eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 69/5-6

Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2022-0040
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2022
695-6 Jungk

Modellversuch für die experimentelle Untersuchung des Verschleißverhaltens des Gleitschuh-Schrägscheibe Kontakts

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2022
Amos Merkel
Felix Schlegel
Katharina Schmitz
In Axialkolbenpumpen kommen hydrostatisch teilentlastete Kontakte zum Einsatz. Der Einsatz dieser Pumpen im drehzahlvariablen Betrieb hat sich hinsichtlich der Robustheit als sehr herausfordernd erwiesen. Besonders betroffen ist hierbei der Gleitschuh-Schrägscheibe Kontakt, über den die Kolbenlasten abgestützt werden. Die hierbei auftretenden Verschleißvorgänge und treibenden Effekte sind im aktuellen Stand der Forschung noch nicht aufgearbeitet. Im Rahmen dieser Veröffentlichung soll daher ein Modellversuch vorgestellt werden, der die gezielte Untersuchung des Verschleißverhaltens des Gleitschuh-Schrägscheibe Kontakts unter kontrollierten und reproduzierbaren Bedingungen erlaubt. Ziele des Modellversuchs sind zum einen die rein empirische Untersuchung der Wechselwirkungen im drehzahlvariablen Betrieb und zum anderen die Validierung simulativer Betrachtungen.
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versorgt. Die einzelnen Aktoren des Systems werden in diesem Fall über Ventile gesteuert. Diese Systeme sind gut erprobt und Erlauben das Erreichen hoher Dynamiken und Kraftdichten, jedoch weisen sie prinzipbedingt vergleichsweise schlechte Wirkungsgrade auf. Diese entstehen vor allem durch Drosselverluste an den Ventilen, sowie aufgrund der Notwendigkeit an den jeweiligen Aktoren den hohen Systemdruck auf den aktuell benötigten Arbeitsdruck abzudrosseln. / Sch18/ / Fin15/ Systemische Ansätze, wie die in Baumaschinen verbreiteten Load-Sensing Systeme und Mehrdrucksysteme erlauben Aus Wissenschaft und Forschung 14 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0040 Einleitung Konventionelle Hydrauliksysteme sind typischerweise zentralisierte Systeme bei denen eine Hauptpumpe ein größeres hydraulisches System mit konstantem Druck Modellversuch für die experimentelle Untersuchung des Verschleißverhaltens des Gleitschuh-Schrägscheibe Kontakts Amos Merkel, Felix Schlegel, Katharina Schmitz* Eingereicht: 6.9.2022 Nach Begutachtung angenommen: 10.1.2023 Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 63. Tribologie-Fachtagung 2022 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. In Axialkolbenpumpen kommen hydrostatisch teilentlastete Kontakte zum Einsatz. Der Einsatz dieser Pumpen im drehzahlvariablen Betrieb hat sich hinsichtlich der Robustheit als sehr herausfordernd erwiesen. Besonders betroffen ist hierbei der Gleitschuh-Schrägscheibe Kontakt, über den die Kolbenlasten abgestützt werden. Die hierbei auftretenden Verschleißvorgänge und treibenden Effekte sind im aktuellen Stand der Forschung noch nicht aufgearbeitet. Im Rahmen dieser Veröffentlichung soll daher ein Modellversuch vorgestellt werden, der die gezielte Untersuchung des Verschleißverhaltens des Gleitschuh-Schrägscheibe Kontakts unter kontrollierten und reproduzierbaren Bedingungen erlaubt. Ziele des Modellversuchs sind zum einen die rein empirische Untersuchung der Wechselwirkungen im drehzahlvariablen Betrieb und zum anderen die Validierung simulativer Betrachtungen. Schlüsselwörter Verschleiß, drehzahlvariabel, Gleitschuh, Axialkolbenmaschine, Hydraulik, Prüfstand Model test for the experimental investigation of the wear behavior of the sliding shoe-slanted disk contact In axial piston pumps, hydrostatically partially balanced contacts are predominantly used. The use of these pumps in variable-speed configurations, such as in electro-hydrostatic axes, has proven to be very challenging in terms of robustness. Particularly affected here is the slipper-swashplate contact, via which the piston loads are supported. The wear processes and driving effects occurring here have not yet been sufficiently addressed in the current state of research. Within the scope of this publication, a model experiment is therefore to be presented which allows the targeted investigation of the wear behaviour of the slipper-swashplate contact under controlled and reproducible conditions. The objectives of the model experiment are, on the one hand, the empirical investigation of the interactions in variable-speed operation and, on the other hand, the validation of simulative considerations. Keywords wear, variable-speed, slipper, axial piston pump, hydraulic, test rig Kurzfassung Abstract * Amos Merkel Felix Schlegel Univ.