eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 68/3-4

Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
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expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2021-0017
91
2021
683-4 Jungk

Faserschonende Carbonfaserproduktion durch innovatives Galetten-Oberflächen-Design - CarboGerd

91
2021
Lukas Lechthaler
Felix Pohlkemper
Marie-Isabell Glaubke
Kees Egbert
Thomas Gries
Daniel Kaußen
Andreas Schneider
Gilvan Barroso
Marina Lehmann
Karl Müll
Während Carbonfasern Kräfte in Faserrichtung problemlos aufnehmen können, sind sie gegen Querbeanspruchung aufgrund ihres anisotropen Werkstoffverhaltens äußerst empfindlich. Beim Herstellungsprozess werden durch die Antriebs- und Umlenkungsgaletten unvermeidbare Querbeanspruchungen in die Faser induziert, welche einzelne Filamente des Rovings beschädigen oder zerstören können. Der Forderung nach einer faserschonenden Oberfläche steht die benötigte Haftreibung zwischen Faser und Galette gegenüber, um den Antrieb der Faser zu realisieren. Ziel des Forschungsprojektes CarboGerd ist daher die Entwicklung und Validierung einer optimalen Galetten-Beschichtung für eine faserschonende und qualitätssichernde Carbonfaserproduktion. Dazu werden sowohl typische Beschichtungen (Keramik, Topocrom-Beschichtungen) wie auch unkonventionelle Lösungsansätze (Elastomer, PACVD Schichten) im Labormaßstab tribologisch untersucht und auf einer Prototypen-Anlage validiert.
tus683-40030
Einleitung Carbonfasern weisen bei einer geringen Dichte von 1,8 g/ cm 3 hervorragende mechanische Eigenschaften auf (Zugfestigkeit bis zu 7 GPa) [Ehr06]. Verantwortlich für die mechanischen Eigenschaften sind die in Faserrichtung ausgerichteten, hexagonalen Graphenmoleküle [Mül82]. Um diese zu orientieren, wird die Carbonfasern im Herstellungsprozess um bis zu 20 % verstreckt. Dabei wirken hohe Kräfte auf die Faser. Während die Carbonfaser die Kräfte in Faserrichtung problemlos aufnehmen kann, ist sie gegen Querbeanspruchung aufgrund ihres anisotropen Werkstoffverhaltens äußerst empfindlich [AVK14; NMB14; Par18]. Um die hohe Verstreckung der Carbonaser im Produktions- Aus Wissenschaft und Forschung 30 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 3-4/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0017 Faserschonende Carbonfaserproduktion durch innovatives Galetten-Oberflächen- Design - CarboGerd Lukas Lechthaler, Felix Pohlkemper, Marie-Isabell Glaubke, Kees Egbers, Thomas Gries, Andreas Schneider, Daniel Kaußen, Marina Lehmann, Karl Müll, Gilvan Barroso* Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 62. Tribologie-Fachtagung 2021 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. Während Carbonfasern Kräfte in Faserrichtung problemlos aufnehmen können, sind sie gegen Querbeanspruchung aufgrund ihres anisotropen Werkstoffverhaltens äußerst empfindlich. Beim Herstellungsprozess werden durch die Antriebs- und Umlenkungsgaletten unvermeidbare Querbenanspruchungen in die Faser induziert, welche einzelne Filamente des Rovings beschädigen oder zerstören können. Der Forderung nach einer faserschonenden Oberfläche steht die benötigte Haftreibung zwischen Faser und Galette gegenüber, um den Antrieb der Faser zu realisieren. Ziel des Forschungsprojektes CarboGerd ist daher die Entwicklung und Validierung einer optimalen Galetten-Beschichtung für eine faserschonende und qualitätssichernde Carbonfaserproduktion. Dazu werden sowohl typische Beschichtungen (Keramik, Topocrom-Beschichtungen) wie auch unkonventionelle Lösungsansätze (Elastomer, PACVD Schichten) im Labormaßstab tribologisch untersucht