Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2022-0020
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JungkMethode zur Verschleißvorhersage für den feststoffgeschmierten Zwei-Scheiben-Kontakt
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Sebastian Sklenak
Dieter Mevissen
Jens Brimmers
Christian Brecher
Bastian Lenz
Andreas Mehner
In der Auslegung von feststoffgeschmierten Verzahnungen ist die Kenntnis über das Verschleißverhalten entscheidend für die Lebensdauerberechnung. Die detaillierte Verschleißanalyse eines MoS2:Ti TiN Festschmierstoffsystems auf Zahnradanalogie-Prüfkörpern zeigt, dass ein kontinuierlicher Verschleiß des MoS2-Festschmierstoffs auf der Kontaktfläche stattfindet und eine lokale Verschleißcharakteristik in den Bereichen mit initialen hohen Rauheitsspitzen auftritt. Es stellt sich die Frage, ob die Verschleißcharakteristik mit einer Verschleißberechnung abgebildet werden kann. Unter Berücksichtigung der realen Topografie der Prüfwelle und experimentell ermittelten Verschleißkoeffizienten wurde durch die Berechnung gezeigt, dass ein qualitativer Zusammenhang zwischen dem realen Verschleiß und der berechneten Summenreibenergie auf lokaler Ebene existiert. Allerdings zeigt die Verschleißberechnung, dass zukünftig weiterer Forschungsbedarf zur Vorhersage von lokal starkem Verschleiß besteht.
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teten Zahnflanken angestrebt [NIEM03, SOMM10]. Bei Ölen und Fetten können jedoch extreme Druck- und Temperaturschwankungen, wie beispielsweise in der Luft- und Raumfahrt, zu einer Ausgasung führen, sodass der Schmierstoff seine reibungsreduzierende Wirkung verliert. Neben extremen Einsatzbedingungen können auch Hygienevorschriften, wie beispielsweise in der Lebensmittelindustrie, den Einsatz von flüssigen Schmierstoffen einschränken [EURO06]. Ein Ansatz zur Auslegung einer fluidfreien Verzahnung basiert auf der Reduzierung der Reibung mithilfe von Festschmierstoffen. Der Festschmierstoff kann bereits bei der Fertigung der Verzahnung auf die Zahnflanken aufgetragen werden. Das Verfahren zum Auftragen des Festschmierstoffs, wie zum Beispiel PVD (Physical Aus Wissenschaft und Forschung 24 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0020 1 Einleitung und Motivation Bei Zahnradgetrieben wird der Wälzkontakt der Zahnflanken üblicherweise mit flüssigem Schmiermittel, wie Öl oder Fett, geschmiert. Dabei wird durch den flüssigen Schmierstoff eine Trennung der mechanisch hochbelas- Methode zur Verschleißvorhersage für den feststoffgeschmierten Zwei-Scheiben-Kontakt Sebastian Sklenak, Dieter Mevissen, Jens Brimmers, Christian Brecher, Bastian Lenz, Andreas Mehner* Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 63. Tribologie-Fachtagung 2022 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. In der Auslegung von feststoffgeschmierten Verzahnungen ist die Kenntnis über das Verschleißverhalten entscheidend für die Lebensdauerberechnung. Die detaillierte Verschleißanalyse eines MoS 2 : Ti TiN Festschmierstoffsystems auf Zahnradanalogie-Prüfkörpern zeigt, dass ein kontinuierlicher Verschleiß des MoS 2 -Festschmierstoffs auf der Kontaktfläche stattfindet und eine lokale Verschleißcharakteristik in den Bereichen mit initialen hohen Rauheitsspitzen auftritt. Es stellt sich die Frage, ob die Verschleißcharakteristik mit einer Verschleißberechnung abgebildet werden kann. Unter Berücksichtigung der realen Topografie der Prüfwelle und experimentell ermittelten Verschleißkoeffizienten