Transforming Cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2025-0031
0616
2025
10Sonderausgabe
Geovisualisierung von simulierten Luftschadstoff-Konzentrationen im urbanen Umfeld
0616
2025
Rushikesh Padsala
Svetlana Valgerhttps://orcid.org/0000-0003-0923-5861
Ursula Voss
Volker Coorshttps://orcid.org/0000-0002-0413-8977
Eine verständliche Visualisierung von Umweltdaten ist essenziell für die Stadtplanung, um komplexe Zusammenhänge zu verstehen und fundierte Entscheidungen zu ermöglichen. Das Zusammenspiel von 3D-Stadtmodellen, numerischer Strömungssimulation und Geo-Visualisierung ermöglicht eine interaktive und zugängliche Darstellung, die Planern hilft, nachhaltige Maßnahmen gezielt zu entwickeln und die urbane Lebensqualität zu verbessern.
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Geovisualisierung von simulierten Luftschadstoff-Konzentrationen im urbanen Umfeld Wie 3D-Stadtmodelle komplexe Simulationen (be-)greifbar machen 3D-Modelle, CFD-Simulation, OGC APIs, Geovisualisierung, Luftschadstoffe Rushikesh Padsala, Svetlana Valger, Ursula Voss, Volker Coors Eine verständliche Visualisierung von Umweltdaten ist essenziell für die Stadtplanung, um komplexe Zusammenhänge zu verstehen und fundierte Entscheidungen zu ermöglichen. Das Zusammenspiel von 3D-Stadtmodellen, numerischer Strömungssimulation und Geo-Visualisierung ermöglicht eine interaktive und zugängliche Darstellung, die Planern hilft, nachhaltige Maßnahmen gezielt zu entwickeln und die urbane Lebensqualität zu verbessern. Die Luftqualität in Städten ist ein drängendes Problem, insbesondere bei hohem Verkehrsaufkommen in dicht bebauten Gebieten, in denen enge Straßenschluchten den Luftaustausch erschweren. Schadstoffe sammeln sich in diesen städtischen „Hotspots“ an und können sowohl die Außenals auch die Innenluft verschlechtern. Dies stellt ein erhebliches Gesundheitsrisiko dar. Herkömmliche Methoden zur Überwachung der Luftqualität stoßen hier oft an ihre Grenzen. Zwar liefern Messstationen punktgenaue Daten zu Schadstoffen und Windverhältnissen, doch fehlt ihnen die räumliche Auflösung, um die komplexe Dynamik der Schadstoffausbreitung in Städten vollständig zu erfassen. Satelliten und Fernerkundung bieten eine breitere Perspektive, sind aber nicht in der Lage, lokale Details urbaner Luftströmungen sichtbar zu machen. Numerische Strömungssimulation (Computational Fluid Dynamics, CFD), ermöglicht es, alle physikalischen Größen einer Strömung auf einem räumlichen Gitter zu berechnen. Das zunächst für Ingenieurwissenschaften wie Luft- und Raumfahrttechnik und Fahrzeugtechnik entwickelte Verfahren wird in den letzten Jahren zunehmend in der Simulation urbaner Windverhältnisse eingesetzt (Blocken, 2015). Sein Einsatz wird noch attraktiver, wenn 3D-Stadtmodelle als Datenquelle verwendet werden können. 3D-Stadtmodelle sind auch zunehmend unverzichtbar für Stadtplanung (Schrotter & Hürzeler, 2020). Moderne Städte stehen vor der Herausforderung, ihre Umweltbedingungen besser zu verstehen und zu steuern. Ein spannendes Beispiel dafür ist das Kalasatama Digital Twins Project, das mithilfe von 3D-Stadtmodellen und Simulationen untersucht, wie urbane Windströmungen verlaufen (Ruohomaki et al., 2018). Solche digitalen Zwillinge ermöglichen es, stadtplanerische Entscheidungen fundiert zu bewerten und nachhaltiger zu gestalten. Je mehr die Ergebnisse von CFD aber über spezialisierte Fachkreise hinaus an Bedeutung gewinnen, desto wichtiger wird eine angepasste und verständliche Visualisierung. Doch die Visualisierung der Ergebnisse