Transforming Cities
tc
2366-7281
2366-3723
expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2025-0043
tc102/tc102.pdf0811
2025
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Freiraumkonzept für die Landschaftsachse Osterbek
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Miriam Weiland
Als Ergebnis der Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ wurde 2019 der Vertrag für Hamburgs Stadtgrün beschlossen, der seitdem als „Motor“ für den Schutz und die Entwicklung des Grünen Netzes wirkt. Die Stadt hat daran anknüpfend für die 16 km lange Landschaftsachse Osterbek ein Konzept erstellt, das aufzeigt, in welchen Räumen sich die Umsetzung der Fokusthemen Klimaanpassung, Stadtnaturerleben, Ökologie, Multicodierung und Durchgängigkeit vorrangig anbietet. Im Ergebnis sind ein Freiraumkonzept und ein Klimawegweiser entstanden – als Angebotsplanung zur sukzessiven Umsetzung der intendierten Vertragsziele.
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Freiraumkonzept für die Landschaftsachse Osterbek Eine Angebotsplanung zur Umsetzung des Vertrags für Hamburgs Stadtgrün Klimaanpassung, Multicodierung, Stadtnaturerleben, Volksinitiative, Beteiligung, Verwaltungspraxis, Grünes Netz, Freiraumplanung Miriam Weiland Als Ergebnis der Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ wurde 2019 der Vertrag für Hamburgs Stadtgrün beschlossen, der seitdem als „Motor“ für den Schutz und die Entwicklung des Grünen Netzes wirkt. Die Stadt hat daran anknüpfend für die 16 km lange Landschaftsachse Osterbek ein Konzept erstellt, das aufzeigt, in welchen Räumen sich die Umsetzung der Fokusthemen Klimaanpassung, Stadtnaturerleben, Ökologie, Multicodierung und Durchgängigkeit vorrangig anbietet. Im Ergebnis sind ein Freiraumkonzept und ein Klimawegweiser entstanden - als Angebotsplanung zur sukzessiven Umsetzung der intendierten Vertragsziele. Vertrag für Hamburgs Stadtgrün als Anlass Die Vision für die Landschaftsachse Osterbek als Teil des Grünen Netzes im Hamburger Osten entstand zwischen 2023 und 2024 unter der Federführung der Umweltbehörde - zur Unterstützung der Bezirksämter bei der Umsetzung des Vertrags für Hamburgs Stadtgrün (s. Bild 1). Das Grüne Netz formt als strategische Planfigur das Grün der Stadt und besteht aus dem ersten und zweiten Grünen Ring, zwölf Landschaftsachsen sowie zahlreichen Park- und Grünanlagen (s. Bild 2). Das gesamtstädtische Ziel zur Weiterentwicklung des Grünen Netzes ist im Vertrag für Hamburgs Stadtgrün verankert, der 44 2 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0043 ger Bevölkerung ist der Vertrag und der daraus resultierende Schutzmechanismus für die Flächenkulisse des Grünen Netzes zum bundesweiten Vorreitermodell für deutsche Großstädte geworden. 1 Er ist als Reaktion auf die spürbaren Folgen des Klimawandels und den zunehmenden Ver wer tung sdruck auf Grün flächen im Zusammenhang mit Wohnungsknappheit und Nachverdichtung zu verstehen. Zusätzliche Antriebsfaktoren zur Vertragsumsetzung stellen die kürzlich vom Senat beschlossene stadtweite Klimaanpassungsstrategie und das Klimaschutzgesetz von 2024 dar, in denen sich Hamburg verpflichtet, den klimaresilienten Umbau der Stadt stärker voranzutreiben. 