Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2021-0033
121
2021
686
JungkGleitlagerprüfstand mit erweiterter Sensorik zur Bestimmung der tribologischen Verschleißcharakteristik von Werkstoffen
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2021
Tim Langnerhttps://orcid.org/0000-0002-7813-5795
Frank Schönberg
Marc Knapp
Die wichtigen tribologischen Kenngrößen Reibung und Verschleiß werden in Kunststoffgleitlagern im Trockenlauf maßgeblich durch Pressung, Gleitgeschwindigkeit und Kontakttemperatur bestimmt. In dieser Arbeit wird eine Methodik vorgestellt, um verschiedene thermoplastische Werkstoffe und ihre Füllstoffpakete anhand dieser Kenngrößen für den Einsatz in Gleitlagern zu bewerten und zu vergleichen. Die Probekörperherstellung, der Prüfstandsaufbau und das Prüfprogramm sowie die detaillierte Analyse der Daten und Prüfkörper werden erläutert. Durch verschiedene Berechnungsverfahren werden die Rohdaten der Sensoren von äußeren Einflüssen bereinigt und Kennwerte für Temperatur und Verschleiß direkt im Kontakt ermittelt.
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ten Anlaufscheiben (Levitorq) spritzgegossene Proben auf herkömmlichen Scheibe-Scheibe-Tribometern realitätsgetreu getestet werden können, ergeben sich bei Radiallagern verschiedene Zielkonflikte. Unterschiedliche Tribometerversuche wie Block-auf-Ring oder Stift- Scheibe bilden jeweils einzelne Einflüsse nicht hinreichend nach [1] [2]. Das Wiedereintragen von Verschleißpartikeln sowie die Kontaktspannungsverteilung im Zusammenhang mit der Spritzhaut können sich erheblich auf das Verschleißbild auswirken. Um die Wechselwirkungen zwischen dem Lagerdesign und dem Lagerwerkstoff zu berücksichtigen, werden daher Komponentenversuche durchgeführt. Während der Versuche sollen Aus Wissenschaft und Forschung 12 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0033 Motivation Thermoplastische Gleitlager werden in vielen Anwendungen eingesetzt. Der Ansatz, eigene Tribo-Compounds für Radialgleitlager herzustellen und zu optimieren, benötigt eine ganzheitliche Vorgehensweise, um die relevanten Einflüsse zu berücksichtigen und die richtigen Schlüsse zu ziehen. Während für die intern bekann- Gleitlagerprüfstand mit erweiterter Sensorik zur Bestimmung der tribologischen Verschleißcharakteristik von Werkstoffen Tim Langner, Frank Schönberg, Marc Knapp* Eingereicht: 10.9.2021 Nach Begutachtung angenommen: 14.1.2022 Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 62. Tribologie-Fachtagung 2021 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. Die wichtigen tribologischen Kenngrößen Reibung und Verschleiß werden in Kunststoffgleitlagern im Trockenlauf maßgeblich durch Pressung, Gleitgeschwindigkeit und Kontakttemperatur bestimmt. In dieser Arbeit wird eine Methodik vorgestellt, um verschiedene thermoplastische Werkstoffe und ihre Füllstoffpakete anhand dieser Kenngrößen für den Einsatz in Gleitlagern zu bewerten und zu vergleichen. Die Probekörperherstellung, der Prüfstandsaufbau und das Prüfprogramm sowie die detaillierte Analyse der Daten und Prüfkörper werden erläutert. Durch verschiedene Berechnungsverfahren werden die Rohdaten der Sensoren von äußeren Einflüssen bereinigt und Kennwerte für Temperatur und Verschleiß direkt im Kontakt ermittelt. Schlüsselwörter Gleitlager, Tribometrie, Prüfstand, Verschleiß, thermisches Netzwerk, Kontakttemperatur Plain Bearing Test Rig with Advanced Sensor Technology for Determining