und auf einer Prototypen-Anlage validiert. Schlüsselwörter Carbonfaser, Oberflächentechnik, Beschichtung,Textile Tribologie, Keramik, DLC, ta-C, Strukturhartchrom Fibre-friendly carbon fibre production through innovative godet surface design - CarboGerd While carbon fibres can easily absorb forces in the fibre direction, they are extremely sensitive to transverse stress due to their anisotropic material behaviour. During the manufacturing process, unavoidable transverse stresses are induced in the fibre by the drive and deflection godets, which can damage or destroy individual filaments of the roving. The demand for a surface that is gentle on the fibre is offset by the static friction required between the fibre and the godet in order to drive the fibre. The aim of the CarboGerd research project is therefore to develop and validate an optimal godet coating for fibre-protecting and quality-assuring carbon fibre production. For this purpose, both typical coatings (ceramic, Topocrom coatings) and unconventional solutions (elastomer, PACVD coatings) are being tribologically investigated on a laboratory scale and validated on a prototype system. Keywords Carbonfibre, Surfacetechnology, Coating, Textile Tribology, Ceramic, DLC, ta-C, Textured hard chrome Kurzfassung Abstract * Lukas Lechthaler, M. Sc. Felix Pohlkemper, M. Sc. Marie-Isabell Glaubke Kees Egbers, B. Sc. Universitätsprofessor Professor h. c. (MGU) Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Thomas Gries Institut für Textiltechnik der RWTH Aachen University Otto-Blumenthal-Str. 1, 52074, Aachen Daniel Kaußen, 3WIN Maschinenbau GmbH An der Schurzeler Brücke 11, 52074 Aachen Dr. Andreas Schneider, SAM Coating GmbH Bahnhofstr. 55, 91330 Eggolsheim-Neuses Dr. Gilvan Barroso, Rauschert Heinersdorf-Pressig GmbH Bahnhofstraße 1, 96332 Pressig Marina Lehmann, Karl Müll , Topocrom GmbH Hardtring 29, 78333 Stockach TuS_3_4_2021.qxp_TuS_Muster_2021 03.09.21 13: 27 Seite 30 prozess zu realisieren, wird sie über sogenannte Galetten- Duos (Multiwrap) oder -Quintetts (S-Wrap) angetrieben (Bild 1). Die Einzelnen Antriebsbzw. Umlenkrollen sind festmontiert und weisen einen möglichst großen Umschlingungswinkel auf, um ein Durchrutschen der Faser zu verhindern. Beiden Antriebskonzepten ist gemein, dass durch mehrere Galettenumschlingungen eine ausreichende Haftreibung zwischen Faser und Galette erzeugt und somit die Kraft auf die Faser übertragen wird. Durch die Umschlingungen werden allerdings unvermeidbare Querbeanspruchungen in die Faser induziert, welche einzelne Filamente des Rovings beschädigen oder gar zerstören können Die Querbeanspruchung der Faser ist dabei eine Funktion der anliegenden Faserkraft und Rauheitsspitzen in der Galettenoberfläche. So kann eine geeignete Oberfläche zu einer faserschonenden Verarbeitung der Carbonfaser beitragen, während eine ungeeignete Oberfläche zu einer Schädigung der Filamente führt. Der Forderung nach einer faserschonenden Oberfläche steht die benötigte Haftreibung zwischen Faser und Galette gegenüber. Nur mit einer ausreichenden Haftreibung kann der Antrieb der Faser realisiert und eine Relativbewegung zwischen Faser und Galette vermieden werden. Eine Relativbewegung zwischen Faser und Galette ist unerwünscht, da bei der hier entstehenden, tribologischen Belastung die querkraftempfindliche Carbonfaser beschädigt werden kann. Als Anforderungen an die Oberfläche der Antriebs-Galette ergeben sich somit ein hoher Haftreibungskoeffizient μHaft bei einer gleichzeitig geringen Faserschädigung. Eine ähnliche Problematik ergibt sich bei der Umlenkung der Faser in der Ofenzone durch Umlenkungsgaletten (Bild 2). In der industriellen Praxis wird die Faser hier über polierte Stahl- oder mit Strukturhartchrombeschichtete Umlenkungsgaletten durch den Ofen geführt. Die Galetten sind gelagert, werden jedoch nicht aktiv angetrieben und/ oder geregelt. In den Umlenkungspunkten treten dabei physikalisch bedingt unvermeidbare Querbeanspruchungen der Faser auf. Dabei ist jedoch eine hinreichend hohe Haftreibung notwendig, um ein Mitdrehen der Umlenkungsgaletten zu gewährleisten und eine Beschädigung der Faser durch Relativbewegung zu vermeiden. In der industriellen Großserie werden gleichzeitig mehrere Rovings über eine Galette umgelenkt. Da die Rovings nicht exakt identisch sind Aus Wissenschaft und Forschung 31 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 3-4/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0017 Querbeanspruchung durch Querkraft Angetriebene Galette Bereich der Querbeanspruchung Carbonfaser FQ FQ FQ FQ FQ FQ FQ FQ Carbonisierungs-/ Stabilisierungs-Ofen a) b) FFFFFFFFFFFFFFFFFQQQQQQQQQQQQQQQ C Bild 1: Antrieb der Carbonfaser im Produktionsprozess über a) S Wrap und b) Multi-Wrap Ofen Abwickler Antrieb Antrieb Umlenkrolle Faser Umlenkungsgalette Bild 2: Umlenkung der Carbonfaser über Umlenkungsgaletten TuS_3_4_2021.qxp_TuS_Muster_2021 03.09.21 13: 27 Seite 31 Grundsätzlich wird zwischen den zwei auftretenden Lastfällen mit unterschiedlichen Anforderungen an die Galettenbeschichtung unterschieden: 1. Antriebsgalette • kein Schlupf • hohe Haftreibung • geringe Faserschädigung 2. Umlenkungsgalette • Schlupft nicht vermeidbar • Haftreibung nur zum Mitdrehen der Galette • geringe Faserschädigung Zur abstrahierten Untersuchung der beiden Lastfälle auf tribologischen Prüfständen werden zunächst die Tribosysteme für Antriebs- und Umlenkungsgaltte definiert. Das Tribosystem wird neben den klassischen Komponenten Grund- und Zwischenkörper sowie Umgebungs- und Zwischenmedium um die Komponenten „Kinematik“ und „Reibungskoeffizient“ erweitert (Tabelle 1). Aus den Tribosystemen können die Prüfvorschriften zur Bestimmung von Haft- und Gleitreibungskoeffizienten sowie zur Bestimmung der Faserschädigung abgeleitet werden. Die Bestimmung des Gleitreibungskoeffizienten erfolgt auf dem tribologischen Prüfstand „ITA Tribometer“ (Bild 3). Auf dem ITA Tribometer können Fasern, Rovings und Garne unter definierter Zugspannung geprüft und Faserschädigung und Gleitreibungskoeffizient μ Gleit online gemessen werden. Zur Messung des Reibkoeffizienten werden zwei Zugspannungssensoren vor und hinter dem Reibkontakt (beschichteter Prüfkörper) genutzt. Aus dem Verhältnis der Zugspannungen kann gemäß der Eytelwein’schen Seilreibungsformel (Gl. 1) der Reibkoeffizient berechnet werden. (Gl. 1) Hierbei entsprechen F 2 der Fadenzugkraft vor und F 1 der Fadenzugkraft hinter dem Reibkontakt, μ Gleit dem F 2 =F 1 ×e Gleit Aus Wissenschaft und Forschung 32 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 3-4/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0017 und sich während der Konvertierung unterschiedlich stark ausdehnen, kann es zu unterschiedlichen Fadenspannungen in den verschiedenen Rovings kommen. Diese werden durch Schlupf des Rovings auf der Galette ausgeglichen, sodass eine Relativbewegung zwischen Galette und Carbonfaser-Roving auftritt. Dieses Ausgleichen und die damit verbundene Relativbewegung sind unvermeidbar, sodass sich als zusätzliche Anforderung an eine Umlenkungs-Galette die Vermeidung von Faserschädigung bei Relativbewegung ergibt. Ziel und Ansatz Ziel des Forschungsprojektes „CaboGerd“ ist die Entwicklung und Validierung einer optimalen Galetten- Beschichtung