eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 69/eOnly Sonderausgabe 2

Tribologie und Schmierungstechnik
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expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2022-0033
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2022
69eOnly Sonderausgabe 2 Jungk

Kugelbewegung in Spindellagern unter dynamischer Belastung

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2022
Hans-Martin Eckel
Christian Brecher
Stephan Neuss
Der Kugelvor- und -nachlauf ist die wesentliche Auslegungsgröße von Spindellagern neben den maximalen Pressungen und dem Bohr-Roll-Verhältnis. Dieser beschreibt das Vor- und Nacheilen der Kugeln in den Käfigtaschen bei radial belasteten Spindellagern. Mit einem neuartigen Messsystem kann die Bewegung der Kugeln präzise entlang des Lagerumfangs erfasst werden. Gleichzeitig bietet der entwickelte Prüfstand die Möglichkeit das Lager mit dynamischen Kräften zu belasten. Die Ergebnisse zeigen eine Erhöhung des Kugelvor- und -nachlaufs bei einer Belastung mit der Käfig- und der technisch relevanten Wellendrehfrequenz im Vergleich zur statischen Belastung. Eine Belastung mit Vielfachen der Wellendrehfrequenz führt zu keiner signifikanten Erhöhung des Kugelvor- und -nachlaufs.
tus69s20010
Käfigtaschen, der so genannte Kugelvor- und -nachlauf (KvKn). Überschreitet dieser Wert den geometrisch möglichen Bewegungsfreiraum der Kugeln, welcher der Summe aus Käfigtaschen- und Käfigführungsspiel entspricht, können erhebliche Kontaktkräfte zwischen Kugeln und Käfig entstehen. Das Risiko eines Käfig- und Lagerausfalls steigt. Entsprechend ist dieser Wert neben den maximalen Pressungen und dem Bohr-Roll-Verhältnis eine zentrale Auslegungsgröße von Spindellagern [2,3]. Beispiele aus der Praxis zeigen hingegen, dass für spezifische Lastfälle hohe KvKn-Werte rechnerisch auftreten, aber keinen unmittelbaren Lagerschaden in Hauptspindeln hervorrufen [4]. Eine mögliche Erklärung ist eine hohe Abweichung zwischen der berechneten und tatsächlichen Kugelkinematik unter dem Einfluss prozessähnlicher Belastungen. Die Kugelbewegung lässt sich nicht eindeutig mit kinematischen Formeln beschreiben, da sie dem lastabhängigen Reibungszustand in den Wälzkontakten unterliegt. Aus Wissenschaft und Forschung 10 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · eOnly Sonderausgabe 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0033 1 Einleitung Spindellager sind in der Anwendung hohen Drehzahlen und Belastungen ausgesetzt. Der Belastungszustand setzt sich häufig aus statischen und überlagerten dynamischen Anteilen zusammen. Typische Anregungsquellen für die dynamischen Belastungen sind Schneideneingriffe bei der Fräsbearbeitung oder die Zahneingriffe in Getrieben. Unter dem Einfluss von Radialkräften und Momentbelastungen entsteht eine Druckwinkeländerung am inneren und äußeren Kontakt entlang des Lagerumfangs. Dies führt zu einer Modulation der Orbitalgeschwindigkeit der Kugeln um die Lagerachse [1]. Die Folge ist ein Vor- und Nachlaufen der Kugeln in den Kugelbewegung in Spindellagern unter dynamischer Belastung Hans-Martin Eckel, Christian Brecher, Stephan Neus* Der Kugelvor- und -nachlauf ist die wesentliche Auslegungsgröße von Spindellagern neben den maximalen Pressungen und dem Bohr-Roll-Verhältnis. Dieser beschreibt das Vor- und Nacheilen der Kugeln in den Käfigtaschen bei radial belasteten Spindellagern. Mit einem neuartigen Messsystem kann die Bewegung der Kugeln präzise entlang des Lagerumfangs erfasst werden. Gleichzeitig bietet der entwickelte Prüfstand die Möglichkeit das Lager mit dynamischen Kräften zu belasten. Die Ergebnisse zeigen eine Erhöhung des Kugelvor- und -nachlaufs bei einer Belastung mit der Käfig- und der technisch relevanten Wellendrehfrequenz im Vergleich zur statischen Belastung. Eine Belastung mit Vielfachen der Wellendrehfrequenz führt zu keiner signifikanten Erhöhung des Kugelvor- und -nachlaufs. Schlüsselwörter