2 Die Vereinbarung enthält für das Hamburger Grün weitreichende Zielsetzungen quantitativer und qualitativer Natur, die über die bestehenden gesetzlichen Regelungen hinausreichen. Die nachfolgende Betrachtung beschränkt sich dabei auf den Kompensationsmechanismus und das Ziel wachsender Grünflächen. 1. Die bislang einmalige Schutz- und Kompensationsregelung bezieht sich auf die innerstädtischen Bereiche des Grünen Netzes bis zum Zweiten Grünen Ring, der in etwa zehn Kilometern Entfernung zum Rathaus lieg t. Sie besteht zusätzlich zur naturschutzfachlichen Eingriffsregelung und zielt u. a. darauf ab, die Grünräume der dichten Innenstadt vor baulicher Inanspruchnahme zu schützen sowie das Grüne Netz zu erweitern und aufzuwerten (vgl. Hoppe & Peters 2021). 2. Dennoch notwendige kleinflächige Inanspruchnahmen sind möglichst in gleicher Größe durch neue öffentliche Parkanlagen oder in doppelter Größe durch die Aufwertung bestehender Anlagen zu kompensieren. 3. Darüber hinaus verpflichten sich die Vertragspartner, bei der Entwicklung neuer Quartiere regelhaft zusätzliche öffentliche Grünanlagen zu schaffen. Insgesamt soll der Flächenumfang des öffentlichen Grüns in der Summe messbar steigen. 4. Jährlich werden für die Umsetzung dieser Ziele Mittel für den Grunderwerb in Höhe von drei Millionen Euro und für die bauliche Realisierung von Kompensationsmaßnahmen in Höhe seit fünf Jahren einen neuen Schutz- und Kompensationsmechanismus eingeführt hat und über zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen als „Qualifizierungsmotor“ wirkt. In einem vorangegangenen Priorisierungsprozess waren in Abstimmung mit den Bezirksämtern zunächst Entwicklungsperspektiven für die zwölf Landschaftsachsen beschrieben worden. Die Landschaftsachse Osterbek wurde im Zusammenhang mit den bestehenden und sich verschärfenden Freiraumbedarfen als Fokusraum von gesamtstädtischer Bedeutung gekennzeichnet, in dem die Vertragsmittel gewinnbringend eingesetzt werden könnten. Die Erstellung eines vorbereitenden Konzeptes diente entsprechend dazu, eine Vorauswahl an potenziellen Maßnahmen zur Umsetzung der Vertragsziele zu treffen und konkrete Potenziale aufzuzeigen. Was regelt der Vertrag? Angestoßen durch die vom NABU gegründete Volksinitiative „Hamburgs Grün erhalten“ und die in dem Zusammenhang gesammelten 23.000 Stimmen der Hambur- Bild 1, li.: Ausschnitt Freiraumkonzept Landschaftsachse Osterbek. Abbildung: FHH BUKEA, Rabe Landschaften Bild 2, re.: Lage der Landschaftsachse Osterbek im Grünen Netz Hamburg, Abbildung: FHH/ BUKEA PRAXIS + PROJEKTE Freiraumkonzept 45 2 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0043 mitteln für die fertiggestellten Maßnahmen getrübt (ebd.) - wobei die Einführung eines neuen Erhaltungsmanagements im Jahr 2027 Abhilfe schaffen soll. Angebotsplanung: Praxisbeispiel Landschaftsachse Osterbek Mit „ Angebotsplanungen“ wird das übergeordnete Ziel verfolgt, die Kompensationsmaßnahmen gezielt in Räume von gesamtstädtischer Bedeutung zu lenken. Sie sind für die Bezirksämter nicht verpflichtend, sondern sollen jeweils für priorisierte Teilräume im Grünen Netz eine Sammlung an möglichen Flächen und Ideen zur Kompensation darstellen. Diese wird sowohl aus bestehenden Konzepten, Projekten und Parallelprogrammen als auch durch neu ent wickelte Maßnahmenideen gespeist. Für die Landschaftsachse Osterbek wurde kürzlich in Zusammenarbeit mit dem beauftragten Planungsbüro Rabe Landschaften eine solche Angebotsplanung fertigstellt, die im Folgenden näher beschrieben wird, um die Funktionsweise zu verdeutlichen. 