Transforming Cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2025-0011
0428
2025
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Innovative Wege aus der urbanen Wohnungsbaukrise
0428
2025
Oliver Rottmann
André Grüttner
Kevin Eljezi
Der deutsche Wohnungsmarkt steckt in einer Krise. Speziell in urbanen Räumen ist zu wenig Wohnraum vorhanden und grundsätzlich werden zu wenige Wohnungen gebaut. Der Wohnungsmarkt ist zudem kein Markt wie jeder andere. Wenn der Wohnungsmarkt in Schieflage gerät, betrifft das die Menschen unmittelbar und ganz direkt. Einige Ursachen der Krise (Zinsbelastung, geopolitische Herausforderungen in den Lieferketten, Baulandausweisungen etc.) lassen sich nicht sofort und unmittelbar ändern bzw. anpassen. Demgegenüber sind allerdings innovative Lösungsansätze zur Kostensenkung möglich, gegenzusteuern. Letztere greift der Beitrag auf.
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Innovative Wege aus der urbanen Wohnungsbaukrise 1 Wohnungsbau, Baukosten, Serielles Bauen, Building Information Modeling, neue Baumaterialien Oliver Rottmann, André Grüttner, Kevin Eljezi 2 Der deutsche Wohnungsmarkt steckt in einer Krise. Speziell in urbanen Räumen ist zu wenig Wohnraum vorhanden und grundsätzlich werden zu wenige Wohnungen gebaut. Der Wohnungsmarkt ist zudem kein Markt wie jeder andere. Wenn der Wohnungsmarkt in Schieflage gerät, betrifft das die Menschen unmittelbar und ganz direkt. Einige Ursachen der Krise (Zinsbelastung, geopolitische Herausforderungen in den Lieferketten, Baulandausweisungen etc.) lassen sich nicht sofort und unmittelbar ändern bzw. anpassen. Demgegenüber sind allerdings innovative Lösungsansätze zur Kostensenkung möglich, gegenzusteuern. Letztere greift der Beitrag auf. 1. Institutioneller Rahmen Zu wenige Baugenehmigungen, immer mehr Stornierungen, zu wenige Wohnungen und immer höhere Mieten. Der deutsche Wohnungsmarkt steckt vor allem in zahlreichen urbanen Räumen in einer Krise, und bisher ist keine Trendwende in Sicht. Allerdings ist der Wohnungsmarkt kein Markt wie jeder andere. Wenn er in Schieflage gerät, betrifft das die Menschen unmittelbar. Die Ursachen für die Krise sind vielschichtig. Allerdings lassen sich drei wesentliche Gründe anführen: (1) Die restriktive Ausweisung von Bauland hat dazu geführt, dass die Baulandpreise allein seit dem Jahr 2015 um 85 % gestiegen sind. Die regionalen Unterschiede sind substanziell und reichen auf Kreisebene von 14 € bis 2.505 € pro Quadratmeter. (2) Die gestiegenen Bauzinsen haben zudem zu einer erheblichen Mehrbelastung bei den Finanzierungs- 42 1 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0011 gejahr 2013 nur noch gut 6,5 %. Im Jahr 2014 kam es hingegen zu einem deutlichen Anstieg, im Vergleich zum Vorjahr wurden wieder knapp 15 % mehr Wohnungen fertiggestellt. Von 2014 zu 2015 zeigten sich hingegen keine Veränderungen, von 2015 zu 2016 erfolgte wieder ein deutlicher Anstieg um gut 9 %, im Folgejahr fiel die Neubaurate allerdings wieder deutlich auf knapp 4 % und sank danach jedes Jahr weiter bzw. bewegte sich auf einem sehr niedrigen Niveau. Von 2019 bis 2020 konnte zwar wieder ein deutlicher Anstieg erzielt werden, allerdings wurde danach zum ersten Mal seit 2015 eine (deutlich) negative Zuwachsrate erzielt. Diese lässt sich vermutlich