Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2022-0021
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JungkWälzfestigkeit maschinell gehämmerter Oberflächenstrukturen im Zahnflankenanalogieversuch
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Dieter Mevissen
Lars Uhlmann
Jens Brimmers
Tim Herrig
Thomas Bergs
Wälzkontakte, wie z. B. der Zahlflankenkontakt, sind komplexe tribologische Systeme, deren Eigenschaften sich durch die Wechselwirkungen zwischen den Kontaktpartnern, dem Schmierstoff und dem Umgebungsmedium einstellen. Zur Reibungsreduktion und Tragfähigkeitssteigerung hochbelasteter Wälzkontakte werden zunehmend innovative Fertigungsverfahren eingesetzt, wobei für Mischreibungszustände insbesondere flache Napfstrukturen, bspw. erzeugt durch eine Laserbearbeitung, zu einem verbesserten Einsatzverhalten geführt haben. Ähnlich zur Laserbearbeitung wird auch durch das maschinelle Oberflächenhämmern (MOH) eine deterministische Oberflächenstruktur erzeugt, die in tribologischer Hinsicht verbesserte Eigenschaften aufweisen kann. Das MOH wurde in den letzten Jahren gezielt zur Optimierung von Standzeiten bei hochbeanspruchten Werkzeugen, bspw. im Tiefziehprozess, eingesetzt und gezielt weiterentwickelt. In diesem Bericht wird die Wälzfestigkeit von maschinell gehämmerten Oberflächen anhand von Zeitfestigkeitsversuchen auf einem Zwei-Scheiben-Prüfstand unter zahnradtypischen Kontaktbedingungen bewertet. Durch das MOH kann die Wälzfestigkeit gezielt gesteigert werden, wobei die Auswahl der Prozessparameter beim Oberflächenhämmern eine wichtige Einflussgröße darstellt. Insbesondere kann die Randzone durch eine zu hohe Stoßenergie infolge des Stößelhubs vorgeschädigt werden.
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1 Einleitung, Motivation und Zielsetzung Wälzkontakte, wie z.B. der Zahnflankenkontakt, sind komplexe tribologische Systeme, deren Eigenschaften sich durch die Wechselwirkungen zwischen den Kontaktpartnern, dem Schmierstoff und dem Umgebungsmedium einstellen [CZIC10]. Die Reibung im Wälzkon- Aus Wissenschaft und Forschung 34 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0021 Wälzfestigkeit maschinell gehämmerter Oberflächenstrukturen im Zahnflankenanalogieversuch Dieter Mevissen, Lars Uhlmann, Jens Brimmers, Tim Herrig, Thomas Bergs* Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 63. Tribologie-Fachtagung 2022 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. Wälzkontakte, wie z.B. der Zahnflankenkontakt, sind komplexe tribologische Systeme, deren Eigenschaften sich durch die Wechselwirkungen zwischen den Kontaktpartnern, dem Schmierstoff und dem Umgebungsmedium einstellen. Zur Reibungsreduktion und Tragfähigkeitssteigerung hochbelasteter Wälzkontakte werden zunehmend innovative Fertigungsverfahren eingesetzt, wobei für Mischreibungszustände insbesondere flache Napfstrukturen, bspw. erzeugt durch eine Laserbearbeitung, zu einem verbesserten Einsatzverhalten geführt haben. Ähnlich zur Laserbearbeitung wird auch durch das maschinelle Oberflächenhämmern (MOH) eine deterministische Oberflächenstruktur erzeugt, die in tribologischer Hinsicht verbesserte Eigenschaften aufweisen kann. Das MOH wurde in den letzten Jahren gezielt zur Optimierung von Standzeiten bei hochbeanspruchten Werkzeugen, bspw. im Tiefziehprozess, eingesetzt und gezielt weiterentwickelt. In diesem Bericht wird die Wälzfestigkeit von maschinell gehämmerten Oberflächen anhand von Zeitfestigkeitsversuchen auf einem Zwei- Scheiben-Prüfstand unter zahnradtypischen Kontaktbedingungen bewertet. Durch das MOH kann die Wälzfestigkeit gezielt gesteigert werden, wobei die Auswahl der Prozessparameter beim