Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2021-0032
121
2021
686
JungkFeature-Engineering für die Zustandsüberwachung von Wälzlagern mittels maschinellen Lernens
121
2021
Christoph Bienefeldhttps://orcid.org/0000-0002-7989-1293
Andreas Vogt
Marian Kacmar
Eckhard Kirchnerhttps://orcid.org/0000-0002-7663-8073
In Maschinen mit rotierenden Komponenten sind häufig Wälzlager ausschlaggebend für die Lebensdauer. Bei fortgeschrittenem Verschleiß der Lager sind Wartungen notwendig, um unvorhergesehene Stillstände zu vermeiden. Aus Gründen der Sicherheit und Kostenoptimierung wird dabei immer häufiger die zustandsbasierte Wartung eingesetzt. Essenziell für diesen Wartungsansatz ist es, den Zustand der verschleißkritischen Komponenten zu kennen. Dies wird mittels geeigneter Messgrößen erreicht, welche durch den Einsatz maschinellen Lernens genutzt werden können, um den Zustand der Komponenten automatisch zu erkennen. Die Güte der Zustandserkennung ist dabei stark von den verfügbaren Messdaten und deren Vorverarbeitung abhängig. Zur Zustandserkennung von Wälzlagern können Körperschallsignale verwendet werden. Dabei ist entscheidend, aus den hochfrequent abgetasteten Körperschallsignalen sogenannte Features zu ermitteln. Diese Features sollen die charakteristischen Eigenschaften der Messsignale widerspiegeln, wobei die Datenmenge der Features gegenüber der Messdatenmenge erheblich reduziert ist. In diesem Beitrag werden verschiedene Methoden des Feature-Engineerings auf Basis von Körperschallmessungen untersucht. Dazu wird der Verschleiß von Wälzlagern im Rahmen von Dauerlaufversuchen betrachtet. Es wird eine neue Methode der Feature-Generierung vorgestellt und mit gängigen Methoden aus der Literatur verglichen.
tus6860005
Aus Wissenschaft und Forschung 5 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0032 rachwissenschaft \ tphilologie \ Sport munikationswissenche Sprachwissenment \ Altphilologie Kommunikations- Historische Sprach- Management \ Altstik \ Bauwesen \ tschaft \ Tourismus gie \ Kulturwissenhichte \ Anglistik \ \ BWL \ Wirtschaft Feature-Engineering für die Zustandsüberwachung von Wälzlagern mittels maschinellen Lernens Christoph Bienefeld, Andreas Vogt, Marian Kacmar, Eckhard Kirchner* Eingereicht: 29.10.2021 Nach Begutachtung angenommen: 22.12.2021 Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 62. Tribologie-Fachtagung 2021 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. In Maschinen mit rotierenden Komponenten sind häufig Wälzlager ausschlaggebend für die Lebensdauer. Bei fortgeschrittenem Verschleiß der Lager sind Wartungen notwendig, um unvorhergesehene Stillstände zu vermeiden. Aus Gründen der Sicherheit und Kostenoptimierung wird dabei immer häufiger die zustandsbasierte Wartung eingesetzt. Essenziell für diesen Wartungsansatz ist es, den Zustand der verschleißkritischen Komponenten zu kennen. Dies wird mittels geeigneter Messgrößen erreicht, welche durch den Einsatz maschinellen Lernens genutzt werden können, um den Zustand der Komponenten automatisch zu erkennen. Die Güte der Zustandserkennung ist dabei stark von den verfügbaren Messdaten und deren Vorverarbeitung abhängig. Zur Zustandserkennung von Wälzlagern können Körperschallsignale verwendet werden. Dabei ist entscheidend, aus den hochfrequent abgetasteten Körperschallsignalen sogenannte Features zu ermitteln. Diese Features sollen die charakteristischen Eigenschaften der Messsignale widerspiegeln, wobei die Datenmenge der Features gegenüber der Messdatenmenge erheblich reduziert ist. In diesem Beitrag werden verschiedene Methoden des Feature-Engineerings auf Basis von Körperschallmessungen untersucht. Dazu wird der Verschleiß von Wälzlagern im Rahmen von Dauerlaufversuchen betrachtet. Es wird eine neue Methode der Feature-Generierung vorgestellt und mit gängigen Methoden aus der