wurde durch die Berechnung gezeigt, dass ein qualitativer Zusammenhang zwischen dem realen Verschleiß und der berechneten Summenreibenergie auf lokaler Ebene existiert. Allerdings zeigt die Verschleißberechnung, dass zukünftig weiterer Forschungsbedarf zur Vorhersage von lokal starkem Verschleiß besteht. Schlüsselwörter Festschmierstoff, trockener Wälzkontakt, MoS 2 , Verschleiß, Verschleißmechanismus, Getriebe Wear Prediction Method for the Solid Lubricated Disk-on-Disk Contact In the design of solid-lubricated gears, knowledge of the wear behavior is essential for service life calculations. The detailed wear analysis of a MoS 2 : Ti TiN solid lubricant system on gear analogy test specimens shows that continuous wear of the MoS 2 solid lubricant takes place on the contact surface and a specific local wear characteristic occurs in the areas with initial roughness peaks. The question arises whether the specific wear characteristic can be determined with a wear calculation. By taking into account the real topography of the test shaft and experimentally determined wear coefficients, it was shown that a qualitative relationship exists between the real wear and the calculated total frictional energy on a local level. However, the wear calculation shows that further research is needed in the future to predict locally severe wear. Keywords Solid lubricant, dry rolling-sliding contact, MoS 2 , wear, wear mechanisms, gear Kurzfassung Abstract * Sebastian Sklenak M.Eng. Dr.-Ing. Dieter Mevissen Dr.-Ing. Jens Brimmers M.Sc. Prof. Dr.-Ing. Christian Brecher Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen Campus-Boulevard 30, 52074 Aachen Bastian Lenz M.Sc. Dr.-Ing. Andreas Mehner Leibniz-Institut für Werkstofforientierte Technologien - IWT Badgasteiner Str. 3, 28359 Bremen Vapour Deposid), CVD (Chemical Vapour Deposit) oder Aufsprühen, hängt von der Art des Festschmierstoffs ab [BIRK12]. Die Lebensdauer eines feststoffgeschmierten Wälzkontakts ist primär durch die Dauer der Bereitstellung des Festschmierstoffs bestimmt [BIRK12]. Für die Auslegung einer feststoffgeschmierten Verzahnung ist somit eine Prognose der Bereitstellungsdauer des Festschmierstoffs in Abhängigkeit von der zu erwartenden Beanspruchung notwendig. Anders als für flüssiggeschmierte Verzahnungen existiert für die Auslegung einer feststoffgeschmierten und hochbelasteten Verzahnung keine Norm als Berechnungsgrundlage hinsichtlich der Zahnflankentragfähigkeit. Die Zahnflankentragfähigkeit für den flüssiggeschmierten Zahnkontakt wird auf der Basis einer Ermüdungstheorie berechnet [ISO19]. Jedoch weicht das theoretische Verschleißverhalten eines feststoffgeschmierten bzw. fluidfreien Wälzkontakts gegenüber dem eines flüssiggeschmierten Wälzkontakts ab (siehe Bild 1 1). Die Lebensdauerprognose von Festschmierstoffen ist aufgrund der Vielzahl der Einflussfaktoren und deren Wechselwirkungen komplex. Im Rahmen von experimentellen Schichtuntersuchungen werden Versuche mit oszillierendem Gleit-, Dreh- oder Wälzkontakt, wie beispielsweise im Kugel-Scheibe-Kontakt durchgeführt. Für die Berechnung der Lebensdauer auf Basis von experimentellen Versuchen existieren unterschiedliche Ansätze. Dabei unterscheiden sich die Ansätze einerseits in der Berücksichtigung der Einflüsse auf die Lebensdauer der Festschmierstoffschicht. Andererseits gibt es je nach Berechnungsaufwand unterschiedliche Vereinfachungen bei der Berücksichtigung spezifischer Einflussgrößen. Das A RCHARD Verschleiß-Gesetz (engl. A RCHARD ’s wear law) wird in der Literatur als der erste bekannte Ansatz zur Beschreibung von Festkörperverscheiß beschrieben [HOLM67, CZIC10]. Der Ansatz wird nach wie vor für diverse Festkörperkontakte mit individueller Kinematik, wie beispielsweise für elektrische Kontakte, angewendet und erweitert [ANDE05, HEGA08, STEI10, FOUV12]. Nach dem A RCHARD Verschleiß- Gesetz ist das Verschleißvolumen V w proportional zu der Normalkraft F N und dem Gleitweg s gleit . Alle weiteren Einflüsse werden in dem Verschleißkoeffizienten k D zusammengefasst (Formel 1). V w = k D · F N · s gleit Formel 1 V w [mm 3 ] Verschleißvolumen F N [N] Normalkraft k D [mm 3 / Nm] A RCHARD Verschleißkoeffizient s gleit [m] Gleitweg A NDERSSON nutzt den Ansatz von A RCHARD für die Verschleißberechnung auf der Kontaktfläche einer Lagerschale im Rollenlager bei unbeschichteten Stahloberflächen. Für die lokale Verschleißberechnung wurde die Pressungsverteilung in Rollrichtung des Lagers gemittelt. Ausgehend von einer initial gemessenen Kontakttopografie zeigt der berechnete Verschleiß qualitativ eine gute Übereinstimmung mit dem Experiment. Quantitativ betrachtet wird der berechnete Verschleiß gegenüber dem Experiment jedoch geringer abgeschätzt. [ANDE05] Das Globale Inkrementelle Verschleißmodell (engl. Global Incremental Wear Model - GIWM) wurde für die Aus Wissenschaft und Forschung 25 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0020 Bild 1 1: Motivation und Vorhersage von Festschmierstoffverschleiß © WZL 2 Zielsetzung und Vorgehen Aus der Literatur geht hervor, dass eine tendenzielle Lebensdauerprognose für Festschmierstoffe mit dem A RCHARD Verschleiß-Gesetz und auf Basis experimenteller Versuche möglich ist. Die Kontaktberechnung ist eine der wichtigsten und gleichzeitig schwierigsten Aufgaben bei der Verschleißberechnung [STEI10]. Das Ziel dieser Arbeit ist eine Methode für die Vorhersage von Festschmierstoffverschleiß im Zwei-Scheiben-Wälzkontakt auf Basis einer Mikrokontaktberechnung. Das Vorgehen kann dazu in drei Schritte unterteilt werden. Die Zielsetzung und Vorgehensweise sind in Bild 2 1 dargestellt. Im ersten Schritt wurde durch eine detaillierte Verschleißanalyse der Zwei-Scheiben-Prüfkörper der zeitdiskrete und lokale Verschleiß analysiert. Die Kenntnis über den lokalen Verschleiß der einzelnen Rauheitsspitzen liefert ein wichtiges Verständnis über die Verschleißvorgänge und -mechanismen für die Methode zur Verschleißvorhersage. Die Kontaktflächen sind mit einem Schichtsystem aus titandotiertem Molybdändisulfid- Festschmierstoff und einer Titannitrid Hartstoffschicht (MoS 2 : Ti-TiN) beschichtet. Im zweiten Schritt wurde eine Methode zur Berechnung des Zusammenhangs zwischen dem lokalen Verschleißvolumen und der lokalen Reibenergie entwickelt. Für die Methode wurde ein geeigneter Ansatz auf Basis des A RCHARD Verschleiß-Gesetzes ausgewählt und implementiert. Im Anschluss wurde die Methode zur Berechnung der lokalen Verschleißkoeffizienten an einer Topografie aus einem experimentellen Versuch angewendet. Mit dem Anwendungsbeispiel wurde überprüft, ob für das in diesem Bericht betrachtete Schichtsystem die lokale berechnete Reibenergie mit dem experimentell ermittelten Verschleiß korreliert. 