the Tribological Wear Characteristics of Materials Friction and wear as important tribological parameters in dry running plastic plain bearings are largely determined by pressure, sliding speed and contact temperature. This paper presents a methodology for evaluating and comparing different thermoplastic materials and their filler packages for use in plain bearings considering these parameters. Bearing manufacturing, test rig setup and test program, as well as the detailed analysis of data and specimens are explained. Various calculation methods are used to remove external influences from the raw sensor data, and to determine characteristic values for temperature and wear directly in the contact zone. Keywords Plain bearing, tribometry, test rig, wear, thermal network, contact temperature Kurzfassung Abstract * Tim Langner, M.Sc. Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-7813-5795 Dr.-Ing. Frank Schönberg Marc Knapp, M.Eng. Freudenberg FST GmbH Höhnerweg 2-4, 69469 Weinheim TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 12 nicht nur Reibung und Verschleiß als zu minimierende Zielgrößen erfasst werden, sondern auch die Kontakttemperatur. Diese beeinflusst das viskoelastische Verhalten und die wirkenden Verschleißmechanismen entscheidend [3]. Herstellung der zu prüfenden Gleitlager Die Verwendung verschiedener Polymere und Füllstoffe führt zu unterschiedlichen Schwindungswerten, was sich insbesondere auf Innen- und Außendurchmesser der Lager auswirkt. Davon ist abhängig, mit welcher Pressung das Lager im Gehäuse sitzt und welches Lagerspiel sich zur Welle ergibt. Anstatt den Außendurchmesser der Lager auf die größte Schwindung auszulegen oder für jeden Werkstoff ein eigenes Spritzgusswerkzeug herzustellen, wird ein einzelnes Werkzeug mit vier Kavitäten verwendet. Von diesen vier Kavitäten sind drei auf verschiedene Schwindungswerte von 0,1, 0,3 und 0,5 % ausgelegt. Mit der vierten Kavität werden Teile gefertigt, deren Außendurchmesser eine Bearbeitungszugabe enthält, um zerspanend noch andere Passungen einzustellen. So entstehen aus jedem Werkstoff vier Gruppen von Gleitlagern mit unterschiedlichen Innen- und Außendurchmessern. Die Nennmaße sind ein Innendurchmesser von 15 mm und eine Länge von 15 mm bei einer Wandstärke von 1 mm. Die Lager sind mit einem Bund versehen, um einen definierten Einbau sicherzustellen. Bild 1 zeigt zwei solche Lager. Aufbau des Prüfstands Zur Prüfung der Radialgleitlager wird ein eigens entwickelter Prüfkopf entsprechend Bild 2 an einen Dichtungsprüfstand montiert. Somit kann die vorhandene hochgenaue Reibungsmessung verwendet werden. Das Gleitlager wird in ein Gehäuse eingepresst, das in einem Schlitten montiert wird. Um eine Querkraft auf das Gleitlager zu bringen, wird der Schlitten über einen pneumatischen Aktor gegen die Welle gepresst. Innerhalb des Aufbaus stützen zwei Wälzlager die über eine Balgkupplung angetriebene Welle ab, sodass der Kraftfluss der Querkraft weder den Antriebsmotor noch die Reibungsmesseinrichtung einschließt. In den Kraftfluss ist ein Kraftsensor eingebracht, um die Querkraft exakt aufzuzeichnen. Das Gleitlager läuft auf einem Nadellagerinnenring, der thermisch auf die Welle gefügt und axial über eine Hülse verspannt wird. Ein Pyrometer misst die Temperatur der Hülse. Des Weiteren sind Thermoelemente im Gleitlagergehäuse, an der Aufnahme der Wälzlager und am Kraftsensor verbaut. Ein induktiver Wegaufnehmer nah am