Spindellager, Hauptspindel, Kugelkinematik, Lagerlasten, Messtechnik, Prüfstand Ball motion in spindle bearings under dynamic loads The main design parameter of spindle bearings is the ball advance and retardation in addition to the maximum contact pressures and the spin-to-roll ratio. This value describes the leading and trailing motion of the balls in the cage pockets in radially loaded spindle bearings. With a new measuring system, the motion of the balls can be precisely measured along the bearing circumference. At the same time, the developed test rig offers the possibility to load the bearing with dynamic forces. The results show an increase in the ball advance and retardation when dynamically loaded with the cage and the technically relevant shaft rotational frequency compared to the static case. A load with multiples of the shaft rotational frequency does not lead to a significant increase of the ball advance and retardation. Keywords spindle bearing, main spindle, ball kinematics, bearing loads, metrology, test rig Kurzfassung Abstract * Hans-Martin Eckel, M. Sc. (federführender Autor) Prof. Dr. Christian Brecher Dipl.-Ing. Stephan Neus Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen Steinbachstraße 19, 52074 Aachen Bereits bei statischer Axiallast zeigen gängige Berechnungsansätze mitunter stark abweichende Geschwindigkeiten der Kugeln [5]. Messergebnisse zum KvKn bei hohen Drehzahlen und radialen Belastungen sind nicht bekannt. Aus diesem Grund ist die messtechnische Erfassung der Kugelbewegung im Betrieb unter statischen und dynamischen Belastungen erforderlich. Die Untersuchungen sollen den Einfluss typischer Belastungen auf den messbaren KvKn aufzeigen. Hierzu wird das Prüflager einerseits mit stationär wirkenden dynamischen Kräften und variierenden Frequenzen belastet. Ergänzend wird der Einfluss umlaufender Belastungen sowie einer Unwucht, die einer mit der Wellendrehfrequenz umlaufenden Kraft entspricht, untersucht. Somit kann der Einfluss typischer Lastzustände erfasst und bewertet werden. 2 Analyse der Kugelkinematik Bei hohen Drehzahlen und Belastungen überlagern sich am inneren und äußeren Wälzkontakt Roll- und Bohrbewegungen. Das Verhältnis dieser Bewegungen definiert den Wälzwinkel, mit dem sich die Kugel um die Lagerachse dreht und damit die Orbitalgeschwindigkeit der Kugel um die Lagerachse. Zur Bestimmung des Wälzwinkels wurden verschiedene kinematischer Hypothesen entwickelt. Die bekanntesten Hypothesen sind die Grenzwertbetrachtungen nach der Innenring- und der Außenringführung [6,7]. Diesen Hypothesen liegt die Annahme zugrunde, dass bei der gewählten Führung die Bohrbewegung nur am anderen Kontakt auftritt. Im Fall der Innenringführung erfährt die Kugel demnach am inneren Kontakt eine reine Rollbewegung und am äußeren Kontakt eine überlagerte Roll- und Bohrbewegung. Im Betrieb stellt sich ein Wälzwinkel zwischen der Innen- und der Außenringführung ein. Detailliertere Berechnungen berücksichtigen die Beanspruchungen in den Wälzkontakten zur Bestimmung des Wälzwinkels [5,8,9]. Die Validierung dieser Berechnungsmethoden erfolgte auf Basis statischer Axialkräfte durch die Messung der Käfigdrehzahl. Ein Abgleich unter radialen Belastungen wurde wissenschaftlich bisher nicht untersucht. In [10] wird der Einfluss verschiedener kinematischer Hypothesen auf die axiale Lagersteifigkeit und den Anstellwinkel berechnet. Bei hohen Drehzahlen unterscheiden sich die berechneten Wälzwinkel und damit die Umlaufgeschwindigkeit der Kugeln deutlich zwischen diesen Hypothesen. In [11] wird das Betriebsverhalten von Wälzlagern unter dynamischer Belastung untersucht. Berechnungen für ein Rillenkugellager der Baugröße 6220 bei 1.000 U/ min zeigen, dass eine signifikante Änderung der Kugeldrehzahl nur bei axialer Belastung auftritt. Die Beanspruchung des Käfigs durch den KvKn bei statischer Belastung für ein Rillenkugellager der Baugröße 6310 im Drehzahlbereich