3 Verschleißanalyse im Linienkontakt Die Lebensdauer eines feststoffgeschmierten Wälzkontakts steht in direktem Zusammenhang mit der Bereitstellung des Festschmierstoffs in der Kontaktzone [BIRK12]. Die Kenntnis über die Verschleißmechanismen und den Verschleißfortschritt ist somit ein zentraler Bestandteil für eine valide Lebensdauervorhersage. Im Folgenden wird der Verschleiß im feststoffgeschmierten Zwei-Scheiben-Wälzkontakt auf globaler Ebene für unterschiedliche Schichtsysteme, Rauheiten und Zustände betrachtet. Des Weiteren wird der lokale Verschleißfortschritt visuell anhand von Mikroskopaufnahmen und quantitativ anhand von Topografiemessungen analysiert. Für die Untersuchung der visuellen Veränderungen auf der Kontaktfläche wurden während den Unterbrechun- Aus Wissenschaft und Forschung 26 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0020 Verschleißprognose in den Analogieversuchen Kugelauf-Scheibe und Zwei-Scheiben-Kontakt entwickelt. Das Modell berücksichtigt dabei die gesamte Makrogeometrie der Kontaktpartner. Die Kontaktverhältnisse werden mit Hilfe einer Finite-Elemente-Analyse berechnet. Die Pressungsverteilung in der Kontaktfläche wird als konstant angenommen und anhand der H ERTZ ’schen Theorie berechnet. Für die Abbildung des Zwei-Scheiben-Kontakts wird eine Umdrehung der Scheiben in viele Inkremente mit einer Länge der Kontaktbreite aufgeteilt. Für jedes Inkrement wird dann eine Verschleißhöhe auf Basis des A RCHARD Verschleiß-Gesetzes berechnet und in der Geometrie für das folgende Inkrement berücksichtigt. Somit kann das GIWM einen Lebenszyklus von mehreren Umdrehungen abbilden. [HEGA08] S TEINER untersuchte den oszillierenden Kontakt zwischen einer unbeschichteten Stahlkugel und einer Scheibe mit einer Kohlenstoffbeschichtung (Diamond-Like Carbon - DLC) mit dem GIWM [STEI10]. Für die Berechnung der Lebensdauer der DLC-Beschichtung wird die Oxidation der unbeschichteten Kugel und die Graphitisierung der DLC-Beschichtung berücksichtigt. Die Graphitisierung wird mit Hilfe eines variablen Reibkoeffizienten bei der Berechnung der Reibenergie berücksichtigt. Des Weiteren wird versucht, die reale Topografie und damit die Rauheit der Kontaktfläche mit Hilfe der Abbot-Kurve näher abzubilden. Dabei stellte sich heraus, dass die Lebensdauerprognose durch eine nähere Beschreibung der realen Kontaktfläche deutlich näher an den Experimenten liegt gegenüber einer idealisierten Kontaktbeschreibung nach H ERTZ [FISC08]. Insgesamt zeigt sich, dass das Modell tendenziell die Lebensdauer von verschiedenen DLC-Beschichtungen mit unterschiedlichen Rauheiten abbilden kann. Insgesamt stellt sich heraus, dass an einer Vielzahl von Ansätzen für die Verschleißberechnung im feststoffgeschmierten Analogiekontakt geforscht wird. Ein Großteil der Ansätze basiert auf dem A RCHARD Verschleiß- Gesetz und wird für die spezifischen Beanspruchungen, Beschichtungen und Substratwerkstoffe individuell erweitert und modifiziert. Für den makroskopischen Verschleiß der gesamten Kontaktfläche zeigt sich eine qualitative Übereinstimmung mit der pressungsbasierten Verschleißberechnung. Der mikroskopische Verschleiß und damit auch die mikroskopischen Verschleißmechanismen im feststoffgeschmierten Kontakt können jedoch bisher nicht berücksichtigt werden. Die Ergebnisse aus den Verschleißberechnungen mit dem Ansatz nach A RCHARD zeigen ein großes Potential für die Lebensdauerprognose im Zwei-Scheiben-Kontakt. Neben einem theoretisch kontinuierlichen Verschleiß der Festschmierstoffschicht wird in der Literatur deutlich, dass für ein Lebensdauermodell in Abhängigkeit vom Festschmierstoff weitere Schadensmechanismen, wie beispielsweise das Versagen der Haftung zwischen einzelnen Festschmierstofflagen, berücksichtigt werden sollten. gen der Prüfläufe