Gleitlager misst die Verschiebung des Schlittens. Der Aufbau ist für eine maximale Last von 1 kN Querkraft ausgelegt, die 4,4 MPa Pressung entspricht. Bei dieser maximalen Last sind 2,3 m/ s Gleitgeschwindigkeit möglich, bevor die biegekritische Drehzahl überschritten wird. Unterhalb einer Pressung von 1,1 MPa ist eine Gleitgeschwindigkeit von 4,6 m/ s möglich. Daraus ergibt sich ein maximaler pv-Wert von 10 W/ mm 2 . Der Nadellagerinnenring als Gegenlauffläche kann aus unterschiedlichen Materialien mit verschiedenen Oberflächengüten eingesetzt werden, sodass weitreichende Spezifikationen berücksichtigt werden können. Für die Aus Wissenschaft und Forschung 13 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0033 Bild 1: Im Spritzgusswerkzeug hergestellte Gleitlager Bild 2: Prüfaufbau virtuell im Schnitt mit Bezeichnungen und real im Prüfstand eingebaut TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 13 aus dem Kontakt in mehrere Richtungen aufteilen und somit die Wärmeströme Q· erst einmal unbekannt sind, kann nicht nach Formel (2) von einer einzelnen Temperaturmessung auf die Kontakttemperatur extrapoliert werden. (2) Zur Berechnung wurde in OpenModelica ein eindimensionales thermisches Netzwerk aufgebaut, das die sich aufteilenden Wärmeströme vom Kontakt in Richtung dreier Temperatursensoren abbildet. In Bild 4 ist schematisch dargestellt, aus welchen Widerständen die Berechnung aufgebaut ist. Aus den Messdaten der Temperatursensoren an den gelben Punkten und der durch die Reibungsmessung bekannten Reibleistung, die an der rot markierten Stelle eingegeben wird, wird der transiente Verlauf der Kontakttemperatur über die Versuchsdauer nachsimuliert. Soll ein eindimensionaler thermischer Widerstand für einen komplexen dreidimensionalen Körper nach Formel (3) bestimmt werden, müssen aus den Abmessungen des Körpers und dem Wissen über dessen Umgebung die Länge des Wärmepfades l und die zugehörige Durchgangsfläche A abgeschätzt werden. Dies geschieht an- Δ = ̇ Aus Wissenschaft und Forschung 14 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0033 Erprobung des Prüfaufbaus werden im Folgenden Nadellagerinnenringe aus 100Cr6 mit besonders engen Rundlauftoleranzen verwendet, um wenig Vibrationen, welche die Reibungsmessung erschweren, in den Aufbau zu induzieren. Sie besitzen eine kreuzgehonte Oberfläche mit einem Mittenrauwert von 0,1 µm Ra. Das Gleitlagergehäuse kann ebenfalls auf den gewünschten Einbauzustand angepasst werden. So können wie in Bild 3 einfache Gehäuse aus Vollmaterial oder ausgeräumte Varianten verwendet werden, um auch die thermomechanische Belastung in einem nachgiebigen Gehäuse abzubilden. Zusätzlich zu den unterschiedlichen Kavitäten kann mit dem Innendurchmesser des Gehäuses ebenfalls das Lagerspiel eingestellt werden. Durch die Paarung ergeben sich zusätzliche Kombinationsmöglichkeiten. Dazu gibt es mehrere Gehäuse mit unterschiedlichen Innendurchmessern. Nach dem Einpressen in das jeweilige Gehäuse wird der Innendurchmesser des Lagers auf drei Höhen mit einer Koordinatenmessmaschine gemessen, um das Lagerspiel zu erfassen. Berechnung des Verschleißvolumens Aus der Verschiebung des Schlittens wird das Verschleißvolumen des Lagers berechnet. Das Wegsignal ist dazu von Einflüssen durch thermische Dehnungen und Elastizitäten zu bereinigen, um die Verschleißlänge W l zu gewinnen. Mithilfe des bekannten Lagerspiels C, der Lagerlänge l B , des Wellenradius R S und des