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Transforming Cities
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expert verlag Tübingen
10.24053/TC-2025-0065
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Potenzialanalyse: Klimaangepasste Sanierung im Denk!mal Einbeck

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Andrea Lück
Stefanie Hörnlein
Rebecca Spaunhorst
Alena Ronnenberg
In einer Potenzialanalyse für das Denk!mal-Gebäude in Einbeck, Teil der Smart City-Initiative, wurden klimaresiliente Sanierungsoptionen mit innovativen technischen Lösungen untersucht. Die Analyse erfasste zukünftige klimatische Herausforderungen und Ansätze für nachhaltige Abwassersysteme, insbesondere Grau- und Regenwasserrecycling. Detailbetrachtungen zeigten die technische Umsetzbarkeit und Potenziale ressourcenorientierter Wassernutzungen. Eine klimaangepasste Sanierung ist nachhaltig möglich und sollte auf Grauwasserrecycling und intelligentem Regenwassermanagement aufbauen. Als nächstes wird eine Machbarkeitsstudie empfohlen.
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Potenzialanalyse: Klimaangepasste Sanierung im Denk! mal Einbeck Nachhaltige Abwassersysteme im Fokus: Wege zur klimaangepassten Sanierung historischer Gebäude Klimaresilienz, Grauwasserrecycling, Nachhaltige Sanierung, Smart City Einbeck, Denkmalgerechte Modernisierung, Innovative Abwassersysteme Andrea Lück, Stefanie Hörnlein, Rebecca Spaunhorst, Alena Ronnenberg In einer Potenzialanalyse für das Denk! mal-Gebäude in Einbeck, Teil der Smart City-Initiative, wurden klimaresiliente Sanierungsoptionen mit innovativen technischen Lösungen untersucht. Die Analyse erfasste zukünftige klimatische Herausforderungen und Ansätze für nachhaltige Abwassersysteme, insbesondere Grau- und Regenwasserrecycling. Detailbetrachtungen zeigten die technische Umsetzbarkeit und Potenziale ressourcenorientierter Wassernutzungen. Eine klimaangepasste Sanierung ist nachhaltig möglich und sollte auf Grauwasserrecycling und intelligentem Regenwassermanagement aufbauen. Als nächstes wird eine Machbarkeitsstudie empfohlen. Hintergrund: Smart City Einbeck Artensterben, Digitalisierung, Klimawandel, Überalterung der Gesellschaft, gefährdete Demokratie: Die Heterogenität der Herausforderungen unserer Welt werden durch eine Gemeinsamkeit verbunden sie sind nicht von einer Person oder einer Disziplin allein zu bewältigen. Es handelt sich um sogenannte lebensweltliche Probleme, die einen transdisziplinären Ansatz mit Unterstützung jener Personen erfordern, die von den Auswirkungen betroffen sind. Dieser transdiszi- 74 3 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0065 wurden praktische Lösungen untersucht, die für Kommunen und Eigentümer: innen realisierbar sind. Durch die sinnvolle Nutzung der grauen Energie, die in diesen historischen Gebäuden steckt, soll nicht nur die Lebensdauer dieser Strukturen verlängert, sondern auch ein nachhaltiger Beitrag zur Energieeffizienz geleistet werden. Die gewonnenen Erkenntnisse daraus sollen direkt auf andere Objekte übertragbar sein. Damit soll der bestehende Sanierungsstau überwunden werden. Dabei geht es nicht um das Zeigen des größtmöglichen Spektrums smarter Möglichkeiten, sondern vielmehr um die modellhafte Entwicklung einer zukunftsweisenden und intelligenten Lösung, zwischen einem Baudenkmal und den Bedürfnissen der Nutzer: innen aufzuzeigen. Fokus: Smart Water Einbeck Die Stadt Einbeck saniert in der Knochenhauerstraße 2-4 ein denkmalgeschütztes Fachwerkhaus-Ensemble. In diesem Zusammenhang entstand die Idee, das klimaangepasste und -schonende Vorgehen ebenfalls auf den Themenkomplex Wasser zu beziehen. Die Betrachtung des Stoffstroms bzw. der Ressource Wasser kann verschiedene Teilgebiete in Planung, Bau und Betrieb einer Immobilie umfassen. Daher wurden mit der Stadt Einbeck folgende plinäre Ansatz bildet das Fundament der Smart-City- Welt, die eine lebenswerte Zukunft mittels digitaler Unterstützung sicherstellen soll. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen schuf die Förderinitiative „Smart Cities“, die in drei Förderstaffeln 73 ausgewählte Kommunen mit finanziellen Ressourcen ausstattet, um ein unkonventionelles Herangehen an Probleme zu erproben und den übrigen 11.000 Kommunen die entstehenden Lösungen bereitzustellen. Ziel der Projekte ist es, die „Digitalisierung strategisch im Sinne einer integrierten, nachhaltigen und gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung“ zu gestalten. Sektorenübergreifende, digitale Strategien für das Stadtleben der Zukunft werden in den Modellprojekten der Smart Cities entwickelt und erprobt. Die Modellprojekte der dritten Förderstaffel (Start 2021) stehen unter dem Motto „Gemeinsam aus der Krise: Raum für Zukunft“ (BMI, 2021). Die Maßnahme „Denk! Mal“ ist eines der vier Kernthemen im Smart-City-Projekt Einbeck. „Wenn man auf die Übersichtskarte von Deutschland schaut, kann man sagen, dass Einbeck mittendrin liegt. Die hübsche Fachwerkstadt Einbeck liegt, idyllisch eingebettet in sanfte Hügel im Herzen des Landes, zwischen den Mittelgebirgszügen Weserbergland, Harz und Solling. Sie streckt sich weit in die Fläche und man mag es kaum glauben: Mit mehr als 231 Quadratkilometern ist unser Einbeck die flächengrößte Stadt Südniedersachsens! (Deutsche Fachwerkstraße, 2023)“ Mit gut 150 Bürger: innenhäusern spät-gotischer Bauweise aus dem 16. Jahrhundert und mehr als 800 denkmalgeschützten Hausstellen allein in der Kernstadt bestehen reichlich historische Baudenkmale in Einbeck. Längst nicht alle dieser Objekte sind in gutem Zustand und noch weniger von ihnen befinden sich technologisch auf dem neuesten Stand. Das betrachtete Objekt, das Einbecker Denk! Mal in der Knochenhauerstraße 2-4, war zur Zeit seiner Errichtung der Kern des Quartiers Kernstadt. Anhand dieses Smart-City-Objekts wird das Ziel verfolgt, ein Fachwerkhaus durch eine technisch moderne Sanierung zum Vorzeigeprojekt für den Denkmalschutz zu entwickeln. Es soll die Hürden verdeutlichen, die Kommunen und Eigentümer: innen beim Umgang mit entstehenden Kosten und der Integration regenerativer Technologien in denkmalgeschützten Gebäuden haben (Quelle: Stadt Einbeck (2025)). Von denkmalgerechten Photovoltaikanlagen bis hin zu modernen, nachhaltigen Speicher- und Heizsystemen (bspw. einem Eisspeicher), einer optimierten Gebäudeleittechnik Bild 1: Quelle: Stadt Einbeck Bild 2: Quelle: Stadt Einbeck THEMA Umwelt 75 3 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0065 werden (Quelle: Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (2024). Dies zeigt, dass Starkregen nahezu überall auftreten kann - unabhängig von Geländeform oder geografischer Lage. Auch in Einbeck wurden im genannten Zeitraum insgesamt 13 relevante Ereignisse dokumentiert (siehe Bild 4). Diese traten sowohl im Stadtgebiet als auch im Umland auf. Die gemessenen Regenmengen reichten von 33 bis 107 Millimetern, bei Starkregenindizes zwischen 4 (intensiver Starkregen) und 10 (extremer Starkregen). Das entspricht statistischen Wiederkehrraten