3 Im Falle des Osterbek-Projekts e r mö g li c hte n b e i s p i e l s w e i s e Synergien mit dem parallellaufenden Naturschutzgroßprojekt „Hamburg, deine Flussnatur“ eine inhaltliche Verknüpfung und Ergänzung um konkrete Maßnahmen für eine verbesserte Gewässerökologie und Erlebbarkeit der Wasserlandschaft. 4 Zudem konnten bezirkliche Einzelprojekte und Vorhaben des Landesbaubetriebs der Verkehrsbehörde aufgegriffen werden und es kamen zusätzliche Fördermöglichkeiten im Zusammenhang mit dem angrenzenden RISE-Gebiet zutage. Neue Maßnahmenideen wurden vor allem zu den Schwerpunktthemen Klimaanpassung, Wassererleben und Durchgängigkeit entwickelt, die sich bei laufenden Bebauungsplanverfahren (Stand Ende 2023). Zahlreiche Qualif izierungs- und Er weite rungsmaßnahmen auf insgesamt 13,8 Hektar wurden bis Ende 2023 durch die sieben Bezirksämter angestoßen oder bereits umgesetzt. Diese Dimension übersteigt die Verluste deutlich. Die Maßnahmen können im Sinne eines Ökokontos mit späteren Eingriffen verrechnet werden, stellen aber schon frühzeitig einen Mehrwert für Erholung und Biodiversität in der Stadt dar (vgl. Peters 2024). Die Erweiterung und Aufwertung des Grünen Netzes hat also Auftrieb erhalten und der Vertrag entfaltet seine angestrebten Wirkungen. Das abstrakte Vertragswerk konnte mithilfe einer Handreichung in die Verwaltungspraxis überführt und koordiniert durch das Zusammenwirken aller Beteiligten mithilfe von regelmäßigen Gesprächsformaten auf Arbeits- und höchster Leitungsebene bearbeitet werden. Wesentlicher Erfolgsfaktor sind sicherlich die zur Verfügung gestellten personellen und finanziellen Ressourcen, auch wenn die Personalsituation in den Bezirksämtern weiterhin angespannt ist. Die positive Bilanz wird zurzeit durch die fehlende Ausstattung mit Unterhaltungsvon 4,9 Millionen Euro bereitgestellt. Auch vorbereitende teilräumliche Konzepte können finanziert werden. 5. Die Umsetzung des Vertrags ist eine Gemeinschaftsaufgabe der verschiedenen Hamburger Verwaltungsebenen. In der federführenden Umweltbehörde auf Ministerialebene wurden sieben Stellen zur Operationalisierung und Steuerung des Prozesses geschaffen. Die sieben Bezirksämter sind als ausführende Dienststellen mit 14 Stellen für die Umsetzung zuständig und werden in die Prozessgestaltung eng eingebunden. Bilanz nach fünf Jahren - der Vertrag wirkt! Die Einhaltung der Ziele wird über ein jährliches Monitoring gesteuert und die erste Bilanz nach fünf Jahren ist positiv: Auf Grundlage des Vertrags wurden einzelne Planungen hinsichtlich des Grünflächenverbrauchs optimiert oder Alternativstandorte gefunden, sodass insgesamt nur wenige Flächen des Grünen Netzes baulich in Anspruch genommen wurden: Es ist ein Kompensationsbedarf von rund 2,4 Hektar entstanden, weitere vier Hektar sind absehbar im Zusammenhang mit noch Bild 3: Aktionstag an der Osterbek, Foto: Andreas Klingberg PRAXIS + PROJEKTE Freiraumkonzept 46 2 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0043 mit direkt von einer Aufwertung profitieren (Stand 2022). Für den innenstadtnahen Abschnitt von zwölf Kilometern