Lagerradius R B wird aus der Verschleißlänge nach Formel (1) die im Eingriff befindliche Umfangsfläche berechnet, aus der sich dann das Verschleißvolumen WV ableiten lässt. Diese Formel entspringt dem Berechnungsansatz in [4]. Nach [5] wird zusätzlich das Verschleißvolumen auf die Querkraft und die Gleitgeschwindigkeit normiert, um in einem Versuchsprogramm mit variierendem pv-Wert Trends zu erkennen. Bild 3: Gleitlagergehäuse in Vollmaterial links und ausgeräumt rechts = ⎣ ⎢ ⎢ ⎡ ⎝ ⎛ ⎝ ⎛ − − ( + ) 2( + ) ⎠ ⎞ − − − ( + ) 2( + ) − − − ( + ) 2( + ) ⎠ ⎞ − ⎝ ⎛ ⎝ ⎛ − − ( + ) 2( + ) + .! "# + ⎠ ⎞ − + + − − ( + ) 2( + ) − − − ( + ) 2( + ) ⎠ ⎞ ⎦ ⎥ ⎥ ⎤ Berechnung der Kontakttemperatur Durch das Einbringen der Reibleistung im Kontakt stellt sich dort eine lokale Temperaturerhöhung zur Umgebung ein, während der Wärmestrom in Richtung geringerer Temperaturen abfließt. Weil sich die Wärmeströme hand ingenieursmäßiger Betrachtung des Systems, bei der die Komponenten geometrisch vereinfacht werden, um repräsentative Werte für l und A zu erhalten. Für die Wärmeleitfähigkeit λ lassen sich Literaturwerte [6] des jeweiligen Werkstoffs verwenden. Die meist geringe Wärmeleitfähigkeit des Lagerwerkstoffs hat einen be- (1) TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 14 sonders hohen Einfluss auf die Gesamtrechnung und muss daher sehr genau ermittelt werden. Da ansonsten in der Umgebung nur metallische Komponenten mit hoher Wärmeleitfähigkeit zum Einsatz kommen und die Sensoren nicht weit vom Kontakt entfernt sind, lassen sich Wärmeverluste an die Umgebungsluft vernachlässigen. In Bereichen höherer Temperaturen und größerer Wärmeströme wirken sich Unsicherheiten in der Berechnung der Widerstände stärker auf die Kontakttemperatur aus. Daher wurden an der Welle zusätzlich Übergangswiderstände zwischen den Körpern eingefügt, welche in der weiteren Umgebung des Prüfstands vernachlässigt werden. (3) Die getroffenen Annahmen und Abschätzungen müssen für eine hohe Aussagekraft validiert werden. Dazu wurden Nadellagerinnenringe innenseitig mit einer Nut versehen, in die ein thermochromer Messstreifen eingeklebt wurde. So wird die maximale Temperatur in einem Prüflauf an dieser Stelle mit einer Genauigkeit von ±3 K er- = ' * fasst. In der anschließenden Simulation im thermischen Netzwerk wird die Temperatur an genau dieser Stelle ausgelesen. In Bild 5 ist ein solcher Versuchslauf bei konstanter Pressung und Geschwindigkeit beispielhaft aufgezeigt. Jedem Validierungsversuch geht ein Einfahrprogramm mit gleicher Geschwindigkeit und Pressung voraus, nach welchem der thermochrome Messstreifen erst in die Nut eingeklebt wird. Dies bewirkt meist eine konstante Reibleistung im Validierungsversuch. Im Diagramm links sind die vier Eingangsparameter der Berechnung im Zeitverlauf aufgetragen. Zusätzlich ist die berechnete Kontakttemperatur über der Zeit und die maximale gemessene Temperatur des Messstreifens an dem Zeitpunkt eingetragen, an dem sie wahrscheinlich aufgetreten ist. Die gemessene Kontakttemperatur von 80±3 °C ist im rechten Bild als einzelnes verfärbtes Segment zu erkennen. Die Validierung des thermischen Netzwerks ist als Vergleich von Messung und Berechnung doppelt in Bild 6 dargestellt. Mit vier verschiedenen Werkstoffen wurden zehn Versuche durchgeführt, bei denen der thermochrome Aus Wissenschaft und Forschung 15 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0033 Bild 5: Beispielhafter Validierungsversuch