von etwa 12 Jahren bis hin zu stärkeren Niederschlagsereignissen, die nur alle 100 Jahre oder seltener auftreten (Quelle: DWA (2016), Daten anhand KOSTRA-DWD-2020, DWD (2025) und DIN 1986-100). Die Daten basieren auf statistischen Berechnungen und dienen vorrangig als Grundlage für den Vergleich und die Planung. Sie sind ein wichtiges Hilfsmittel, um Risiken besser einzuschätzen und Maßnahmen zur Klimaanpassung gezielt zu entwickeln. Für die Konzeption eines geeigneten Regenwassermanagements in der Knochenhauerstraße ist es entscheidend, die sogenannte Regenspende zu ermitteln. Sie bildet die Grundlage für die Dimensionierung von Speichervolumina, um Regenwasser bei Starkregenereignissen kontrolliert zurückzuhalten und gedrosselt in das Kanalsystem einzuleiten. Zur Berechnung wurden die Daten des Kostra-Atlas des DWD sowie die Vorgaben der DIN 1986-100 herangezogen (Quellen: KOSTR A-DWD-2020, DWD (2025) und DIN 1986-100). Zusätzlich wurde eine zukunftsorientierte Variante auf Basis eines hundertjährigen Starkregenereignisses berücksichtigt, um steigenden Anforderungen durch die Klimawandel- Betrachtungsbereiche für das Projekt „Smart Water Einbeck“ definiert: ƒ Pufferung von Regenwasser und Starkregenvorsorge ƒ Nutzung von Wasser für Maßnahmen der Klimawandeladaption und der Hitzeprävention ƒ Einsatz von Regenwasser und/ oder Grauwasser zur urbanen Kühlung und folglich Abminderung von Hitzeinseln ƒ Nutzung von Grauwasser als Trinkwassersubstitut zur Schonung der Grundwasserreserven und zur Minimierung von Wasserstress ƒ Rückgewinnung der Abwärme aus dem Grauwasser zur Energienutzung in der Knochenhauerstraße 2-4 und folglich Einsatz einer regenerativen Wärmequelle. Die Ergebnisse der Smart-Water-Potenzialstudie für die Knochenhauerstraße 2-4 und seiner Umgebung werden nachfolgend vorgestellt. Management von Regenwasserressourcen und Starkregenvorsorge Mit sich rasant zuspitzenden Klimawandelfolgen wird es immer wichtiger, Städte und Gemeinden an die sich verändernden Bedingungen anzupassen. Zentrale Aspekte sind die Starkregenvorsorge und ein intelligentes Regenwassermanagement. Im Projekt Smart Water Einbeck wurde im ersten Schritt untersucht, welche Starkregenereignisse konkret im Stadtgebiet Einbeck mit welcher Intensität gemessen wurden. Auf Grundlage dieser Analyse konnten mögliche Handlungsansätze für ein angepasstes Regenwassermanagement entwickelt werden. Für die Analyse wurden Starkregenereignisse des Zeitraums 2001 bis 2022 betrachtet, die mithilfe von Radardaten vom Deutschen Wetterdienst (DWD) erfasst wurden. Landesweit konnten dabei über 700 Ereignisse mit einer statistischen Wiederkehrwahrscheinlichkeit von 100 Jahren oder mehr identifiziert Bild 3: Quelle: Stadt Einbeck Bild 4: Quelle: Darstellung: AichHörnchen Consulting, Daten: DWD opendata (2024). THEMA Umwelt 76 3 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0065 - zu berücksichtigen, um ein vollständiges Bild der Abflusssituation zu erhalten. Wasser als Ressource zur Klimawandeladaption und Hitzeprävention Ein weiterer bedeutender Aspekt der Anpassung an den Klimawandel ist der Umgang mit steigenden Temperaturen. Besonders in dicht bebauten Gebieten kommt es zur Bildung sogenannter urbaner Hitzeinseln, bei denen sich die städtische Umgebung deutlich stärker aufheizt als das angrenzende Umland. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, gibt es unterschiedliche technische Lösungen, bei denen etwa Regen-, Trink- oder Grauwasser zur Kühlung und Verbesserung des Mikroklimas genutzt werden können. Zur Einschätzung zukünftiger klimatischer Entwicklungen bieten die Modellrechnungen des Weltklimarats (IPCC) eine valide Prognosegrundlage. Diese sogenannten „Shared Socioeconomic Pathways“ (SSP) beschreiben unterschiedliche mögliche Zukunftsszenarien, die sich durch gesellschaftliche, wirtschaftliche und politische Entwicklungen unterscheiden. Dabei reichen die Szenarien von einem nachhaltigen, ressourcenschonenden Weg (SSP1) bis hin zu einer stark auf fossilen Energien beruhenden Entwicklung (SSP5) (Quelle: Keywan Riahi et al. (2017)). Zur Einordnung der bisherigen Temperaturentwicklung der Region um Einbeck wurden historische Temperaturdaten ausgewertet. Daten regionaler Wetterstationen zeigen seit den 1990er-Jahren einen deutlichen Temperaturanstieg, besonders im Frühling und Sommer - teils bis zu 2 K im Vergleich zum Referenzzeitraum 1961-1990. Auch Herbst und Winter weisen eine abgeschwächte Erwärmung auf (Quelle: Wetter- Kontor (2024)). Zur Abschätzung künftiger Entwicklungen wurde für Einbeck eine Klimaprojektion auf Basis des RCP-8.5-Szenarios erstellt. Dieses „business as usual“-Szenario, das keine zusätzlichen Maßnahmen zum Klimaschutz vorsieht, zeigt für 2031-2060 einen Temperaturanstieg von etwa 2 K. Besonders betroffen folgen zu entsprechen. Die angesetzte Dauerstufe war für alle Betrachtungen ein 5-Minuten-Regen in Anlehnung an die Planungspraxis. Die daraus abgeleiteten Volumenschätzungen geben erste Anhaltspunkte, wie groß ein Regenwasserspeicher für das betrachtete Objekt ausfallen müsste, wenn ein statistisch berechnetes Starkregenereignis in Gänze gesammelt und damit gepuffert werden soll. Die Regenspende (Liter pro Sekunde und Hektar) bezieht sich in diesem Fall auf die wirksame Dachfläche der Gebäude Knochenhauerstraße 2 bis 4. Für die Starkregenvorsorge ist die Drosselung des Regenwasserabflusses in das Kanalsystem von höherer Relevanz, sodass auch ein geringeres Speicher- und damit Puffervolumen denkbar ist. Bewusst wurde der Vergleich zu den Warnstufen des DWD hergestellt, die auf längeren Regenereignissen (60 Minuten) basieren (Quelle: DWD (2025)). Dies verdeutlicht die Diskrepanz zwischen meteorologischen Prognosen und Planungsvorgaben. Es zeigt die Bedeutung der Prognosen für Regenereignisse für die angepasste Auslegung technischer Systeme. Mögliche künftige Anpassungen technischer Regelwerke durch Fachverbände sind zu beachten. Für die Umsetzung vor Ort ist grundsätzlich die Abstimmung mit dem zuständigen Entwässerungsbetrieb zielführend. Dabei ist insbesondere zu klären, wie viel Wasser das bestehende Kanalsystem aufnehmen kann, wann es an seine Kapazitätsgrenze stößt und welches Rückhaltevolumen auf dem Grundstück selbst vorgesehen werden muss. Ein innovativer Ansatz im Denk! Mal-Musterhaus ist die Kombination der Regenwasserspeicherung mit dem geplanten Eisspeicher am Standort. Solche kombinierten Systeme bieten Potenzial zur Mehrfachnutzung und wurden bereits in Pilotumsetzungen erprobt. Abschließend ist wichtig: Die Berechnungen beziehen sich ausschließlich auf die Dachflächen. Für eine spätere Detailplanung ist die gesamte versiegelte Grundstücksfläche - etwa ein betonierter Innenhof Bild 5: Quelle: Darstellung: AichHörnchen Consulting. THEMA Umwelt 77 3 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0065 gen in Einbeck in den letzten Jahrzehnten im Mittel stabil geblieben - mit einer gleichmäßigen Verteilung über das Jahr. Besonders im Sommer stand gemäß den Aufzeichnungen bis dato ausreichend Regenwasser