Oberflächenhämmern eine wichtige Einflussgröße darstellt. Insbesondere kann die Randzone durch eine zu hohe Stoßenergie infolge des Stößelhubs vorgeschädigt werden. Schlüsselwörter Maschinelles Oberflächenhämmern, Wälzfestigkeit, Roll-Gleitkontakt, Oberflächenoptimierung, Oberflächentopographie, Reibung, Kugelstrahlen Rolling Fatigue Strength of Machine Hammer Peened Surfaces in Tooth Flank Analogy Test Rolling-sliding contacts, such as the tooth flank contact, are tribological systems whose properties are determined by the interactions between the contacting bodies, the lubricant and the ambient medium. Innovative manufacturing processes are being used to reduce friction and increase the load-carrying capacity of highly loaded rolling-sliding contacts. For mixed friction conditions, bowl-shaped structures in particular, generated for example by laser machining, have led to improved running behavior. Similar to laser machining, machine hammer peening (MHP) also produces a deterministic surface structure that can exhibit improved tribological properties. In recent years, MHP has been used specifically to optimize the service life of highly stressed tools, e.g. in deepdrawing processes, and has been developed further in a targeted manner. In this report, the rolling strength of machine-hammered surfaces is evaluated using fatigue tests on a disk-on-disk test rig gear-typical contact conditions. The MHP can be used to increase the contact strength in a targeted manner, whereby the selection of the process parameters during surface hammering represent an important influencing factor. In particular, the surface can be pre-damaged by excessive impact energy as a result of the ram stroke. Keywords Machine hammer peening, contact fatigue strength, rolling-sliding contact, surface optimization, surface topography, friction, shot peening Kurzfassung Abstract * Dr.-Ing. Dieter Mevissen Lars Uhlmann M.Sc. Dr.-Ing. Jens Brimmers M.Sc. Dr.-Ing. Tim Herrig Prof. Dr.-Ing. Thomas Bergs Werkzeugmaschinenlabor der RWTH Aachen Campus-Boulevard 30, 52074 Aachen takt ergibt sich aus dem Schmierungszustand im Kontakt, der sich in Abhängigkeit vom Schmierstoff, der Einspritztemperatur sowie der Oberflächenrauheit und -struktur einstellt [SCHM85, KREI08, MAYE13, BAGH15, LÖPE15]. Zur Reibungsreduktion und Tragfähigkeitssteigerung von hochbelasteten Wälzkontakten wird insbesondere die Randzone inklusive der Oberflächentopographie als Optimierungsparameter untersucht [MAYE13, SCHÖ13]. Insbesondere flache Napfstrukturen, die bislang vorwiegend durch Laserstrukturieren erzeugt wurden [MAYE13], ermöglichen eine positive Beeinflussung der Schmierfilmbildung, wodurch das Einsatzverhalten verbessert werden kann. Weiterhin werden durch flache Napfstrukturen Verschleißpartikel aus dem Wälzkontakt ferngehalten. Nachteile des bisher eingesetzten Laserstrukturierens sind thermisch induzierte Zugeigenspannungen und Schmelzränder, welche eine Rissinitiierung begünstigen [LIU10]. Ähnlich zur Laserbearbeitung kann auch durch umformende Fertigungsverfahren die Ausbildung flacher Napfstrukturen eine in tribologischer Hinsicht optimierte Oberflächenstruktur erzeugen. Zudem führt die Umformung zur Kaltverfestigung und einer Steigerung der Druckeigenspannungsbeträge in der Randzone, ohne dass es zur Ausbildung von Schmelzrändern oder Zugeigenspannungen kommt [BLEI12]. Neben dem Kugelstrahlen [SCHU06] sowie dem Festwalzen [RÖTT02] wird seit einigen Jahren das maschinelle Oberflächenhämmern (MOH) zur Oberflächenstrukturierung und Randzonenmodifikation erforscht [TRAU16]. Die ersten Anwendungen des MOH umfassten die Optimierung der Reibung beim Tiefziehen von