Literatur verglichen. Schlüsselwörter Wälzlager, Zustandsüberwachung, Künstliche Intelligenz, Maschinelles Lernen, Datenvorverarbeitung, Körperschall, Frequenzspektrum Feature engineering for condition monitoring of rolling bearings using machine learning In rotating machinery, rolling bearings are often the components limiting service life. To avoid unforeseen downtimes, they have to be maintained. For reasons of safety and cost optimization, condition-based maintenance is increasingly being used. Knowing the condition of the components that are critical to wear is essential for this maintenance approach. The insight about the condition is achieved by means of suitable measurement variables, which can be used to automatically detect the condition of the components using machine learning. The quality of the condition monitoring is strongly dependent on the available measurement data and its preprocessing. For condition monitoring of rolling bearings, structure-borne sound signals can be used. The decisive factor here is to determine so-called features from the high-frequency sampled structure-borne sound signals. These features are supposed to reflect the characteristic properties of the measured signals. At the same time, the amount of data is considerably reduced. In this article, different methods of feature engineering based on structure-borne sound are investigated. For this purpose, the wear of rolling bearings is considered in the context of endurance tests. A new feature generation method is presented and compared to common methods from literature. Keywords Rolling bearings, condition monitoring, artificial intelligence, machine learning, data preprocessing, structure-borne sound, frequency spectrum Kurzfassung Abstract * Christoph Bienefeld, M.Sc. 1,2 Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-7989-1293 Dr. Andreas Vogt 1 Dr. Marian Kacmar 1 Prof. Dr.-Ing. Eckhard Kirchner 2 Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-7663-8073 1 Robert Bosch GmbH, Corporate Research Robert-Bosch-Campus 1 71272 Renningen, Germany 2 Technische Universität Darmstadt Institut für Produktentwicklung und Maschinenelemente Otto-Berndt-Straße 2, 64287 Darmstadt, Germany TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 5 überwachte Lernen die Voraussetzung, dass für den Trainingsdatensatz die Zuordnung zwischen Ein- und Ausgangsdaten bekannt ist. Die Eingangsvariablen werden dabei als Features X und die Ausgangsvariablen als Labels y bezeichnet. Das prinzipielle Vorgehen dazu ist in Bild 1 skizziert. Nachdem die Vorhersagefunktion F in Schritt 1 mit Hilfe des überwachten Lernens bestimmt wurde, kann sie in Schritt 2 verwendet werden, um Vorhersagen für das Label y auf der Grundlage von Features X zu ermitteln. Dabei entspricht die Zuordnung zu diskreten Labelwerten y einer Klassifikation. Wird das Label y hingegen als kontinuierlich angenommen, spricht man von einer Regression [4]. Nachdem nun der Begriff des Features erklärt ist, kann das Ziel der vorliegenden Arbeit formuliert werden: Im Folgenden sollen verschiedene Feature-Sätze untersucht und im Rahmen der Zustandsüberwachung von Wälzlagern miteinander verglichen werden. In diesem Kontext wird ein neues Verfahren zur Feature-Generierung vorgestellt. Aus Wissenschaft und Forschung 6 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0032 1 Einleitung und Grundlagen Wälzlager werden in einer Vielzahl von Maschinen verwendet und sind dabei meist hohen Beanspruchungen ausgesetzt. Diese Beanspruchungen können in Form mechanischer Kräfte oder anderer Umgebungseinflüsse auftreten. Die Beanspruchungskollektive führen über kurz oder lang zu Wälzlagerschäden. Der Ausfall eines Lagers innerhalb eines Systems kann die Funktionalität des gesamten Systems verhindern. Daher ist ein solcher Ausfall nicht zuletzt aus Sicherheits- und Kostenaspekten zu vermeiden. 