Länge wurde das Konzept detaillierter bearbeitet, da der Freiraumversorgungsbedarf dort besonders hoch ist. Beteiligungsprozess Für die Erarbeitung des Konzepts war auch die Einbeziehung der interessierten Öffentlichkeit bereichernd. An drei Aktionstagen konnten Anwohnende und Erholungssuchende im Sommer 2023 vor Ort Ideen einbringen und bei einer „Klima-Rallye“ spielerisch die positiven Wirkungen der Grünflächen auf das Stadtklima erfahren (s. Bild 3). Zeitgleich fand eine Online-Beteiligung unter dem Motto „Zeig mir deine Osterbek“ statt, um lokales Wissen sowie weitere Anregungen und Kritik aus der Öffentlichkeit zu sammeln. Über 600 Beiträge gingen ein und halfen dabei, zentrale Themen und Schwerpunkträume für die Zukunft der Landschaftsachse zu identifizieren. Eine starke Vision: Vom blauen Herz der Stadt bis in die weite Kulturlandschaft Zwei starke Landschaftsräume sollen künftig durch eine attraktive, durchgängige, grüne Wegeverbindung verknüpft werden. Zum einen die Außenalster, die mit ihren umgebenden Freiräumen und dem angrenzenden Osterbekkanal als blaues Herz und „Wasserpark“ inmitten des dichten Stadttreibens fungiert. Am Stadtrand reihen sich weite Wald- und Wiesenlandschaften sowie Schutzgebiete aneinander, in denen Landschaftsgenuss und Ruheerlebnis die Hauptrollen spielen. Diese beiden starken Pole und die dazwischen liegenden Raumsequenzen werden durch ein aktives und ein blau-grünes Band miteinander verwoben (s. Bild 4). Das aktive Band dient als Orientierungssystem und Hauptweg für den Fuß- und Radverkehr. Es bindet Spiel-, Bewegungs- und Begegnungsangebote mit ein. Das grüne Band ist als Korridor zu verstehen, der sich entlang des Wasserlaufs durch Kleingärten und Wohnquartiere erstreckt und in der weiten Kulturlandschaft aufgeht. An den Knotenpunkten beider Bänder entstehen spannende Anziehungsorte, an denen ökologische Lebensräume mit urbanen Nutzungen zusammenwirken. Das können neue Aufenthaltsbereiche und Wassererlebnisstellen an renaturierten Ufern oder sensibel gestaltete „Blickfenster“ in seltene Moorrelikte sein. Was beinhaltet das Konzept im Detail? Die facettenreiche Landschaftsachse lässt sich in vier Raumsequenzen differenzieren. der Landschaftsachse Osterbek aufgrund ihrer heterogen ausgeprägten Wasserlage und Freiraumstruktur anboten. Im Ergebnis sind ein visionäres Freiraumkonzept und ein Klimawegweiser zur Vorbereitung einer schrittweisen Umsetzung entstanden, die im Rahmen unterschiedlicher Anlässe, Programme und Huckepackverfahren über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren erfolgen soll. Der Planungsraum Die Landschaftsachse Osterbek im Hamburger Osten ist rund 16 Kilometer lang und weist eine Breite von 90 Metern bis 1,5 Kilometern auf. An der Außenalster beginnend verläuft sie durch dicht besiedelten Stadtteile, weiter durch lockere Wohnbebauung und Kleingartenanlagen bis in die äußere Stadt mit eher dörflichen Siedlungsstrukturen (s. Bild 2). Von der Außenalster folgt sie auf den ersten zehn Kilometern der namensgebende Osterbek. Von dort führt sie entlang des Baches Berner Au und seiner Zuflüsse weiter nach Nordosten an die Landesgrenze. Die Landschaftsachse verbindet ein städtebaulich und soziokulturell äußerst heterogenes Stadtgefüge. Etwa 156.000 Menschen leben in einer