Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2021-0004
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JungkMit explorativer Datenanalyse und Data Mining zu hoch effizienten polymeren Tribo-Schicht-Systemen
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Anna Buling
Laura Dongmo Guetse
Jörg Zerrer
Die zunehmenden Anforderungen an Komponenten in hochentwickelten Bereichen wie dem Maschinenbau oder der Fahrzeugindustrie erfordern neue Ansätze in der Entwicklung und Anwendung tribologischer Systeme. So spielt die Reduzierung von Verschleiß und Reibung die Hauptrolle, während
Nachhaltigkeit und Energieeinsparung durch die Substituierung von z.B. Stahl durch Leichtmetalle erreicht werden kann.
Hierzu beschäftigt sich diese Studie mit der Entwicklung von tribologischen Schutzsystemen, basierend auf dem Hochleistungspolymer PEEK, welche durch den Einsatz eines neuartigen Laserbeschichtungssystems auf Leichtmetallen appliziert werden.
Um den Laserprozess möglichst effektiv zu gestalten, werden Korrelationen zwischen den Beschichtungsparametern, der daraus resultierenden Schichtmorphologie und den mechanischen und tribologischen Eigenschaften ermittelt. Weiterhin wurde der Einfluss reibungs- und verschleißreduzierender Additive und ihrer Konzentrationen auf die Trockenschmierung untersucht, während die unterschiedlich einstellbaren Eigenschaften mithilfe von Data Mining festgehalten
und analysiert wurden.
Durch die Kombination der so ermittelten Erkenntnisse konnten Prozessparameter optimiert und ein
Multi-Schichtsystem entwickelt werden, welches hohe Korrosions- und Verschleißbeständigkeit mit
der Ausbildung eines Tribo-Films verbindet und somit zu geringer Reibung und einer extrem verlängerten Lebensdauer beiträgt.
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Aus Wissenschaft und Forschung 24 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 1/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0004 Mit explorativer Datenanalyse und Data Mining zu hoch effizienten polymeren Tribo-Schicht-Systemen Anna Buling, Laura Dongmo Guetse, Jörg Zerrer* Die zunehmenden Anforderungen an Komponenten in hochentwickelten Bereichen wie dem Maschinenbau oder der Fahrzeugindustrie erfordern neue Ansätze in der Entwicklung und Anwendung tribologischer Systeme. So spielt die Reduzierung von Verschleiß und Reibung die Hauptrolle, während Nachhaltigkeit und Energieeinsparung durch die Substituierung von z.B. Stahl durch Leichtmetalle erreicht werden kann. Hierzu beschäftigt sich diese Studie mit der Entwicklung von tribologischen Schutzsystemen, basierend auf dem Hochleistungspolymer PEEK, welche durch den Einsatz eines neuartigen Laserbeschichtungssystems auf Leichtmetallen appliziert werden. Um den Laserprozess möglichst effektiv zu gestalten, werden Korrelationen zwischen den Beschichtungsparametern, der daraus resultierenden Schichtmorphologie und den mechanischen und tribologischen Eigenschaften ermittelt. Weiterhin wurde der Einfluss reibungs- und verschleißreduzierender Additive und ihrer Konzentrationen auf die Trockenschmierung untersucht, während die unterschiedlich einstellbaren Eigenschaften mithilfe von Data Mining festgehalten und analysiert wurden. Durch die Kombination der so ermittelten Erkenntnisse konnten Prozessparameter optimiert und ein Multi-Schichtsystem entwickelt werden, welches hohe Korrosions- und Verschleißbeständigkeit mit der Ausbildung eines Tribo-Films verbindet und somit zu geringer Reibung und einer extrem verlängerten Lebensdauer beiträgt. Schlüsselwörter Beschichtung, Festkörperschmierung, Trockenschmierung, Reibungsreduzierung, PEEK, Leichtmetalle With explorating data analysis and data mining to highly effective polymer tribo-coatings Since current developments in machine building and automotive industry are dealing with the amplification of energy efficiency and sustainability of components, the reduction of friction and wear losses plays the most important key role. A further aspect of energy saving by mass reduction can be