Edelstahl durch eine Verbesserung der Werkzeugrandzone und -oberfläche. Das MOH bietet jedoch auch ein großes Potential zur Optimierung der Randzone aus anderen Bereichen, wie bspw. dem Wälzkontakt (Bild 1 1). Derzeit ist das Potential des MOH für den Wälzkontakt insbesondere hinsichtlich optimaler Prozessparameter noch unzureichend erforscht. Das Ziel dieses Berichts ist daher die Bewertung des maschinellen Oberflächenhämmerns (MOH) zur Steigerung der Wälzfestigkeit im Zahnflankenanalogieversuch (Bild 1 1). Die Vorgehensweise zur Zielerreichung besteht aus drei Schritten. Im ersten Schritt werden das Prüfkonzept und die Prüfvarianten definiert sowie die Fertigung der Prüfkörper durchgeführt. Als Prüfkonzept wird ein Zwei-Scheiben-Zahnradanalogieprüfstand verwendet, um ein effizientes Screening für unterschiedlichen Prozessparameter beim MOH zu ermöglichen. Durch die Variation der Prozessparameter beim MOH werden entsprechend unterschiedliche Oberflächeneigenschaften eingestellt, sodass für unterschiedliche Varianten die Wälzfestigkeit für einen Lasthorizont ermittelt und ein Optimierungspotential abgeleitet werden können (Schritt 2, Bild 1 1). Auf diese Weise können zum einen die generelle Eignung des MOH für die Verbesserung der Wälzfestigkeit bewertet werden und zum anderen die Prozessparameter mit dem höchsten Verbesserungspotential ermittelt werden. Abschließend erfolgt im letzten Schritt eine tiefergehende Analyse der Randzoneneigenschaften und eine Schadensanalyse. 2 Herstellung der Prüfkörper, Prüfstand und Messgeräte Zur Herstellung der Prüfkörper wurde eine klassische Fertigungsprozesskette für einsatzgehärtete Bauteile Aus Wissenschaft und Forschung 35 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0021 Bild 1 1: Motivation und Zielsetzung © WZL Scheiben-Wälzfestigkeitsprüfstand durchgeführt, Bild 2 2. Der Zwei-Scheiben-Kontakt ist ein Analogieversuch und überführt den tribologischen Beanspruchungszustand im Zahnflankenkontakt auf eine Ersatzgeometrie in Form von zwei Scheiben [KLOC17]. Der Prüfkörper ist zylindrisch ausgeführt (d 1 = 42 mm), während der Gegenkörper einen Balligkeitsradius (R bal = 166 mm) in axialer Richtung aufweist, um bei den technischen Prüfstandsgegebenheiten schädigungsrelevante Pressungen aufbringen zu können [GOHR82, STRE97]. Der Antrieb des Prüfsystems erfolgt über einen Elektromotor und einen Riementrieb. Der Schlupf von s 1 = -28 % wird über ein Schlupfgetriebe realisiert. Die Aufbringung der Prüflast erfolgt über einen hydraulischen Druckzylinder in Kombination mit einem Hebelsystem realisiert. Die Schmierölzuführung erfolgt mittels einer temperaturgeregelten Einspritzschmierung (T = 90 °C, FVA3A 4 % Anglamol). Die Erfassung der Oberflächentopografie im Ausgangszustand und im Zustand nach dem Experiment erfolgte mit einem taktilen Oberflächenmessgerät der Firma JENOPTIK Industrial Metrology Germany GmbH vom Typ Hommel etamic nanoscan 855. Die verwendete Tastspitze wies einen Spitzenradius von r sp = 5 µm mit einem Kegelwinkel von γ = 60° auf. Die Auswertung der Rauheitskennwerte erfolgte nach DIN EN ISO 4288 mit einer Grenzwellenlänge λ c = 0,8 mm 4288 [ISO98]. Zudem wurde bei der Auswertung ein kurzwelliger Profilfilter λ s = 2,5 µm zur Reduktion des Rauscheinflusses angewendet. Aufgrund der begrenzten Kontaktbreite (Punktkontakt) wurden anstelle der empfohlenen fünf Einzelmessstrecken nur drei Einzelmessstrecken ausgewertet, sodass die Gesamtmessstrecke für die Auswertung inklusive des Cut-Offs l ges = 3,2 mm betrug. Aus Wissenschaft und Forschung 36 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0021 durchlaufen (Weichbearbeitung, Härten, Hartbearbeitung). Am