Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2021-0019
91
2021
683-4
JungkHartwalzen zur Festigkeitssteigerung wälzbelasteter Funktionsflächen
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Helmut Hochbein
Sascha Appelt
Die Lebensdauer wälzbelasteter Funktionsflächen wird durch Ermüdungserscheinungen, bzw. unzureichende Trennung der Wälzpartner bei Mangelschmierung begrenzt. Diesen Versagensmechanismen kann durch Hartwalzen und somit das Einbringen von Druckeigenspannungen in die Randzone entgegengewirkt werden, was u.a. Wartungsintervalle von Produktions- oder Energieerzeugungsanlagen verlängern kann.
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konsortiums alle erforderlichen Kompetenzen vorhanden. Nachdem die Prozessanforderungen ermittelt waren, folgte zunächst eine iterative Entwicklung der Walzwerkzeuge und daran anschließend der Verfahrensparameter, gefolgt von Versuchen an Analogie- und Realbauteilen. Das Hartwalzen ist ein umformendes Fertigungsverfahren. Dabei werden gehärtete Bauteilbereiche mittels eines Walzkörpers im Kontaktbereich plastifiziert und umgeformt. Die Zielstellung ist sowohl die Kaltverfestigung und das Einbringen von Druckeigenspannungen in die Randzone, als auch die Glättung der Oberfläche, was in einer Lebensdauersteigerung wälzbelasteter Funktionsflächen resultiert. Aus Wissenschaft und Forschung 46 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 3-4/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0019 1 Einleitung Dass die Lagerringe von Wälzlagern durch die Prozessfolge Hartdrehen und Hartwalzen mit einem speziell darauf abgestimmten Hartwalzverfahren eine deutlich längere Lebensdauer erreichen, hat die HEGENSCHEIDT-MFD GmbH in dem dreijährigen Forschungsprojekt »Hartwalzen von Lagerringen« (Förderkennzeichen EFRE-0800344) in enger Zusammenarbeit mit weiteren Projektpartnern gezeigt. Das Hartwalzen bietet damit gegenüber der herkömmlichen Prozesskette zur Hartbearbeitung eine ressourcenschonende und kostengünstige Alternative. Die längere Lebensdauer der Lager trägt zu einer weiteren Effizienzsteigerung bei und verringert die Kosten daher nicht nur für den Hersteller, sondern auch für den Anwender; sei es bei der Vermeidung von Frühausfällen von Produktionsmaschinen oder zur Verlängerung von Wartungsintervallen beispielsweise in der Energieversorgung. Von der Werkzeug- und Verfahrensentwicklung bis hin zum fertigen Wälzlager waren innerhalb des Projekt- Hartwalzen zur Festigkeitssteigerung wälzbelasteter Funktionsflächen Helmut Hochbein, Sascha Appelt* Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 62. Tribologie-Fachtagung 2021 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. Die Lebensdauer wälzbelasteter Funktionsflächen wird durch Ermüdungserscheinungen, bzw. unzureichende Trennung der Wälzpartner bei Mangelschmierung begrenzt. Diesen Versagensmechanismen kann durch Hartwalzen und somit das Einbringen von Druckeigenspannungen in die Randzone entgegengewirkt werden, was u.a. Wartungsintervalle von Produktions- oder Energieerzeugungsanlagen verlängern kann. Schlüsselwörter Hartwalzen, Oberflächentechnik, Wälzlager, Effizienzsteigerung Hard Rolling for Increasing the Strength of Functional Surfaces subjected to Rolling Loads The service life of functional surfaces subjected to rolling loads is limited by fatigue or insufficient separation of the rolling partners in the event of inadequate lubrication. These failure mechanisms can be counteracted by hard rolling and thus the introduction of residual compressive stresses into the border zone, which can, among other things, extend maintenance intervals of production or power generation plants. Keywords hard rolling, surface technology, roller bearings, efficiency improvement Kurzfassung Abstract * Dr.-Ing. Helmut Hochbein Sascha Appelt HEGENSCHEIDT-MFD GmbH Hegenscheidt Platz, 41812 Erkelenz TuS_3_4_2021.qxp_TuS_Muster_2021 03.09.21 13: 28 Seite 46 Die Vorteile des Hartwalzverfahrens liegen in seiner Wirtschaftlichkeit und Ressourceneffizienz, da eine einfache Integration in bestehende Fertigungslinien bei kurzer Bearbeitungszeit und geringen Energiebedarfen möglich ist. Die hohe Varianz der speziell angepassten Walzwerkzeuge und Prozessparameter ermöglichen zudem die Bearbeitung einer Vielzahl unterschiedlichster Wälzlager- Varianten. Zur Nutzung des Verfahrens bei Wälzlagern liegen derzeit nur vereinzelt Ansätze vor, obwohl die Wälzlagerindustrie ein hohes Anwendungspotenzial für den Einsatz des Hartwalzens bietet. Wälzlager gehören zu den am häufigsten eingesetzten Maschinenelementen und beeinflussen oft das Betriebsverhalten und die Lebensdauer von Produktionsmaschinen und -anlagen wesentlich. 