für eine faserschonende und qualitätssichernde Carbonfaserproduktion. Insbesondere wird sowohl eine optimierte Beschichtung für die Antriebsals auch für Umlenkungs-Galletten für alle Stufen des Carbonfaser-Produktionsprozesses (Stabilisierung, Carbonisierung und Nachbehandlung) entwickelt. Die Anforderungen an die angestrebte Galetten-Beschichtung sind: 1. Ausreichend hoher Reibungskoeffizient 2. Geringe Faserschädigung • bei Antriebs-Galetten: ohne Auftreten von Relativbewegung • bei Umlenkungs-Galetten: mit Auftreten von Relativbewegung Beide Anforderungen stehen gemäß konventioneller Reibungstheorie im Zielkonflikt zueinander, da hohe Reibungskoeffizienten i.d.R. über hohe Oberflächenrauigkeiten realisiert werden, die im Kontakt mit Carbonfasern zu einer starken Filamentschädigung führen. Zur Identifikation einer geeigneten Beschichtung wird daher auf ein möglichst breites Spektrum an Werkstoffen zurückgegriffen, um die tribologische Problematik umfassend zu untersuchen. Dazu werden sowohl bereits am Markt etablierte Beschichtungen (Keramik, Topocrom-Beschichtungen) wie auch unkonventionelle Lösungsansätze (Elastomer, PACVD Schichten) in Betracht gezogen. Lösungsweg Komponente Tribosystem Umlenkungsgalette Antriebsgalette Grundkörper Galette (Prüfkörper) Gegenkörper Roving Umgebungsmedium feuchte Luft Zwischenmedium Sizing (in Abhängigkeit der Prozessstufe) Kinematik Schlupf/ Relativbewegung möglich kein Schlupf/ keine Relativbewegung Reibungskoeffizient Gleitreibungskoeffizienten Gleit Haftreibungskoeffizienten Haft Tabelle 1: Bestimmung des Tribosystems für Umlenkungs- und Antriebsgaletten TuS_3_4_2021.qxp_TuS_Muster_2021 03.09.21 13: 27 Seite 32 Gleitreibungskoeffizienten und α dem Umschlingungswinkel im Bogenmaß. Die Quantifizierung der Faserschädigung erfolgt mittels optischen Filamentbruchsensoren, die über eine Lichtschranke die Anzahl gebrochener Filamente zählen. Über die Differenz der gezählten Filamentbrüche vor und hinter dem Reibkontakt kann eine Aussage über die eingebrachte Faserschädigung getroffen werden. Der Aufbau des tribologsichen Prüfstands wurde um ei- Aus Wissenschaft und Forschung 33 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 3-4/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0017 Abzug Fadenvorrat Filamentbruchsensoren Zugspannungssensoren Beschichteter Prüfkörper Aufbereitung der Messwerte Prozessrichtung 10 cm Bild 3: Schematische Darstellung des Prüfstands „ITA Tribometer“ Bild 4: CAD Zeichnung der rotatorischen Prüfkörperaufnahme a) Detailansicht und b) mit montiertem Prüfkörper Kraftsensor fgewichte Roving Rotierender Prüfkörper Flansch für Montage Feststehende Einhausung Kugellager für rotatorischen Freiheitsgrad a) 2 cm Prüfkörper Aufnahme mit rotatorischem Freiheitsgrad b) 5 cm Prüfgewichte ne Aufnahme für die beschichteten Prüfkörper erweitert, die eine Quantifizierung der Faserschädigung für mitdrehende Galetten erlaubte. Die Konstruktion der Prüfkörperaufnahme folgte dabei der Konstruktionsrichtlinie VDI2221. Eine CAD-Darstellung der konstruierten und gefertigten Aufnahme ist in Bild 4 dargestellt. Parallel zum ITA Tribometer zur Bestimmung des Gleitreibungskoeffizienten μGleit wurde der tribologische Prüfstand „Tribometer nach Lünenschloss“ (Bild 5) zur Bestimmung des Haftreibungskoeffizienten μHaft eingesetzt. Über die bekannten Prüfgewichte und den Kraftsen- Bild 5: Schematische Darstellung des Tribometers nach Lünenschloss TuS_3_4_2021.qxp_TuS_Muster_2021 03.09.21 13: 28 Seite 33 Lastfall: Umlenkungsgalette Für den Lastfall der Umlenkungsgalette werden starke Unterschiede der Beschichtungen in Abhängigkeit