bis 1.600 U/ min wird in [12] experimentell nachgewiesen. Hohe Käfigbelastungen treten insbesondere bei einer Verkippung zwischen den Lagerringen auf. Dies deutet auf einen ausgeprägten KvKn hin. Für höhere Drehzahlen wird in [13] ein System zur Messung der Kugel- und Käfigbewegungen mittels Hochgeschwindigkeits-Videografie vorgestellt. Ergebnisse unter radialer Belastung sind nicht beschriebenen. Erste Ergebnisse zu gemessenen KvKn-Werten in radial und axial (statisch) belasteten Spindellagern mit Drehzahlen bis zu 30.000 1/ min der Baugröße 7014 werden in [14] vorgestellt. Die Ergebnisse bestätigen, dass die Grenzwerte nach der Innen- und Außenringführung prinzipiell eingehalten werden. Die gemessene Kugelbewegung moduliert jedoch geringer, als nach diesen Führungsmethoden berechnet. Zur Analyse der Kugelkinematik unter dynamischen Belastungen sind daher experimentelle Untersuchungen erforderlich. Für die nachfolgenden Untersuchungen wurde das in [14] vorgestellte Prüfsystem um eine hochdynamische Aktorik mit piezoelektrischen Stapelaktoren erweitert. 3 Prüftechnik Die messtechnischen Untersuchungen unter dynamischer Belastung werden auf dem in [14] vorgestellten Spindellagerprüfstand zur Untersuchung des KvKn durchgeführt. Dieser wurde um ein hochdynamisches Belastungssystem erweitert. Das Versuchslager der Baugröße 7014 in Hybridbauweise (Tabelle 1) wird gegen eine Stützlagerung in O-Anordnung mit 1.000 N elastisch vorgespannt (Bild 1). Der geometrisch mögliche KvKn beträgt etwa 1.100 µm. Die Schmierung erfolgt mittels Öl-Luft Schmierung mit einem Öl der Viskosität ISO-VG 32. Die nachfolgenden genannten Belastungen beziehen sich auf die in der Abbildung eingezeichnete Krafteinleitungsposition. Im Betrieb werden die Kugelpositionen, die Belastungskräfte sowie die Verlagerung der Spindelwelle zeitsyn- Aus Wissenschaft und Forschung 11 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · eOnly Sonderausgabe 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0033 Geometrie Wert Einheit Teilkreisdurchmesser Kugeldurchmesser Kugelanzahl Druckwinkel Käfigführungsspiel Käfigtaschenspiel 90 11,9 21 19 600 500 mm mm - ° µm µm Tabelle 1: Eigenschaften des Prüflagers dem Käfig durchleuchten. Gegenüberliegende Fotodetektoren erfassen das Lichtsignal, welches von den Kugeln intermittierend abgeschattet wird. Am Lagerumfang sind 21 dieser Einheiten, die jeweils eine Lichtschranke bilden, angeordnet. Die Signale der Fotodetektoren werden mittels FPGA mit einer Abtastrate von 40 MHz erfasst, vorverarbeitet und mit den weiteren analogen Messgrößen synchronisiert. Die Sensordaten liefern somit den Zeitpunkt, wann sich eine Kugel an einer Sensorposition befindet. Hierzu wird die mittlere Zeit zwischen dem Eintritt und Austritt der Kugeln in den Lichtstrahl ausgewertet. Die hohe Abtastrate ermöglicht eine Auflösung zur Kugeldetektion an den Sensorpositionen von unter 2 µm. Zwei vorgespannte piezoelektrische Aktoren mit einem Winkelabstand von 90° erzeugen die dynamischen Radialkräfte (Bild 3). Die Kräfte werden über eine Belastungseinheit, welche die Rotation der Spindelwelle mit einem weiteren Lagerpaket entkoppelt, in die Welle eingeleitet. Die Aktoren sind über speziell entwickelte Festkörpergelenke mit applizierten Dehnungsmessstreifen an die Belastungseinheit angebunden, sodass Zug- und Druckkräfte spielfrei mit hohen Amplituden aufgebracht werden können. Die Regelung der Belastungskräfte erfolgt über die Prüfstandssteuerung. Hierzu werden die im Soll-Kraftsignal vorkommenden statischen und dynamischen Kraftanteile frequenzdiskret, mit der gemessenen Kraft als Regelwert, geregelt. Dieses Vorgehen ermöglicht es beliebige Belastungen mit dynamischen Kraftamplituden von bis zu 1.000 N präzise einzustellen. Jedem harmonischen Kraftanteil kann eine individuelle Phase vorgegeben werden, sodass durch den Einsatz der zwei Aktoren Belastungen mit veränderlicher Kraftrichtung, wie beispielsweise eine