Transforming Cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2025-0010
0428
2025
101
Stadtbaustein Energiespeicher
0428
2025
Sarah Hermens
Jannik Wendorff
Um den zeitlichen Versatz zwischen der Bereitstellung und Verbrauch regenerativer Energien auszugleichen, wird der Ausbau neuer Speicherkapazitäten immer bedeutsamer, sodass Energiespeichern eine zentrale Rolle in der Energiewende einnehmen. Die Integration dieser Speicher in den urbanen Raum erfordert sowohl technische als auch gestalterische Lösungen, um Herausforderungen wie Flächenkonkurrenz und gesellschaftliche Akzeptanz beim Speicherausbau zu adressieren. Dies erfordert städtebauliche Integrationsansätze, um eine nachhaltige Stadtentwicklung zu ermöglichen. Beispiele aus Krefeld und Melbourne verdeutlichen Ansätze zur städtebaulichen Integration von Speicheranlagen.
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Stadtbaustein Energiespeicher Neue Perspektiven für die Stadtplanung durch Speicheranlagen Städtebau, Energiespeicher, städtebauliche Integrationsansätze, Energiewende Sarah Hermens, Jannik Wendorff Um den zeitlichen Versatz zwischen der Bereitstellung und Verbrauch regenerativer Energien auszugleichen, wird der Ausbau neuer Speicherkapazitäten immer bedeutsamer, sodass Energiespeichern eine zentrale Rolle in der Energiewende einnehmen. Die Integration dieser Speicher in den urbanen Raum erfordert sowohl technische als auch gestalterische Lösungen, um Herausforderungen wie Flächenkonkurrenz und gesellschaftliche Akzeptanz beim Speicherausbau zu adressieren. Dies erfordert städtebauliche Integrationsansätze, um eine nachhaltige Stadtentwicklung zu ermöglichen. Beispiele aus Krefeld und Melbourne verdeutlichen Ansätze zur städtebaulichen Integration von Speicheranlagen. Infrastrukturen für die Ver- und Entsorgung sind wesentliche Bestandteile der gebauten Umwelt und stellen eine elementare Grundlage des Zusammenlebens dar. Gleichzeitig prägen die baulich-räumlichen Dimensionen von Infrastrukturen unsere Städte mitunter für Jahrhunderte. Jedoch besteht Handlungs- und Investitionsbedarf, um die Infrastrukturen zu erhalten und auszubauen sowie dabei an die aktuellen Herausforderungen anzupassen und flexibel hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen zu gestalten [1]. Ein Transformationsprozess, welcher sich maßgeblich auf unsere Versorgungsinfrastrukturen auswirkt, stellt die Energiewende dar. 38 1 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0010 nehmen zukünftig Wärme- und Wasserstoffspeicher eine wichtige Rolle ein und tragen zur Systemintegration erneuerbarer Energien bei. Energiespeicher werden in der Stromspeicherstrategie des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz als Problemlöser in der Energiewende bezeichnet [2]. Die Speicheranlagen können im Energiesystem u. a. marktdienliche (Nutzung zum Stromhandel), systemdienliche (Frequenz-Stabilisierung und damit eine Stabilitätsverbesserung des Gesamtsystems) und netzdienliche Funktionen (Beitrag zur Verbesserung der Stabilität und der Effizienz des Verteilnetzes) einnehmen [5]. In Abhängigkeit der Speichertechnologie werden unterschiedliche Energieformen in divergierenden Behältnissen gespeichert. Dabei variiert die Größe von Batteriespeichern von Heimspeichern im Keller bis zu Speicherparks auf ehemaligen Kraftwerkstandorten [6]. Wärmespeicher können beispielsweise als Erdwärmebecken oder in großen Tanks verwirklicht werden. Gas wird in der Regel in großen