des getesteten Fasermaterials identifiziert. Dabei kann übergreifend festgestellt werden, dass die PACVD-Beschichtungen und die Keramikbeschichtungen gut für die ersten Prozessstufen der Carbonfaserproduktion, den Precursor und die stabilisierte Faser, geeignet sind. Diese Schichten laden sich insbesondere bei einer Abzugsgeschwindigkeit von 0,3 m/ min kaum statisch auf, sodass die Wickelneigung im Gegensatz zu anderen Beschichtungen der nichtleitenden Proessstufen der Carbonfaser kompensiert wird. Bild 6 a) zeigt exemplarsich den Gleitreibungskoeffizienten für den Precursor bei einer Abzugsgeschwindigkeit von 0,3 m/ min. Es wird ersichtlich, dass der höchste Gleitreibungskoeffizient bei den PACVD Beschichtungen und einigen Keramik Be- Aus Wissenschaft und Forschung 34 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 3-4/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0017 sor kann ebenfalls gemäß der Eytelwein’schen Seilreibungsformel (Gl. 1) der Reibkoeffizient berechnet werden. Versuchsergebnisse In den durchgeführten Versuchsreihen werden drei Schichtsysteme (Keramik, Topocrom, PACVD) und ein Referenzprüfkörper (polierter Edelstahl) mit verschiedenen Rauheitswerten und Oberflächentopografien tribologisch geprüft und miteinander verglichen (Tabelle 1). Um die gesamte Prozesskette der Carbonfaserherstellung abzubilden und für den entsprechenden Anwendungsfall die optimale Beschichtung zu validieren, werden vier Materialien (PAN-Precusor, stabilisierte, carbonisierte und kommerziell verfügbare, beschlichtete Faser) untersucht. Hersteller Werkstoff Bezeichnung Mittenrauwert Ra Rauschert Heinersdorf- Pressig GmbH, Pressig Oxidkeramik (Cr 2 O 3 ) R 1.1 0.367 R 1.2 1.460 R 1.3 3.217 R 2.1 0.400 R 2.2 1.450 R 2.3 3.200 SAM Coating GmbH, Eggolsheim PA CVD (ta-C) S 1.1 0.213 S 1.2 0.451 S 2.1 0.267 PA CVD (ta-C/ W- DLC) S 2.2 0.305 S 2.3 0.195 Topocrom GmbH, Stockach Strukturhartchrom T 1.1 0.682 T 1.2 0.939 T 1.3 2.290 T 2.1 3.720 T 2.2 3.280 Referenz Edelstahl (poliert) E2.1 0.031 Tabelle 3: Übersicht über die getesteten Schichtsysteme a) b) Bild 6: a) Gleitreibungskoeffizient und b) Filamentbrüche des Precursor-Materials für verschiedene Beschichtungen im Lastfall der Umlenkungsgalette TuS_3_4_2021.qxp_TuS_Muster_2021 03.09.21 13: 28 Seite 34 schichtungen vorliegt. Insgesamt ist im Verhältnis zu den Rauheitswerten der Oberflächen eine Korrelation der Zunahme des Reibkoeffizienten mit einem höheren Rauheitswert zu beobachten. Dies ist materialübergreifend zu erkennen und entspricht den Erwartungen. Zusätzlich werden die gemessenen Filamentbrüche berücksichtigt (Bild 6 b). Ein hoher Gleitreibungskoeffizient in Kombination mit einer geringen Faserschädigung ist erstrebenswert. So zeigt sich z.B. für die Keramikbeschichtung R.1.3, dass ein guter Reibwert vorliegt, aber aufgrund des erhöhten Rauheitswertes eine ausgeprägte Faserschädigung verursacht wird. Dahingegen verfügen die PACVD Beschichtungen über einen hohen Gleitreibungswert und im Verhältnis dazu eine geringe Faserschädigung. Besonders die Beschichtungen S1.1 und S2.2 sind hierbei durch die sehr geringe Faserschädigung bei höchstem Gleitreibungskoeffizienten hervorzuheben. In Bild 7 ist der Lastfall der Umlenkgalette für carbonisierte Fasern dargestellt. Hierbei verfügen zusätzlich zur Referenz Edelstahlstahl insbesondere die keramischen Beschichtungen R1.1 - R1.3 über einen hohen Gleitreibungskoeffizienten. Im Kontakt mit Stahl konnten sehr gute Gleitreibungskoeffizienten bei geringer Faserschädigung ermittelt werden. Gleiches gilt auch für den Lastfall mit kommerziell verfügbaren, beschlichteten Carbonfasern. Insgesamt