für die Kontakttemperatursimulation; Lagerwerkstoff TP1, Gegenlauffläche 100Cr6, konstante Pressung und Geschwindigkeit; Nadellagerinnenring nach dem Versuch mit eingeklebtem thermochromen Messstreifen mit einem verfärbten Feld Bild 4: Schematischer Aufbau des thermischen Netzwerks; Rechtecke stellen thermische Widerstände und Punkte stellen Knoten dar TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 15 der Wellenachse in Richtung des Antriebs mit der höchsten Temperatur am Bund des Lagers. Dies lässt sich dadurch erklären, dass der thermische Widerstand in Richtung der Wellenlagerung wesentlich größer ist. Dieses Temperaturgefälle bildet eine weitere Herausforderung bei der Korrelation von Reibungs- und Verschleißkoeffizienten mit dem temperaturabhängigen Verhalten der Werkstoffe. Um die Kontakttemperaturberechnung in die Messdatenerfassung einzubinden, wurde das thermische Netzwerk auf eine einzelne Formel (4) reduziert, in welche die Formeln (5) und (6) einfließen. Dadurch, dass der thermische Widerstand des Gleitlagers R th,Lager als Variable in die Berechnung eingeht, genügt keine lineare Verrechnung der Temperaturen und der Reibleistung entsprechend dem Energieerhaltungssatz. Es ergibt sich diese Formel (4), in der R th,Lager die Wärmeleitung durch die Welle gegenüber der Wärmeleitung durch das Gleitlager skaliert. Die zugehörigen Parameter A bis E sind mittels einer Regressionsanalyse ermittelt. Die Temperaturen werden in °C ein- und ausgegeben, die Reibleistung in W und der thermische Widerstand in K/ W. Dieses Modell stimmt mit dem thermischen Netzwerk bis auf 0,0005 °C überein, das entspricht dem Rundungsfehler der Eingangsdaten. (4) (5) (6) Versuchsprogramm Die Gleitlagerwerkstoffe sollen im Dauerlauf ohne Richtungsumkehr geprüft werden. Nach 4 h ergeben sich bei konstanter Reibleistung stationä- ,"- / 0 = 1 3 + 1 − 1 3 1 + 5 67689 : ; <,? @ABC D,E3F 1 3 = * G H? + I 1 1 = J K + G L + (1 − )G L? Aus Wissenschaft und Forschung 16 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0033 Messstreifen eine Aussage zur Temperatur ergeben konnte. Die jeweils gemessene Temperatur mit dem Unsicherheitsbereich von ±3 K ist über der Temperatur aufgetragen, die mittels des thermischen Netzwerks als Maximaltemperatur im Versuch bestimmt wurde. Eine Übereinstimmung der Werte ist erreicht, wenn der Unsicherheitsbereich mit der eingezeichneten Winkelhalbierenden überlappt. Ein Messpunkt oberhalb der Winkelhalbierenden zeigt an, dass eine höhere Temperatur gemessen wurde, als im thermischen Netzwerk simuliert wird. Dass diese höhere gemessene Temperatur häufig zu erkennen ist, zeigt, dass die Nichtberücksichtigung der Wärmekapazität einen Einfluss auf die Maximaltemperaturen hat. Da der Einfluss besonders bei Spitzen der Reibleistung auftritt und im Gesamtverlauf eher gering ist, ist die maximale Abweichung von 12 K als unkritisch zu betrachten. Es lässt sich auch der Berechnung entnehmen, dass es keine makroskopisch homogene Kontakttemperatur gibt. Vielmehr existiert ein Temperaturgefälle entlang Bild 6: Mittels thermochromer Messstreifen gemessene Temperatur nahe des Kontakts im Vergleich zur jeweils im thermischen Netzwerk berechneten Maximaltemperatur im Versuch Bild 7: Versuchsprogramm im pv-Diagramm links und chronologisch einem Versuchsdurchlauf entnommen rechts TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 16 re Temperaturen im Prüfaufbau, welche die kontinuierliche Messung