auf die Covid-19-Pandemie bzw. die daraus resultierenden Maßnahmen zurückführen. Von 2021 auf 2022 ließ sich erneut ein positiver Trend verzeichnen, der allerdings sehr schwach ausfiel. Mit Blick auf die absoluten Werte ist zu erkennen, dass das Niveau von 2019 wieder erreicht wurde. kosten geführt. Vor der Zinswende 2022 hätte ein Haushalt mit einem Kreditbetrag von 400.000 Euro und einer monatlichen Rückzahlung von etwa 1.500 Euro für Zinsen und Tilgung nach 20 Jahren noch eine Restschuld von etwa einem Drittel des Kreditbetrags gehabt. Bei Bauzinsen von knapp 4 Prozent beträgt diese bei gleichbleibender Rückzahlung jedoch noch 85 %. (3) Ferner kam es in jüngster Vergangenheit zu einem drastischen Anstieg der Baukosten, der u. a. durch den Fachkräftemangel sowie brüchige Lieferketten (Corona-Pandemie, Ukrainekrieg) getrieben wurde. Insbesondere sind die Preise für Baumaterialien immens gestiegen. Der Preisanstieg für Stahlbeton seit dem 1. Halbjahr 2021 betrug knapp 87 %, jene für Zement und gebrannten Gips stiegen um etwa 68 bzw. 57 %. Festzuhalten ist des Weiteren, dass der Wohnungsneubau weit hinter den selbstgesteckten Zielen der Bundesregierung zurückliegt. Derzeit fehlen in Deutschland etwa 700.000 Wohnungen 3 - das größte Wohnungsdefizit seit mehr als zwanzig Jahren. Zudem ergab eine Umfrage der F.A.Z. unter den zehn einwohnerstärksten Städten Deutschlands, dass diese Lücke noch größer wird. 4 Statt den politisch intendierten 400.000 Wohnungen wurden im vergangenen Jahr deutlich weniger als 300.000 fertiggestellt - mehr als ein Viertel unter Plan. In Berlin - wie auch in zahlreichen anderen Großstädten - zeigt sich diese Misere besonders deutlich, wobei die Bundeshauptstadt mit einem Wohnungsmangel von etwa 100.000 Wohneinheiten an der Spitze steht, wie eine Studie des Immobiliendienstleisters COLLIERS aus dem letzten Jahr zeigt. Auch das IFO INSTITUT erwartet aktuell einen starken Rückgang beim Wohnungsbau. Deren Berechnungen zufolge wurden 2023 rund 245.000 und 2024 etwa 210.000 Wohnungen fertiggestellt, im Jahr 2025 werden es sogar nur noch rund 175.000 sein. 5 Bild 1 illustriert den Wohnungsneubau nach Bundesländern im Zeitraum 2010 bis 2022. Dargestellt ist hier die Gesamtzahl für Deutschland, der Anteil der einzelnen Bundesländer (obere Grafik) sowie die relative Entwicklung des Gesamtbestands im Vergleich zum Vorjahr (untere Grafik). In absoluten Einheiten dargestellt stieg die Anzahl der Baufertigstellungen von 2010 bis 2016 stärker als im Zeitraum von 2016 bis 2022. Die Gesamtzahl der gebauten Wohnungen war zwischen 2010 und 2016 allerdings auch deutlich geringer. Wird die untere Bild betrachtet, zeigt sich allerdings, dass die jährliche Zubaurate einen abnehmenden Trend aufweist. Wurden 2011 noch gut 15 % mehr Wohnungen fertiggestellt als 2010, so waren es 2012 gegenüber 2011 nur noch gut 10 % und im Fol- Bild 1: Wohnungsneubau und dessen jährliche Entwicklung nach Bundesländern 2010 bis 2022; eigene Darstellung und Berechnung. Datengrundlage: Statistisches Bundesamt 2023, Verbraucherpreisindex - Statistik der Baufertigstellungen: Baufertigstellungen im Hochbau. THEMA Moderne Stadtentwicklung 43 1 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0011 den. Die Potenziale basieren im Wesentlichen auf Kosten- und Zeitaspekten