lässt sich der Trend beobachten, dass sich bei der kommerziellen Faser die Gleitreibungswerte aller Beschichtungen angleichen. Die auf die Faser aufgetragene Schlichte scheint den Einfluss der Oberfläche auf den Reibwert zu reduzieren und fungiert als Zwischenmedium zwischen den beiden Reibpartnern. Bei den Topocrom Beschichtungen sind im Kontakt mit allen Fasertypen sehr geringe Faserschädigungen zu beobachten. Dabei liegen die Gleitreibungskoeffizienten im mittleren Kennwertbereich. Die Beschichtungen sind gut anwendbar, führen für den Lastfall der Umlenkungsgalette durch den Gleitreibungskoeffizienten im Mittelwert allerdings nicht zu einer maximalen Kraftübertragung. Die PACVD-Beschichtungen der Fa. SAM Coating weisen je nach Fasertyp deutlich unterschiedliche Gleitreibungskoeffizienten bzw. Faserschädigungsgrade auf. Besonders im Kontakt mit dem Precursor- Material sind die höchsten Gleitreibungskoeffizienten der Versuchsreihe zu verzeichnen. Hierbei stechen besonders die Beschichtungen S1.1 und S2.1 hervor, da bei ihnen eine hohe Kraftübertragung mit gleichzeitig geringer Faserschädigung möglich ist. Lastfall: Antriebsgalette Für den Anwendungsfall der Antriebsgalette führen die PACVD-Schichtsysteme der Fa. SAM Coating und die keramischen Schichtsysteme der Fa. Rauschert zu hohen Haftreibungskoeffizienten gegenüber dem Precursormaterial und der stabilisierten Faser (Bild 8 a). Die Haftreibung ist für die Beschichtungen R1.3 und S1.1 und S1.2, sowie S2.1 (jeweils ein ta-C-Schichtsystem) am höchsten. Weiterhin führen die Keramik- und Strukturhartchrom-Beschichtungen zu einem guten Haftreibungswert für die carbonisierte und die kommerzielle Faser (Bild 8 b). Da die Strukturhartchrom-Schichten der Fa. Topocrom faserschonend konzipiert sind, führen sie zu relativ hohen Haftreibungskoeffizienten bei gleichzeitig geringer Faserschädigung. Stahl weist trotz eines sehr niedrigen Rauheitswertes den höchsten Haftreibungswert für die carbonisierte- und kommerzielle Faser auf. Die keramische Beschichtung R1.3 der Fa. Rauschert erzeugt ebenfalls einen hohen Haftreibungswert, weist allerdings gleichzeitig eine deutlich höhere Oberflächenrauheit auf, was eine höhere Faserschädigung bedingt. Die offenporigen Strukturhartchromschichten T1.1 bis 1.3 der Fa. Topocrom besitzen gute Haftreibungswerte für die Anwendung mit carbonisierten Fasern. Im Versuchsaufbau zur Quantifizierung der Faserbrüche für den Lastfall der Antriebsbgalette wurde ein rotato- Aus Wissenschaft und Forschung 35 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 3-4/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0017 a) b) Bild 7: a) Gleitreibungskoeffiizient und b) Filamentbrüche der carbonisierten Faser für verschiedene Beschichtungen im Lastfall der Umlenkungsgalette TuS_3_4_2021.qxp_TuS_Muster_2021 03.09.21 13: 28 Seite 35 Strukturhartchrom-Schichten sind für alle Prozessstufen gut geeignet. Dies entspricht ebenfalls den Erwartungen, da die Schichtsysteme für die Anwendung an Carbonfasern konzipiert sind. Hier zeigt sich vor allem Variante T1.2 als besonders geeignet. Für den Lastfall der Antriebsgalette scheinen für die frühen Prozessstufen sowohl keramische Schichtsysteme wie R.1.3, und PACVD-Schichtsysteme, wie S1.1, S1.2 und S2.1 (jeweils ta-C) zu guten Ergebnissen zu führen. Da bei diesem Lastfall keine Relativbewegung zwischen Faser und Galette auftritt, liegen die Ergebnisse der Strukturhartchromschichten im Mittelfeld. Dies entspricht ebenfalls den Erwartungen, da diese Schichtsysteme bedingt durch ihre Oberflächentopografie für ein faserschonendes Abgleiten der Carbonfaser auf der