von Verschleiß und Kontakttemperatur präzisieren. Dadurch lassen sich in einer Stufe von 6 h, in der Pressung und Geschwindigkeit gleich bleiben, die Messdaten der letzten 2 h auswerten. Im Versuch werden nacheinander steigende pv-Werte angefahren, wie in Bild 7 ersichtlich ist. Zunächst erfolgt ein zehnstündiger Einlauf bei geringer Belastung, der nicht ausgewertet wird. Die folgenden elf Stufen mit steigender Belastung werden nacheinander angefahren. Die pv-Werte 0,2 und 1,0 W/ mm 2 werden als Einzelstufen Nr. 2 und 12 geringer aufgelöst als die dazwischenliegenden pv-Werte von 0,4, 0,6 und 0,8 W/ mm 2 . Durch die jeweils drei Pressungs-Geschwindigkeits-Kombinationen lassen sich dabei geringere Unterschiede zwischen den Lagerwerkstoffen feststellen. Durch die steigende Belastung über die Stufen hinweg lässt sich eine maximale Belastungsgrenze des Werkstoffs in Abhängigkeit der gewählten Gegenlauffläche und den anderen Randbedingungen feststellen. Dabei wird die Verschleißhistorie vernachlässigt. Anwendung der Prüfmethodik Bild 8 zeigt den Verlauf der drei interessanten Kennwerte Reibkoeffizient, Kontakttemperatur und Verschleißvolumen während des Versuchsdurchlaufs exemplarisch für ein einzelnes Teil. Während des zehnstündigen Einlaufs stabilisiert sich der Reibwert nach den ersten 6 h. In den Prüfstufen sind generell bei größerer Geschwindigkeit größere Absolutwerte und größere Varianz im Reibwert erkennbar. Ab Stufe 8 ist durch größere Varianz im Verlauf des Verschleißvolumens die Einsatzgrenze des Lagers angedeutet. Ab Stufe 9 und somit einem pv-Wert von 0,8 W/ mm 2 ist die Überlastung des Lagers auch aus der Varianz im Reibwert abzulesen. Diese Einsatzgrenze kann mit der Kontakttemperatur von 125 °C in Verbindung gebracht werden. Der Vergleich von drei Versuchsdurchläufen mit drei baugleichen Gleitlagern aus dem gleichen Material ist in Bild 9 gezeigt. Der Verschleiß- und Reibungskoeffizient sind jeweils über dem realen pv-Wert aufgetragen. Im Aus Wissenschaft und Forschung 17 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0033 Bild 9: Drei Versuchsdurchläufe mit drei Lagern aus TP3; links: Verschleißkoeffizient über realem pv-Wert; rechts: Reibkoeffizient über realem pv-Wert; Werte sind jeweils aus den letzten 2 h der Stufen gemittelt und Stufen bei gleichem pv-Wert sind zusammengefasst gemittelt; Gegenlaufflächen aus 100Cr6 Bild 8: Werkstoff TP2 im Versuchsprogramm; Gegenlauffläche aus 100Cr6 TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 17 hochgenaue Drehmomentmessung. Durch einen modularen Aufbau können Lagergehäuse und Gegenlauffläche variiert werden. Die umfassende Sensorik ermöglicht es, in Stufenversuchen nacheinander verschiedene Lasten anzufahren und dadurch in wenigen Versuchen Reibungs- und Verschleißcharakteristiken eines Werkstoffs zu bestimmen. Bei bekannter Wärmeleitfähigkeit des Lagers berechnet eine Formel die Kontakttemperatur aus vier Sensoren am Aufbau. Diese Formel wurde mit Hilfe eines thermischen Netzwerkes phänomenologisch hergeleitet, nachdem das Netzwerk mit mehreren Versuchen kalibriert wurde. Die Verschleißmessung ist für stationäre Temperaturen wärmedehnungskompensiert, um genaue Verschleißkoeffizienten zu bestimmen. Miteinberechnet wird ebenfalls die tatsächliche projizierte Kontaktfläche des Lagers. Die Berechnungsmethoden sind unverzichtbar, um aus Bauteilversuchen Rückschlüsse auf den Werkstoff zu ziehen, damit dieser optimiert werden kann. Das