-Prof. Dr.-Ing. Katharina Schmitz RWTH Aachen University, Institut für fluidtechnische Antriebe und Systeme (ifas), Campus-Boulevard 30, 52074 Aachen TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 14 hier zwar signifikante Verbesserungen, können jedoch konzeptionell nicht die Wirkungsgrade vergleichbarer mechanischer oder elektrischer Systeme erreichen / Vuk16/ . In einer alternativen Systemarchitektur wird das zentralisierte Hydrauliksystem komplett durch verteilte Antriebe ersetzt. Hierbei erhält jeder hydraulische Aktor eine eigene Volumenstromversorgung über eine verstellbare Motor-Pumpeneinheit, die immer exakt den Volumenstrom liefert die für die jeweilige Aktoraktion erforderlich ist. Diese Konfiguration wird üblicherweise als elektro-hydrostatischer Antrieb (EHA) bezeichnet. Diese Systemarchitektur bietet gegenüber dem konventionellen zentralisierten System mehrere Vorteile. Zunächst können signifikante Wirkungsgradsteigerungen erreicht werden, da nahezu alle Drosselverluste entfallen und volle Rekuperation möglich wird. Da Hydrauliksysteme häufig in Anwendungen mit hohen bis sehr hohen Energieströmen eingesetzt werden, können so sehr große Energiemengen eingespart werden. Gerade vor dem Hintergrund der Elektrifizierung von beispielsweise Baumaschinen und Flugzeugen schlägt sich dies direkt in erhöhten Batterielaufzeiten nieder. Neben den Effizienzsteigerungen, ermöglicht die dezentrale Systemarchitektur eine wesentlich vereinfachte Wartung und Handhabung durch die Maschinenhersteller und Endnutzer, da bei Wartungsarbeiten eines dezentralen Aktors dieser modular getauscht werden kann, ohne dabei das Gesamtsystem zu beeinflussen. / Hel16/ / Mar11/ / Gai16/ Einem flächendeckenden Einsatz der EHA Systeme steht bisher neben hohen initialen Investitionskosten anwendungsabhängig auch Limitierungen in der Robustheit gegenüber. Besonders betroffen sind die Pumpen im drehzahlvariablen Betrieb. / Cha19a/ / Röb20/ Für die Erklärung ist zunächst ein Grundverständnis für deren Funktionsweise erforderlich. Bild 1 zeigt den grundlegenden Aufbau einer Axialkolbenpumpe. In einer rotierenden Kolbentrommel laufen Kolben, die sich über den sogenannten Gleitschuhkontakt an einer stillstehenden Schrägscheibe abstützten. Über den Schrägungswinkel vollführen die Kolben eine Pumpbewegung in der Kolbentrommel. Auf der Rückseite der Kolbentrommel befindet sich die Steuerscheibe, an der die Umsteuerung zwischen Hoch- und Niederdruck erfolgt. Die Drucklasten werden dabei trommelseitig über die Steuerscheibe, kolbenseitig über die Gleitschuhe an der Schrägscheibe abgestützt. Bei diesen Kontakten handelt es sich somit um hochbelastete Gleitkontakte. Bild 2 zeigt exemplarisch den Gleitschuhkontakt. Um nicht die volle Drucklast über einen Festkörperkontakt zu stützen, sind in den Gleitschuhen Drucktaschen vorgesehen. Diese Drucktaschen werden über eine Drosselbohrung aus dem Kolbendruck gespeist. Der so aufgeprägte Taschendruck kompensiert einen Großteil der Anpresskräfte des Kolbens. Zusätzlich zu diesem statischen Traganteil entsteht durch eine Anstellung der Gleitschuhe bei Rotation ein dynamisches Druckprofil, das den Gleitschuhkontakt weiter entlastet. In Summe kann so eine vollständige Entlastung erzielt werden und der Kontakt kann theoretisch verschleißfrei laufen. Ähnlich dem Schrägscheibe-Gleitschuhkontakt ist auch der Kolbentrommel-Steuerspiegelkontakt entlastet. / Man13/ / Iva01/ / Weg21/ Die Abstimmung der Kompensation ist aufgrund der wirkenden dynamischen Druck- und Trägheitskräfte stark arbeitspunktabhängig. In herkömmlichen Zentralsystemen wird die Pumpe in aller Regel bei konstanter