Oberfläche und nicht für die Erzeugung hoher Haftreibungskoeffizienten konzipiert sind. Im weiteren Projektverlauf wird das Testen neuer Varianten der bis dato besten Varianten der verschiedenen Schichtsysteme angestrebt. Nach umfangreichen Tests erfolgt die Validierung der jeweils besten Varianten der verschiedenen Schichtsysteme auf einer Pilotanlage zur Carbonfaserproduktion am Institut für Textiltechnik. Danksagung Das Forschungs-Vorhaben ZF4558966AT9 der AiF Projekt GmbH, Berlin wird im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand (ZIM) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert. Aus Wissenschaft und Forschung 36 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 3-4/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0017 risch gelagerte Prüfkörper verwendet (vgl. Bild 4), um keine Relativbewegung zwischen Prüfkörper und Faser zu erzeugen und nur den Einfluss der Oberfläche auf die Faserschädigung zu untersuchen. Die Versuchsergebnisse zeigen hier geringe Unterschiede zwischen den einzelnen Beschichtungen, sodass der Einfluss der Oberfläche auf die Faserschädigung als vernachlässigbar angesehen wird, solange keine Relativbewegung auftritt. Damit kann für den Lastfall der Antriebsgalette allein der Haftreibungskoeffizient zur Beurteilung herangezogen werden. Fazit und Ausblick Für den Lastfall der Umlenkungsgalette kann zusammenfassend festgehalten werden, dass für die ersten Prozessstufen (PAN-Precursor und stabilsierte Faser) insbesondere die keramischen Schichtsysteme R1.1 und R1.2 gut geeignet sind. Dies entspricht den Erwartungen, da es sich beim Precursor und bei der stabilisierten Faser um Chemiefasern handelt und in der klassischen Textiltechnik keramische Beschichtungen für Chemiefasern seit langem etabliert sind. Die PACVD Schichtsysteme S1.1 sowie S1.2 - S.1.3 ta-Cbzw. W-DLC- Schichtsysteme eignen sich dagegen eher für die späteren Prozessstufen (carbonisierte und kommerziell verfügbare, beschlichtete Carbonfaser). Dies könnte durch die relativ geringe Oberflächenrauigkeit in Kombination mit der Kohlenstoff-Basis der PACVD-Schichten bedingt sein. Da die carbonisierte und die kommerzielle Faser ebenfalls zu über 90 % aus Kohlenstoff bestehen, ist hier eine Affinität beider Werkstoffe möglich, die zu einer Adhäsion der Carbonfaser auf der Kohlenstoffoberfläche der ta-C bzw. der W-DLC Schicht führt. Die a) b) Bild 8: Haftreibungskoeffizienten für a) Precursor und b) carbonisierte Faser für den Lastfall der Antriebsgalette für verschiedene Beschichtungen TuS_3_4_2021.qxp_TuS_Muster_2021 03.09.21 13: 28 Seite 36 Literatur [AVK14] Witten, E. (Hrsg.); Handbuch Faserverbundkunststoffe/ Composites. 4. Auflage. - Wiesbaden: Springer Vieweg, 2014 [Ehr06] Ehrenstein, Gottfried Wilhelm; Faserverbund- Kunststoffe. 2. völlig überarbeitete Auflage. - München: Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG, 2006 [Mül82] Müller, D. J.; Zur Herstellung von Kohlenstoff- Fasern aus Polyacrilnitirl über die kalatitische Cyclisierung des Polymers. - Karlsruhe, Universität Karlsruhe, Dissertation [NMB14] Neitzel, Manfred; Mitschang, Peter; Breuer, Ulf; Handbuch Verbundwerkstoffe. 1. Aufl. - s.l.: Carl Hanser Fachbuchverlag, 2014 [Par18] Park, Soo-Jin; Carbon Fibers. Bd. 210. 2 nd ed. 2018. - Singapore: Springer Singapore, 2018 Aus Wissenschaft und Forschung 37 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 3-4/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0017 Eine Zeitschrift des Verband Schmierstoff-Industrie e. V. JETZT ONLINE LESEN! www.sus.expert SCHMIERSTOFF SCHMIERUNG Anzeige TuS_3_4_2021.qxp_TuS_Muster_2021 03.09.21 13: 28 Seite 37