eJournals Transforming Cities 10/2

Transforming Cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2025-0049
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2025
102

Stellplätze strategisch denken – von der Last zur urbanen Ressource

0811
2025
Stefanie Bremer
Henrik Sander
Neue Technologien bieten die Möglichkeit, die Stellplatzfrage nicht als Problem, sondern als Ressource zu betrachten, die effizienter als bisher genutzt werden kann. Voraussetzung für innovative, quartiersbezogene Lösungsansätze sind flexiblere rechtliche Regelungen im Stellplatznachweis sowie die flächendeckende Bepreisung des Parkens im öffentlichen Raum. Nur so können neue Technologien zur Doppelnutzung vorhandener Stellplätze und Konzepte wie Quartiersgaragen flächendeckend profitabel realisiert werden.
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Stellplätze strategisch denken - von der Last zur urbanen Ressource Parkplätze, Bepreisung, Doppelnutzung, öffentlicher Raum, Quartierparken, Parkraummanagement Stefanie Bremer, Henrik Sander Neue Technologien bieten die Möglichkeit, die Stellplatzfrage nicht als Problem, sondern als Ressource zu betrachten, die effizienter als bisher genutzt werden kann. Voraussetzung für innovative, quartiersbezogene Lösungsansätze sind flexiblere rechtliche Regelungen im Stellplatznachweis sowie die flächendeckende Bepreisung des Parkens im öffentlichen Raum. Nur so können neue Technologien zur Doppelnutzung vorhandener Stellplätze und Konzepte wie Quartiersgaragen flächendeckend profitabel realisiert werden. Problemfall Parken Die Motorisierung in Deutschland nimmt kontinuierlich zu. Laut Statistischem Bundesamt ist die Zahl der Pkw pro 1.000 Einwohner von 511 im Jahr 2010 auf 590 im Jahr 2024 gestiegen. Während Parkflächen auf Supermarktarealen am Stadtrand großzügig bleiben, wurde trotz dieser Entwicklung der Stellplatznachweis in vielen Innenstädten deutlich reduziert - in einigen Fällen sogar vollständig aufgehoben. Parken wird als Last definiert, statt Stellplätze als Ressource zu nutzen. In der Folge sind städtische Straßen überfüllt mit Fahrzeugen - und das bei steigenden Fahrzeuggrößen. SUVs, Transporter, Wohnmobile sowie Handwerker- und Lieferfahrzeuge beanspruchen immer mehr Raum im öffentlichen Straßenbild. Gleichzeitig wächst der politische und planerische Druck, diesen Raum neu zu verteilen - zugunsten von Aufenthaltsqualität, Fuß- und Radverkehr, öffentlichem Nahverkehr und grün-blauer Infrastruktur. Vor diesem Hintergrund wird deutlich: Das Thema Parken ist nicht nur ein logistisches, sondern zunehmend auch ein stadtpolitisches Problem. Während einige lautstark „Autos raus“ fordern, möchten viele dennoch nicht auf den kostenlosen Parkplatz direkt vor der Tür verzichten. Quartiersgaragen werden häufig als Lösung angeführt - funktionieren in der Praxis aber nur bedingt. Die Haltung ist oft ambivalent: Autos sollen raus, aber „mein eigenes steht doch niemandem im Weg“. Aktuelle Entwicklungen im Umgang mit Parkraum Um tragfähige Lösungen zu entwickeln, lohnt ein Blick auf die aktuelle Gemengelage aus planerischen Konzepten, politischen Debatten und technologischen Entwicklungen. Auffällig ist, dass die Diskussion über Parkraum selten raumdifferenziert geführt wird. Tatsächlich ist Parken vor allem ein Problem urbaner Kern- und Innenstädte sowie dichter Wohnquartiere. In pe- 78 2 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0049 innerstädtischen Straßen bedeutet das häufig, dass über Nacht Parken