Drehzahl von typischerweise ca. 1500 oder 3000 U/ min Aus Wissenschaft und Forschung 15 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0040 Bild 2: Lasten am Gleitschuh-Schrägscheibenkontakt Bild 1: Grundaufbau einer Axialkolbenpumpe TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 15 matik und -geometrie ausreichend genau abgebildet werden um die Einflüsse des drehzahlvariablen Betriebs auch entsprechend abbilden zu können. Prüfstand - Konstruktion Experimentelle Untersuchungen des Gleitschuh-Schrägscheibe Kontakts sind bereits mehrfach für verschiedene Zwecke durchgeführt worden. Ein aktueller Überblick über verschiedene Testaufbauten und Experimente findet sich in / Cha19b/ . Es kann zwischen vier grundlegenden Prüfstandskinematiken unterschieden werden. Bild 3 zeigt die möglichen Konfigurationen. Bild 3 (a) stellt hierbei die höchste Abstraktionsstufe dar. Hier wird der rein stationäre Zustand untersucht. Geeignet ist ein solcher Versuchsaufbau für die Untersuchung des stationären Druckfeldes und der wirkenden stationären Lasten. Bild 3 (d) entspricht der korrekten Pumpenkinematik mit rotierender Kolbentrommel und Hubfunktion über eine stillstehende Schrägscheibe. Dieser Aufbau beschreibt am exaktesten die realen Vorgänge in der Pumpe. Die umlaufende Trommel sowie die asymmetrischen Lasten aufgrund der Schrägscheibe erschweren jedoch die messtechnische Erfassung sowie die Anforderungen an den Prüfstandsaufbau massiv. Bild 3 (b) und (c) stellen entsprechende Zwischenstufen mit inverser Pumpenkinematik dar. Hierbei steht die Trommel still und die Laufscheibe rotiert. Dies ermöglicht eine einfacher realisierbare messtechnische Betrachtung auf Kosten der Abbildungsgenauigkeit der Bedingungen in der realen Pumpe. Für die gesetzte Zielstellung kommt Kinematik (a) aufgrund nicht vorhandener Relativbewegungen nicht in Frage, hiermit kann kein drehzahlvariabler Betrieb dargestellt werden. Die Kinematiken (b) - (d) kommen grundsätzlich für die Untersuchung von drehzahlvariablem Betrieb in Frage. Mit zunehmender Komplexität der Kinematik wird sowohl die messtechnische Erfassung sowie die Widerholbarkeit und Definierbarkeit der Betriebszustände herausfordernder. Speziell Kinematik (d) Aus Wissenschaft und Forschung 16 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0040 betrieben. Die Optimierung typischer Axialkolbenpumpen erfolgt folgerichtig auf genau diesen Drehzahlbereich / Man13/ / Iva01/ . Im drehzahlvariablen Betrieb hat sich diese Abstimmung jedoch als nicht ausreichend erwiesen, sodass hier ein lebensdauerlimitierender Verschleiß auftreten kann. / Cha19a/ / Röb20/ Gut untersucht sind die Verschleißeffekte im Langsamlauf. Hier kann noch kein dynamisches Druckprofil aufgebaut werden und die Gleitkontakte befindet sich noch im Mischreibungsgebiet. Entsprechend tritt auch verstärkter Verschleiß auf. / Ach18/ Dieser Effekt allein kann jedoch die Verschleißeffekte im drehzahlvariablen Betrieb nicht vollständig erklären / Röb20/ . Eine Untersuchung der verschleißtreibenden Effekte im drehzahlvariablen Betrieb wurde bisher noch nicht abschließend durchgeführt. Prüfstand - Motivation und Anforderungen Genau hier setzt die vorliegende Forschungsarbeit an. Die vorliegende Veröffentlichung stellt einen Modellversuch für die experimentelle Untersuchung des Gleitschuhkontakts im drehzahlvariablen Betrieb vor. Ziel der Untersuchungen ist der Nachweis und die Erklärung der Verschleißeffekte im drehzahlvariablen Betrieb, sowie die experimentelle Validierung theoretischer Berechnungen. Die Untersuchungen werden an Kolben-Gleitschuh Baugruppen einer realen EHA Pumpe durchgeführt. Bei der Pumpe handelt es sich um eine, aus Downsizing Gründen, Hochdrehzahl optimierte Axialkolbenpumpe für Luftfahrt-EHAs. Ziel der Versuchsauslegung ist ein möglichst großes Spektrum der Betriebsbedingungen der Originalpumpe auch im Modellversuch abbilden zu können. Für die Erklärung der Verschleißeffekte sowie Validierung theoretischer Berechnungen ist weiter eine umfassende messtechnische Erfassung mit guter Wiederholbarkeit erforderlich. Gleichzeitig muss die Kontaktkine- Bild 3: Arten von Gleitschuhprüfständen