stellt oft eine Hürde dar - viele Simulationstools erlauben keinen einfachen Export der Daten für externe Anwendungen. Dank neuer Webtechnologien lassen sich Simulationsergebnisse jedoch in interaktiven 3D-Stadtmodellen darstellen. So können Plattformen wie Google Earth, Cesium oder ArcGIS Earth genutzt werden. Viele dieser Visualisierungen finden aber auf größeren Skalen statt und umfassen beispielweise ganze Länder oder Kontinente. Bislang gibt es nur wenige Ansätze für einzelne Stadtviertel. Fortschritte wie das 3D-Tiles-Format oder moderne Web-APIs ermöglichen nun eine effizientere Darstellung komplexer Umweltdaten ohne zusätzliche WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Luftschadstoffe 79 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0031 berücksichtigt, während die übrigen Gebäude in der Umgebung in einer vereinfachten Darstellung verwendet wurden. Das so erhaltene Modell wird zunächst mit einem Oberflächengitter versehen und dann wird der Luftraum mit einem räumlichen Gitter gefüllt. Um die Schadstoffemissionen des Verkehrs zu modellieren, wurden entlang der Straße zwei Bereiche mit entsprechenden Einlassrandbedingungen definiert (Bild- 2). Das Rechengebiet muss bei solchen Simulationen generell verhältnismäßig groß gewählt werden, damit die notwendigen künstlichen Ränder die Simulationsergebnisse nicht verfälschen (Bild 3). In Bild 4 ist ein Schnitt durch die mit ANSYS FLUENT simulierte Windströmung bei orthogonaler Anströmung mit Hilfe von Pfeilen, die Windrichtung und -geschwindigkeit angeben, dargestellt. Die Simulation zeigt, dass sich der typische Wirbel ausbildet, der dazu führt, dass die Ablagerung von Schadstoffen auf den beiden Straßenseiten unterschiedlich und an der Anströmung zugewandten Seite stärker ist. Softwareinstallationen. Solche Innovationen helfen, Städte intelligenter zu machen und Entscheidungsträgern eine bessere Grundlage für nachhaltige Stadtplanung zu bieten. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Arbeit das Potenzial des Zusammenspiels zwischen 3D-Stadtmodellen, CFD und Geo-Visualisierung untersucht, um die Ausbreitung von Luftschadstoffen in komplexen städtischen Umgebungen zu analysieren. Vom 3D-Stadtmodell zur Simulation Das Zusammenspiel aus Straßen, Gebäuden und anderen Strukturen beeinflusst, wie sich Schadstoffe in engen Straßenschluchten verteilen. Um solche Zusammenhänge zu simulieren, wird die Geometrie von Gebäuden, Straßen und Vegetation benötigt. Ein weit verbreitetes Format für digitale 3D-Stadtmodelle ist CityGML. CityGML-Modelle sind für viele Städte weltweit verfügbar. CityGML kann Gebäude in unterschiedlichen Detaillierungsgraden speichern. Während einfache Modelle nur die Grundform eines Gebäudes enthalten, bieten detailliertere Varianten beispielsweise auch realistische Dachstrukturen. Für die Strömungssimulation müssen diese Stadtmodelle in ein CAD-Format umgewandelt und aufbereitet werden, was bislang noch eine Herausforderung darstellt, denn die Geometrie muss für die CFD-Simulation bestimmte Anforderungen erfüllen (Padsala et al., 2024). Als Gebiet für diese Studie diente die Schlossstraße in der Nähe des Gebäudes 7 der HFT Stuttgart (Bild 1). Der Eingabedatensatz umfasst Gebäudeinformationen im CityGML-Format in unterschiedlichen Detaillierungsgraden. Für die CFD-Simulation wurden die Gebäude in einem Radius von 400 m um Gebäude 7 berücksichtigt. Um die Gebäudeumströmung auf dem Campus gut erfassen zu können, wurden für die Gebäude auf dem Campus die Dachgeometrien Bild 1: Straßenschlucht vor Gebäude 7 der