO 2 -neutral betrieben werden. Was aber die Verkehrspolitiker am meisten interessiert: Sie können Lücken im ÖPNV schließen und die Vorstädte anbinden. Wenn die Kabinen im Umlauf fahren, braucht es noch nicht einmal einen Fahrplan. Man steigt einfach ein und schwebt seinem Ziel mit einer beschaulichen Durchschnittsgeschwindigkeit von bis zu 30 Stundenkilometern entgegen. Und sind sie nicht mehr gewollt, dann geht ihr Rückbau vergleichsweise schnell und einfach vonstatten. Leitfaden als Orientierungshilfe, wo sich urbane Seilbahnen lohnen Die Infrastrukturexperten von Drees & Sommer haben gemeinsam mit dem Verkehrswissenschaftlichen Institut Stuttgart GmbH im Auftrag des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr (BMDV) einen ren Städte wie Hamburg mit „Mobilitäts-Hubs“, die verschiedene Verkehrsmittel an einem Ort bündeln und lange Wege überflüssig machen. Arbeitgeber können zu weniger Verkehr beitragen Nicht nur die Stadtplaner, sondern auch Arbeitgeber können das Mobilitätsbedürfnis ihrer Arbeitnehmer reduzieren und eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der „Stadt der kurzen Wege“ einnehmen. Hierzu zählen flexible Arbeitsmodelle wie Homeoffice oder Coworking-Spaces in Wohnortnähe, die Arbeitswege reduzieren. Einige Unternehmen gehen noch weiter und verlagern ganze Abteilungen in Stadtteilzentren, um näher an ihren Mitarbeitern zu sein. Betriebliche Mobilitätskonzepte fördern zudem umweltfreundliche Verkehrsmittel: Jobtickets für den ÖPNV, Leasingangebote für E-Bikes oder Mobilitätsbudgets machen den Umstieg attraktiv. Innovative Firmen wie Siemens in München-Perlach integrieren Wohnungen, Kitas und Einkaufsmöglichkeiten direkt in ihre Campuskonzepte. Auch die Gestaltung des Arbeitsumfelds spielt eine Rolle: Duschen und sichere Fahrradstellplätze ermutigen zum Radfahren, während eine Reduzierung von Parkplätzen den Umstieg auf Alternativen fördert. Mitarbeitercafés und -restaurants verringern zudem die Notwendigkeit, in der Mittagspause weite Strecken zurückzulegen. Nicht zuletzt können Unternehmen durch die gezielte Auswahl lokaler Zulieferer und Dienstleister dazu beitragen, Wirtschaftskreisläufe zu verkürzen und unnötigen Verkehr zu vermeiden. Verkehr verlagern: Alternativen zum Auto stärken Wo sich Verkehr nicht vermeiden lässt, gilt es, ihn auf umweltfreundlichere Alternativen zu verlagern. Der Ausbau und die Weiterentwicklung des öffentlichen Nahverkehrs spielt dabei eine Schlüsselrolle. Vorreiter wie Wien oder Zürich zeigen, wie attraktive Tarife und ein dichtes Nahverkehrsnetz die Menschen zum Umstieg bewegen. Auch das Fahrrad erlebt vielfach eine Renaissance. Kopenhagen, wo bereits die Hälfte aller Arbeitswege mit dem Rad zurückgelegt wird, dient vielen Städten als Vorbild. Mit einem ausgebauten Radwegenetz und Fahrradschnellstraßen hat die dänische Hauptstadt den Radverkehrsanteil auf über 60 Prozent erhöht. Protected Bike Lanes und Fahrradschnellwege sorgen für Sicherheit und Effizienz. Innovative Sharing-Konzepte mit nutzerfreundlichen Apps sollten ein solches Angebot ergänzen: E- Scooter, Leihfahrräder und Carsharing-Flotten bieten flexible Mobilität ohne eigenes Auto. Hier ist es entscheidend, dass multimodale Mobilitätskonzepte, bei denen verschiedene Verkehrsmittel wie Busse, Bild 1: Bikelane © xwinggames - fotolila THEMA Transformation urbaner Mobilität 15 4 