sowie der hohen Präzision und gleichbleibenden Qualität der Bauteile. Tabelle 1 zeigt wesentliche Kosteneinsparungspotenziale des seriellen Bauens. Serielles Bauen ist grundlegend durch Standardisierung, Revolvierung und Mengeneffekte charakterisiert und kann sich auf unterschiedliche Bauphasen bzw. -prozesse beziehen. Die wesentlichen Anwendungsfelder wären dann Planungsprozesse, einzelne Bauphasen und -prozesse, Einzelelemente und Bauteile sowie das „Produkt “ Wohnung bzw. das Wohngebäude insgesamt. 7 Im Hinblick auf Formen des seriellen Bauens lassen sich drei Grundtypen unterscheiden: die Elementbauweise, die Modul- oder Raumsystembauweise und die Typisierung bzw. Typengebäude. 8 Bei der Elementbauweise 9 wird das Gebäude in einzelne, standardisierte Elemente untergliedert. Dabei sind zahlreiche Elementgrößen und Untergliederungen möglich, von singulären Wandmodulen oder Deckenelementen, bis hin zu kompletten Fassadenteilen. Diese werden i. d. R. seriell vorgefertigt und anhand bestimmter Schnittstellen und systemspezifischer Regeln gekoppelt. Folglich eignet sich die Elementbauweise auch für Gebäudemodernisierungen, bspw. bei Bädern oder Balkonen. Die Modul- oder Raumsystembauweise bezeichnet dagegen dreidimensionale Raumeinheiten, welche aus seriellen und industriell vorgefertigten Elementen bestehen, die entweder bereits beim Hersteller oder vor Ort verbunden werden. Dabei können auch heterogene Baustoffe Anwendung finden. All diesen Bauteilen ist jedoch inhärent, dass sie zumindest selbsttragend sind. Diese Bauweise basiert auf einem bestimmten Raster und der Stapelung oder Dies illustriert die Herausforderungen. Fiskalisch und marktseitig helfen neue Förderprogramme wenig, auch lassen sich Teile der o. g. Gründe (Baulandausweisungen, Zinsen), kaum oder nicht schnell entlastend angehen. Allerdings sind prozessuale Wege möglich, die Baukosten ein Stückweit zu senken und somit Entlastung sowie Anreize beim Wohnungsbau zu schaffen. Hierfür sind verschiedene Ansätze denkbar, wie bspw. der stärkere Einbezug seriellen Bauens, von Digitalisierung oder neuer Baumaterialien. 2. Prozessuale Wege zur Baukostensenkung 2.1 Serielles Bauen Serielles - oder auch industrialisiertes - Bauen ist nicht neu, sondern reicht mit Blick auf seine Zielstellung - die Schaffung modernen und kostengünstigen Wohnraums - schon in das frühe 20. Jahrhundert zurück. Seine Hochphase erreichte es in Deutschland in den 1950er bis 1970er Jahren, da infrastrukturell nach dem Zweiten Weltkrieg zügig viel Wohnraum geschaffen werden musste. Andererseits bildeten sich unterschiedliche städtebaulich-architektonische, aber auch gesellschaftliche Utopien und Stadtentwicklungsansätze heraus, die auf neue Bauformen und -weisen setzten. Den optisch fragwürdigen Höhepunkt des industriellen Bauens stellte schließlich der im großen Stil staatlich gelenkte, uniforme Massenwohnungsbau in der DDR dar - besser bekannt als „Plattenbau“. 