1.1 Zustandsbasierte Wartung Um Lagerversagen und die damit verbundenen Folgeschäden zu vermeiden, müssen die Komponenten bei vorliegenden Lagerschäden gewartet werden. Unter den verschiedenen Wartungsansätzen gewinnt die sogenannte zustandsbasierte Wartung immer mehr an Bedeutung. Sie bietet die Möglichkeit, die Summe der Kosten, welche mit Wartungen und Maschinenstillstand zusammenhängen, zu minimieren, und wird deshalb immer häufiger in der Industrie eingesetzt. Basis für die zustandsbasierte Wartung ist die Kenntnis über den aktuellen Zustand der zu betrachtenden Komponente. Die Zustandsüberwachung kann dabei mithilfe geeigneter Messgrößen erfolgen. Im Zusammenhang mit rotierenden Maschinenelementen hat sich insbesondere die Messung des Körperschalls bewährt, um einen Rückschluss auf den Zustand der Komponente zu ziehen [1]. Welche Messsignale zur Zustandsüberwachung verwendet werden und wie die gemessenen Daten vorverarbeitet werden, hat einen großen Einfluss auf die erreichbare Genauigkeit der Zustandsüberwachung [2]. Aus diesem Grund sollen im Rahmen der vorliegenden Veröffentlichung verschiedene Methoden des Feature- Engineerings untersucht werden. Feature-Engineering ist dabei ein Teilgebiet der Datenvorverarbeitung für maschinelles Lernen. 1.2 Überwachtes Lernen Maschinelles Lernen (ML) wird als Teilbereich der Künstlichen Intelligenz in der jüngeren Vergangenheit immer häufiger dafür verwendet, komplexe Zusammenhänge abzubilden. Da im weiteren Verlauf dieser Arbeit Methoden des maschinellen Lernens zum Einsatz kommen, werden hier zunächst einige Begriffe eingeführt. Im Hinblick auf die später zu erreichenden Ziele wird der Fokus auf das sogenannte überwachte Lernen gelegt, welches ein Teilgebiet des maschinellen Lernens darstellt [3]. Überwachtes Lernen bietet die Möglichkeit, eine Funktion F auf der Grundlage von Eingangsdaten und Ausgangsdaten zu approximieren. Dabei gilt für das 2 Daten und Methoden Um ausschließlich den Einfluss unterschiedlicher Feature-Generierungsmethoden zu bewerten, ist eine Methodik zu nutzen, bei der alle anderen Modellparameter als Randbedingungen konstant bleiben. Die dazu verwendete Methodik ist in Bild 2 als Übersicht dargestellt. Im weiteren Verlauf dieses Beitrags werden die dargestellten Teilaspekte tiefergehend erläutert. 2.1 Versuche Ziel der Versuche ist es, Körperschallsignale von verschiedenen Kugellagern bei fortschreitendem Lagerverschleiß aufzuzeichnen. Zu diesem Zweck wird ein FE9- Prüfstand verwendet. Bild 3 zeigt die Schnittansicht des verwendeten Prüfkopfes. Das Konzept des FE9-Prüfstands ist ursprünglich für die Untersuchung von Wälzlagerschmierfetten ausgelegt. Bild 1: Schematische Darstellung des überwachten Lernens TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 6 det, welche radial zum Lager ausgerichtet ist. Die Daten werden mit einer Abtastrate von 20 kHz erfasst. In der Messkette werden ein imc CRONOSflex Universal- Messverstärker und ein Anti-Aliasing-Filter (Cauer- Tiefpass, 8. Ordnung) mit einer Grenzfrequenz von 8 kHz eingesetzt. Die Amplitude wird mit 24 Bit aufgelöst. Die Messdaten werden in Intervallen von 1 s mit Aus Wissenschaft und Forschung 7 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0032 Ein Elektromotor treibt dazu über einen Riemen die Prüfkopfwelle an. Auf der einen Seite der Welle befindet sich das Hilfslager, welches mit einer Ölumlaufschmierung versehen ist. Auf der anderen Seite befindet sich das fettgeschmierte Prüflager, dessen Verschleiß zu untersuchen ist. Um die Fettalterung und somit den Verschleiß zu beschleunigen, wird das Prüflager beheizt. Die axiale Belastung wird mithilfe einer Federvorspannung realisiert. Im Falle der in dieser Arbeit ausgewerteten Versuche sind die verwendeten Prüflager vom Typ 6206-C-C3 und mit dem Schmierfett Isoflex