Unwucht, abgebildet werden können. [16] Aus Wissenschaft und Forschung 12 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · eOnly Sonderausgabe 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0033 chron erfasst. Die Wellenverlagerung dient der Bestimmung der wirkenden Lasten beziehungsweise der Lastrichtung auf das Prüflager. Diese wird mittels je drei radial und axiale angeordneten Wirbelstromsensoren vor dem Prüflager erfasst (Bild 1). Die Methoden zur Berechnung der Wellenverlagerung in radialer und axialer Richtung sowie der Neigung aus den einzelnen Verlagerungssignalen sind in [15] beschrieben. Zur Messung der Kugelpositionen wird das aus [14] bekannte Messsystem verwendet. Das System nutzt Lichtquellen, die das Lager zwischen dem Innenring und Bild 1: Aufbau der Prüfspindel Bild 3: Belastungsprüfstand im aufgebauten Zustand und in der Schnittdarstellung Bild 2: System zur Messung des KvKn [14] 4 Ergebnisse Statische Belastung Messungen bei stationärer, statischer Belastung sind die Grundlage, um das Verhalten der Kugeln unter dynamischer Belastung zu verstehen. Bild 4 zeigt die gemessenen Abweichungen einer Kugel bezogen auf Ihre Soll- Position entlang des Lagerumfangs für verschiedene Radialkräfte und Drehzahlen. Die Belastung wirkt in Richtung 0°. Die Modulation der Kugelbewegung bei 1.000 N ist gering und steigt mit zunehmender Geschwindigkeit an. Nach der Belastungszone bildet sich eine Nachlaufbewegung aus, die kinematisch einer dominierenden Außenringführung entspricht. Bei 2.000 N tritt im mittleren Geschwindigkeitsbereich eine starke Modulation auf, bei der die Kugeln nach der Lastzone eine Vorlaufbewegung zeigen. Dieses Verhalten deutet auf eine dominierende Innenringführung hin. Bild 5 zeigt den Verlauf des gemessenen KvKn für verschiedene Drehzahlen und statische Radialkräfte. Der jeweilige KvKn-Wert beschreibt die Differenz zwischen den Kugeln mit dem höchsten Vor- und Nachlauf, gemittelt über einen Messzeitraum von 0,5 s. Bei diesem Lager treten die maximalen KvKn-Werte im unteren bis mittleren Drehzahlbereich bei hohen Radialkräften auf. Mit steigender Drehzahl reduziert sich der KvKn. Bis zu einer Radialkraft von 1,5 kN tritt im gesamten Drehzahlbereich kein signifikanter KvKn auf. Die in der Abbildung eingezeichneten roten Markierungen sind Betriebspunkte, von denen die dynamischen Belastungen ausgehen. Die Belastung wirkt stationär durch einen Aktor. Die Wahl dieser Punkte berücksichtigt wechselnde Lasten (Radialkraft = 0 N) sowie die stark progressive Erhöhung des KvKn ab 1,5 kN. Dynamisch, stationär wirkende Belastung Bei hohen dynamischen Belastungen können innerhalb einer Kraftperiode Lastzustände auftreten, die entsprechend Bild 5 bei statischer Belastung eine leichte und eine stark erhöhte Modulation der Kugelgeschwindigkeit bewirken. Dies ist insbesondere bei einer Radialkraft von 1,5 kN möglich, wo die Belastung des Lagers zwischen Bereichen mit hohem und geringem KvKn oszilliert. Das Zusammenspiel von dynamischen und statischen Kraftkomponenten kann daher für die Ausprägung des KvKn relevant sein. Bild 6 zeigt die gemessenen KvKn-Werte für die Betriebspunkte aus Bild 5 mit einer überlagerten dynamischen Belastung. Die Belastung erfolgt mit variierenden, diskreten Frequenzen und einer konstanten Kraftamplitude von 500 N (1.000 N Peak/ Peak). Unter reiner Wechselbelastung (F stat = 0 N) tritt bei keiner technisch relevanten Anregungsfrequenz (Drehfrequenz f n und deren Harmonische) eine signifikante Erhöhung des KvKn auf. Demgegenüber können bei einer Belastung im Bereich der Käfigdrehfrequenz f c starke Überhöhungen auftreten. Die Ergebnisse bei 12.000 1/ min und 100 Hz sowie bei 24.000 1/ min und 200 Hz zeigen diesen Effekt eindeutig. Die Anregung im Bereich der Käfigdrehfrequenz führt zu einer gleichbleibenden Belas- Aus Wissenschaft und Forschung 13 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · eOnly Sonderausgabe 