taken into account by substituting steel by lightweight metals. To fulfill these requirements, this study focuses on the development of a tribo-coating system, based on PEEK (poly-ether-ether-ketone) as a base coating material for Al substrates. The coating is applied by using laser radiation to increase the energy efficiency of the coating process on the one hand and to reduce thermal stress on the component on the other hand. Furthermore, the laser process improves the mechanical properties of the polymeric coating. In the first step the correlation between the coating process parameters and the resulting coating morphology accompanied by its mechanical properties and the tribological behavior was elucidated by using explorative data analysis. Here, the influence of different wear and/ or friction reducing additives and their variable concentrations was also taken into account, while the tribological response of the resulting coating systems was examined and valuated under dry sliding conditions. Using data mining, the most dominant correlations between the process parameters and the tribological answer of the coating system could be found. Utilizing these findings, the process parameters for different additives in the PEEK dispersions could be optimized, and a multilayer system was established, which combines high corrosion and wear protection accompanied by a tribo-film formation resulting in low friction and an increased lifetime of the coating system. Keywords Coatings, solid-state-lubrication, dry sliding, low friction, PEEK, lightweight metals Kurzfassung Abstract * Dr. rer. nat. Dipl.-Phys. Anna Buling (federführender Autor) M. Sc. Laura Dongmo Guetse Dipl.-Ing. Jörg Zerrer ELB - Eloxalwerk Ludwigsbug Helmut Zerrer GmbH 71642 Ludwigsburg TuS_1_2021.qxp_TuS_Muster_2020 12.03.21 16: 23 Seite 24 1 Einführung Während die Bedeutung von Leichtmetallen in unterschiedlichen Industriezweigen, wie dem Automobil- oder dem Maschinenbau, immer weiter zunimmt, wo deren Einsatz zur Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs und somit dem Umweltschutz beiträgt [1], ist der Energieverbrauch, der durch Reibungsverluste entsteht, nach wie vor sehr hoch [2]. Weiterhin erfordert das Entwickeln neuer Oberflächenstrategien für tribologische Anwendungen lange Zeiträume, wobei oft nur wenige Vergleichsmessungen und geringe statistische Auswertungen erfolgen. Dies führt häufig zu Systemen, die nicht ihr volles Potential entfalten können. Um dem Leichtbaugedanken zu entsprechen, beschäftigt sich diese Studie mit einer Beschichtungstechnologie für das Substratmaterial Aluminium EW6082. Als Beschichtungsmaterial wurde PEEK (Polyetheretherketon) ausgewählt, da es für seine herausragenden mechanischen Eigenschaften und für sein Wirken als Festkörperschmierstoff bekannt ist [3,4]. Der geringe Verschleiß und die damit einhergehende Verlängerung der Lebenszeit dieses Beschichtungsmaterials sollen somit zur Effizienzsteigerung eines solchen tribologischen Systems beitragen. Eine weitere Verbesserung der tribologischen Eigenschaften kann durch den Einbau reibungsreduzierender Additive in der PEEK-Matrix erfolgen [5,6]. Eine neuartige energieeffiziente Lasersintertechnik [7] wurde auf die zuvor applizierten PEEK-Dispersionen in der Weise angepasst, dass zum einen die thermische Belastung auf dem zu beschichtenden Substrat während des Beschichtungsprozesses deutlich reduziert werden konnte, zum anderen auch die Eigenschaften der Beschichtung optimiert werden konnten. Die aufgebrachten PEEK-Einzelschichten wurden anschließend hinsichtlich ihrer morphologischen Eigenschaften charakterisiert und mittels eines Kugel-Scheibe-Tribometers geprüft, wobei explorative Datenanalyse und Data Mining eingesetzt wurden, um Korrelationen zwischen den Lasersinterparametern und den erreichten Eigenschaften der Beschichtungen zu finden und durch Simulationen den Prozess weiter zu optimieren. Durch diese Ergebnisse konnte anschließend ein Multi- Schicht-System erzeugt werden, welches einen hohen Korrosions- und Verschleißschutz mit einer niedrigen Reibung, erreicht durch Tribo-Film-Bildung, kombiniert. 