für die Versorgung begrünter Flächen zur Verfügung (Quelle: Wetter-Kontor (2024)). Für die konkrete Planung in der Knochenhauerstraße wurde exemplarisch die Wasserbilanz berechnet: Anhand wirksamer Dachfläche, Niederschlagsaufzeichnungen und angenommener Bewässerungsbedarfe für eine begrünte Fassade lässt sich ableiten, dass Regenwassermenge und Bewässerungsbedarf gut übereinstimmen (siehe Bild 6). Zusätzlich könnten auch angrenzende Fassaden oder öffentliche Flächen wie der Hallenplan in das Regenwasserkonzept einbezogen werden, um den Hitzestress im Quartier weiter zu reduzieren. Nutzung von Grauwasser als Trinkwassersubstitut im Denk! Mal-Musterhaus Ein zukunftsweisender Ansatz in der nachhaltigen Stadtentwicklung ist die Nutzung der im Abwasser enthaltenen Ressourcen - insbesondere über sogenannte ressourcenorientierte Sanitärsysteme (ROSS). Diese Systeme zielen auf eine frühzeitige Getrennthaltung von Abwasserteilstromen am Ort der Entstehung ab, um einzelne Bestandteile wie Wasser, Wärme oder Nährstoffe gezielt und effizient zurückzugewinnen (Quelle: Weiterbildendes Studium Wasser und Umwelt, Bauhaus-Universität Weimar (2009)). Abwasser enthält verschiedene Fraktionen (siehe Bild 7): ƒ Grauwasser (aus Bad oder Küche ohne Toilette) ist weniger belastet und kann in leicht und stark belastetes Grauwasser differenziert werden. ƒ Schwarzwasser entsteht, wenn Urin, Fäzes und Spülwasser gemeinsam über eine Spültoilette abgeleitet werden. ƒ Gelbwasser (Urin und Spülwasser) und Braunwasser (Fäzes und Spülwasser) können durch Getrennthaltung in sogenannten No-Mix-Spültoiletten gefasst werden. Im Projekt Denk! Mal-Musterhaus in der Knochenhauerstraße 2-4 liegt der Fokus auf der Gewinnung und Aufbereitung von Grauwasser. Zwei Ressourcen lassen sich daraus zurückgewinnen: ƒ Wasser - als Substitut für Trinkwasser in Form von Nichttrinkwasser, z. B. für die Toilettenspülung oder urbane Kühlung. ƒ Wärme - die über Wärmetauscher aus dem warmen Grauwasser extrahiert werden kann. Aufbereitungstechnologien für Grauwasser sind heute technisch erprobt und werden bereits erfolgist die Innenstadt, darunter die Knochenhauerstraße 2-4. Aufgrund der dichten Bebauung und des Mangels an kühlender Vegetation oder Wasserflächen ist hier mit einer zusätzlichen Verstärkung des urbanen Hitzeinsel-Effekts zu rechnen. Das unterstreicht die Notwendigkeit, Maßnahmen zur Verbesserung des Mikroklimas in die Stadtentwicklung zu integrieren - etwa durch Begrünung, Verschattung, Regenwassernutzung oder technische Kühlungslösungen. Eine wirkungsvolle Strategie zur Klimawandelanpassung ist der Einsatz grüner und blau-grüner Infrastruktur. Dabei handelt es sich um ein Zusammenspiel von Begrünung (z. B. Bäume, Flächengrün, Fassaden- und Dachbegrünungen) und Wassermanagement (z. B. Offene Wasserflächen, Regenwassernutzung oder Verdunstungskühlung). Solche Infrastrukturen mildern die Folgen von Hitze und Starkregen und verbessern das Mikroklima (Quelle: bba (2021)). Diese Systeme wirken auf verschiedene Weise positiv auf das Stadtklima: Vegetation verschattet Flächen, kühlt durch Verdunstung (Evapotranspiration), verändert Luftströmungen und reduziert die Aufheizung von Oberflächen. Auch Wasserinstallationen (bspw. Fontänen oder Sprühnebelanlagen) tragen zur Abkühlung der Umgebungsluft bei - insbesondere durch die feine Verteilung des Wassers, die die Verdunstung und damit verbundene Wärmeabfuhr verstärkt (Quelle: Hartz (2012), Stadt Zürich (2023)). Für das Projektgebiet in der Knochenhauerstraße 2-4 