Topas L32 von Klüber Lubrication geschmiert. Das Fett wird aufgrund der thermischen Belastung jenseits der Grenzen seiner Spezifikation eingesetzt, weshalb die Lebensdauer stark reduziert ist. An der Prüfkopfwelle liegt eine konstante Drehzahl von 6000 U/ min vor. Die Axiallast liegt bei 1500 N und die Temperatur der Heizung am Prüflager wird auf 140 °C eingestellt. Als Sensor wird ein 3-Achs-Piezo- Beschleunigungssensor (Modell PCB-356A15) verwendet. Der Sensor ist, wie in Bild 4 zu sehen, nahe des Prüflagers montiert. Für die hier durchgeführten Untersuchungen werden ausschließlich Daten der X-Achse des Sensors verwen- Bild 2: Übersicht der verwendeten Methodik Bild 4: Platzierung des Beschleunigungssensors am Prüfstand Bild 3: Prüfkopf des FE9-Prüfstands [5] TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 7 Das Label wird hierbei so gewählt, dass es während der Versuchslaufzeit linear von 0 auf 1 ansteigt. Der Wert 0 steht dabei für ein neuwertiges Lager, während 1 eine starke Beschädigung des Lagers kennzeichnet. Aus mathematischer Sicht lässt sich das so festgelegte Label als normierte Versuchsdauer beschreiben. 2.3 Feature-Engineering Um die Zustandserkennung zu ermöglichen, werden die Körperschallsignale vorverarbeitet. Aufgrund der gewählten Abtastfrequenz (20 kHz) und Messdauer (1 s) enthalten die Rohdaten 20.000 Werte für jede Minute des Versuchs. Eine direkte Anwendung maschinellen Lernens auf Basis der Rohdaten wäre wegen der großen Datenmenge sehr ineffizient. Dieses Problem kann durch sogenannte Feature-Generierungsmethoden gelöst werden, die Teil des Feature-Engineerings sind. Ein wichtiges Ziel der Feature-Generierungsmethoden ist es, möglichst die gesamten, relevanten Informationen der rohen Messdaten in einer reduzierten Datenmenge wiederzugeben. Die generierten Features können für ein effizientes Training von ML-Algorithmen verwendet werden. Die Wahl der einzelnen Feature-Formulierungen hat dabei einen sehr großen Einfluss auf die erreichbare Genauigkeit der Zustandserkennung [6]. Aus diesem Grund soll hier der Einfluss unterschiedlicher Feature-Generierungsmethoden untersucht werden. In der Literatur sind bereits verschiedene Features dokumentiert, welche aus Körperschallsignalen generiert und zur Erkennung von Wälzlagerschäden genutzt werden können. Generell kann hierbei zwischen Features im Zeit-, Frequenz- und Zeit-Frequenz-Bereich unterschieden werden [7]. Im Folgenden werden zwei verschiedene Feature-Sätze vorgestellt, welche im späteren Verlauf dieses Beitrags miteinander verglichen werden sollen. Zum einen wird mit den Features von Lei et al. [8] ein Feature-Satz präsentiert, welcher aus der Literatur bekannt ist. Zum anderen wird mit den Frequenzband- Mittelwert-Features ein im Rahmen der vorliegenden Arbeit neu entwickelter Feature-Satz vorgestellt. 2.3.1 Lei-Features Lei et al. schlagen eine Sammlung von 24 Features zur Schadenserkennung auf der Grundlage von Körperschallsignalen vor [8]. In dem vorgeschlagenen Feature-Satz werden Features sowohl im Zeitals auch im Frequenzbereich berechnet. Beispiele für die 11 im Zeitbereich ermittelten Features sind die statistischen Kenngrößen Mittelwert, Standardabweichung, quadratisches Mittel, Spitzenwert, Schiefe und Kur- Aus Wissenschaft und Forschung 8 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0032 dazwischenliegenden Pausen von 59 s aufgezeichnet. Insgesamt werden 9 Dauerläufe untersucht. Als Abbruchkriterium der Versuche wird ein Schwellwert in der Leistungsaufnahme des antreibenden Elektromotors definiert. Die Versuchsläufe stoppen, wenn diese Leistungsaufnahme im Vergleich zu Versuchsbeginn um den Faktor 2,5 angestiegen ist. Dies führt zu Versuchslaufzeiten zwischen 10 und 20 Stunden. Am Ende der Versuche zeigen die Prüflager sehr ähnliche Schadensbilder in Form von Pittings auf. Bild 5 zeigt beispielhaft den Innenring eines Lagers nach erfolgtem Dauerlaufversuch. 