2 Materialien und Methoden Als Substratmaterial wurden zylindrische Proben mit einem Durchmesser von 31 mm und einer Höhe von 6 mm, feingedreht aus AlMgSi1 (EN AW6082), verwendet. Diese wurden zunächst hartanodisiert (HA), wobei die Schichtdicke dieser HA-Schicht 5 µm betrug und die resultierende Oberflächenrauheit einen Wert von R a = 2 µm aufwies. Der positive Einfluss einer solchen HA-Schicht als adhäsionsfördernde Zwischenschicht wurde in vorangegangenen Studien ermittelt. Die verwendeten PEEK-Dispersionen sind wasserbasiert und wurden durch ELB produziert nach in [8] beschriebenem Prozess. Diese Dispersionen wurden mithilfe eines Rakels auf die HA-behandelten Substrate mit einer Nassfilmdicke von 60 µm aufgebracht und anschließend einer Trocknung unterzogen. Durch das mäanderförmige Führen der Laserstrahlung über die PEEK- Partikel wurden diese gesintert, was zu einer kompakten, etwa 20 µm dicken, PEEK-Schicht führte. Hierbei betrug der Festkörperanteil bei den reinen PEEK-Dispersionen rund 35 Gew.-%, die Konzentration der unterschiedlichen Additive wurde zwischen 0,5 und 2 Gew.-% variiert. Das tribologische Verhalten aller applizierten PEEK-Beschichtungen wurde unter Trockenreibung mithilfe eines Kugel-Scheibe-Tribometers (TBR) des Herstellers Anton Paar im linear-reziproken Modus mit einer Spurlänge von 10 mm untersucht. Die maximale Geschwindigkeit betrug v max = 25 cm/ s, die in der Mitte der Verschleißspur bei jedem Durchgang erreicht wurde (Bild 1). Als statischer Gegenpartner wurde eine 100Cr6-Stahl-Kugel mit einem Durchmesser von d = 6 mm eingesetzt. Die aufgebrachte Normalkraft betrug F N = 10 N, was einer Hertzschen Pressung von 571 MPa entspricht. Ein Verschleiß der Beschichtung bis auf das Substratmaterial wurde als Abbruchkriterium dieser Prüfung definiert, wobei der Reibungskoeffizient (COF) während der Prüfung kontinuierlich mit einer Messfrequenz von 40 Hz aufgezeichnet worden ist. Um den zeitlichen Verlauf des COF zu ermitteln, wurde der Mittelwert aus dem Hin- und Rückweg eines Zyklus gewählt. Nach jedem Verschleißtest dieser Art wurde so- Aus Wissenschaft und Forschung 25 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 1/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0004 Bild 1: Schema des tribologischen Prüfaufbaus und -modus TuS_1_2021.qxp_TuS_Muster_2020 12.03.21 16: 23 Seite 25 logie aufgebracht, um die Parameter zu identifizieren, die den größten Einfluss auf das tribologische Verhalten der Oberflächen haben. Der Vollständigkeit halber ist zu erwähnen, dass am Ende ein Mehrschichtsystem entstehen sollte, welches zunächst eine Korrosionsschutzschicht, eine Verschleißschutzschicht und anschließend eine Opferschicht aufweist, welche durch die Ausbildung eines günstigen Tribo-Films zur Reibungsreduzierung beiträgt. Die Langzeitkorrosionsprüfungen, die an den PEEK-Beschichtungen durchgeführt wurden, brachten das Ergebnis hervor, dass weniger die Additive, sondern vielmehr die Porenfreiheit der Schicht eine entscheidende Rolle spielt. Eine möglichst lange Lebensdauer der Beschichtung ist entscheidend, um einen hohen Verschleißschutz abzubilden. Bild 2 zeigt die Lebensdauern der aufgebrachten Ein-Schicht-Systeme in Abhängigkeit von den Prozessparametern, ermittelt durch die zuvor beschriebene Kugel-Scheibe-Prüfung. Hierbei steht P min / % für die eingesetzte Mindestlaserleistung im Beschichtungsprozess, P max / % für die maximale. Die rechte Darstellung zeigt den Zusammenhang zwischen erzielter Lebensdauer und der Prozesstemperatur während des Sinterprozesses. Aus der Darstellung geht Folgendes hervor: Auf der einen Seite führen niedrigere Laserleistungen (sowohl min als auch max) zu deutlich höheren Lebensdauern, auf der anderen Seite führen niedrige Prozesstemperaturen zur Abnahme der Lebensdauer der Beschichtungen. Somit ist es zielführend, Additive in der PEEK-Dispersion einzusetzen, die das Laserlicht bereits bei niedrigen Laserleistungen