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0033 Bild 5: KvKn im gesamten Parameterbereich Bild 4: Gemessene Kugelbewegung für verschiedene Drehzahlen und Radialkräfte Die Modulation der Kugelbewegung und des KvKn infolge der dynamischen Belastung sind in Bild 7 im Frequenzbereich dargestellt. Die Diagramme zeigen die dynamischen Anteile der Kugelbewegung sowie des gesamten KvKn als Differenz zwischen den Kugeln mit dem höchsten Vor- und Nachlauf. Bei allen Belastungen liegt ein signifikanter dynamischer Anteil in der Kugelbewegung bei f c vor. Die Modulation des KvKn hingegen wird mit der Belastungsfrequenz f F moduliert, dessen Amplitude jedoch mit steigender Frequenz abnimmt. Neben diesen beiden charakteristischen Signalanteilen tritt die Schwebungsfrequenz mit f F -f c auf. Bei einem geringen Abstand von f F und f c stellt sich eine niederfrequente, dem statischen Anteil überlagerte, Modulation der Kugelbewegung ein, die zu hohen, statischen KvKn-Werten führen kann. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse, dass bei einer stationär wirkenden dynamischen Belastung die höchsten KvKn-Werte im Bereich von f c auftreten. Die höchsten Werte bei einer technisch relevanten Anregung liegen bei der Drehfrequenz f n vor. Dynamisch, umlaufend Im Betrieb von Spindellagern wirken die dynamischen Belastungen selten in stationärer Richtung, sondern laufen vollständig (Unwucht) oder teilweise (Schneideneingriffe beim Fräsprozess) mit dem Innenring um. Hierbei weisen die Belastung sowie der Käfig den gleichen Drehsinn um die Lagerachse auf. Bei der dynamischen Belastung bestimmt die relative Lage der Kugel zur Kraftrichtung deren Belastung und damit die Kinematik. Aus Wissenschaft und Forschung 14 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · eOnly Sonderausgabe 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0033 tung einzelner Kugeln, sodass sich ein hoher KvKn ausbilden kann. Unter dem Einfluss statischer Kraftkomponenten erreicht der KvKn höhere Werte und bestätigt die Ergebnisse aus Bild 5. Im Vergleich zur statischen Belastung stellen sich höhere KvKn-Werte bei einer Belastung mit f n ein, die mit steigender Anregungsfrequenz wieder abklingen. Bild 6: KvKn unter dynamischer Belastung bei 12.000 1/ min und 24.000 1/ min Bild 7: Spektrum der Kugelbewegung und des KvKn bei 12.000 1/ min und F stat = 1.500 N Eine wiederkehrende Belastung der Kugel über dem Lagerumfang, wie im statischen Fall, tritt aufgrund des ungeraden Verhältnisses aus Käfig- und Innenringdrehzahl nicht auf. Bei einer Belastung durch Unwucht ändert sich der Lastzustand einzelner Kugeln aufgrund der mitrotierenden Kraft langsamer, sodass sich prinzipiell ein erhöhter KvKn aufbauen kann. Den Einfluss umlaufender Belastungen mit f n zeigt Bild 8. Für den Vergleich wurde bei jeder Drehzahlstufe eine reine Wechsellast mit der Drehfrequenz stationär (ein Aktor) sowie gleich- und gegensinnig zur Drehrichtung des Innenrings umlaufend eingeleitet. Die gleichsinnig umlaufende Belastung entspricht einer Unwucht, wobei die gegensinnige Belastung als theoretischer Vergleichswert dient. Die Kraftamplitude beträgt bei allen Drehzahlen 250 N (500 N Peak/ Peak). Dies entspricht einer Unwucht von 40 gmm bei 24.000 1/ min und beträgt damit das Vierfache der zulässigen Unwucht bei G2,5 [17]. Die höchsten KvKn-Werte treten bei der Belastung mit Unwucht auf. Der theoretische Lastfall mit gegensinniger Belastung führt ebenfalls zu erhöhten Werten im Vergleich zum stationären Lastfall. Trotz der hohen Unwucht erreicht der KvKn allgemein keine kritischen Werte. Zur detaillierteren Analyse des Einflusses der Anregungsfrequenz auf die Kugelbewegung wurde das Lager mit gleichsinnig umlaufender Belastung mit und unterhalb von f c sowie als Referenz mit f n (Unwucht) belastet. Die Kraftamplitude beträgt 500 N an der Lasteinheit. Bild 9 zeigt in der linken Spalte jeweils die Position einer Kugel sowie die Lage des Wellenorbits um die