2 Motivation Das Verfahren ist schematisch im Bild unten dargestellt (Bild 1). Der Walzkörper erzeugt durch die Normalkraft eine Kontaktpressung, die zu einer plastischen Umformung der Werkstückoberfläche führt und das Rauheitsprofil einebnet sowie zusätzliche Druckeigenspannungen im Randbereich induziert. Nachweislich erhöhen solche Druckeigenspannungen die Lebensdauer von Wälzlagern, was bereits in einigen unterschiedlichen Studien nachgewiesen worden ist. Die Druckeigenspannungen wirken dem Rissfortschritt im Wälzkontakt entgegen und tragen damit zu einer Erhöhung des Widerstandes gegen Oberflächenzerrüttung und einer Verbesserung der Wälzfestigkeit bei. Die Glättung der Oberfläche wirkt einer Mangelschmierung entgegen (Bild 2). Die Induzierung von Druckeigenspannungen in Lagerringen erfordert die Entwicklung eines neuen Werkzeugkonzeptes, da keines der bestehenden die Zugänglichkeit des Werkzeuges bietet. 3 Walzverfahren und Werkzeugentwicklung Für das Hartwalzverfahren wurde durch die HEGEN- SCHEIDT-MFD GmbH ein geeignetes variables Werkzeug entwickelt, das im Vorschub-Walzverfahren eingesetzt wird. Hierbei werden relativ kleine Walzkörper verwendet. Über einen definierten Vorschub wird die Kontur des Lagerringes mit dem Walzkörper abgefahren. So können sehr flexibel die üblich vorkommenden Laufbahnkonturen bearbeitet werden. Die kraftbasierte Lagerung in mehreren Raumachsen, sowie das variable Werkzeugdesign, ermöglichen die Bearbeitung unterschiedlichster Ausführungen von Innensowie Außenringen. Die robuste und langlebige mechanische Aus- Aus Wissenschaft und Forschung 47 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 3-4/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0019 Bild 1: Schematische Darstellung des Hartwalzverfahrens Bild 2: Verteilung des Schmierfilms bei unterschiedlichen Oberflächencharakteristika TuS_3_4_2021.qxp_TuS_Muster_2021 03.09.21 13: 28 Seite 47 Das Messprotokoll (Bild 5) zeigt, dass die Lagerlaufbahnen gleichmäßig gut geglättet werden, was auch die gleichmäßige Erzeugung der Druckeigenspannungen beinhaltet. Die generierte Formtreue entspricht den gängigen Anforderungen der Wälzlagerindustrie. 7 Potentielle Werkstücke Prinzipiell kann das Hartwalzen mit der neu entwickelten Werkzeug-Basis und den davon abgeleiteten Werkzeugvarianten für alle Wälzlagerlaufbahnen angewendet werden. Auch bei Linearlagern und -Führungen sowie Kugelrolleinheiten und dergleichen. Zudem kann es bei komplexeren Baueinheiten mit integrierten Wälzkörperlaufbahnen und bei den entsprechend behandelten Bauteilen für erhebliche Leistungssteigerungen sorgen. 8 Zusammenfassung Der Nutzen des Oberflächenwalzens von Lagerlaufbahnen wurde zwar schon mehrfach in unterschiedlichen Studien nachgewiesen, aber bislang noch nicht serienmäßig umgesetzt, da geeignete Verfahrens- und Werkzeugkonzepte für die Bearbeitung typischer Lagergeometrien bisher gefehlt haben. Das von HEGENSCHEIDT-MFD entwickelte Hartwalzverfahren für Wälzlagerlaufbahnen schließt diese Lücke. Die variablen Gestaltungsmöglichkeiten erlauben eine Anwendung bei einer Vielzahl unterschiedlichster Bauformen von Wälzlagereinheiten. Die integrierten Schnittstellen zur Prozessüberwachung, sowie die robuste und langlebige Gestaltung der Walz- Aus Wissenschaft und Forschung 48 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 3-4/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0019 führung der Walzköperlagerung benötigt keine Zusatzmedien. Zudem besteht über Schnittstellen die Möglichkeit der Prozessüberwachung und somit einer ressourcenschonenden Anpassung der Bearbeitungsaufgabe. 4 Experimentelle Untersuchung Die ersten Untersuchungen erfolgten an Axiallagerscheiben als einfache Probenkörper, die eine hohe Reproduzierbarkeit und damit Vergleichbarkeit der Bearbeitung ermöglichten. Die Charakterisierung umfasste zum einen Merkmale wie Geometrie, Oberflächengüte und Form- und Lagetoleranzen, zum anderen die Randzoneneigenschaften wie Eigenspannungen und Härteprofil. Anhand der Analogiebauteile wurde nachgewiesen, dass induzierte Druckeigenspannungen zu einer signifikanten Lebensdauererhöhung führen. 5 Lebensdaueruntersuchungen Die Ergebnisse von Versuchen mit realen Wälzlagern sind im nachfolgenden Bild dargestellt (Bild 3). Bei Setzung der Ergebnisse von standardmäßig hartgedrehten Proben als Referenz zu 1 ergibt sich durch das Verfahren Hartwalzen nach derzeitigem Stand eine Steigerung der Lebensdauer um den Faktor 3,2. 6 Walzergebnisse Beispielhaft deutlich erkennbare Verbesserung der Oberflächen-Rauigkeiten (Bild 4). Bild 3: Lebensdauersteigerung hartgewalzter Wälzlagerringe TuS_3_4_2021.qxp_TuS_Muster_2021 03.09.21 13: 28 Seite 48 körperlagerung, gewährleisten eine präzise Platzierung der erforderlichen Walzkräfte. Die bisher durchgeführten Versuche zeigten sowohl hohe Bearbeitungsqualitäten als auch sehr gute Werte für die Lebensdauersteigerung. Aktuell laufen mehrere Projekte mit unterschiedlichen Partnern zum Nachweis der Serientauglichkeit. Aus Wissenschaft und Forschung 49 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 3-4/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0019 Bild 5: Rauheitswerte eines hartgewalzten Wälzlagerrings Bild 4: Verbesserung der Oberflächen-Rauigkeiten TuS_3_4_2021.qxp_TuS_Muster_2021 03.09.21 13: 28 Seite 49