bietet sich der Einsatz dieser Maßnahmen an. Beispielsweise könnte im Innenhof des Denk! Mal-Musterhauses eine Fassadenbegrünung mit Regenwassernutzung installiert werden. Eine Ausweitung solcher Maßnahmen auf umliegende öffentliche Plätze - wie etwa den stark versiegelten „Hallenplan“ - ist ebenfalls sinnvoll. Ergänzt werden sollte dies durch ein Grünflächenkonzept mit Integration zusätzlicher Stadtbäume. Wesentliche Grundlage dieser Maßnahmen ist die Verfügbarkeit von Regenwasser. Laut den Daten regionaler Wetterstationen sind die Niederschlagsmen- Bild 6: Quelle: Darstellung: AichHörnchen Consulting. THEMA Umwelt 78 3 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0065 Kostenbetrachtung Für die Integration der Systeme ist eine frühzeitige Planung entscheidend, da insbesondere die Getrennthaltung von Grauwasser- und Schwarzwasser ausschlaggebend ist. Im Neubau und bei Kernsanierungen bietet sich die doppelte Leitungsführung an. Für das Denk! Mal-Gebäude würde dies eine Grauwasserableitung mit einem größeren Durchmesser zur Rückgewinnung und eine Ableitung des Schwarzwassers in einem etwas kleineren Durchmesser für die Zuführung zum zentralen Entwässerungssystem bedeuten. Die Zusatzkosten umfassen bei einer ohnehin durchzuführenden Sanierung der Wände und Böden lediglich die Einbringung zusätzlicher Rohrleitungen und wiesen in der Schätzung moderate Mehrkosten auf. Diese stehen einer dauerhaften Einsparung von Energie und Trinkwasser gegenüber - sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich ein sinnvoller Beitrag zur Gebäudeeffizienz. Fazit: Smart City trifft Smart Water - Wasser als Schlüsselelement der zukunftsfähigen Stadtentwicklung Die Herausforderungen unserer Zeit - von Klimawandel über Ressourcenverknappung bis hin zur gesellschaftlichen Transformation - verlangen nach sektorübergreifenden und integrativen Lösungen. Der Smart-City-Ansatz verkörpert genau diesen Weg, indem er Technik, Mensch und Raum vernetzt und eine lebenswerte Zukunft aktiv mitgestaltet. Wasser spielt dabei eine zentrale Rolle - nicht nur als lebenswichtige Ressource, sondern als multifunktionales Medium im Sinne ökologischer, sozialer und technischer Nachhaltigkeit. Am Beispiel des Denk! Mal-Projekts in Einbeck zeigt sich eindrucksvoll, wie Smart Water als Teil der Smart City wirken kann: Regen- und Grauwasser werden nicht mehr nur als Abfallprodukt, sondern als Ressource verstanden - zur Kühlung urbaner Räume, zur Trinkwassereinsparung und zur Energiegewinnung. Gleichzeitig wird Wasser zum Instrument der Klimaanpassung, insbesondere durch gezielte Starkregenvorsorge und Maßnahmen zur Hitzeprävention. Die Kombination technischer Innovation mit reich in vielen Gebäuden eingesetzt (Quelle: Nolde (2014)). Gleiches gilt für die Wärmerückgewinnung, die sich wirtschaftlich betreiben lässt, sofern eine kontinuierliche Abnahme am Standort gegeben ist - was für die geplante Büro- und Wohnnutzung in der Knochenhauerstraße zutrifft. Die Nutzungspotenziale im Projektgebiet wurden auf Basis des aktuellen Kriterienkatalogs der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen ab-geleitet (Quelle: DGNB System (2023)): ƒ Der jährliche Wasserverbrauch im Objekt beträgt ca. 185 m³. ƒ Etwa 78 % dieses Bedarfs, also rund 146 m³, könnten durch aufbereitetes Grauwasser ersetzt werden. Diese Werte zeigen das erhebliche Potenzial und unterstreichen die ökologische wie wirtschaftliche Sinnhaftigkeit eines Grauwassersystems in diesem konkreten Projekt. Abwärme-Rückgewinnung aus Grauwasser zur