Lagerachse. Der Winkel des Wellenorbits entspricht somit der Lastrich- Aus Wissenschaft und Forschung 15 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · eOnly Sonderausgabe 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0033 Bild 8: KvKn bei Belastungen mit der Wellendrehfrequenz Bild 9: KvKn mit umlaufenden Belastungen Danksagung Gefördert durch Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages. Die Autoren danken der Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen (AiF) und dem Verein Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken e.V. (VDW) für die finanzielle Unterstützung des Projekts 21640 N/ 1. Literatur [1] C. Brecher, M. Weck, Werkzeugmaschinen Fertigungssysteme 2: Konstruktion, Berechnung und messtechnische Beurteilung, ninth ed., Springer, Heidelberg, 2017. [2] GMN Paul Müller Industrie GmbH @ Co. KG, Hochpräzisionslager. Firmenschrift, Nürnberg, 2010. [3] Schaeffler Technologies AG & Co. KG, Hochgenauigkeitslager. Firmenschrift, Schweinfurt, 2016. [4] J. Falker, Analyse des Betriebsverhaltens von Hochgeschwindigkeits-Wälzlagern unter radialen Lasten. Dissertation, Aachen, 2020. 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[17] DIN Deutsches Institut für Normung e. V., Mechanische Schwingungen Auswuchten von Rotoren - Teil 11: Verfahren und Toleranzen für Rotoren mit starrem Verhalten, Beuth Verlag, Berlin, 2017. Aus Wissenschaft und Forschung 16 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · eOnly Sonderausgabe 2/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0033 tung. Die Auslenkung des Wellenorbits wurde mit dem beschriebenen Verlagerungsmesssystem simultan zum Drehgeber des Antriebsmotors erfasst. Die rechte Spalte zeigt die Abweichung von einer Kugel von Ihrer Soll- Bewegung sowie den KvKn zwischen den Kugeln. Im Fall der gezeigten Belastung mit f F ≈ f c bleibt der Belastungszustand jeder Kugel für einen langen Zeitraum konstant, sodass einzelne Kugeln eine hohe Abweichung und damit einen hohen Vor- und Nachlauf aufbauen und beibehalten können. Geringe Abweichungen zwischen f F ≈ f c führen zu einer langsam steigenden Phasenverschiebung zwischen der Belastung und der Kugelposition, sodass eine Umkehrung der Abweichung entsteht. Der KvKn bleibt konstant auf einem hohen Niveau. Bedingt durch die Frequenzauflösung der Kraftregelung von 10 Hz, wurde die Drehzahl auf 12.330 1/ min gesetzt, um eine gute Übereinstimmung zwischen f F und f c einzustellen. Bei einer Reduktion der Drehzahl auf 12.000 1/ min gilt f F < f c . Hierbei kommt es zu einer kontinuierlich steigenden Phasenverschiebung zwischen der Belastung und der Kugelposition, die in einer niederfrequenten Modulation der Kugelbewegung resultiert. Auch bei diesem Lastfall bleibt der KvKn zwischen den Kugeln auf einem konstant hohen Niveau. Bei einer Erhöhung der Anregungsfrequenz mit f F = f n treten stark wechselnde Belastungen der Kugel auf, welche die Ausbildung hoher Abweichungen reduzieren. Der KvKn fällt daher geringer aus. Diese Beispiele bekräftigen, dass dynamische Wechsellasten im Bereich technisch relevanter Frequenzen mit f F ≥ f n keine kritischen Modulationen der Kugelbewegungen und damit KvKn-Werte hervorrufen. 5 Zusammenfassung Entgegen bisherigen Vermutungen zeigen die Messergebnisse für die statische Belastung, dass hohe Drehzahlen und Radialkräfte nicht unmittelbar zu hohen KvKn-Werten führen. Unter dynamischer Belastung mit technisch relevanten Anregungsfrequenzen (Drehfrequenz und deren Harmonische) treten im Vergleich zur mittleren, statischen Kraft keine signifikanten Erhöhungen der KvKn-Werte auf. Eine Verstärkung des KvKn infolge einer dynamischen Belastung wird durch Anregungsfrequenzen im Bereich der Käfigdrehfrequenz verursacht. Eine reine Unwucht, die einer umlaufenden Belastung mit der Drehfrequenz entspricht, führt zu keinen kritischen KvKn-Werten. Erst mit der Überlagerung einer statischen Kraftkomponente treten erhöhte KvKn-Werte auf.