HFT Stuttgart, visualisiert mit einer Web-Anwendung der HFT (HFT Stuttgart, Padsala) Bild 2: Das Berechnungsgitter auf den Gebäudewänden und dem Boden. Rot markiert ist der Bereich, in dem Einlass-Randbedingungen für Verkehrsschadstoffe definiert werden (HFT Stuttgart, Valger) Bild 3: Berechnungsgebiet für die CFD-Simulation mit ausgewähltem Stadtgebiet mit R = 400 m und berücksichtigtem Gelände (HFT Stuttgart, Valger) 80 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0031 WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Luftschadstoffe der von Cesium bereitgestellten interaktiven dreidimensionalen Weltkarte, dem sogenannten Webglobus, und ihre genaue Überlagerung mit Gebäude-3D- Kacheln und dem Geländenetz zu gewährleisten. Die erzeugten 3D-Kacheln der CFD-Simulationsergebnisse werden ebenfalls auf dem Geo-Volumes-Datenserver gespeichert und wie oben beschrieben an den Web-Client geliefert. Bild 5 zeigt die webbasierte Visualisierung der Schadstoffkonzentration um Gebäude 7 am Beispiel des CO-Massenanteils. Die CFD-Simulationsergebnisse wurden auch in andere Formate wie GeoJSON, CZML oder zurück nach CSV konvertiert und können mit der OGC Features API auch in anderen Analyse- oder Visualisierungsplattformen genutzt werden. Die Nutzung der OGC API - Features und der OGC API 3D GeoVolumes bieten einen modernen Weg zum Zugriff auf Geodaten über das Web. Sie verwenden einfache, ressourceneffiziente Strukturen, die das Finden, Abrufen, Abfragen und Integrieren von Geodaten wie Punkten, Linien und Polygonen in Webanwendungen leicht machen. Fazit Simulationen liefern quantitative Erkenntnisse über Luftströmungen und die Ausbreitung von Luftschadstoffen. Durch die interaktive webbasierte Visualisierung der Simulationsergebnisse in 3D-Stadtmodelle können Entscheidungsträger besser verstehen, wie sich Faktoren wie Gebäudehöhe, Straßenführung, Vegetation und Verkehrsfluss auf die lokale Luftqualität auswirken. Diese Visualisierung hilft nicht nur bei der Identifizierung von Hotspots der Luftverschmutzung, sondern unterstützt auch die Bewertung städtebaulicher Maßnahmen. Danksagung Die in diesem Beitrag vorgestellten Arbeiten wurden im Rahmen vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Förderprogramm Forschung an Fachhochschulen gefördert. Die CFD-Simulation Geovisualisierung Um die Simulationsergebnisse außerhalb der Simulationssoftware darzustellen, werden die CityGML- Gebäudemodelle, das Gelände und die CFD-Simulationsergebnisse an eine webbasierte 3D-Anwendung übergeben, unter Verwendung von OGC-APIs. Das ursprüngliche CityGML-Gebäudemodell und das Gelände werden in sogenannte 3D-Kacheln und quantisierte Netze umgewandelt und in das Koordinatensystem der für die Darstellung von Geodaten optimierte Cesium WebGL-basierte Rendering Engine transformiert. In Anlehnung an (Santhanavanich et al., 2022) wurden 3D-Kacheln der Gebäude des betrachteten Gebiets auf dem GeoVolumes Datenserver gespeichert und über die an der HFT Stuttgart öffentlich verfügbare Instanz der Open Geospatial Consortium (OGC) 3D GeoVolumes API an den Web- Client geliefert. Die OGC 3D GeoVolumes API definiert eine Standardmethode für die Bereitstellung von und den Zugriff auf 3D-Daten, wie z. B. 3D-Stadtmodelle, im Internet. Die Ergebnisse der CFD-Simulation liegen in Form von CSV-Dateien vor und enthalten skalare Größen wie Luftdruck und die Anteile der vom Verkehr verursachten Luftschadstoffe, sowie vektorielle Größen wie die Windgeschwindigkeit. Zusätzlich werden die Emissionsorte und die Windrichtung unter Verwendung