überirdischen Tankanlage oder unterirdisch in Kavernen gespeichert (Bild 1). Im gegenwärtigen Zustand werden Energiespeicher oftmals monofunktional und mit dem Schwerpunkt auf die technische Integration in die gebaute Umwelt gesetzt. So liegt der primäre Fokus auf einer optimierten technischen und ökonomischen Umsetzung der Anlagen und weniger auf dem Gestaltungsaspekt. Demonstrationsprojekte eines gestalteten Energiespeichers sind in der Praxis bereits vereinzelt zu finden. Im Folgenden werden je ein Beispiel eines Strom- und eines Wärmespeichers näher vorgestellt, welche neben dem Aspekt der Energiespeicherung neue räumlich-funktionale Mehrwerte für die lokale Bevölkerung bieten: Beispiel: Wärmespeicher in Krefeld In der Stadt Krefeld wurde im Jahr 2023 ein Wärmespeicher mit einem Fassungsvolumen von ca. 4500 m 3 errichtet, um Wärme für den täglichen Bedarf von ca. 9000 Fernwärmekund: innen durch den Speicher bereitstellen zu können. Der Wärmespeicher ermöglicht eine Entkopplung der Wärmeerzeugung Energieinfrastruktur im Wandel Zur nachhaltigen Verringerung von Emissionen ist ein Wechsel von der fossilgeprägten Strom- und Wärmeerzeugung hin zu erneuerbaren Energiequellen von besonderer Bedeutung. Die Volatilität der Wind- und Solarenergie bringt im Vergleich zur konventionellen Energieerzeugung einen wechselhaften zeitlichen Versatz zwischen Energiebereitstellung und -verbrauch mit sich. Derzeit müssen erneuerbare Energieanlagen oftmals in Spitzenlastzeiten abgeriegelt werden, da keine Verwendung oder Speichermöglichkeit für die erzeugte Energie bestehen. Der Ausbau von Energiespeichern und Sektorenkopplung können zu einer effizienteren Nutzung der erneuerbaren Energien beitragen [2]. Die Transition unseres Energieversorgungssystems erfordert neue energetischer Bausteine, wie Energiespeicher, welche in den gebauten Raum planerisch und physisch integriert werden müssen. Die Speicher rücken, eng verbunden mit dem Ausbau dezentraler Erzeugungsanlagen, näher und wahrnehmbarer an die Verbraucher: innen. Der Ausbau von Energiespeichern geht ebenso wie der Ausbau von erneuerbaren Energieanlagen mit Flächeninanspruchnahmen einher, die zu herausfordernden Flächenkonkurrenzen um die Ressource Raum führen [1]. Ein wichtiger Aspekt beim Ausbau neuer Infrastrukturen im Zuge der Umsetzung der Energiewende stellt die Akzeptanz dar. Unterschiedliche Arten der Nicht-Akzeptanz können Energieinfrastrukturprojekte verzögern oder scheitern lassen [3]. Zaunbrecher identifiziert in ihrer Arbeit zur öffentlichen Wahrnehmung von Stromspeichern unter anderem den Standort sowie die Optik als akzeptanzrelevante Faktoren für Energiespeicher [4]. Beide Faktoren beziehen sich auf die Raumrelevanz von Speicheranlagen. Städtebaulicher Integrationsansätze, welche durch mehrwertstiftende Nutzungskonzepte Lösungsansätze im Konflikt um die knappe Ressource Raum bieten, stellen einen möglichen Ansatz dar, die Akzeptanzfaktoren aus baulich-räumlicher Perspektive zu adressieren und die Akzeptanz neuer Infrastrukturen zu erhöhen. Energiespeicher als Baustein der Energieversorgung Energiespeicher stellen perspektivisch einen elementaren Baustein zukunftsfähiger Energienetze zum Ausgleich der Energiebereitstellung aus erneuerbaren Energien und dem Energieverbrauch dar. Es bestehen unterschiedliche Arten von Energiespeicher, die sich unter anderem durch die gespeicherte Energieform unterscheiden. Neben Stromspeichern Bild 1: Beispielhafte Energiespeicheranlagen © Hermens, Wendorff THEMA Moderne Stadtentwicklung 39 1 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0010 Beispiel: Stromspeicher in Melbourne Im australischen Melbourne wurde 2022 ein Stromspeicher durch die Organisation Yarra Energy Foundation (YEF) im Stadtteil Fitzroy für marktdienliche Funktionen errichtet. Die Errichtung erfolgt in Zusammenarbeit mit dem lokalen Stromversorgungsunternehmen Citipower auf dem Grundstück eines ihrer Unterwerke. In den Planungs- und Errichtungsprozess wurden die Bewohner: innen der Nachbarschaft unter anderem durch Veranstaltungen, Informationen und durch die Gründung einer Community Reference Group involviert. In der Referenzgruppe wurde unter anderem die Idee entwickelt, den Energiespeicher mit einem Kunstwerk zu gestalten. Die YEF schätzt den Ansatz einer Gestaltung des Speichers in ihrem Endbericht zu dem Projekt als einen wichtigen Faktor für die Akzeptanz in der Nachbarschaft ein [9]. Als Ansatz wurde, neben der Gestaltung des Speichers durch einen lokalen Künstler, noch eine Informationstafel mit wichtigen Angaben zum Speicher errichtet (Bild 3). Der Speicher wurde sichtbar und in einem leicht versetzten Winkel zu der Wand des Unterwerks platziert, um die Sichtbarkeit des Speichers von der Kreuzung der Hauptstraße zu erhöhen [9]. Der präsente Standort des gestalteten Stromspeichers in der Nachbarschaft und das Sichtbarmachen der Mehraus einer Müll- und Klärschlammverbrennungsanlage und einem Heizkraftwerk mit dem über den Tag schwankenden Wärmeverbrauch. Der Energiespeicher stellt somit einen wichtigen Baustein in der Umsetzung der Ziele des Klimaschutzkonzeptes der Stadt dar [7]. Der Krefelder Wärmespeicher zeigt verschiedene mehrwertstiftende Elemente und Ansätze zur Integration des Speichers in den urbanen Raum. Zum einen wurde die Gestaltung der Hülle des Wärmespeichers, die mit grün-blauen Paneelen verkleidet wurde, sowie der Gestaltung des angrenzenden Pumpengebäude durch lokale Künstler vorgenommen. Zudem ist eine Außenwand des Pumpgebäudes multifunktional durch Kletterelemente gestaltet (Bild 2). Auf dem Dach des Pumpgebäudes wurde Photovoltaik-Anlagen installiert, die das Pumpgebäude mit Energie versorgen [7, 8]. Der Wärmespeicher kann durch den multifunktionalen Ansatz (Kletterwand) zu einer Etablierung eines Standortes neben dem bereits existierenden Sportangeboten (Skatepark, Fuß- und Basketballplat z) als Freizeitor t s beitragen und die Attraktivität erhöhen. Der Speicher stellt eine prägende Infrastruktur in dem Stadtraum dar und wertet die Fläche durch die intensive Mehrfachnutzung auf. Bild 2: Wärmespeicher in Krefeld, Deutschland © Hermens, Wendorff Bild 3: Stromspeicher in Melbourne, Australien © Hermens, Wendorff THEMA Moderne Stadtentwicklung 40 1 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0010 LITERATUR [1] Bundesstiftung Baukultur (HG.) (2024): Baukultur Bericht 2024/ 25 Infrastrukturen. Berlin. [2] Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) (HG.) (2024): Speicher für die Energiewende: Bedeutung, Handlungsfelder und Maßnahmen für Strom-, Wärme- und Wasserstoffspeicher. Berlin. [3] Hildebrand, J., Renn, O. (2019): Akzeptanz in der Energiewende. In: Radtke, J., Canzler, W. (eds) Energiewende. Springer VS: Wiesbaden. S. 261-282. [4] Zaunbrecher, B. (2019): Öffentliche Wahrnehmung von Infrastruktur für die Energiewende: Die soziale Akzeptanz von Stromspeichern. Aachen: Apprimus Verlag. [5] Packwitz, C. (2024): Speicher nutzen. In: 