ausreichend absorbieren und somit eine höhere Prozesstemperatur zur Folge haben. Aus Wissenschaft und Forschung 26 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 1/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0004 wohl die Verschleißspur auf der Beschichtung als auch auf der Stahlkugel mittels eines Laserscanning-Mikroskops (VK-H1XR) sowie dem Analysemodul VK Analysis der Firma Keyence, Japan, untersucht. Im Fall der Beschichtung wurde an mindestens vier Punkten der Verschleißspur das abgetragene Volumen mithilfe eines Profils gemessen. Im Falle der Kugel wurde stets die Gesamtverschleißspur der Kugel betrachtet. Mit dem so gemessenen volumetrischen Verschleiß wurde jeweils der spezifische Verschleißkoeffizient K n mithilfe folgender Formel bestimmt: K n = V/ (F N* L x ) Hierbei ist V das abgetragene Volumen, F N die aufgebrachte Normalkraft und L x die Gesamtprüfdistanz. Zur Analyse der Morphologie und der chemischen Zusammensetzung der Schichtsysteme und der Verschleißspuren wurde ein Rasterelektronenmikroskop (REM) (Hitachi FlexSEM1000), ausgerüstet mit einem EDX- Detektor (Energiedispersive Röntgenspektroskopie) mit der AzTec-Software der Firma Oxford, verwendet. Alle experimentellen Parameter - vom Beschichtungsprozess über die topographische und tribologische Analyse - wurden mithilfe der JMP-Software zur explorativen Datenanalyse erfasst. 3 Ergebnisse 3.1 Ein-Schicht-Systeme Als erster Schritt wurden verschieden dotierte einzelne PEEK-Beschichtungen mithilfe der Lasersintertechno- Bild 2: Lebensdauer der Beschichtungen in Abhängigkeit von Prozessparametern TuS_1_2021.qxp_TuS_Muster_2020 12.03.21 16: 23 Seite 26 Als weiteres Kriterium der tribologischen Charakterisierung wurde der jeweils ermittelte Reibungskoeffizient in hoch (demnächst in roter Farbe dargestellt) und tief (demnächst in grüner Farbe dargestellt) eingeteilt. Zusätzlich wurde der vorherrschende Verschleißmechanismus schichtseitig in die Kategorien „adhäsiv“, „abrasiv“ und „Ermüdung“ eingeteilt. Bild 3 zeigt mögliche Erscheinungsbilder dieser Kategorien. Als unterschiedlich zum Einsatz gebrachte Additive werden mit den Bezeichnungen Ax, AFx und AIx versehen, wobei es sich hierbei um Partikel aus der Klasse der metallischen Oxide, Spinelle oder Mischoxide handelt. Der Einsatz eines Entscheidungsbaums als Tool des Data Mining, wie er für die Lebensdauer in Bild 4 gezeigt ist, spaltet je Induktionsschritt die Trainingsdaten bezüglich des Zielattributs - hier die Lebensdauer - nach der besten Klassifizierung auf. Aus diesem Trainingssatz geht deutlich hervor, dass die Additive neben der Prozesstemperatur den größten Einfluss auf die Lebensdauer haben, wobei die Additive AF6, AF18 und A1 zu den Beschichtungen mit der höchsten Lebensdauer führen (Mittelwert von 300 m). Diese Additive stellen also aussichtsreiche Kandidaten für einen hohen Verschleißschutz dar. Den Verschleißkoeffizienten der Schichten in Betracht ziehend, wird ersichtlich, dass von den zuvor erwähnten Additiven A1 und AF6 ebenfalls zu einem niedrigen Schichtverschleiß führen, wobei insbesondere die A1 in niedriger Konzentration niedrigsten Verschleiß mit einem niedrigen Reibungskoeffizienten vereint (Bild 5). Da insbesondere für die oberste Schicht die Ausbreitung eines Tribofilms auf der Stahlkugel und damit einhergehendem niedrigen Reibungskoeffizienten wünschenswert ist, zeigt Bild 6 die Aufteilung in die unterschiedlichen Erscheinungsbilder der Kugel nach dem Verschleißtest. Deutlich geht hervor, dass viele der getesteten Systeme die Formation eines Tribofilms begünstigen. Insbesondere das AF6 und das AI10 weisen diesen beim Einsatz verschiedener Konzentrationen auf. Somit sind diese aussichtsreiche Kandidaten, um die Festkörperschmierung zu gewährleisten. Aus Wissenschaft und Forschung 27 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 1/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0004 Bild 4: Entscheidungsbaum-Analyse zur Lebenszeit der Ein-Schicht-Systeme Bild 3: Exemplarische Darstellung der