Entfernung von bis zu 500 Metern zur Landschaftsachse Osterbek und können so- Bild 4: Das Leitbild zur Landschaftsachse Osterbek, Abbildung: FHH/ BUKEA, Rabe Landschaften PRAXIS + PROJEKTE Freiraumkonzept 47 2 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0043 tebauliche Struktur ist in diesem Bereich so ungünstig, dass zudem eine „Klima-Barriere “ entsteht und die Kaltluftströme aus dem Umland nicht weiter in Richtung Innenstadt vordringen können. Zeit für ein Gedankenspiel: Durch eine visionäre städtebauliche Neuordnung des künftigen „Quellquartiers“ ließe sich langfristig eine uferbegleitende Wegeverbindung realisieren. Dabei würde es sich anbieten, das angrenzende Quartier einzubeziehen, um mit einer wassersensiblen Stadtentwicklung die Quelle der Osterbek zu speisen und zugleich Hitzeeffekte zu mindern. Durch die Inszenierung des Quellortes am sogenannten „Quellplat z “ könnte das Prinzip des nachhaltigen Regenwassermanagements und der Grundgedanke „ Das Quartier speist die Quelle“ für Bewohner: innen zugänglich gemacht werden - zur Nachahmung im Privaten empfohlen! Sequenz 4 - Klimakulturlandschaft Die östlichste Raumsequenz ist die Kulturlandschaft am Stadtrand. Sie wird über einen ausgewiesenen „Loop“ als Erholungslandschaft erschlossen. Die Runde führt größtenteils über bestehende Wege zwischen Wiesen und Feldern und durch Schutzgebiete wie die beliebten Volksdorfer Teichwiesen. Durch intuitive Wegeverbindungen sollen Besucherströme gelenkt werden, sodass die sensiblen und störungsempfindlichen Lebensräume geschützt und entlastet werden. Klimawegweiser: Landschaftsachsen als Klimaakteure Im Rahmen des Projektes ist zudem ein Klimaweg weiser entstanden. 5 Er dokumentiert auf Basis der aktualisierten und nun deutlich feinmaschigeren Stadtklimaanalyse von 2023 die Klimaleistungen der Landschaftsachse und Nutzungen mit Erholungsflächen kombiniert. Außerdem stehen umfängliche Maßnahmen zur Verbesserung der ökologischen Durchgängigkeit des Fließgewässers im Fokus. Im Rahmen des parallellaufenden Naturschutzgroßprojektes „Hamburg, deine Flussnatur“ wurden dafür beispielsweise die Beseitigung eines verdükerten Abschnitts und die Schaffung eines Umgehungsgerinnes für die Osterbek um einen Rückhalteteich herum vorgeschlagen und in das Konzept integriert und weiterentwickelt. So weisen die Maßnahmen nun auch Qualitäten für Erholungssuchende auf (z. B. Wassererlebnisstellen, Aufenthaltsangebote). Die Bereiche rund um die wasserwirtschaftlich genutzten Regenrückhalteteiche sollen als Parkanlagen mit Rundwegen und erweiterten Nutzungsangeboten qualifiziert werden. Multicodierung „at its best“! Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Anbindung der Kleingartenanlagen an das öffentliche Wegenetz in Verbindung mit der Schaffung von Mitmach-Angeboten. Denkbar ist vieles: sei es ein Naschgarten oder Obsthain, eine Gemeinschaftsmosterei bis hin zu Klimabaumtestflächen. Punktuell sollen durch die Aufgabe einzelner Parzellen, die den Blick auf den Bach versperren, sogenannte „Osterbek-Fenster“ entstehen. Die positive Wirkung der Kleingärten als kühle Klimaoase wird durch die Öffnung für die Öffentlichkeit besser zugänglich gemacht. Sequenz 3 - Quellquartier Das Naturbad Farmsen markiert den Beginn der „großen Lücke“ in der Landschaftsachse, die