mikroskopische Aufnahmen der Prüfkörperoberflächen gemacht. In Bild 3 1 ist beispielhaft die Oberflächenveränderung des Schichtsystems MoS 2 : Ti TiCN dargestellt. Der visuelle Vergleich von einem Ausschnitt auf der Kontaktfläche auf der Prüfwelle zeigt die kontinuierlichen Veränderungen auf der Kontaktfläche. Auf der ersten Aufnahme bei einer Laufzeit von t = 36 min sind bereits erste lokale Verschleißerscheinungen zu erkennen. Der lokale Verschleiß wird zunächst analog zur Schleifrichtung längs zur Gleitrichtung sichtbar. Im Verlauf des Versuchs ist der initiale Verschleiß weiterhin sichtbar und breitet sich aus. Die Verschleißanalyse anhand der mikroskopischen Aufnahmen deutet darauf hin, dass der initiale Verschleiß einen wesentlichen Einfluss auf den gesamten und kontinuierlichen Verschleiß des feststoffgeschmierten Wälzkontakts hat. Die visuelle Analyse lässt jedoch nur eine qualitative Verschleißbetrachtung zu. Im Folgenden wird der kontinuierliche Verschleiß geometrisch analysiert. Gegenüber der visuellen Analyse anhand von mikroskopischen Aufnahmen ist für eine quantitative Verschleißanalyse der Vergleich der gemessenen Profile notwendig. Dazu wurden die gemessenen Topografien der verschie- Aus Wissenschaft und Forschung 27 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0020 Bild 2 1: Zielsetzung, Vorgehensweise, Prüfstand und Prüfkörper © WZL Bild 3 1: Visueller Verschleiß © WZL 4 Methode zur Verschleißvorhersage Die Kenntnisse über die Verschleißcharakteristik aus den experimentellen Versuchen deuten darauf hin, dass eine Verschleißvorhersage für die MoS 2 Festschmierstoffsysteme möglich ist. Für eine erfolgreiche und valide Verschleißvorhersage muss ein Zusammenhang zwischen dem Verschleiß und den Versuchsparametern bestehen. Aus der Literatur geht hervor, dass das A RCHARD Verschleiß-Gesetz ein viel verwendeter und geeigneter Ansatz für eine Verschleißvorhersage bei feststoffgeschmierten Kontakten ist. Dabei wird angenommen, dass der Verschleiß proportional zur Pressung p und zum Gleitweg s gleit ist (Formel 1 1). Alle anderen Einflüsse werden in den Verschleißkoeffizient k D integriert. Bei genauer Betrachtung der Formel fällt auf, dass die Einflussgrößen mit den bestimmten Annahmen sehr ähnlich zur Berechnung der Reibenergie sind. Im Linienkontakt ist die Pressung p proportional zur Normalkraft F N und unter der Annahme eines konstanten Reibkoeffizienten µ ist die Pressung auch proportional zur Reibkraft. Die Annahme der Proportionalität zwischen Reibenergie und Verschleiß hat gegenüber dem A RCHAD Verschleiß-Gesetz den Vorteil, dass eine Validierung der Reibenergie durch die experimentellen Versuche durchgeführt werden kann. Im Folgenden wird der Zusammenhang zwischen der Reibenergie und dem Verschleiß auf lokaler Ebene für die gesamte gemessene Topografie betrachtet und im Vergleich zu dem Ansatz nach A RCHARD bewertet. Anschließend wird der Reibenergieverschleißkoeffizient zur Verschleißberechnung auf Mikroebene angewendet und direkt mit den Versuchsergebnissen verglichen. Aus Wissenschaft und Forschung 28 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0020 denen Zustände mit einem Positionierungsalgorithmus hochgenau zueinander ausgerichtet [BREC16]. In Bild 3 2 sind beispielhaft die Profile einer Prüfwelle mit dem MoS 2 : Ti TiCN Schichtsystem für unterschiedliche Laufzeiten im Prüflauf abgebildet. Das Diagramm mit dem Profilvergleich zeigt die sieben Profile des Prüfkörperzustands beginnend ab dem Initialzustand nach