6 Beim seriellen Bauen werden Gebäudebestandteile durch einen industriellen Herstellungsprozess vorgefertigt und auf der Baustelle zusammengesetzt. Hierzulande sorgen abweichende Landesbauordnungen und komplizierte Genehmigungsverfahren dafür, dass sich die Vorteile des seriellen Bauens noch nicht voll entfalten können. Unter optimalen Bedingungen könnten hier Einsparungen von bis zu 20 % der Gesamtkosten erreicht wer- Kostenreduktion durch… Maßnahme Kosteneinspareffekt ab… Höhe der Einsparungen Bauwerkskosten Baunebenkosten Verwendung serieller Planung Typengebäude 2. Wiederholung ca. 10 % ca. 5-7 % Elementierung Primärstruktur (Tragwerk bzw. tragende Elemente) Systembau 100 bis 150 WE ca. 10-15 % ca. 5-10 % Elementierung Sekundär- / Tertiärstruktur (nichttragende Elemente (Hülle, Innenausbau) / Gebäudetechnik) Rasterplanung* 150 WE ca. 5-7 % ca. 2-4 % Bad-/ Sanitärzellen 150 bis 200 WE ca. 3-5 % ca. 1-2 % * D. h. die Planung bzw. Entwicklung eines geometrischen Systems, welches Lage und Maß der modularen Bauteile bestimmt. Quelle: ARGE e. V. / Walberg (2016), zitiert nach VNW (o. J.), S. 56. Tabelle 1: Baukostenreduktionen durch serielles Planen und Bauen THEMA Moderne Stadtentwicklung 44 1 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0011 Beim BIM werden grundsätzlich sieben BIM-Dimensionen im Rahmen des Modells unterschieden (Bild 2). BIM verortet das Bauwerk als dreidimensionales Abbild räumlich exakt, inklusive der Ergänzung einer zeitbezogenen Komponente (4-D), monetärer Informationen (5-D), Nachhaltigkeitsaspekte (6-D) und die Sicherung des Gebäudebetriebs für zukünftige Instandhaltungsmaßnahmen (7-D). Um diese Dimensionen lassen sich digitale Gebäudemodelle beliebig erweitern; idealtypisch ist dann eine Verwaltung aller zugehörigen Informationen und Bauteile in einem zentralen Modell. Je höher die Dimension eines BIM, desto mehr Informationen werden im Rahmen des Modells erfasst. Im Idealfall würden sich alle Bauteile und Informationen in einem Modell zentral verwalten lassen. Aus organisatorischen und technischen Gründen werden allerdings von verschiedenen Projektbeteiligten mehrere separate Modelle vorgehalten, welche über Schnittstellen koordiniert werden. 11 Auch sind Algorithmen der künstlichen Intelligenz (KI) in der Lage, die Bauindustrie zu flankieren. Auf diesem Gebiet wird derzeit umfassend geforscht. BIM-Modelle können die Referenzen für KI-Daten schaffen oder der KI bei der Erstellung von Modellen und der Qualitätssicherung helfen. 12 2.3 Neue Baumaterialien Auch neue Baumaterialien könnten helfen, Kosten zu senken. Bauwerke werden seit über 100 Jahren mit den überwiegend gleichen Baustoffen und Techniken errichtet. Alternative Materialien wie Lehm oder Hanf haben es in Deutschland schwer, da sie in den geltenden Regelwerken unzureichend verankert sind. Auch innovative Baustoffe wie Carbon-Beton oder „selbstheilender Beton“ konnten sich bislang nicht durchsetzen. In naher Zukunft könnte der Reihung der Module. Bisher findet diese Bauweise überwiegend bei Bädern oder Garagen Anwendung, im Rahmen der aktuellen wohnungspolitischen Herausforderung rückt aber immer mehr der Einsatz beim Bau ganzer Gebäude in den Fokus. Wichtig ist zudem, dass die Module einen hohen Vorfertigungsgrad erreichen, damit eine effiziente Serienfertigung möglich ist. Aktuell werden Vorfertigungsgrade von 75 bis 80 % erreicht. 