Energienutzung Ein weiterer wichtiger Aspekt nachhaltiger Gebäudetechnik ist die Rückgewinnung von Wärme aus Grauwasser, die vor allem bei der Nutzung von Wasser zum Duschen und Baden, Wäsche waschen oder Geschirrspülen entsteht. Diese Wärme, die normalerweise ungenutzt in die Kanalisation abfließt, kann durch Wärmetauscher oder Wärmepumpen energetisch erschlossen und dem Gebäude wieder zugeführt werden. Der Wärmebedarf von Büronutzungen in Deutschland variiert je nach Baualter stark. Durchschnittlich wird von einem Bedarf in Höhe von 70 kWh/ m²*a ausgegangen (Quelle: Enwipo (2017)). Bei einer geplanten Bürofläche von 92,9 m² im Objekt ergibt sich ein Gesamtwärmebedarf von etwa 6.503 kWh/ Jahr. Davon entfallen rund 10 % auf die Warmwasserbereitung. Demnach könnten 34 % dieses Bedarfs mit einer Wärmepumpe bzw. 23 % mit einem Wärmetauscher (bei 148 kWh) gedeckt werden. Auch für den Wohnbereich ist das Potenzial beachtlich: Bei einer geplanten Wohnfläche von 171,4 m² und einem spezifischen Warmwasserwärmebedarf von 10 kWh/ m²*a ergibt sich ein Bedarf von 1.714 kWh/ Jahr. 100 % dieses Bedarfs könnten durch eine Wärmepumpe gedeckt werden. Mit einem Wärmetauscher wären 38-76 % erreichbar - je nach Auslegung. Die Unterschiede resultieren aus den unterschiedlichen Wirkungsgraden der beiden Systeme. Ein wichtiger Vorteil: Die geplante Eisspeicheranlage mit Wärmepumpe und Wärmespeicher im Gebäude kann optimal durch die Rückgewinnung von Wärme aus Grauwasser ergänzt werden - ein klarer Synergieeffekt innerhalb des Energiekonzepts. Bild 7: Quelle: Aichhörnchen Cosulting (2023). THEMA Umwelt 79 3 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0065 wasser/ hochwasser_kustenschutz/ starkregen/ starkregen-233672.html DWA (2016): Merkblatt DWA-M 119: Risikomanagement in der kommunalen Überflutungsvorsorge für Entwässerungssysteme bei Starkregen DWD opendata (2024): Heavy precipitation events Version 2024.01 exceeding DWD warning level 3 for severe weather based on RADKLIM-RW Version 2017.002. Verfügbar unter: 10.5676/ DWD/ CatRaRE_W3_Eta_v2024.01 Keywan Riahi et al. (2017): ‘ The Shared Socioeconomic Pathways and their energy, land use, and greenhouse gas emissions implications: An overview ’, Global Environmental Change, 42, pp. 153-168. doi: 10.1016/ j.gloenvcha.2016.05.009 bba bau beratung architektur (2021): Begrünungen bauphysikalisch bewerten. Verfügbar unter: https: / / www.bbaonline.de/ news/ begruenungen-dach-fassade-bauphysikalisch-bewerten/ Hartz, Andrea (Hrg.) (2012): Städtische Freiraumplanung als Handlungsfeld für Adaptionsmaß-nahmen. Abschlussbericht des Saarbrücker Modellprojekts im Rahmen des ExWoSt-Forschungsprogramms „Urbane Strategien zum Klimawandel - Kommunale Strategien und Potenziale. Saarbrücken: Landeshauptstadt Saarbrücken, Amt für Grünanlagen, Forsten und Landwirtschaft, Dezember 2012 Stadt Zürich (2023): Fachplanung Hitzeminderung. Verfügbar unter: https: / / www.stadt-zuerich.ch/ de/ umwelt-undenergie/ klima/ klimaanpassung/ hitze/ fachplanung-hitzeminderung.html Enwipo (2017): Energiebedarf von Bürogebäuden ermitteln. Verfügbar unter: https: / / www.enwipo.de/ 2017/ 03/ 07/ energiebedarf-von-buerogebaeuden-ermitteln/ ? utm_ source=chatgpt.com Weiterbildendes Studium Wasser und Umwelt, Bauhaus- Universität Weimar (2009) Neuartige Sanitärsysteme: Begriffe, Stoffströme, Behandlung von Schwarz-, Braun-, Gelb-, Grau- und Regenwasser, Stoffliche Nutzung. 