eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 69/5-6

Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2022-0038
121
2022
695-6 Jungk

Kern-(Kon-)fusion?

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2022
Manfred Jungk
tus695-60001
Editorial 1 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0038 Liebe Leserinnen und Leser, das am 13.12. gesendete (ZDF Heute Journal) Interview mit Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger machte mich als gelernten Chemiker neugierig, ob der ausgestrahlte Optimismus meinen eigenen Plausibilitätsfragen standhält. Das Lawrence Livermore National Laboratory gab bekannt, dass in ihrer National Ignition Facility nach Laserpulsen mittels 2,05 Megajoule aus einem mit den Wasserstoffisotopen Deuterium und Tritium gefüllten Pellet die Fusionsenergie von 3,15 Megajoule freigesetzt wurde - laut Frau Stark-Watzinger der Durchbruch zur Lösung aller weltweiten Energieprobleme. Professor Häfner, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Lasertechnik ILT in Aachen, verriet in seiner Presseerklärung mehr Details. Demnach erhitzt der Laser ein etwa 2 Millimeter großes Kügelchen mit den Wasserstoffisotopen auf mehr als 120 Millionen Grad Celsius, was die Fusion zu Helium auslöst und dabei pro Reaktion 17,6 Megaelektronenvolt in Form von Neutronen und Alphateilchen freisetzt. Nach meiner Überschlagsrechnung reagierten bei der Freisetzung von 3,15 10 18 Megajoule Deuterium-Tritium Paare zu etwa 0,67 Gramm Helium. Die Kernspaltung eines Uran Atoms liefert ca. 200 Megaelektronenvolt und je nach Kernkraftwerkstyp werden aus einem Kilogramm Uran 36 -56 Megawattstunden erzeugt. 2016 lag der Weltverbrauch an Uran bei 64.000 Tonnen. Bei einer Molmasse von 238 Gramm pro Mol werden jährlich ca.2,7 x 10 8 Mol Uran gespalten, was 3,1 10 9 Mol oder 12.400 Tonnen Wasserstoffgemisch entspräche, um die gleiche Menge Energie zu erzeugen. Bei dieser Überschlagsrechnung wurden die Effizienz von Kernspaltung und Kernfusion gleichgesetzt. Über die Probleme der Entsorgung von jährlich 64.000 Tonnen Uran wird sehr viel berichtet und diskutiert, weshalb ich an dieser Stelle nur gegenüberstelle, dass die Verwertung von jährlich 15.500 Tonnen Helium unproblematisch sein dürfte. 2020 lag die jährliche Erzeugung von Helium bei 160 Millionen Kubikmetern oder ca. 3.600 Tonnen. Als weiteren Vorteil nennt Professor Häfner die Sicherheit der Kernfusion. „Die Alphateilchen werden sofort wieder vom Plasma absorbiert, wodurch es sich weiter aufheizt und eine sich selbst erhaltende Verbrennungswelle ausgelöst wird. Nach weniger als 100 Pikosekunden führen die hohe Temperatur und der enorme Druck dazu, dass sich der verbleibende Brennstoff ausdehnt und die Parameter unter den Schwellenwert für die Fusion, das so genannte Lawson-Kriterium, fallen. Dieser Effekt macht die Fusionsreaktion auch sicher, da keine kritische Kettenreaktion auftreten kann.“ Als Tribologen tun wir uns schwer mit Aussagen wie „Laser haben einen Mini-Stern auf der Erde gezündet“, trotzdem sollten wir dies zum Anlass nehmen, nach all den Schwierigkeiten der letzten Jahre optimistisch ins neue Jahr zu gehen und der Tribologie gewogen zu bleiben, Ihr Manfred Jungk Herausgeber Kern-(Kon-)fusion? TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 1