10 Die Typisierung bzw. Errichtung von Typengebäuden kann als eine Art Evolution oder Ausweitung der Element- und Modulbauweise betrachtet werden. Zentraler Unterschied ist, dass für die Vorfertigung der Bauelemente vorher Formen und Maße festgelegt und genau aufeinander angepasst werden müssen. Auch mit Blick auf die Grundrisse von Räumen bzw. Wohnungen erfolgt eine Typeneinteilung und damit eine Standardisierung von Grundrissen, die vielfach (bspw. geschossweise) eingesetzt werden können. Daher handelt es sich bei Typengebäuden um gleiche oder sehr ähnliche Gebäude, die an verschiedenen Standorten errichtet werden können. 2.2 Building Information Modeling Auch gibt es bei der Digitalisierung am Bau „Luft nach oben“. So könnte im Rahmen eines „Building Information Modeling “ (BIM) ein „digitaler Zwilling“ für den gesamten Gebäudezyklus erstellt werden. Alle relevanten Projektdaten würden in Echtzeit aktualisiert und lägen in einer zentralen Datenbank vor. Damit ließen sich komplexe Abläufe optimieren und eine verbesserte Kommunikation zwischen Architekten, Bauherren, Ingenieuren etc. erreichen. Analysen deuten darauf hin, dass sich durch die Nutzung von BIM Kosteneinsparungen von bis zu 10 % erreichen lassen. Bild 2: BIM Dimensionen. Eigene Darstellung THEMA Moderne Stadtentwicklung 45 1 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0011 ENDNOTEN 1 Der Text basiert auf einer 2024 veröffentlichten Studie der Autoren im Auftrag der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit. 2 Dr. Oliver Rottmann ist Dipl.-Volkswirt und Geschäftsführender Vorstand des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V. Dipl- Geogr./ Dipl.-Ing André Grüttner ist dort Vorstandsmitglied. M.Sc. Kevin Eljezi ist Wiss. Mitarbeiter an der Universität Leipzig. 3 Vgl. https: / / www.mieterbund.de/ presse/ pressemeldungdetailansicht/ article/ 74132-studie-ermittelt-fuer-2023-rekord-wohnungsdefizit-ueber-700000-wohnungen-fehlen. html. 4 F.A.Z. vom 3.8.23. 5 Vgl. Ifo vom 16.06.2023. 6 Vgl. TUM (2019), S. 13. 7 Vgl. VNW (o. J.), S. 8. In der Praxis sind diese aber nicht strikt voneinander zu trennen, sondern sind verknüpft und folglich untereinander kombinierbar. 8 Zudem wird bezogen auf die theoretischen Grundlagen des seriellen Bauens zwischen offenen und geschlos-senen Bausystemen differenziert, was in der Praxis aber (noch) keine Rolle spielt. Ohne auf Vor- und Nachteile eingehen zu wollen kennzeichnet offene Systeme, dass theoretisch alle am Markt erhältlichen Bauprodukte unabhängig vom Hersteller miteinander kombinierbar und in jedes Bausystem integrierbar sind. Hingegen sind die Bauprodukte geschlossener Systeme speziell auf ein Bausystem und eine Anwendung ausgelegt, jeder Hersteller bzw. Anbieter liefert eine eigene Produktarchitektur, die Produktlinien bestehen aus Eigenproduktionen und entsprechend definierten und abgestimmten Zulieferkomponenten (vgl. TUM (2018), S. 62). 9 In den letzten Jahren wurde diese insbesondere für den sozialen Wohnungsbau ausgiebig hinsichtlich eines industrialisierten Wohnungsbaus (d. h. Standardisierung sowohl des Planungs-, Produktionsals auch Bauprozesses mit dem Ziel maximaler Rationalisierung, vgl. TUM (2018), S. 11) im Rahmen des Forschungsvorhabens Bauen mit Weitblick analysiert und als Systembaukasten bezeichnet. Dieser enthält unterschiedliche Bausteine (Baugruppen), die anwendungsspezifisch ausgewählt und miteinander kombiniert werden. Da daraus aber auch mithilfe digitaler Anwendungen bzw. Modelle typisierter Wohnungen entwickelt wurden, welche wiederum zu Baugruppen-Gebäuden bzw. -Typengeschossen zusammengefasst werden können, vermischen sich hier die verschiedenen Grundtypen des seriellen Bauens. 