Versuchsprogramm eignet sich zur Verschleißcharakterisierung besser als zur Betrachtung der Reibung. Eine statistische Auswertung mehrfacher Versuche ist heranzuziehen, um genauere Aussagen über die Materialien treffen zu können. Literatur [1] B. Bhusan, Introduction to Tribology, New York: John Wiley & Sons, Ltd, 2013. [2] G. Menges, E. Haberstroh, W. Michaeli und E. Schmachtenberg, Menges Werkstoffkunde Kunststoffe, 6. Auflage, München: Carl Hanser Verlag, 2011. [3] S. Sundararaman, „Improved Test Method for Tribological Evaluation of High Performance Plastics,“ in SAE International Journal of Advances and Current Practices in Mobility-V128-99EJ, Detroit, 2019. [4] M. Mäurer, Tribologische Untersuchungen an Radialgleitlagern aus Kunststoffen, Diss., Chemnitz, 2003. [5] H. Czichos, Tribologie-Handbuch, 4. Auflage, K. Habig, Hrsg., Wiesbaden: Springer Vieweg, 2015. [6] H. Domininghaus, Kunststoffe, 7. Auflage, P. Elsner, P. Eyerer und T. Hirth, Hrsg., Berlin: Springer, 2008. Aus Wissenschaft und Forschung 18 Tribologie + Schmierungstechnik · 68. Jahrgang · 6/ 2021 DOI 10.24053/ TuS-2021-0033 realen pv-Wert werden die gemessene Querkraft und Geschwindigkeit am Lager auf die berechnete projizierte Eingriffsfläche des Lagers bezogen. Dadurch, dass die berechnete projizierte Eingriffsfläche kleiner ist als die Nennfläche des Lagers, sind die tatsächlichen pv-Werte bis zu 1,5 W/ mm 2 größer als die beabsichtigten Werte. Da dies nicht in die Regelung des Prüfstands implementiert ist, müssen die tatsächlichen Werte in der Auswertung berücksichtigt werden. Beim Verschleiß wie bei der Reibung zeigen sich gleiche Trends. Bis zur Stufe 7 ist der Verschleiß gering. In Stufe 8 des Prüflaufs steigt der Verschleiß an, für den pv-Wert um 0,7 W/ mm 2 sind große Fehlerbalken zu erkennen. Der gesteigerte Verschleiß bleibt auch bei höherem pv-Wert erhalten und geht mit großer Streuung einher. Der Reibkoeffizient fällt stetig und wird nicht durch den steigenden Verschleiß beeinflusst. Dies zeigt die Wiederholbarkeit der Versuchsmethodik. Versuchsdaten von drei Versuchsteilen aus drei Materialien TP1, TP2 und TP3 sind in Bild 10 dargestellt. Im Verschleiß sind bei pv-Werten unter 0,6 W/ mm 2 signifikante Unterschiede zwischen den Materialien zu erkennen. Darüber steigt bei TP2 und TP3 die Streuung der Messwerte an. Über Trends und Grenzen bei der Verschleißfestigkeit der Materialien lassen sich einzelne Aussagen treffen. Der Reibkoeffizient über dem pv-Wert betrachtet lässt im Rahmen der Streuung weniger Aussagen zu. Der Reibkoeffizient zeigt sich als stärker von der Gleitgeschwindigkeit als vom pv-Wert abhängig. Fazit Die vorgestellte Methodik besteht aus mehreren Bausteinen, die separat funktionieren und im Gesamten einen Entwicklungsprozess zur Optimierung von thermoplastischen Gleitlagern ergeben. Die Probekörper werden in einem Vierfach-Spritzgusswerkzeug hergestellt, dessen Kavitäten für unterschiedliche Schwindungswerte ausgelegt sind. Der Prüfaufbau greift auf die Peripherie eines Dichtungsprüfstands zurück und erlaubt eine Bild 10: Drei Versuchsdurchläufe mit drei Lagern aus drei Werkstoffen; links: Verschleißkoeffizient logarithmisch über realem pv-Wert; rechts: Reibkoeffizient über realem pv-Wert; Werte sind jeweils aus den letzten 2 h der Stufen gemittelt und Stufen bei gleichem pv-Wert sind zusammengefasst gemittelt; Gegenlaufflächen aus 100Cr6 TuS_6_2021.qxp_TuS_Muster_2021 02.02.22 17: 17 Seite 18