gespeichert. Diese werden in Punktwolken umgewandelt, wobei die simulierten skalaren und vektoriellen Variablen als Attribute der Punktwolke gespeichert werden, und in zwei Transformationsschritten der CityGML-Geometrie überlagert. Nicht zuletzt um Rechenzeit und Speicherplatz zu sparen, werden die Ergebnisse der CFD-Simulation auf den für die Auswertung relevanten Bereich um die Gebäude reduziert. Nach der Filterung werden diese Punktwolken zusammen mit ihren Attributen in sogenannte 3D- Punktwolken-Kacheln konvertiert, um eine korrekte Georeferenzierung der Simulationsergebnisse auf Bild 4: Querschnitt durch das Simulationsergebnis bei orthogonaler Anströmung (grüner Pfeil) (HFT Stuttgart, Valger) Bild 5: Visualisierung des Massenanteils der CO-Konzentration um Gebäude 7 (HFT Stuttgart, Padsala) WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Luftschadstoffe 81 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0031 wurde im Projekt SenSim4iCity (Fördernummer 13FH9I09IA) und die Geovisualisierung der Simulationsergebnisse im Projekt UDigiT4iCity (Fördernummer 13FH9I06IA) gefördert. Die Autoren danken ferner dem Land Baden-Württemberg für die Unterstützung durch bwHPC und dem Stadtmessungsamt Landeshauptstadt Stuttgart für die Bereitstellung des 3D-Stadtmodells von Stuttgart. LITERATUR Blocken, B. (2015). Computational Fluid Dynamics for urban physics: Importance, scales, possibilities, limitations and ten tips and tricks towards accurate and reliable simulations. Building and Environment, 91, 219-245. https: / / doi. org/ 10.1016/ j.buildenv.2015.02.015 Padsala, R., Valger, S., Santhanavanich, T., Voss, U., & Coors, V. (2024). Geo-visualisation of Air-Pollutant Dispersion in Complex Urban Environments using 3D City Models: Insights from High-Resolution Street Canyon Simulation - Concept and First Results. The International Archives of the Photogrammetry, Remote Sensing and Spatial Information Sciences, XLVIII-4/ W11-2024, 89-95. https: / / doi.org/ 10.5194/ isprs-archives-XLVIII-4-W11-2024-89-2024 Ruohomaki, T., Airaksinen, E., Huuska, P., Kesaniemi, O., Martikka, M., & Suomisto, J. (2018). Smart City Platform Enabling Digital Twin. 2018 International Conference on Intelligent Systems (IS), 155-161. https: / / doi.org/ 10.1109/ IS.2018.8710517 Santhanavanich, T., Wuerstle, P., Padsala, R., & Coors, V. (2022). Digital 3D city models towards urban data platform using OGC 3D GeoVolumes API. 237-242. https: / / doi.org/ 10.24407/ K XP: 1796036099 Schrotter, G., & Hürzeler, C. (2020). The Digital Twin of the City of Zurich for Urban Planning. PFG - Journal of Photogrammetry, Remote Sensing and Geoinformation Science, 88(1), 99-112. https: / / doi.org/ 10.1007/ s41064-020-00092-2 Rushikesh Padsala Akademischer Mitarbeiter Hochschule für Technik Stuttgart Schellingstr. 24, 70174 Stuttgart rushikesh.padsala@hft-stuttgart.de Dr. Svetlana Valger Akademische Mitarbeiterin Hochschule für Technik Stuttgart Schellingstr. 24, 70174 Stuttgart svetlana.valger@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0000-0003-0923-5861 Prof. Dr. Ursula Voss Professorin für Angewandte Mathematik Hochschule für Technik Stuttgart Schellingstr. 24, 70174 Stuttgart ursula.voss@hft-stuttgart.de Prof. Dr. Volker Coors Professor für Geoinformatik Hochschule für Technik Stuttgart Schellingstr. 24, 70174 Stuttgart volker.coors@hft-stuttgart.de https: / / orcid.org/ 0000-0002-0413-8977 AUTOR: INNEN 82 Sonderausgabe · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0031 WOHLBEFINDEN IM URBANEN RAUM Luftschadstoffe