1. Aufl. Kromsdorf: Bauhaus-Universitätsverlag als Imprint von VDG Weimar. DWD (2025): Starkregen. Verfügbar unter: https: / / www.dwd. de/ DE/ service/ lexikon/ begriffe/ S/ Starkregen.html WetterKontor (2024): Wetter in Deutschland, Mittelwert aus Seesen, Bevern und Alfeld. Verfüg-bar unter: https: / / www. wetterkontor.de/ Nolde, Erwin (2014): Greywater Recycling in Buildings. In Water efficiency in buildings, heraus-gegeben von Kemi Adeyeye, 1999: 169-89. Chichester, West Sussex: Wiley, 2014. Eingangsabbildung: © iStock.com/ kulkann denkmalgerechter Sanierung belegt, dass sich ökologisches und kulturelles Erbe nicht ausschließen, sondern im Gegenteil synergetisch wirken können. Smart Water ist damit weit mehr als ein technischer Baustein - es ist ein verbindendes Element, das ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Ziele im urbanen Raum miteinander verknüpft. Wasser adressiert grundlegende Bedürfnisse wie Gesundheit, Sicherheit und Lebensqualität - Themen, die angesichts von Klimawandel, demografischem Wandel und gesellschaftlicher Polarisierung zentrale Bestandteile einer zukunftsfähigen Stadtplanung sind. Die Einbecker Projekte machen deutlich: Der Weg zur intelligenten Stadt führt nicht allein über Digitalisierung oder Technologie. Es geht um das Zusammendenken von Mensch, Raum und Ressourcen - und Wasser ist dabei einer der zentralen Schlüssel zur Resilienz, Nachhaltigkeit und Gemeinwohlorientierung in der Stadt von morgen. Im Kontext der Smarty-City -Projekte ist die Maßnahme „Denk! Mal“ mittlerweile Inspirationsstätte für andere Fachwerkstädte, es ist Vorbild für viele andere Gebäude in Einbecks historischer Kernstadt, es ist Fallstudienobjekt für Studiengänge in den Bereichen Denkmalschutz, Architektur, Bau- und Umweltingenieurwesen, Innovationsmanagement sowie Stadt- und Regionalplanung. Es ist nicht mehr das Musterhaus, der leuchtende Stern am Firmament der historisch-modernen Gebäude. Es ist der Anfang eines Sternenhimmels voll solcher Objekte. Jedes individuell und jedes noch besser als das davor. LITERATUR Deutsche Fachwerkstraße (2023): Oldtimer, Fachwerk, Bier und noch viel mehr hat Einbeck zu bieten. Verfügbar unter: https: / / www.deutsche-fachwerkstrasse.de/ Regionalstrecken_Staedte/ Von-der-Elbe-zum-Harz/ Einbeck.html Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) (2021): Modellprojekte Smart Cities 2021 Gemeinsam aus der Krise - Raum für Zukunft. Verfügbar unter: https: / / www.smart-city-dialog.de/ system/ files/ media/ 921/ 1694164967/ BMI-SmartCities_Modellprojekte2021_FINAL_bf.pdf Stadt Einbeck (2025): Smart City. Verfügbar unter: https: / / www. einbeck.de/ portal/ seiten/ smart-city-900000231-30110. html KOSTRA-DWD-2020 (2023): Rasterfeld Nr. 122142. Verfügbar unter: https: / / www.openko.de/ kostra-dwd-2020-rasterfeld-nr-122142/ Kostra-Atlas des DWDs DIN 1986-100. Entwässerungsanlagen für Gebäude und Grundstücke - Teil 100: Bestimmungen in Verbindung mit DIN EN 752 und DIN EN 12056 DGNB-System (2023): Kriterienkatalog Gebäude Neubau, Version 2023. Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (2024): Starkregen. Verfügbar unter: https: / / www.umwelt.niedersachsen.de/ startseite/ themen/ AUTOR: INNEN Andrea Lück, Dr.-Ing., freiberufliche Wirtschaftsingenieurin andrea.lueck@posteo.de Stefanie Hörnlein, freiberufliche Umweltingenieurin stefanie.hoernlein@posteo.de Rebecca Spaunhorst, Smart-City Koordinatorin, Stadt Einbeck rspaunhorst@einbeck.de Alena Ronnenberg, Gebäude- und Liegenschaftsmanagement, Stadt Einbeck aronnenberg@einbeck.de THEMA Umwelt 80 3 · 2025 TR ANSFORMING CITIES DOI: 10.24053/ TC-2025-0065