2.2 Messdaten und Label Um den Zustand des Wälzlagers mithilfe von überwachtem Lernen vorhersagen zu können, muss vor Beginn des maschinellen Lernens ein Label definiert werden, das den Zustand des Lagers zum jeweiligen Zeitpunkt beschreibt. Ziel ist es, eine Regression des Schadensverlaufs auf Basis der gemessenen Beschleunigungsdaten durchzuführen. Daher ist ein sich stetig veränderndes Label erforderlich. In Bild 6 sind die aufgezeichneten Körperschallsignale eines Dauerlaufversuchs und das zugeordnete Label zu sehen. Bild 5: Pittings am Innenring eines Prüflagers nach Dauerlaufversuch Bild 6: Zuordnung des Labels zu den Messdaten anhand eines Versuchslaufs TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 8 tosis. Weiterhin sind 13 Features dokumentiert, die im Frequenzbereich gebildet werden. Für ausführlichere Informationen zu diesen Features sei an dieser Stelle auf Lei et al. [8] verwiesen. Die 24 nach Lei et al. gebildeten Features werden im später folgenden Ergebnisvergleich als Referenz herangezogen. 2.3.2 Frequenzband-Mittelwert-Features In diesem Abschnitt wird nun ein neuer Satz von Features vorgestellt, der mathematisch mit einem einfachen Vorgehen zu berechnen ist. Die neu vorgeschlagenen Features, welche im Zeit-Frequenz-Bereich gebildet werden, sind im Folgenden als Frequenzband-Mittelwert-Features bezeichnet. Um diese zu berechnen, werden die einzelnen Messintervalle (jeweils 1 s) mit Hilfe der Fourier-Transformation (FFT) in den Frequenzbereich überführt. Das daraus resultierende Amplitudenspektrum wird in Frequenzbänder gleicher Breite aufgeteilt. Als Features werden schließlich die Mittelwerte der Amplituden innerhalb der gebildeten Frequenzbänder verwendet. Folglich beschreibt ein Feature den Mittelwert der Amplituden innerhalb eines Frequenzbandes. Während des Wälzlagerverschleißes können die im Zeitverlauf unterschiedlich stark zunehmenden, mittleren Amplituden der verschiedenen Frequenzbänder zur Charakterisierung der Schwere des Schadens genutzt werden. Dabei wird durch das Maschinelle Lernen stets die Kombination der mittleren Amplituden aller Frequenzbänder als Gesamtheit für die Vorhersage berücksichtigt. Das Vorgehen zur Erzeugung der Frequenzband-Mittelwert-Features ausgehend vom Amplitudenspektrum ist in Bild 7 visualisiert. Der Übersichtlichkeit halber wird in diesem Fall das Spektrum in nur 5 Bänder unterteilt, was zur Erzeugung von 5 Features führt. Für den späteren Vergleich der beiden Feature-Sätze wird die Anzahl der Frequenzbänder auf 24 festgelegt, um eine Beeinflussung der Ergebnisse durch unterschiedliche Anzahlen von Features im Vergleich zu den Lei-Features zu vermeiden. Dies führt aufgrund der maximalen Frequenzauflösung von 10.000 Hz zu Frequenzbändern mit Bandbreiten von 416 Hz. 2.4 Maschinelles Lernen Ziel der verwendeten Methodik ist es, die beiden zuvor vorgestellten Feature-Sätze hinsichtlich ihrer Ergebnisgüte im Rahmen der Zustandserkennung zu testen. Zu diesem Zweck dürfen der für das maschinelle Lernen verwendete Algorithmus und dessen Einstellungen im Laufe der Untersuchungen nicht verändert werden. Basierend auf Voruntersuchungen wird für das maschinelle Lernen ein Random Forest gewählt. Random Forests lassen sich schnell trainieren und arbeiten im Vergleich zu anderen Regressionsalgorithmen zuverlässig auf hohem Niveau. Da Random Forests baumbasiert sind, ermöglichen sie es, Features hinsichtlich ihrer Relevanz für die Vorhersage zu bewerten. Dies erleichtert die Beurteilung der Wichtigkeit einzelner Features [9]. Die im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwendeten Modelle sind in Python unter Verwendung der Bibliotheken numpy, pandas, scipy und matplotlib realisiert. Für die Implementierung des Random Forests und der zur