fertigen Bauteil lag für eine Grenzhärte von 550 HV1 eine Einsatzhärtetiefe von CHD 550HV1 = 1,1 mm vor. Für die Bearbeitung der geschliffenen Prüfflächen durch den Prozess des Außenrund-Umfangs-Querschleifens zwischen Spitzen wurde eine Schleifscheibe der Spezifikation 89A 802 J 5A V217 mit den Abmessungen 500 x 60 x 203,2 der Firma Tyrolit verwendet. Die Umfangsgeschwindigkeit des Werkstücks und der Schleifscheibe betrug v w = 0,4 m/ s bzw. v c = 40 m/ s. Insgesamt wurde im Schrupp- und Schlichtvorgang ein radiales Aufmaß von q = 0,1 mm zerspant. Die Ausfunkzeit betrug t = 2 s. Nach der Schleifbearbeitung wurden die zylindrischen Prüfkörper durch das elektrodynamische Hämmersystem accurapuls V.2002 als letzten Fertigungsschritt bearbeitet, siehe Bild 2 1. Das Wirkprinzip des Hämmersystems beschreibt die Bewegung einer schwingenden Masse mit Kupferspule, welche sich in einem wechselnden Magnetfeld eines Permanentmagnets oszillierend bewegt. Das Hämmersystem wurde von einem Industrieroboter ABB IRB6660 geführt. Der Hammerkopfdurchmesser d = 8 mm und die Schlagfrequenz f = 120 Hz wurden konstant gehalten. Mit diesem Aufbau wurden insgesamt acht Versuchsvarianten durch die Variation des Stößelhubs auf zwei Niveaus h = 0,3; 0,9 mm und des Eindruckabstands a = 0,07; 0,15; 0,25 und 0,35 mm hergestellt. Mit steigendem Hub wurden dabei höhere Einzelschlagenergien und mit geringeren Eindruckabständen höhere Energiedichten eingestellt. Auf diese Weise konnten gezielt die Oberflächenstrukturen und Randzoneneigenschaft eingestellt werden. Zur Ermittlung der Wälzfestigkeit der gehämmerten Oberflächen wurden Untersuchungen auf dem Zwei- Bild 2 1: Versuchsaufbau des maschinellen Oberflächenhämmerns und Versuchsvarianten © WZL 3 Bewertung der Wälzfestigkeit gehämmerter Oberflächen in der Zeitfestigkeit In Bild 3 1 werden die Versuchsergebnisse für die unterschiedlich gehämmerten Varianten im Vergleich zur geschliffenen Referenzvariante dargestellt. Für jede Variante wurden zur statistischen Absicherung drei Versuche durchgeführt (Streubalken: Minimum/ Maximum) und der Mittelwert für die Ausfallwahrscheinlichkeit P A = 50 % ausgewertet. Durch das MOH mit kleinem Hub h = 0,3 mm und kleinen bis moderaten Eindruckabständen a = 70, 150, 250 µm wurde eine erhöhte Zeitfestigkeit im Vergleich zum geschliffenen Referenzzustand erzielt. Mit kleinem Hub h = 0,3 mm und kleinem Eindruckabstand a = 70 µm wurde die maximale Steigerung der Lastspiele um 120 % im Vergleich zur geschliffenen Referenz verzeichnet. Die Zeitfestigkeiten der mit dem höheren Hub h = 0,9 mm gehämmerten Varianten lagen niedriger als die Referenz. Für einen besseren Verständnisaufbau wurden im ersten Schritt die Schadensbilder und die Veränderung der Kontaktgeometrie analysiert, vgl. Bild 3 1. Alle Varianten fielen durch ein muschelförmiges Grübchen in der Mitte der Laufbahn aus, was dem Stand der Technik ent- Aus Wissenschaft und Forschung 37 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0021 Bild 2 2: Zwei-Scheiben-Wälzfestigkeitsprüfstand © WZL Bild 3 1: Ergebnisse der Wälzfestigkeit gehämmerter Oberflächen und Schadensbilder © WZL ringem Eindruckabstand a = 70 bzw. 150 µm weiterhin geringer als die Referenz. Für den Eindruckabstand a = 350 µm resultierte im eingelaufenen Zustand eine vergleichsweise hohe Rauheit, was ein Grund für die ausbleibende Tragfähigkeitssteigerung bei einem Hub h = 0,3 mm sein kann. Darüber hinaus wurde für die Varianten die Oberflächenhärte analysiert vgl. Bild 3 3. Die Analyse der Mikrohärte zeigte einen Härteanstieg in der Randzone durch das MOH. Bis in eine Randzonentiefe von z = 0,5 mm wurde eine Kaltverfestigung eingestellt. Dieser