nur noch einseitig erlaubt ist. Die Zahl der dadurch wegfallenden Stellplätze ist erheblich - ebenso wie die Intensität der Reaktionen von Anwohner. Wer darf eigentlich noch im Quartier parken? Die Debatte um das Anwohnerparken gewinnt an Schärfe. Und wirft grundlegende Fragen auf: Wer darf überhaupt im Straßenraum parken? Oft sind es nur noch Anwohner mit Ausweis sowie bestimmte Gewerbebetriebe mit Ausnahmegenehmigung. In Hamburg hat diese Entwicklung zu kontroversen Diskussionen geführt. Eine Petition der Hamburger Polizei konnte kürzlich eine geplante Ausweitung der Anwohnerparkzonen über die Kernstadt hinaus stoppen. Hintergrund: Viele Mitarbeitende der Polizei wohnen im Umland, hätten keine ausreichenden Stellplätze auf dem Behördenareal zur Verfügung gehabt - und sahen im ÖPNV keine praktikable Alternative. ripheren Stadtlagen, Kleinstädten oder ländlichen Räumen hingegen bestehen deutlich weniger Nutzungskonflikte. Hier ist das Parken kein vordringliches verkehrliches Problem. Im akademischen Raum wurde schon vor Jahrzehnten gefordert, den Stellplatzbedarf in urbanen Räumen systematisch zu reduzieren - etwa durch niedrigere Stellplatzkennwerte oder durch die Einbindung von Mobilitätskonzepten. Ziel war es, Kosten im Wohnungsbau zu senken und den Flächenverbrauch durch den Verkehr zu begrenzen. Oft werden dabei nur noch Stellplätze für Menschen mit Behinderung sowie für Fahrräder gefordert. Tatsächlich jedoch wurde das Problem häufig lediglich verlagert - vom privaten Grundstück in den öffentlichen Straßenraum. Dort, wo die Auswirkungen zugeparkter Straßen unmittelbar spürbar sind, zeichnet sich mittlerweile ein Gegentrend ab. In immer mehr Kommunen fordern Lokalpolitiker eine Rücknahme oder Verschärfung der gelockerten Stellplatzsatzungen. Aktuell wird diese Debatte beispielsweise intensiv in Lübeck geführt. Stellplatzsatzungen: Zwischen Regelwerk und Realität Stellplatzsatzungen sind - trotz zunehmender Flexibilität durch Mobilitätskonzepte oder anrechenbare Standortqualitäten - in ihrer Grundstruktur starre Regelwerke. Sie legen dauerhaft fest, wie viele Stellplätze für ein Bauvorhaben bereitzustellen sind - unabhängig davon, wie sich der Bedarf im Lebenszyklus einer Immobilie verändert. Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, Stellplätze außerhalb des Baugrundstücks nachzuweisen. Dies ist jedoch an eine Baulast gebunden: Ein Dritter muss sich rechtlich verpflichten, Stellplätze dauerhaft für ein anderes Grundstück bereitzuhalten. Eine einfache, bedarfsorientierte Anmietung - zum Beispiel mit Nachweispflicht über Mietverträge - ist in vielen Kommunen ausdrücklich ausgeschlossen. So etwa in den aktuellen Vorschriften der Stadt Hamburg zum Mobilitätsnachweis. Straßenraum unter Druck Der stetig wachsende Parkdruck hat über Jahre dazu geführt, dass regelwidriges Parken im öffentlichen Raum häufig geduldet wurde - etwa Querparken auf für Längsparken vorgesehenen Flächen, Parken in Kreuzungsbereichen oder auf Gehwegen mit nur noch minimal verbleibenden Flächen für den Fußverkehr. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom Sommer 2024 zur Rechtswidrigkeit des Gehwegparkens zwingt viele Städte nun zu einer umfassenden Neuordnung ihrer Parkraumregelung. In engen Bild 2: Gehwegparken Bild 1: PKW-Bestand und Durchschnittsalter in Deutschland THEMA Stellplätze 79 2 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0049 chende, kontinuierliche Überwachung. Trotz der Einnahmen aus Parkraumbewirtschaftungss ystemen fehlt es vielen Kommunen an personellen Ressourcen, um den ruhenden Verkehr flächendeckend zu kontrollieren und Verstöße konsequent zu sanktionieren. Vor diesem Hintergrund gewinnt die automatisierte Parkraumüberwachung durch Scan-Fahrzeuge an Bedeutung. Mit Baden-Württemberg und Hamburg haben erste Bundesländer rechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz dieser Technologie geschaffen. In Stuttgart läuft derzeit ein Pilotversuch. Im Ausland - etwa in Paris, London, Amsterdam und Warschau - ist die automatisierte Kontrolle bereits seit Jahren erfolgreich etabliert. Zunehmende Relevanz erhält auch der Einsatz von Sensorik und die digitale Vernetzung von Stellplätzen. Diese Technologien ermöglichen erstmals eine systematische, quartiers- und stadtteilbezogene Erfassung privater Stellflächen sowie deren Integration in zentrale Managementsysteme. So kann der abendliche Parksuchverkehr künftig durch gezielte Navigation zu freien privaten Stellplätzen reduziert werden - unterstützt durch dynamische Parkleitsysteme und entsprechende Apps. Ein Beispiel für die Anwendung dieser Technologie ist das 2022 gestartete Pilotprojekt der Stadt Krefeld. Parallel dazu entwickeln sich Geschäftsmodelle, die eine bedarfsorientierte Doppelnutzung privater Stellplätze ermöglichen - insbesondere außerhalb der regulären Nutzungszeiten. Büroparkplätze können so etwa nachts und an Wochenenden für Anwohner oder Besucher geöffnet werden. Start-ups wie Ampido sowie etablierte Anbieter wie Scheidt & Bachmann bieten entsprechende Lösungen an. Schätzungen zufolge könnten in bestehenden Parkhäusern, Tiefgaragen und auf Parkplätzen bis zu 30 Prozent der Stellflächen dynamisch mehrfach genutzt werden. In Düsseldorf wurden durch die Connected Mobility Düsseldorf GmbH (CMD) erste Pilotprojekte umgesetzt, etwa das „Feierabendparken“ auf Supermarktparkplätzen oder die temporäre Nutzung eines Signal-Iduna-Parkhauses als Park-and-Ride-Anlage. Auch die Abrechnung solcher „Mikronutzungen“ ist mittlerweile effizient digitalisiert. Schranken, Ticketautomaten und Bargeld sind nicht mehr erforderlich - Nutzer werden z. B. über ihr Kfz-Kennzeichen identifiziert, und die Abrechnung erfolgt bequem über etablierte Parking-Apps wie EasyPark, PayByPhone oder Parkster. Vor dem Hintergrund der Flächenkonkurrenzen in urbanen Räumen rückt darüber hinaus das automatisierte Parken in den Fokus. Technologien wie Park-Paternoster, automatische Hochregallager, Was kostet das Parken - und was sollte es kosten? Auch die Höhe der Anwohnerparkgebühren rückt zunehmend in den Fokus. In vielen deutschen Städten sind diese Gebühren bislang eher symbolisch. In Hamburg betragen sie lediglich 70 Euro pro Jahr, in Bonn immerhin 360 Euro. Zum Vergleich: In Amsterdam liegt die Jahresgebühr für einen Anwohnerparkplatz bei bis zu 567 Euro, in Stockholm sogar bei 1.309 Euro. Der Preis für das Parken auf der Straße liegt in Deutschland nach wie vor meist unter dem von Parkhäusern oder privaten Stellplätzen - ein Umstand, der falsche Anreize setzt und Investitionen in moderne Parkraumlösungen ausbremst. Quartiersgaragen: Gute Idee aber wer machts? Im Rahmen größerer Neubauprojekte werden regelmäßig Quartiersgaragen und Mobility Hubs diskutiert. Diese sollen den ruhenden Verkehr aus dem Straßenraum in zentrale Parkeinrichtungen verlagern - kombiniert mit Carsharing, Ladeinfrastruktur, Fahrradabstellanlagen und sozialer Infrastruktur. Doch bislang fehlt eine belastbare Blaupause für tragfähige