50,2 Magazin für Stromversorgung, 08.2024, 09.12.2024, S. 42. [6] Rheinisch-Westfälisches Elektrizitätswerk AG (RWE) (o.J.): Batteriespeicher in Nordrhein-Westfalen. Online verfügbar unter: https: / / www.rwe.com/ der-konzern/ laenderund-standorte/ 220-mw-batteriespeicher-in-nrw/ (Abgerufen am 26.Feburar 2025). [7] Stadt Krefeld (2023): Sauber, sicher, unabhängig - Wärmespeicher am Voltaplatz nimmt Betrieb auf. Online verfügbar unter: https: / / www.krefeld.de/ de/ inhalt/ sauber-sicher-unabhaengig-waermespeicher-am-voltaplatznimmt-betrieb-auf/ (Abgerufen am 26.Feburar 2025). [8] Kremsmueller Group (2023): Neuer Wärmespeicher für Stadtwerke Krefeld beschleunigt Energiewende. Online verfügbar unter: https: / / www.kremsmueller.com/ news/ waermespeicher-krefeld/ (Abgerufen am 26.Feburar 2025). [9] Wallin, C., Hensey, L., Shue, T. (2022): Neighbourhood Battery Initiative Final Report: Yarra Community Battery Storage. Online verfügbar unter: https: / / www.yef.org.au/ app/ uploads/ 2022/ 11/ Yarra-Energy-Foundation-NBI1-Final- Report.pdf (Abgerufen am 26.Feburar 2025). Eingangsabbildung: © Sarah Hermens werte hat den Austausch über erneuerbare Energien in der Nachbarschaft angeregt. Durch die Einbindung der Nachbarschaft wurde ein persönlicher Bezug der Nachbarschaft zu der Anlage angestoßen. Durch das Design wird der Standort vor dem Unterwerk aufgewertet. Fazit Energiespeicher stellen perspektivisch einen essenziellen Baustein unserer Energieversorgung dar. Die Transformation unseres Energiesystems hin zu erneuerbaren Energien erfordert nicht nur technische Anpassungen, sondern auch eine gesellschaftliche Akzeptanz neuer Prozesse und Infrastrukturen. Die baulich-räumlichen Auswirkungen der neuen Infrastruktur Energiespeicher werden unser Stadt- und Landschaftsbild verändern und neue Herausforderungen, insbesondere im Hinblick auf Flächenkonkurrenz und ästhetische Gestaltung, mit sich bringen. Um die Integration der neuen Infrastrukturen und ihrer Mehrwerte zügig und ohne gesellschaftliche Widerstände umsetzen zu können, ist die präventive Aufnahme gesellschaftlicher Bedenken essenziell. Die städtebauliche Integration der Anlagen könnte zukünftig einen Baustein darstellen, die lokale Akzeptanz für Energiespeicher zu erhöhen und Flächen multifunktionaler zu nutzen. Im Rahmen des BMWK geförderten Forschungsprojekts NEKOM wird von einem Konsortium der RWTH Aachen und Universität Duisburg-Essen aktuell unter anderem untersucht, inwiefern sich die städtebauliche Integration auf die lokale Akzeptanz auswirkt und wie sich diese Erkenntnisse in die technische Auslegung und Verortung von Speicher mehrwertstiftend einbinden lässt. Die Ergebnisse sollen bis 2027 in einem öffentlichen Leitfaden der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Wir plädieren dafür, die materiellen Auswirkungen der Energiewende als Chancen der Gestaltung des urbanen und ländlichen Raums zu betrachten und betonen die Bedeutung des Ausgleichs von Ausbauzielen für erneuerbare Energien mit lokalen Anforderungen und Ästhetik. AUTOR: INNEN Sarah Hermens, M. Sc. Wissenschaftliche Mitarbeiterin RWTH Aachen University Institut für Städtebau und Europäische Urbanistik hermens@staedtebau.rwth-aachen.de Dr.-Ing. Jannik Wendorff Wissenschaftlicher Mitarbeiter RWTH Aachen University Institut für Städtebau und Europäische Urbanistik wendorff@staedtebau.rwth-aachen.de THEMA Moderne Stadtentwicklung 41 1 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0010