Ergebnisbewertung genutzten Metriken wird die Bibliothek Scikit-learn verwendet. Basierend auf Voruntersuchungen wird die Anzahl der Bäume des Random Forests auf 500 festgelegt und die maximale Baumtiefe auf 20 begrenzt. Die Bewertung der Ergebnisgüte erfolgt anhand der Metriken MAE (Mittlerer absoluter Fehler) und R 2 (Bestimmtheitsmaß). Der MAE ist aufgrund seiner direkten Interpretierbarkeit besonders gut für die Bewertung der Aus Wissenschaft und Forschung 9 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0032 Bild 7: Vorgehen zur Ermittlung der Frequenzband-Mittelwert-Features TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 9 Sowohl beim MAE als auch beim R 2 schneiden die neu vorgeschlagenen Frequenzband-Mittelwert-Features besser ab als die aus der Literatur bekannten Lei-Features. Der MAE kann mithilfe der neu vorgeschlagenen Features im direkten Vergleich um 13 % reduziert werden. Um die Unterschiede in den erreichten Vorhersagen besser zu visualisieren, sind in Bild 8 die Ergebnisse eines der 9 Testdatensätze dargestellt, welche im Rahmen der Kreuzvalidierung betrachtet werden. Dabei ist das vorhergesagte Label der einzelnen Testdatenpunkte über dem tatsächlichen Label aufgetragen. Zusätzlich ist die Diagonale als Referenz eingezeichnet, auf der die Datenpunkte im Falle einer perfekten Vorhersage liegen würden. Die vertikale Abweichung der Testdatenpunkte von der Diagonale zeigt somit die Diskrepanz zwischen dem tatsächlichen und dem vorhergesagten Lagerzustand an. Beim Vergleich der beiden Feature-Sätze zeigt sich, dass die Testdatenpunkte der Frequenzband-Mittelwert-Features im Vergleich zu den Lei-Features einen sichtbar geringeren Abstand zur Referenzlinie aufweisen. Dies verdeutlicht den Unterschied in der Vorhersagegenauigkeit. Besonders deutlich wird der Vorteil der Frequenzband- Mittelwert-Features in den Bereichen am Anfang (Label nahe 0) und am Ende (Label nahe 1) des Versuchslaufs. Der reduzierte Vorhersagefehler ermöglicht eine präzisere Planung von Wartungen. Dies kann in der industriellen Anwendung zu Kosteneinsparungen führen. Aus Wissenschaft und Forschung 10 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0032 Vorhersage geeignet. Der R 2 beschreibt weiterhin in statistischer Hinsicht, welcher Informationsanteil durch das zu evaluierende Modell abgebildet wird [10]. Bei einem optimalen Vorhersagemodell tendiert der MAE gegen 0, wobei die Modellgüte besser ist, je niedriger der MAE ist. Der R 2 tendiert hingegen für eine optimale Vorhersage gegen 1, wobei hierbei ein größerer Wert eine bessere Vorhersage kennzeichnet. Das Training des Random Forests erfolgt auf den Daten von 8 der durchgeführten Dauerlaufversuche. Die zur Bewertung verwendeten Testdaten stammen aus dem 9. Versuchslauf und sind somit vollständig von den Trainingsdaten separiert. Die Gesamtbewertung der Ergebnisgüte erfolgt auf Grundlage einer 9-fachen Kreuzvalidierung. Dabei werden bei insgesamt 9 Durchläufen jeweils 8 der Versuchsläufe als Trainingsdaten und der verbleibende Versuchslauf als Testdaten verwendet. Die Gesamtbewertung wird durch die Mittelung der anhand der 9 Einzelergebnisse berechneten Metriken vorgenommen. 3 Ergebnisse Die Ergebnisgüte der mit den zwei verschiedenen Feature-Sätzen aufgebauten Modelle soll im Folgenden bewertet werden. Die Bewertung erfolgt anhand der im vorherigen Abschnitt genannten Metriken. Die im Rahmen der Kreuzvalidierung ermittelten Gesamtergebnisse sind in Tabelle 1 dargestellt. Frequenzband-Mittelwert- Features Lei-Features (kleiner besser) 0,082 0,094 (größer besser) 0,864 0,830 Tabelle 1: Vergleich der Vorhersageergebnisse mittels Metriken Bild 8: Vergleich der Vorhersageergebnisse anhand eines Testdatensatzes TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 10 Neben der verbesserten Vorhersagegüte ist zusätzlich anzumerken, dass die Berechnung der Frequenzband- Mittelwert-Features im Vergleich zu den Lei-Features um den Faktor 4 schneller ist. Dies ist insbesondere im Hinblick auf eine mögliche Echtzeitanwendung auf leistungsbegrenzter Hardware ein großer Vorteil. 