Betreibermodelle. Ein zentrales Hindernis: Das Parken im öffentlichen Raum ist häufig günstiger als in der geplanten Quartiersgarage. Solange sich dieser Preisvorteil nicht umkehrt, bleiben diese Konzepte schwer umsetzbar. Ein positives Beispiel liefert der Hamburger Binnenhafen. Dort wurde das Preisgefüge gezielt verändert: Das Parken auf der Straße ist bewusst teuer, während die Nutzung des zentralen Parkhauses preislich attraktiv bleibt. Das Ergebnis: Der Straßenraum ist weitgehend vom ruhenden Verkehr befreit, das Parkhaus ist gut ausgelastet - und die früher notorisch überfüllten Parkflächen erscheinen heute fast überdimensioniert. Technologische Entwicklungen im Parkraummanagement Eine zentrale Herausforderung bei der Umsetzung zeitgemäßer Parkraumkonzepte ist die unzurei- Bild 3: Binnenhafen, Hamburg THEMA Stellplätze 80 2 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0049 Eine Bedarfsanalyse zeigte dennoch: Auch in diesem Fall besteht ein realer Bedarf von rund 90 Stellplätzen. Statt eine neue Tiefgarage zu planen, wurde untersucht, ob bestehende Parkhäuser im Umkreis von 500 Metern diesen Bedarf decken könnten. Das Ergebnis: In rund 15 Parkhäusern und Tiefgaragen stehen etwa 1.850 private Stellplätze zur Verfügung - viele davon mit nicht ausgelasteten Kapazitäten. Basierend auf Erfahrungen von Betreibern, die bereits Doppelnutzungsmodelle erproben, könnte ein Kontingent von rund 500 Stellplätzen für eine flexible Nutzung zur Verfügung gestellt werden. Wohnungen könnten somit ohne eigene Stellplätze errichtet werden - vorausgesetzt, der Stellplatznachweis würde durch eine Baulast ersetzt, die zur dauerhaften Anmietung externer Stellplätze verpflichtet. Dies würde nicht nur eine Tiefgarage überflüssig machen, sondern auch die Projektkosten deutlich reduzieren. Geplant ist, diesen Ansatz zunächst im Rahmen eines Reallabors an einem anderen Standort zu erproben. Sollte dieses Modell erfolgreich sein, müsste perspektivisch eine Flexibilisierung der geltenden Stellplatzsatzung erfolgen. Im Falle eines Misserfolgs könnte Plan B greifen - der nachträgliche Bau einer Tiefgarage. Scheitert Nachverdichtung an Stellplätzen? In einem Quartier am Rande der Lübecker Innenstadt, in unmittelbarer Nähe zum Hauptbahnhof, zeigt sich das Dilemma des Stellplatznachweises im Bestand. Das Gebiet leidet unter hohem Parkdruck und ein ehemaliges Hotel soll zu einem Boardinghouse umgenutzt werden. Im Rahmen der aktuellen Landesbauordnung kann dieses Vorhaben mit den Stellplätzen in der vorhandenen Tiefgarage realisiert werden, was die Schaffung von rund 250 Wohnungen ermöglicht. Allerdings würde eine geplante neue Stellplatzsatzung, die sich derzeit in der politischen Diskussion befindet, diese Nachverdichtung erschweren oder unmöglich machen, da die bestehende Tiefgarage nicht ausreichen würde. Dabei könnte der Betreiber ein innovatives Mobilitätskonzept als Teil des Boardingkonzepts aktiv umsetzen, um den Bedarf an Stellplätzen zu reduzieren. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass die wichtige Nachverdichtung an fehlenden Stellplätzen scheitern kann, die auf dem Grundstück oft wirtschaftlich nicht realisierbar sind. In Bestandsquartieren ist daher ein flexibler, quartiersbezogener Stellplatznachweis erforderlich, bei dem Synergien zwischen unterschiedlichen Akteuren genutzt werden. Im Umfeld des Lübecker Projekts gibt es beispielsweise ein privates Parkhaus eines größeren Bürokomplexes, das Doppelstockparker oder Parkschlitten erlauben eine deutlich flächeneffizientere Organisation des ruhenden Verkehrs. Autonome Fahrzeuge werden das Parken perspektivisch grundlegend verändern. Sie sind in der Lage, selbstständig freie Stellplätze anzufahren, dort zu parken und bei Bedarf zurückzukehren. Während herkömmliche Quartiersgaragen innerhalb eines fußläufigen Radius von 300 bis 500 Metern zum Zielort liegen müssen, können autonome Fahrzeuge durch Valet Parking auch entferntere Stellflächen effizient nutzen. Bereits 2019 demonstrierten Bosch und Daimler das Potenzial dieser Technologie am Mercedes-Benz Museum in Stuttgart. Mit zunehmender Automatisierung des Fahrens wird eine wachsende Zahl von Fahrzeugen in der Lage sein, Parkhäuser eigenständig anzufahren und selbsttätig einzuparken. Erfahrungen aus dem Planungsalltag Im Alltag der Stadtplanung zeigt sich, dass die Frage nach Stellplätzen häufig nicht systematisch und integrativ behandelt wird. Vielmehr wird sie oft einzelnen Akteuren überlassen, die mit begrenzten Mitteln punktuelle Lösungen entwickeln. Technologische Möglichkeiten zur Optimierung und flexibleren Nutzung vorhandener Stellplatzkapazitäten bleiben bislang weitgehend ungenutzt. Dabei steht fest: Auch künftig wird es in allen Stadträumen einen realen Bedarf an Stellplätzen geben - unabhängig von Lage und Mobilitätsangebot. Die Evaluation des inzwischen vollständig umgesetzten Mobilitätskonzepts der „Neuen Mitte Altona“ belegt dies deutlich. Trotz der hervorragenden Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und der Ausrichtung auf das Prinzip der „15-Minuten-Stadt “ besteht ein Stellplatzbedarf von durchschnittlich 0,5 Stellplätzen pro Wohneinheit. Zwar nutzen viele Bewohner: innen das Auto seltener, verzichten aber nicht vollständig darauf. Gründe dafür sind vielfältig: Sicherheitsempfinden, Freizeitgestaltung, Ausflüge zum Ferienhaus, größere Einkäufe oder die Organisation des Familienalltags. Können neue Wohnungen ohne Stellplätze gebaut werden? Ein aktuelles Beispiel liefert das Projekt am Matthäikirchhof am Rande der Leipziger Innenstadt. Auf dem bisherigen Parkplatz soll durch ergänzende Bebauung eine städtebauliche Nachverdichtung erfolgen. Der städtebauliche Wettbewerb für den Masterplan verzichtete bemerkenswerterweise bewusst auf die Forderung eines Stellplatznachweises - gestützt auf die zentrale Lage und das gut ausgebaute Mobilitätsangebot. THEMA Stellplätze 81 2 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0049 Zwei Stellschrauben für eine neue Stellplatzpolitik Eine zukunftsfähige Parkraumstrategie braucht im Kern zwei einfache, aber wirkungsvolle Veränderungen: Bepreisung und Begrenzung des öffentlichen Parkraums Parken im öffentlichen Raum sollte grundsätzlich teurer sein als das Parken in Parkhäusern oder Tiefgaragen. Parallel dazu muss die Anzahl öffentlich verfügbarer Stellplätze reduziert werden. Nur so entstehen Anreize zur Verlagerung des ruhenden Verkehrs in dafür vorgesehene Infrastrukturen - etwa Quartiersgaragen. Neuausrichtung des Stellplatznachweises Statt Bauherren zur Herstellung eigener Stellplätze zu verpflichten, sollte es die Möglichkeit geben, die Stellplatzpflicht auch mit einer vertraglich gesicherten Anmietung nachzuweisen. Dadurch entsteht ein marktwirtschaftlicher Anreiz für Investitionen in Quartiersgaragen. Anbieter könnten auf reale Nachfrage reagieren, Nutzer müssten nur dann zahlen, wenn sie tatsächlich ein Fahrzeug besitzen. Zudem ermöglicht dieser Ansatz eine intelligente Doppelnutzung - etwa durch zeitlich geteilte Nutzung von Stellplätzen durch Anwohner, Gewerbetreibende oder Besuchsverkehr. Weniger, aber besser genutzte Stellplätze Würden Städte Stellplätze nicht als Last, sondern als urbane Ressource verstehen, könnten sie unter dem Strich mit deutlich weniger Stellplätzen auskommen - sofern diese effizienter und flexibler genutzt werden. Insbesondere in hochverdichteten urbanen Räumen ließe sich so die Stellplatzfrage weitgehend klären, ohne neue Flächen zu versiegeln. Gleichzeitig entstünde wieder mehr öffentlicher Raum für Fuß- und Radverkehr, Aufenthaltsqualität, Stadtgrün und soziale Interaktion - zentrale Voraussetzungen für eine lebenswerte und zukunftsfähige Stadt. Eingangsabbildung und Fotos: © Henrik Sander die neuen technologischen Möglichkeiten der Doppel- oder Mehrfachnutzung noch nicht nutzt, aber eigentlich über ausreichende Kapazitäten verfügen würde, um den Parkdruck im Quartier signifikant zu mindern. Und auch die Kommunen selbst müssen aktiv werden, beispielsweise durch die Förderung von Carsharing-Angeboten oder durch ein aktives Quartiersmanagement, wie es in München praktiziert wird. Leider verfügen viele Kommunen häufig weder über die nötigen Kapazitäten noch über die Budgets, um das Parken im Quartier im Sinne einer Ressource effizienter zu organisieren und zu steuern. Kann der Stellplatznachweis auch über mehrere Bauprojekte hinweg koordiniert werden? In Hamburg verfolgt die Stadt das Ziel, den Stellplatznachweis für drei Bauvorhaben zur Nachverdichtung eines Gewerbegebiets am Rande der Innenstadt in einer Tiefgarage zu bündeln. Ziel ist es, die Potenziale der Doppelnutzung zu nutzen, um die Gesamtzahl der Stellplätze zu reduzieren und das Parkhaus als Quartiersgarage auch für Anwohner zugänglich zu machen. Durch diese Maßnahmen sollte der Parkdruck im Quartier verringert werden. Aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Lage verzögern sich jedoch die Bauvorhaben, sodass die Umsetzung dieser Kooperationsstrategie derzeit stockt. Ausblick: Warum die Stellplatzfrage nicht (nur) vom Staat geregelt werden sollte Das Thema Parken befindet sich im Wandel. Insbesondere Konzepte der Doppelnutzung und - perspektivisch - das autonome Parken eröffnen neue Chancen, um den Straßenraum effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Derzeit jedoch wird die Stellplatzfrage vor allem durch staatliche Vorgaben geregelt - und zwar überwiegend statisch. Für jede Nutzung wird eine feste Anzahl an Stellplätzen vorgeschrieben - unabhängig vom tatsächlichen Bedarf. Dieses „One-size-fits-all“-Prinzip führt in der Praxis häufig zu Fehlentwicklungen: Es entstehen entweder zu viele oder zu wenige Stellplätze, selten aber die bedarfsgerechte Menge. Eine flexible, bedarfsorientierte Nutzung ist rechtlich kaum vorgesehen. Besonders problematisch: Neubauten werden stark reguliert, während Bestandsbauten weitgehend von Anforderungen verschont bleiben. Die Folgen sind im öffentlichen Raum deutlich sichtbar: Zu eng beparkte Straßen, unübersichtliche Kreuzungsbereiche, sinkende Aufenthaltsqualität und eingeschränkte Verkehrssicherheit. Der öffentliche Raum verliert zunehmend an Attraktivität - gerade in verdichteten Stadtquartieren. AUTOR: INNEN Stefanie Bremer, Prof. Dr., Lehrstuhl Integrierte Verkehrsplanung & Mobilitätsentwicklung, Universität Kassel Henrik Sander, orange edge - Integrierte Stadt- und Verkehrsplanung THEMA Stellplätze 82 2 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0049