Effekt wurde unabhängig von den MOH-Parametern beobachtet. Die Oberflächenhärte wurde von 717 ± 26 HV30 auf 855 ± 44 HV30 für die Variante mit dem geringsten Eindruckabstand a = 70 µm gesteigert. Analog zur Veränderung der Oberflächenrauheit ist die Oberflächenhärte primär vom Eindruckabstand abhängig, wobei mit sinkender Energiedichte auch die Steigerung der Härte geringer ausfällt. Die Erhöhung der Einzeleinschlagenergie durch den Stößelhub führt bei allen Eindruckabständen zu einer weiteren Steigerung der Oberflächenhärte, jedoch in geringerem Maße als durch den Eindruckabstand. Die Tragfähigkeitsunterschiede in Abhängigkeit vom Hub können jedoch weder anhand der Oberflächenrauheit, noch anhand der Oberflächenhärte erklärt werden. Als abschließende Analyse wurden die Eigenspannungstiefenverläufe für die drei potentialträchtigsten Eindruckabstände a = 70, 150 und 250 µm gemessen, siehe Bild 3 4. Die Tiefenlage des Eigenspannungsmaximums betrug für alle Variante ca. t ES,max ≈ 0,1 mm. Mit dem höheren Stößelhub von h = 0,9 mm wurden im Vergleich zu h = 0,3 mm tendenziell für alle Eindruckabstände auch höhere Eigenspannungsbeträge nach dem MOH Aus Wissenschaft und Forschung 38 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0021 sprach. Der vorliegende Grübchenausbruch kann in die zwei Bereiche der Ermüdungszone (1) und Restgewaltbruchzone (2) unterteilt werden [BREC17]. Der Verschleiß wurde anhand dem Vergleich von Profilmessungen vor und nach dem Versuch bewertet. Aufgrund der hohen Pressungen von p H = 2900 MPa wurde bei allen Varianten eine plastische Verformung festgestellt, jedoch kein Verschleiß (abrasiv oder infolge einer Graufleckigkeit) festgestellt. Da sich die Varianten hinsichtlich der plastischen Verformung nicht unterschieden, wird an dieser Stelle auf eine genaue Darstellung verzichtet. Hinsichtlich der Schadensart und des Verschleißes sind die Varianten somit gleich und können direkt miteinander verglichen werden. Im nächsten Schritt wurden die Rauheiten vor und nach dem Versuch ausgewertet, vgl. Bild 3 2. Das MOH führte in allen Fällen zu einer Verringerung der Oberflächenrauheit gegenüber dem geschliffenen Ausgangszustand. Mit steigenden Eindruckabstand a erhöht sich entsprechend der Erwartungshaltung auch die resultierende Oberflächenrauheit nach dem MOH. Die geringsten Rauheitswerte wurden dabei mit dem geringsten Eindruckabstand erzielt. Demgegenüber zeigte der Stößelhub keinen signifikanten Einfluss auf die Rauheit. Nach dem Versuch im Wälzfestigkeitsprüfstand hat sich die Rauheit für alle Varianten durch einen ausgeprägten Einlauf reduziert. Die Rauheit der Referenzvariante reduzierte sich um ca. 60 % im Gegensatz zu den gehämmerten Varianten, bei denen die Rauheit nur zwischen 27 - 37 % reduziert wurde. Als Grund hierfür kann das Verformungspotential der Oberfläche angeführt werden, dass bei der gehämmerten Oberfläche aufgrund der umformenden Vorbearbeitung entsprechend reduziert ist. Nach dem Einlauf war die Rauheit der Varianten mit ge- Bild 3 2: Veränderung der Oberflächenrauheit © WZL gemessen. Der maximale Betrag der Eigenspannung wurde durch den Eindrucksabstand beeinflusst, wobei der größte Betrag beim kleinsten Eindruckabstand gemessen wurde. Für den Stößelhub h = 0,3 mm korreliert der hohe Eigenspannungsbetrag somit auch mit der höchsten Anzahl an Lastwechseln bei den Wälzfestigkeitsuntersuchungen. Demgegenüber ertrug die Variante mit geringstem Eindruckabstand und hohem Stößelhub (a = 70 µm, h = 0,9 mm) eine deutlich geringere Anzahl an Lastwechseln. Daraus wurde geschlussfolgert, dass das Potenzial des Stößelhubs h = 0,9 mm zur Eigenspannungseinbringung überkompensiert wurde durch andere tragfähigkeitssenkende Effekte wie z.B. die Einbringung von Vorschädigungen durch Mikrorisse. Diese Mikrorisse waren in den bislang angefertigten lichtmikroskopischen Aufnahmen nicht erkennbar, sind aber im Stand der Technik aus vergleichbaren Verfestigungsprozessen wie z.B. dem Kugelstrahlen bekannt [STAH17, KÖNI21]. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das maschinelle Oberflächenhämmern (MOH) für die Optimierung der Randzone von Wälzkontakten prinzipiell geeignet ist. Dabei ist darauf zu achten, dass der Energieeintrag so gewählt wird, dass keine Vorschädigungen in der Randzone auftreten. In zukünftigen Arbeiten ist es zudem notwendig, die Bearbeitung mittels MOH auch für gekrümmte Oberflächen mit Störkonturen, wie bspw. eine Zahnflanke, zu ermöglichen. Insbesondere müssen dafür der minimale Auftreffwinkel und die damit einhergehende Verfestigung wissenschaftlich bewertbar sein. Aus Wissenschaft und Forschung 39 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0021 Bild 3 3: Analyse des Härtetiefenverlaufs und der Oberflächenhärte © WZL Bild 3 4: Analyse der Eigenspannungstiefenverläufe © WZL [KREI08] Kreil, O.: Einfluss der Oberflächenstruktur auf Druckverteilung und Schmierfilmdicke im EHD- Kontakt. Diss. TU München, 2008 [LIU10] Liu, H.; Niu, R.; Meng, Y.: The Effect of Laser Texturing of Steel Surfaces on Film Lubriction Based on Stribeck Curves. In: Luo, J.; Meng, Y.; Shao, T.; Zhao, Q. (Hrsg.): Advanced Tribology. 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Tragfähigkeit gestrahlter und gleitgeschliffener Zahnflanken unter besonderer Berücksichtigung des Randzonen- und des Schmierfilmzustands. Abschlussbericht zum FVA Forschungsvorhaben Nr. 521 II, Heft 1245, Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V., Frankfurt a.M., 2017 [STRE97] Strehl, R.: Tragfähigkeit von Zahnrädern aus hochfesten Sinterstählen. Diss. RWTH Aachen University, 1997 [TRAU16] Trauth, D.: Tribology of machine hammer peened tool surfaces for deep drawing. Diss. RWTH Aachen University, 2016 Aus Wissenschaft und Forschung 40 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 4/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0021 Danksagung Die Autoren danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft [390969378] für die Bereitstellung der finanziellen Mittel zur Durchführung des den vorgestellten Ergebnissen zugrunde liegenden Forschungsprojekts. Literatur [BAGH15] Bagh, A.: Auslegung PVD-beschichteter Stirnräder. Diss. RWTH Aachen University, 2015 [BLEI12] Bleicher, F.; Lechner, C.; Habersohn, C.; Kozeschnik, E.; Adjassoho, B.; Kaminski, H.: Mechanism of surface modification using machine hammer peening technology. In: CIRP Annals - Manufac. Tech., 61. Jg., 2012, Nr. 1, S. 375-378 [BREC17] Brecher, C.; Löpenhaus, C.; Goergen, F.; Mevissen, D.: Erweiterte Schadensanalyse von Grübchenausbrüchen an einsatzgehärteten Zahnrädern. In: Forsch Ingenieurwes, 81. Jg., 2017, Nr. 2-3, S. 221-232 [CZIC10] Czichos, H.; Habig, K.-H.: Tribologie-Handbuch. Tribometrie, Tribomaterialien, Tribotechnik. 3. Aufl. Wiesbaden: Vieweg+Teubner, 2010 [GOHR82] Gohritz, A.: Ermittlung der Zahnflankentragfähigkeit mittlerer und grosser Getriebe durch Analogieversuche. Diss. RWTH Aachen University, 1982 [ISO98] Norm DIN EN ISO 4288 (April 1998) Regeln und Verfahren für die Beurteilung der Oberflächenbeschaffenheit. [KLOC17] Klocke, F.; Brecher, C.: Zahnrad- und Getriebetechnik. Auslegung - Herstellung - Untersuchung - Simulation. 1. Aufl. München: Carl Hanser, 2017 [KÖNI21] König, J.: Steigerung der Zahnflankentragfähigkeit durch optimierte Fertigung und Schmierung. München: Verlag Dr. Hut, 2021