4 Zusammenfassung und Ausblick Zur Zustandserkennung von Wälzlagern mit Hilfe maschinellen Lernens werden ausgehend von Körperschallsignalen verschiedene Methoden zur Erzeugung von Features untersucht. Die mit den verschiedenen Feature- Sätzen erzielte Vorhersagegenauigkeit wird mithilfe eines einheitlichen Vorgehens verglichen. Unter den in dieser Arbeit verwendeten Randbedingungen und anhand des hier verwendeten Datensatzes schneiden die neu vorgestellten Frequenzband-Mittelwert-Features besonders gut ab. Dies zeigt sich durch einen verringerten Vorhersagefehler. In zukünftigen Arbeiten können weitere Methoden zur Feature-Generierung entwickelt und untersucht werden. Darüber hinaus sollte analysiert werden, warum diese Features gut abschneiden und welche Bedeutung einzelne Features im physikalischen Sinne haben. Auch wenn basierend auf einer Überwachung des aktuellen Zustands bereits Entscheidungen bezüglich vorzunehmender Wartungen getroffen werden können, ist eine optimale Planung der Wartungen damit noch nicht möglich. Eine optimale Planung der Wartung erfordert zusätzlich eine Kenntnis über die verbleibende Restlebensdauer der Komponente. Daher könnte in einem weiteren Schritt die hier vorgestellte Betrachtung der Zustandsüberwachung auf eine Prognose bezüglich der verbleibenden Lagerlebensdauer erweitert werden. Zudem ist noch zu prüfen, inwieweit sich die entwickelten Methoden auf realistischere Versuchsdaten übertragen lassen, bei denen Geschwindigkeits- und Belastungsparameter variiert werden. Da dies eine Herausforderung in Bezug auf die Generalisierbarkeit darstellt, muss die verwendete Methodik gegebenenfalls erweitert werden. Danksagung Die Autoren danken der Robert Bosch GmbH dafür, dass die in diesem Beitrag vorgestellten Untersuchungen inklusive der verwendeten Messdaten im Corporate Research der Robert Bosch GmbH erarbeitet werden konnten. Interessenkonflikte Die Autoren bestätigen, dass kein Interessenkonflikt besteht. Literatur [1] R. B. Randall: Vibration-based Condition Monitoring: Industrial, Aerospace and Automotive Applications, John Wiley & Sons, 2011 [2] Y. Lei et al.: Machinery health prognostics: A systematic review from data acquisition to RUL prediction, Mechanical Systems and Signal Processing 104, Elsevier, 2018 [3] M. W. Berry et. al.: Supervised and Unsupervised Learning for Data Science, Springer Nature Switzerland, 2020 [4] M. Kubat: An Introduction to Machine Learning, Springer Nature Switzerland, 2021 [5] Schaeffler Technologies AG: Schmierung von Wälzlagern, 2013, online verfügbar: https: / / www.schaeffler.com/ remotemedien/ media/ _shared_media/ 08_media_library/ 01_publications/ schaeffler_2/ tpi/ downloads_8/ tpi_176_de _de.pdf, aufgerufen am 14.10.2021 [6] Y. Lei: Intelligent Fault Diagnosis and Remaining Useful Life Prediction of Rotating Machinery, Elsevier, 2017 [7] K. F Tom: A Primer on Vibrational Ball Bearing Feature Generation for Prognostics and Diagnostics Algorithms, Army Research Laboratory, 2015 [8] Y. Lei et al.: A new approach to intelligent fault diagnosis of rotating machinery, Expert Systems with Applications 35, Elsevier, 2008 [9] D. Cabrera et al.: Fault diagnosis of spur gearbox based on random forest and wavelet packet decomposition, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2015 [10] S. Matzka: Künstliche Intelligenz in den Ingenieurwissenschaften: Maschinelles Lernen verstehen und bewerten, Springer Vieweg, 2021 Aus Wissenschaft und Forschung 11 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0032 TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 11