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0046 onen. Elektrofahrzeuge emittieren im Betrieb kein CO 2 und weisen eine deutlich bessere CO 2 -Bilanz auf als vergleichbare Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor. Auch hier ist die Rolle der Arbeitgeber von entscheidender Bedeutung. Unternehmen können als Vorreiter einen signifikanten Beitrag zur Verbreitung der E-Mobilität leisten. Ein zentraler Aspekt ist die Bereitstellung von Ladeinfrastruktur am Arbeitsplatz. Da Mitarbeiter einen Großteil des Tages bei der Arbeit verbringen, bietet dies eine ideale Gelegenheit zum Aufladen von Elektrofahrzeugen. Unternehmen, die Ladestationen auf ihren Parkplätzen installieren, machen die Nutzung von E-Autos für ihre Mitarbeiter attraktiver und praktischer. Dies kann ein entscheidender Faktor bei der Kaufentscheidung für ein Elektrofahrzeug sein. Arbeitgeber können zudem durch die Umstellung ihrer Firmenflotte auf Elektrofahrzeuge ein starkes Signal setzen. Letztlich ist die Antriebswende viel mehr als die Frage nach einem Wirkungsgrad - sie liefert einen wichtigen Baustein für den weiteren Ausbau der dezentralen nachhaltigen Energieversorgung und für eine autarke Energieversorgung. Mit derzeit 49,1 Millionen gemeldeten PKW in Deutschland ergibt sich das Potenzial einer ausreichend großen Speicherlösung, die in einem Vehicle-to-X System die Möglichkeiten batterieelektrischer Fahrzeuge über den reinen Mobilitätskontext heraushebt. Verkehrssysteme vernetzen Weitere wichtige Aspekte tragen - neben der Elektromobilität dazu bei - den Verkehr zu verbessern. Die Digitalisierung und Vernetzung von Verkehrssystemen spielen eine zentrale Rolle, um eine effizientere Nutzung zu ermöglichen. Ebenso wichtig sind die Verbesserung der Verkehrssteuerung und -lenkung durch intelligente Systeme. Auch die Optimierung der Logistik im Güterverkehr. All diese Maßnahmen zielen darauf ab, den Verkehr insgesamt effizienter, umweltfreundlicher und nutzerfreundlicher zu gestalten. Eingangsabbildung: © seng chye teo - GettyImages Leitfaden erstellt, wo und wie sich urbane Seilbahnen in deutschen Städten integrieren lassen. Zwar gibt es kein Patentrezept für ein urbanes Seilbahnsystem, da die Infrastruktur, das Verkehrsaufkommen oder die Topografie in jeder Stadt unterschiedlich sind, doch der Leitfaden gibt wertvolle Orientierungshilfen, wo sich der Einsatz einer Seilbahn lohnt und was sie im ÖPNV leisten kann. Mit dem Handlungsleitfaden erhalten deutsche Städte und Kommunen fundierte Informationen, wie sich Seilbahnvorhaben stadt- und verkehrsplanerisch sinnvoll integrieren lassen und wie es gelingt, die Akzeptanz dieses Verkehrsmittels in der Bevölkerung zu erhöhen. Im Fokus stehen gesellschaftliche und politische Aspekte, der Vergleich von Kosten und Nutzen sowie die Einführung eines nationalen Standards. Verkehr verbessern: Ausbau der Elektromobilität Die Verbesserung des bestehenden Verkehrs, insbesondere durch Elektromobilität, bietet enormes Potenzial zur Reduzierung von Treibhausgasemissi- AUTOR*INNEN Fabian Gierl, Mobilitätsexperte und Leading Consultant für nachhaltige Quartiere & Städtebau bei Drees Sommer SE infrastructure@dreso.com Bild 2: Seilbahn in der Stadt_Konzeptfoto © zatran GmbH Bild 3: Ladestation Smart © Petair - Fotolia THEMA Transformation urbaner Mobilität 16 4 · 2024 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2024-0046