dem Beschichten bis kurz vor dem Schichtversagen am Ende des Prüflaufs. Für die Topografiemessungen der Kontaktfläche wurde der Prüflauf alle vier Minuten unterbrochen und die Prüfkörper ausgebaut. Die Prüfparameter, wie beispielsweise die Normalkraft, der Schlupf und die Drehzahlen sind identisch zu dem Versuch in Bild 3 1. Im direkten Vergleich der ausgerichteten Profile kann der kontinuierliche Schichtverschleiß mit zunehmender Prüfdauer beobachtet werden (Bild 3 2). Ein wesentliches Merkmal für den Verschleißfortschritt ist der lokale Verschleiß an initialen Rauheitsspitzen. Die mit dem schwarzen Rahmen gekennzeichneten Bereiche zeigen eine vergleichbare Verschleißcharakteristik, die auf der gesamten Topografie zu finden ist. Der Festschmierstoff wird im Laufe des Versuchs kontinuierlich und seitlich an den Stellen mit dem initialen Verschleiß abgetragen. Zudem ist auffällig, dass der Verschleißfortschritt etwa bei der Tiefe der Festschmierstoffschicht von Δh = 1,15 µm aufgrund der TiN Hartstoffschicht stoppt. Insgesamt bestätigt der quantitative Profilvergleich die Annahmen aus der visuellen Analyse der mikroskopischen Aufnahmen, dass sich der lokale Verschleiß an den initialen Schädigungen ausbreitet. Des Weiteren ist ein Profilauftrag durch einen möglichen Schichttransfer im Profilvergleich nicht sichtbar. Bild 3 2: Charakteristisch fortschreitender Verschleiß im Profilschnitt © WZL 4.1 Berechnungsmethode Die lokale Verschleißanalyse in Kapitel 3 zeigt, dass der Festschmierstoffverschleiß eine lokale Charakteristik hat und abhängig von der initialen Topografie ist. Die Verschleißcharakteristik weicht dabei von der initialen Oberflächenveränderung bei flüssiggeschmierten Kontakten ab. Für flüssiggeschmierte Kontakte kann die initiale Veränderung der Kontaktfläche primär auf eine Einglättung infolge einer Deformation der Mikrostruktur zurückgeführt werden, sodass sich die Rauheitsspitzen verrunden und die Täler anheben [MEVI21]. Für den Festkörperkontakt im feststoffgeschmierten Wälzkontakt hat jedoch der abrasive Verschleiß einen primären Einfluss auf die Veränderungen der Kontaktfläche. Der Reibenergieverschleißkoeffizient k v ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen dem Verschleißvolumen ΔV(Δ ti ) und der Summenreibenergie ∑ER(Δ ti ) in Bezug auf die Intervallzeit t i im Prüflauf (Bild 4 1). Die Berechnung der Summenreibenergie basiert auf einer zeitdiskreten Berechnung der Pressungsverteilung eines Kontaktdurchlaufs mit der initialen Topografie vor dem jeweiligen Intervall. Dazu wird, wie in Bild 4 1 dargestellt, mit der Methode kombinierter Lösungen die Pressungsverteilung durch den Kontakt zwischen der gemessenen Topografie der Prüfwelle mit einer ideal glatten Topografie der Gegenwelle berechnet [BREC16, SKLE21a]. Da die Pressungsverteilung innerhalb einer Kontaktüberrollung nicht konstant ist, wird eine Kontaktüberrollung in n Wälzstellungen unterteilt und für jede Wälzstellung mit einer feinen Vernetzung eine hochauflösende Pressungsverteilung berechnet. Auf Basis der feinen Vernetzung aus der Pressungsverteilung und den zeitdiskreten Kontaktberechnungen wird im nächsten Schritt die lokale Summenreibenergie, wie in Bild 4 1 gezeigt wird, berechnet. Aus dem Vergleich der gemessenen Topografien vor und nach der Intervalllaufzeit Δ ti kann der lokale Verschleiß berechnet werden. Aus dem Verhältnis zwischen dem lokalen Verschleißvolumen und der lokalen Summenreibenergie ergibt sind daraufhin der lokale Reibenergieverschleißkoeffizient k v,l . 