möglichen Verschleißmechanismen der Schicht TuS_1_2021.qxp_TuS_Muster_2020 12.03.21 16: 23 Seite 27 Beschichtungen kombiniert: Die Grundschicht soll eine starke Korrosionsschutzwirkung für das Aluminiumsubstrat aufweisen; die zweite Schicht vorwiegend als Verschleißschutzschicht agieren und so zu einer langen Lebensdauer beitragen, und die dritte, oberste Schicht sich vorteilhaft auf die Festkörperschmierung auswirken, indem ein niedriger Reibungskoeffizient durch die Ausbildung eines Tribo-Films entsteht. Langzeit-Korrosionstests, die an den Ein-Schicht-Systemen durch Messen der elektrochemischen Impedanz bei alternierender Einwirkung eines korrosiven Medi- Aus Wissenschaft und Forschung 28 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 1/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0004 Als weiterer Faktor ist in Bild 7 der Verschleiß der Kugel dargestellt. Hieraus wird ersichtlich, dass das Additiv AF6 insbesondere in der niedrigen Konzentration zu einem geringen Verschleiß der Kugel führt. Somit wird diese PEEK-Dispersion im folgenden Mehrschichtsystem als oberste Schicht gewählt, um auch den Verschleiß auf dem Gegenpartner gering zu halten. 3.2 Erzeugung eines Mehrschichtsystems Als Multi-Schicht war ein Beschichtungssystem gewünscht, das mindestens drei unterschiedliche PEEK- Bild 6: Reibungskoeffizient in Abhängigkeit der Additive und ihrer Konzentrationen mit Zuordnung der Verschleißerscheinungen auf der statischen Stahl-Kugel als Gegenpartner Bild 5: spezifischer Schichtverschleiß in Abhängigkeit der Additive und ihrer Konzentrationen TuS_1_2021.qxp_TuS_Muster_2020 12.03.21 16: 23 Seite 28 ums und anschließender Trocknung der Probenoberfläche durchgeführt worden sind, zeigten, dass die undotierte PEEK-Beschichtung (A0) zu stabilem Korrosionsschutz führt. Hierbei ließ sich festhalten, dass vielmehr die niedrige Porosität der wesentliche Einflussfaktor auf die Korrosionshemmung ist. Eine erste Kombination der undotierten PEEK-Schicht (A0) als Korrosionsschutzschicht und einer zweiten Schicht, dotiert mit einer niedrigen Konzentration des Additivs A1 zeigte bereits eine deutliche Erhöhung der Lebensdauer auf bis zu 1000 m Prüfdistanz (siehe Bild 8, dunkelrote Kurve im Vergleich zu den jeweiligen Einzelschichten), wobei hier die höchste erreichte Lebensdauer für die A1-dotierte Einzelschicht bei rund 380 m lag. Allerdings weist das Zwei-Schicht-System aus A0 und A1 eine etwas höhere Reibung, als dies für die Einzelschicht mit A1 der Fall ist. Eine Kombination aus undotierter PEEK-Schicht (A0), A1-dotierter als Zwischenschicht und AF6 als oberster Schicht führt zu einem tribologischen System mit deutlich reduzierter Reibung und einer extrem hohen Lebensdauer (blaue Kurve in Bild 8). Bild 9 zeigt die Werte im Vergleich: Die Lebensdauer ist um drei Größenordnungen höher, wobei zusätzlich der Reibungskoeffizient deutlich niedriger als bei den Ein-Schicht- Systemen ist. Aus Wissenschaft und Forschung 29 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 1/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0004 Bild 7: spezifischer Verschleißkoeffizient der 100Cr6-Kugel in Abhängigkeit der Additive und ihrer Konzentration Bild 8: Entwicklung der Reibungskoeffizienten (COF) über der Testdistanz für die jeweiligen Einzel- und die Multi-Schicht-Systeme TuS_1_2021.qxp_TuS_Muster_2020 12.03.21 16: 23 Seite 29 tierenden (Bild 11c), so erkennt man, dass eine Einebnung der Struktur einhergegangen ist mit der Entfernung der AF6-dotierten obersten Schicht, wobei die A1-Addtive nun in der Verschleißspur erkennbar werden. Somit kann die Schlussfolgerung gemacht werden, dass die AF6-dotierte oberste Schicht als Festkörperschmierung agiert hatte, welche sich durch die Ausbildung des Tribo-Films, womöglich nach dem Einlaufverhalten bis ca. 100 m Prüfdistanz ausgebildet hat und nach der Prüfung auch auf der Kugel (Bild 11d) deutlich zu erkennen ist. Dieser Tribo-Film führt in Folge der Ausbildung im weiteren Verlauf auch zu dem deutlich niedrigeren Reibungskoeffizienten. Trotz der langen Prüfstrecke von 1700 m zeigt die Stahlkugel nur eine vorteilhafte Ausbreitung des Tribo-Films, jedoch keine weiteren Spuren des Verschleißes. Bild 12 zeigt, dass der Verschleißkoeffizient der Kugel durch den Einsatz des Drei-Schicht-Systems um mehr als eine Größenordnung reduziert wird (im Vergleich zu der undotierten Einzel-PEEK-Schicht). Auch der schichtseitige Verschleiß konnte signifikant gesenkt werden. 