sich auf dieser Höhe im Stadtgebiet verliert - obwohl sich genau dort die Quelle der Osterbek versteckt! Orientierende Grün- und Blauelemente fehlen gänzlich. Die städ- Sequenz 1 - Wasserpark Im ersten Abschnitt - dem innerstädtischen kanalisierten Bereich der Osterbek - wird das Wasser zum Park. Die Landschaftsachse ist hier schmal und auf dem Landweg durch viele Barrieren unterbrochen. Auf dem Wasser ist sie als durchgängiger Freiraum erlebbar und wird in den Sommermonaten rege von Wassersportler: innen genutzt, um den erhitzten Quartieren zu entfliehen. Die verbauten Ufer können aus Platzgründen zwar nicht renaturiert, aber z. B. durch begrünte Spundwände, grüne Bermen mit vorgehängtem Schwimmsteg oder Trittsteinbiotope ökologisch deutlich aufgewertet werden. Zur Kühlung des Stadtraums wird auch Dach- und Fassadenbegrünung eingesetzt. Zudem steht die Schaffung von punktuellen Ausblicksmomenten („Osterbek- Balkone“) und Aufenthaltsangeboten in den begleitenden schmalen Grünräumen im Fokus. Konflikte in Verbindung mit der starken wassersportlichen Nutzung sollen durch zusätzliche offizielle Einstiegsstellen und eine Regulierung der Kanulagerung im Uferbereich erreicht werden. Sequenz 2 - Urbane Klimaoasen Im zweiten Abschnitt wandelt sich der Kanal zum Bachlauf, der mal mehr und mal weniger sichtbar durch den Park am Augustenburger Ufer, große Kleingartenanlagen, vorbei an zwei Regenrückhalteteichen bis zum Naturbad Farmsen führt. Trotz der einzelnen „grünen Oasen“ sind die angrenzenden dichten Wohnquartiere mit Freiräumen unterversorgt. Die Kleingärten zeigen sich verschlossen. Das Konzept sieht an diesem Abschnitt der Landschaftsachse die Schaffung neuer öffentlicher Grünf lächen vor. Unternut z te Räume werden aktiviert und erschlossen, wasserwirtschaftliche PRAXIS + PROJEKTE Freiraumkonzept 48 2 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0043 der Ver waltung geschickt und ohne Reibungsverluste meistern? Wie kann sichergestellt werden, dass der Prozess nicht abreißt und die Umsetzung von Teilmaßnahmen beschlossen wird? Für die Zukunft der Landschaftsachse Osterbek werben Die im Rahmen des Projektes entstandenen Produkte und Bilder können den weiteren Kommunikationsprozess mit Öffentlichkeit und Politik als (Mit-)entscheider über den Einsatz von Kapazitäten vereinfachen und fördern. Es kristallisierte sich im Rahmen des Projektes heraus, dass die Entscheidungsprozesse in jedem Bezirk unterschiedlich laufen und die Bezirkspolitik, z. B. in Wandsbek, großen Einfluss auf die Gestaltung des Arbeitsprogramms nimmt. Es ist daher wichtig, diese als Fürsprecher zu gewinnen, weshalb auch Vorstellungen in den zuständigen Ausschüssen erfolgten. Angesichts knapper Ressourcen gilt es, Entscheidungsträger nicht nur vom fachlichen Wert, sondern auch von der Machbarkeit zu überzeugen. Das Verständnis für die Abläufe zur Entscheidungsfindung und das aktive Aufzeigen von Lösungsideen für mögliche Der Klimawegweiser identifiziert am Beispiel der Landschaftsachse Osterbek elf charakteristische Raumtypologien im Grünen Netz und zeigt für sie jeweils gut umsetzbare und besonders effektive Klimaanpassungsmaßnahmen auf (s. Bild 5). Die Betrachtung reicht von schmalen urbanen Kanalabschnitten mit einfassender Bebauung über lineare Grünräume, größere