4.2 Lokaler Zusammenhang zwischen Verschleiß und Reibenergie Für die Verschleißvorhersage auf Mikroebene wird im Folgenden der Zusammenhang zwischen dem lokalen Verschleiß und der Summenreibenergie anhand eines Anwendungsbeispiels betrachtet. Der Verschleiß wird dabei als Verschleißvolumen in Bezug auf die Elementgröße mit den Kantenlängen dy = 20 µm und dz = 0,5 µm aus der Differenz der gemessenen Topografien vor und nach der Intervallprüfzeit von t i = 4 min bestimmt. Der Gesamtverschleißverlauf des Beispielversuchs ist in Bild 3 2 dargestellt. Die Summenreibenergie ergibt sich aus der in Kapitel 4.1 beschriebenen Kinematik- und Kontaktberechnung. In Bild 4 2 ist ein qualitativer Vergleich der beiden Größen an einem Teil des Profilausschnitts aus Bild 3 2 dargestellt. Für die Berechnung der Summenreibenergie wurde ein pressungsabhängiger Reibkoeffizient experimentell ermittelt und mit einer linearen Interpolation zwischen den Punkten in der Berechnung berücksichtigt (siehe unten links in Bild 4 2) [SKLE21b]. Das obere Diagramm zeigt die Verteilung der Summenreibenergie und das Verschleißvolumen für das erste Prüfintervall von t = 0…4 min. Dabei zeigt sich, das die Verteilung von Verschleiß und Summenreibenergie qualitativ überein- Aus Wissenschaft und Forschung 29 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0020 Bild 4 1: Methode zur Berechnung des lokalen Reibenergieverschleißkoeffizienten © WZL übereinstimmt. Da das lokale Verschleißvolumen und die lokale Summenreibenergie jeweils abhängig von den Vernetzungsparametern sind, ist hier nur ein relativer Vergleich zur Bewertung des Zusammenhangs möglich. In einem weiteren Schritt wird der Zusammenhang zwischen dem Verschleiß und der Summenreibenergie quantitativ anhand des Reibenergieverschleißkoeffizienten k v betrachtet. In Bild 4 3 ist die Verteilung von k v für die Elemente aus der Kontaktberechnung dargestellt. Gegenüber der qualitativen Betrachtung eines Profilausschnitts kann mit Hilfe eines Histogramms und dem Verschleißkoeffizienten eine beliebig große Kontaktfläche unabhängig von der Elementgröße bewertet werden. In Aus Wissenschaft und Forschung 30 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0020 stimmt. An den Stellen mit erhöhtem Verschleiß ergibt sich auch eine erhöhte Summenreibenergie aus der Berechnung. Allerdings wird in dem Diagramm sichtbar, dass an den Stellen mit geringerem und sehr starkem Verschleiß die Summenreibenergie unterschätzt wird. In dem unteren Diagramm ist dagegen der lokale Vergleich für ein Prüfintervall von t = 8…12 min nach dem Einlauf der Kontaktoberfläche dargestellt. Auch hier zeigt sich eine qualitative Übereinstimmung zwischen Verschleißvolumen und Summenreibenergie. Zudem wird auch an den Stellen mit geringerem Verschleiß eine gute Übereinstimmung sichtbar. Jedoch zeigt sich, dass bei sehr starkem Verschleiß, zum Beispiel bei z = 1,8…1,85 mm, die Reibenergie quantitativ nicht mit dem Verschleiß Bild 4 2: Qualitativer Vergleich zwischen lokalem Verschleiß und lokaler Reibenergie © WZL Bild 4 3: Quantitativer Vergleich zwischen Verschleiß und Reibenergie © WZL den beiden dargestellten Histogrammen wird der gesamte mikroskopisch vernetzte Bereich mit den Abmessungen By = 0,2 mm (tangential) und Bz = 8 mm (axial) aus der Kontaktberechnung berücksichtigt. In dem oberen Histogramm ist die Anzahl der Mikroelemente als Verteilung des Verschleißkoeffizienten k v analog zu Bild 4 2 für das erste Prüfintervall dargestellt. Das