4 Schlussfolgerung Eine neuartige laserbasierte Beschichtungstechnologie konnte unter Zuhilfenahme von explorativer Datenanalyse und Werkzeugen des Data Mining optimiert werden, indem Prozessparameter und ihr Einfluss auf die applizierten Schichtsysteme betrachtet und ausgewertet wurden. Somit konnten dotierte PEEK-Beschichtungen so kombiniert werden, dass eine Langzeit-Korrosionsbeständigkeit mit einer gesteigerten Lebensdauer begleitet Aus Wissenschaft und Forschung 30 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 1/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0004 Bild 10 zeigt dieses Mehrschichtsystem im metallographischen Querschliff. Die unterschiedlich dotierten Schichten können klar unterschieden werden, während keine Grenzflächen erkennbar sind, sodass eine gute Verbindung zwischen den einzelnen Schichten besteht. Weiterhin wird deutlich, dass eine gute Anhaftung an die HA-Zwischenschicht und somit an das Aluminiumsubstrat besteht. Die detaillierte Untersuchung der Verschleißspur auf dem Drei-Schicht-System lässt dünne Risse senkrecht zur Gleitrichtung erkennen (Bild 11), wobei an jeder Stelle dennoch eine geschlossene PEEK-Oberfläche vorliegt. Vergleicht man die ursprüngliche Struktur und Elementverteilung der Oberfläche der Schicht (Bild 11b) mit der in der Mitte der Verschleißspur resul- Bild 9: Vergleich der Lebensdauer (maximale Prüflänge bis Verschleiß) und der Reibungskoeffizient (COF) für die Mehr-Schicht-Systeme mit den zugehörigen Ein-Schicht-Systemen Bild 10: REM-Aufnahme des Querschliffes des Drei- Schichtsystems TuS_1_2021.qxp_TuS_Muster_2020 12.03.21 16: 23 Seite 30 von niedrigem Verschleiß und reduzierter Reibung durch die Ausbildung eines Tribo-Films abgebildet werden konnte. Basierend auf den tribologischen Erkenntnissen, die bei Ein-Schicht-Systemen durch Methoden des Data Minings evaluiert worden sind, wurde ein Multi- Schicht-System entwickelt, das eine um drei Größenordnungen gesteigerte Lebensdauer, einen zehnfach niedrigeren Schicht- und Gegenkörperverschleiß und reduzierte Reibung aufweist. Somit eignet sich das Prinzip des Data Minings, um Querverbindungen und Trends in tribologischen Systemen zu erkennen, diese in die Weiterentwicklung zu integrieren und hieraus tribologische Schichtsysteme zu entwickeln, die der Ressourcen- und Energieeffizienz zuträglich sind. 5 Danksagung Die die hier vorgestellten Ergebnisse wurden im Rahmen eines geförderten KMU-Innovativ-Projekts (Förderkennzeichen: 01LY1824B) erzielt. Die Autoren danken ebenfalls den Projektpartnern Fraunhofer ILT und Pulsar Photonics GmbH für die exzellente Kooperation innerhalb des Konsortiums vom ATSM. Aus Wissenschaft und Forschung 31 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 1/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0004 Bild 12: Vergleich der spezifischen Verschleißkoeffizenten von Schicht und Stahlkugel für die Einzel- und die Multi-Schicht-Systeme Bild 11: REM-Aufnahmen nach dem Verschleißtest des Drei-Schicht-Systems: a) Verschleißspur auf der Schichtoberfläche; b) Detailansicht der unbeeinträchtigten Schichtoberfläche; c) Detailansicht der Verschleißspur; d) Erscheinung der Stahlkugel als Gegenpartner nach dem Verschleißtest TuS_1_2021.qxp_TuS_Muster_2020 12.03.21 16: 23 Seite 31 [5] V. Rodriguez, J. Sukumaran, A.K. Schlarb, P. de Baets, Influence of solid lubricants on tribological properties of polyetheretherketone (PEEK), Tribology International 103 (2016) 45-57. https: / / doi.org/ 10.1016/ j.triboint.2016.06.037. [6] X. Hou, C.X. Shan, K.-L. 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