Grünflächen mit Stillgewässern bis zu weiten Auen-, Wiesen- und Waldlandschaften. Außerdem werden die in Hamburg zur Verfügung stehenden Fachdaten zur Bewertung von Klimafunktionen aufgelistet. So dient der Wegweiser der Verwaltung und weiteren Planungsinstanzen als Arbeits- und Entscheidungshilfe für die Qualifizierung weiterer Landschaftsachsen als wichtige Klimaakteure. Von der Angebotsplanung zur Umsetzung Nach zwei Jahren intensiver Untersuchungen und kreativen Prozesses stellt sich nun die Frage, wie die Angebotsplanung in die Umsetzung gebracht werden kann. Wie lassen sich beim Übertritt in die nächsten Planungsphasen Zuständigkeitsübergänge innerhalb gliedert sie in die Themenfelder Luft, Wasser, Boden, Biodiversität und Erholung. Diese von der physischen Raumerfahrung ausgehende Betrachtungsweise der Klimafunktionen ist neu, da die meisten Veröffentlichungen zum Klimathema problemorientiert gegliedert sind. Es wird deutlich: Das Grüne Netz leistet bereits unverzichtbare „Servicearbeit“ für das Stadtklima. Es sorgt vielerorts für einen guten Luftaustausch und bringt Kühle in der Nacht. Tagsüber bietet es verschattete Aufenthaltsbereiche und führt über die Verdunstungskühle zu einer Verbesserung des Lokalklimas, nachts trägt dies zu einem guten Schlaf bei. Trotz der relativen Klimagunst im hohen Norden nehmen auch in Hamburg die mit Wärme verbundenen Extreme stark zu. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit von Hitzewellen und Trockenperioden an. Auch kommt es häufiger zu Starkregen- und Überschwemmungsereignissen (Deut scher Wetterdienst, 2021). In verdichteten Bereichen treten insbesondere für Kinder, kranke und ältere Menschen gesundheitlich belastende sogenannte autochthone Wetterlagen auf. Die Stadtplanung ist im Zugzwang. Bild 5: Die Raumtypologien der Landschaftsachse, Abbildung: FHH/ BUKEA, Rabe Landschaften PRAXIS + PROJEKTE Freiraumkonzept 49 2 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0043 setzungsmöglichkeiten zutage, z. B. über das Naturschutzgroßprojekt „Hamburg, deine Flussnatur“ oder das angrenzende RISE- Fördergebiet. Agil bleiben, gemeinsam nachsteuern Alle Beteiligten haben die Vorstellungen, Rahmenbedingungen und Zwangspunkte der jeweils anderen kennengelernt und so ein gemeinsames Verständnis von der Planungsaufgabe entwickelt. Diese positiven Erfahrungen aus dem Prozess sind unbedingt zu bewahren. Die Zusammenarbeit der Verwaltungsebenen wurde durch das Projekt intensiviert und neben den bislang bestehenden Gesprächsformaten zum Vertrag für Hamburgs Stadtgrün neu definiert. So kann auch künftig im engen Austausch zwischen steuernder Umweltbehörde und umsetzenden Bezirken weiter daran gearbeitet werden, Synergien zu finden und die Umsetzung zu befördern. Es wird deutlich, dass es vor allem weiche Faktoren und Anreize sind, die das Freiraumkonzept für die Landschaftsachse Osterbek in die Umsetzung bringen sollen. Dennoch können informelle Planungsinstrumente Kraft entfalten, indem sie den Weg weisen, Prioritäten aufzeigen und Akteure gewinnbringend vernetzen. Die damit verbundenen intensiven Austauschprozesse sind arbeitsintensiv, aber erforderlich, um auf die komplexer werdenden Rahmenbedingungen in der Stadt- und Freiraumplanung zu reagieren. Im Sinne der Aufgabenteilung und