Diagramm zeigt ca. 80 % aller Mikroelemente mit ∑E R,l > 0 und eine maximale relative Häufigkeit bei k v ≈ 3 mm 3 / J. Anhand der Differenz zwischen dem Median und der größten relativen Häufigkeit wird sichtbar, dass neben einer großen Streuung der k v -Werte auch eine größere Anzahl an Elementen mit größerem Verschleißkoeffizienten existieren. Je kleiner die Streuung der k v Werte, desto besser lässt sich der Verschleiß mit einem konstanten Verschleißkoeffizienten auf Basis der Reibenergie berechnen. Die Differenz zwischen Median und größter relativer Häufigkeit kann ein Anzeichen für abweichende Verschleißmechanismen sein. Im direkten Vergleich zeigt sich im unteren Diagramm eine deutlich kompaktere Verteilung mit einer geringeren Streuung. Der Median ist größer als die größte relative Häufigkeit, sodass auch für das Prüfintervall von t i3 = 8…12 min eine Mehrheit aller Kontaktelemente einen größeren k v als die größte relative Häufigkeit haben. Insgesamt zeigt die Betrachtung der Histogramme, einen besseren Zusammenhang zwischen Verschleiß und Summenreibenergie für eine bereits eingelaufene Oberfläche. 4.3 Anwendungsbeispiel der Verschleißvorhersage Anhand der Profile aus Bild 3 2 soll für die Intervalle 1 (t i = 0…4 min) und 3 (t i = 8…12 min) das verschlissene Profil aus der Berechnung direkt mit dem Profil aus dem Experiment verglichen werden. In Bild 4 4 sind jeweils für die Intervalle 1 und 3 die drei Profile im Vergleich abgebildet. Der Verschleiß wurde aus dem Median des Verschleißkoeffizienten und der lokalen Summenreibenergie für eine Prüflaufzeit von 4 Minuten lokal von der initialen Geometrie abgezogen. In dem oberen Diagramm wird sichtbar, dass mittig an den Rauheitsspitzen ein zu großer Verschleiß berechnet wird. Dieser Effekt kann auf die rein elastisch berechneten Pressungen zurückgeführt werden, die gegenüber dem realen elastisch plastischen Kontakt entsprechend überschätzt werden. Bei dem Vergleich der Profile für das dritte Intervall Δt i3 zeigt sich dieser Effekt nicht. In dem Bereich mit starkem Verschleiß bei z ≈ 1,825 mm (schwarzer Rahmen in Bild 4 4) wird das Experiment von der Berechnung infolge von plötzlichem Schichtversagen des Festschmierstoffs nicht abgebildet. Aus dem Profilvergleich in Bild 3 2 ist bereits bekannt, dass sich der Verschleiß in diesem Bereich charakteristisch verhält und möglicherweise als Oberflächenzerrüttung infolge Ermüdung eingestuft werden kann. Für die Berücksichtigung dieses Effekts müssen weitere Kriterien implementiert werden, die beispielsweise eine kritische Schichtdicke in die Berechnung einschließen. Zukünftig sollen weiter beschichtungs- und beanspruchungsspezifische Verschleißkriterien für die Berücksichtigung einzelner Einflüsse untersucht und implementiert werden. Des Weiteren soll die reale Topografie der Gegenwelle für eine bessere Abbildung der Experimente berücksichtigt werden. Für die Übertragung der Methode auf den realen Zahnflankenkontakt muss zum einen die Messmethode für die Messung der Zahnflan- Aus Wissenschaft und Forschung 31 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0020 Bild 4 4: Vergleich zwischen berechnetem und realem Profil © WZL [HEGA08] Hegadekatte, V.; Kurzenhaeser, S.; Huber, N.; Kraft, O.: A predictive modeling scheme for wear in pin-on-disc and twin-disc tribometers. In: Tribology International, 41. Jg., 2008, Nr. 11, S. 1020-1031 [HOLM67] Holm, R.: Electriv Contacts. Theory and Application. 4. Aufl. 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