10 Vgl. Holert/ Peskes (2019), S. 44. 11 Vgl. Kehl et al. (2022), S. 63. 12 Vgl. Spengler, Peter (2020), S. 53. LITERATUR Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen e. V. (ARGE) (2023): Status und Prognosen: So baut Deutschland - so wohnt Deutschland, Der Chancen-Check für den Wohnungsbau, Bauforschungsbericht Nr. 86, URL: https: / / www.impulse-fuer-den-wohnungsbau.de/ fileadmin/ images/ Studien/ 2023-04-20_WOBT/ WOHNUNGSBAU-STU- DIE_So_baut_Deutschland_-_So_wohnt_Deutschland_-_ ARGE_2023.pdf. DMB - Deutscher Mieterbund (Hrsg.) (12.01.2023): Studie ermittelt für 2023 Rekord-Wohnungsdefizit: Über 700.000 Wohnungen fehlen. URL: https: / / www.mieterbund.de/ 3-D-Druck großes Potenzial entfalten. Im Druckverfahren können beispielsweise gekrümmte Wände mit nahezu gleichem Zeit- und Kostenaufwand wie geradlinige produziert werden. Aktuell sind die geltenden Genehmigungsverfahren jedoch viel zu komplex und teuer, um diese Art der Innovation weiter voranzutreiben. Neben dem Baumaterial selbst können durch diese Verfahren insbesondere auch große Mengen an CO 2 eingespart werden, da insbesondere weniger energieintensive Baustoffe (Zement, Stahl) benötigt werden. Erste Studien sehen - gerade in Kombination mit dem seriellen Bauen - erhebliches Potential für Kosteneinsparungen, wenngleich die Technologie noch recht wenig erforscht ist und entsprechende Kosteneinsparungspotenziale daher eher konservativ geschätzt wurden. 3 Fazit Deutschland befindet sich ohne Zweifel in einer Wohnungskrise. Es braucht dringend neue Wege, um Kosten zu senken und mehr Menschen Zugang zu bezahlbarem Wohnraum zu verschaffen. Insbesondere im Hinblick auf die Baukosten werden noch nicht alle zur Verfügung stehenden Mittel genutzt, um eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Mit dem seriellen Bauen, dem Building Information Modeling und der 3-D-Fertigung stehen Wege zur Verfügung, mit denen man unter optimalen Bedingungen die Baukosten signifikant senken könnte. Um wieviel effizienter jene Prozesse ausfallen, hängt vom konkreten Vorhaben und dessen Kostenstruktur ab. Beim Einsatz des seriellen Bauens bspw. sind 10 % Kosteneinsparungen beim Einsatz von Typengebäuden allerdings vorstellbar. Damit diese Technologien einen echten Durchbruch erleben können, müssen Bauordnungen und Baunormen zukünftig noch stärker in den Fokus genommen werden - insbesondere mit Blick darauf, ob sie Bauprozesse unnötig verlangsamen oder behindern. Gerade beim Einsatz neuer Materialien bestehen in Deutschland große Probleme, da sie nicht den bestehenden Regulierungen entsprechen. Insbesondere hierbei könnte eine neue „Gebäudeklasse E“ (wie „experimentelles Bauen“ ) Bauprozesse beschleunigen und die Gesamtsituation vereinfachen. Das bisherige Maßnahmenpaket der Bundesregierung hat bereits wichtige Akzente gesetzt. Jetzt gilt es, zügig und umfassend nachzusteuern. Zu viele strikte und bürokratische Vorgaben sind in Zeiten der aktuellen Wohnungsnot nicht mehr zeitgemäß. Der Weg für neue Materialien und neue Technologien muss freigemacht werden, damit sich die Krise auf dem Wohnungsmarkt nicht weiter verschärft. THEMA Moderne Stadtentwicklung 46 1 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0011 Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V. (VNW) (Hrsg.) (o. J.): Marktstudie 2017 Serielles Bauen. URL: http: / / wohnungswirtschaft-heute.de/ dokumente/ Marktstudie_ Serielles_Bauen_2017_final_web.pdf. Eingangsabbildung: © iStock.com/ Frank Wagner presse/ pressemeldung-detailansicht/ article/ 74132-studie-ermittelt-fuer-2023-rekord-wohnungsdefizit-ueber- 700000-wohnungen-fehlen.html. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 3.8.2023, URL: https: / / www.faz.net/ aktuell/ wirtschaft/ einwohnerzahlwaechst-schneller-als-wohnraum-kritik-des-vonoviachefs-19078453.html Holert, Jeannine; Peskes, Markus (2019): Chancen und Risiken von seriellem und modularem Bauen am Beispiel des Segments Mikro-Apartments als neuen Trend der Immobilienwirtschaft, NBS Northern Business School − University of Applied Sciences, Hamburg. URL: http: / / hdl.handle. net/ 10419/ 202545. Ifo Institut (2023): Deutlich weniger Wohnungen bis 2025. URL: https: / / www.ifo.de/ pressemitteilung/ 2023-06-16/ deutlich-weniger-neue-wohnungen-bis-2025 Kehl, Christoph/ Achterbosch, Matthias/ Revermann, Christoph (2022): Innovative Technologien, Prozesse und Produkte in der Bauwirtschaft: Endbericht zum TA-Projekt. Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, TAB Arbeitsbericht Nr. 199, Berlin. Spengler, Arnim J./ Peter Jacqueline (2020): Die Methode Building Information Modeling. Schnelleinstieg für Architekten und Bauingenieure. Wiesbaden. Technische Universität München (TUM) (Hrsg.) (2019): Abschlussbericht zum Forschungsvorhaben Bauen mit Weitblick. Systembaukasten für den industrialisierten sozialen Wohnungsbau. Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart. AUTOR: INNEN Oliver Rottmann, Dr., Geschäftsführender Vorstand des Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V. rottmann@kowid.de André Grüttner, Dipl.-Geogr./ Dipl.-Ing., Vorstandsmitglied, Kompetenzzentrums Öffentliche Wirtschaft, Infrastruktur und Daseinsvorsorge e.V. gruettner@kowid.de Kevin Eljezi, M.Sc., Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Universität Leipzig eljezi@wifa.uni-leipzig.de Buchtipp Narr Francke Attempto Verlag GmbH + Co. KG Dischingerweg 5 \ 72070 Tübingen \ Germany \ Tel. +49 (0)7071 97 97 0 \ info@narr.de \ www.narr.de Nachhaltigkeit ist in aller Munde - das Thema umfasst viele Dimensionen. Dieses Handbuch beinhaltet v.a. Ziele, Klimawandel und die Politikebene. Der Autor spannt in diesem Handbuch den Bogen von den begrif ichen Grundlagen über die wichtigsten weltweiten Vereinbarungen, einer entsprechenden Bestandsaufnahme und Prognosen zur Nachhaltigkeit bis hin zu den konkreten Maßnahmen für eine nachhaltige Welt. Hierbei werden die internationalen Maßnahmen (Vereinte Nationen und Europäische Union) als auch nationale Politik behandelt und bewertet. Das Buch schließt mit einem Ausblick in die ferne Zukunft. Der Autor zielt auf eine grundlegende Sensibilisierung für notwendige Maßnahmen im Rahmen der Nachhaltigkeit ab. Damit können künftige Generationen auf einer ökonomisch, ökologisch und sozial intakten Umwelt aufbauen. Andreas Fieber Handbuch Nachhaltigkeit Ziele, Klimawandel, Politik 1. Au age 2024, 347 Seiten €[D] 34,90 ISBN 978-3-8252-6297-6 eISBN 978-3-8385-6297-1 Anzeige THEMA Moderne Stadtentwicklung