im Angesicht der hohen Belastung der Bezirksämter war es zielführend, dass die Umweltbehörde als ministerielle Ebene mit gesamtstädtischem Blick die Federführung bei der Konzepterarbeitung übernommen hat. Die Umsetzungshindernisse kann für die Empfehlung eines Projektes entscheidend sein. Die Angebotsplanung geht darauf ein und liefert somit einen Anreiz zur Umsetzung. Übersichtlichkeit und Priorisierung Neben den inhaltlichen Vorteilen, die ein koordiniertes gesamtstädtisches Vorgehen mit sich bringt, dient das Konzept als vorbereitender Rahmen und stellt die Weichen für die Ausarbeitung konkreter Realisierungsmaßnahmen. Bevor Ideen tatsächlich umgesetzt werden können, müssen noch unterschiedlich aufwendige Prüfschritte erfolgen. Diese werden im Konzept bereits grob beschrieben, sodass eine Aufnahme in die Arbeitsprogramme vereinfacht wird. Die in einem Plan zusammengeführten „Schritte der Umsetzung“ dienen als Tool zur besseren Handhabbarkeit der Konzeptumsetzung und Unterstützung des Planungsfortschritts. Die fachliche Priorisierung der entstandenen Maßnahmensammlung erfolgt u. a. durch die Festlegung von drei Fokusräumen mithilfe der im Rahmen des Beteiligungsprozesses identifizierten lokalen Bedarfe und Dringlichkeiten. Außerdem wurde durch die Einteilung der Maßnahmen in unterschiedliche Zeithorizonte die Komplexität des Projektes abgeschichtet. Synergieeffekte nutzen Nicht zu unterschätzen sind zudem die positiven Effekte durch die Vernetzung der städtischen, zivilgesellschaftlichen und politischen Akteure (z. B. betroffene bezirkliche Fachämter, Wasserbehörde, Umweltbehörde, Stiftung Lebensraum Elbe; Stadtteilrat im Quartier; Umweltausschüsse). Im Zuge des intensiven Austauschs konnten inhaltliche Widersprüche frühzeitig aufgelöst werden und es kamen Finanzierungs- und Um- AUTOR: INNEN Miriam Weiland, Behörde für Umwelt, Klima, Energie und Agrarwirtschaft, Amt für Naturschutz und Grünplanung, Referat Gesamtstädtische Freiraumstrategien, Neuenfelder Straße 19, 21109 Hamburg miriam.weiland@ bukea.hamburg.de Bezirksämter hätten diese übergreifende Aufgabe aus Kapazitätsgründen und aufgrund begrenzter Flächenzuständigkeiten nicht wahrnehmen können. Auf Grundlage des Vertrags für Hamburgs Stadtgrün können Angebotsplanungen den Weg ebnen, um an der Osterbek und anderen Abschnitten des Grünen Netzes dauerhaft grüne Mehrwerte zu schaffen. LITERATUR Peters, Cornelia: Der Vertrag für Hamburgs Stadtgrün - ein Erfolgsmodell? In: Stadt + Grün, Heft 12/ 2024, S. 47- 53. Hoppe, Klaus; Peters, Cornelia: Ein Vertrag für das Hamburger Stadtgrün. In: Stadt + Grün, Heft 03/ 2021, S. 41-46. Deutscher Wetterdienst (Hrsg.) (2021): Klimareport Hamburg: Fakten bis zur Gegenwart - Erwartungen für die Zukunft. ENDNOTEN 1 Vertrag für Hamburgs Stadtgrün. Download (PDF) unter: https: t1p.de/ bzsa9 2 Strategie zur Anpassung Hamburgs an den Klimawandel. Download (PDF) unter: https: / / t1p.de/ 8rll9 3 Homepage zur Landschaftsachse Osterbek. Unter: https: / / t1p.de/ lqb44 4 Homepage zum Naturschutzgroßprojekt „Hamburg, deine Flussnatur“. Unter: https: / / t1p.de/ 91g85 5 Klimawegweiser. Download (PDF) unter: https: / / t1p.de/ or0i7 Eingangsabbildung: © Isadora Tast PRAXIS + PROJEKTE Freiraumkonzept 50 2 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0043