nach Chao et al. / Cha19b/ TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 16 würde aufgrund der rotierenden Trommel und Gleitschuhe nur die Erfassung sehr weniger Messgrößen im Betrieb erlauben und wird daher für die vorliegende Messaufgabe als ungeeignet betrachtet. Um eine möglichst gute messtechnische Beobachtbarkeit sowie zuverlässige Wiederholbarkeit gewährleisten zu können wird daher Kinematik (b) gewählt. Bild 4 zeigt das Konzept des Prüfaufbaus. Drei Kolben mit Gleitschuhen sitzen in einem Träger und werden von einer Pumpe mit Konstantdruck versorgt. Durch die Verwendung von drei Kolben kann eine gleichmäßige, ausbalancierte Krafteinleitung sichergestellt werden. Außerdem können so Reibmoment und Leckage von drei Gleitschuhen summiert gemessen werden, was die Absolutwerte in messtechnisch besser erfassbare Größen hebt. Das Ölbad ist aktiv temperiert, und die Drehzahl frei regelbar. Der komplette Versuchsaufbau wurde als Adaption eines bestehenden Scheibe-Scheibe Tribometers entwickelt. Der Prüfstand erlaubt die kontinuierliche Messung von Reibmoment, Leckagevolumenstrom, Druck und Temperatur, sowie die Ermittlung von volumetrischen und gravimetrischem Verschleiß nach den jeweiligen Messungen. Die Messung des Leckagevolumenstroms erlaubt dabei Rückschlüsse auf die mittlere Schmierfilmdicke im Betrieb. Um die Leckage über die Gleitschuhe messen zu können, werden die Kolben-Buchse Kontakte im Unterschied zu einer realen Pumpe mit O-Ringen gedichtet. Aufgrund des fehlenden Kolbenhubs kann davon ausgegangen werden, dass die Dichtungsreibung einen vernachlässigbaren Einfluss darstellt. Hierbei kann aufgrund von schwer messbarer Leckage über das Kugelgelenk zwischen Gleitschuh und Kolben ein geringer Messfehler nicht ausgeschlossen werden. Dieser äußert sich als Offset gegenüber theoretischen Berechnungen in den Messdaten. Die Leckage über das Kugelgelenk ist jedoch typischerweise um Größenordnungen kleiner als die Leckage am Gleitschuh / Ber12/ und hat somit einen vernachlässigbaren Einfluss. Die Reibmomentmessung erfordert eine Lagerung des Prüfaufbaus möglichst ohne Momentnebenschlüsse. Die mechanische Lagerung ist in Bild 5 dargestellt. Schubstangen mit Kugelgelenken positionieren den Prüfaufbau momentfrei. Eine seitliche große Stützlänge unterdrückt dabei Schwingungen in Längsrichtung. Der Kraftsensor nimmt das volle Moment auf. Um Momentnebenschlüsse über die Druckversorgung zu minimieren, wurde im Prüfaufbau eine eigene Motor-Pumpeneinheit samt Volumenstromsensor integriert, die bei niedrigem bis mittleren Volumenstrombedarf die Ver- Aus Wissenschaft und Forschung 17 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0040 Bild 4: Prüfstandskonzept Bild 5: Lagerung des Prüfaufbaus TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 17 schiebung des Punktes minimaler Reibmomente mit zunehmender Belastung. Der rechte Graph in Bild 6 zeigt die gemessenen Leckagevolumenströme in Abhängigkeit von Druck und Drehzahl. Da trotz aktiver Temperierung während der Kennfeldversuche die Öltemperatur nicht perfekt konstant gehalten werden kann, sind die Daten anhand des bekannten Viskositäts-Temperaturverhaltens analytisch temperaturkompensiert auf 40 °C. Erkennbar ist ein generell nichtlineares Verhalten. Tendenziell steigt zu hohen Drücken die Leckage. Gleichzeitig wird die Drehzahlabhängigkeit der Leckageraten mit zunehmenden Drücken geringer. Im Hochdruckbereich dominieren demnach druckabhängige Leckagen. Im Niederdruckbereich ist hingegen eine ausgeprägte Drehzahlabhängigkeit zu erkennen. Gerade bei hohen Drehzahlen treten hier die größten Leckagen auf. Eine Ausnahme von diesem generellen Verhalten bildet der extreme Niederdrehzahlbereich unter 200 U/ min. Hier ist im Bereich mittlerer Drücke von ca. 60 - 110 bar ein lokales Maximum der Leckagen zu erkennen. Dieses ist auf einen, in den Zeitverläufen gut erkennbaren, instabilen Betriebspunkt zurückzuführen. Besonders in den Leckagevolumenströmen äußert sich dies in einer kontinuierlichen Schwingung. Die Vermessung von Kennfeldern erlaubt es, das allgemeine Kontaktverhalten zu charakterisieren und anhand dessen Berechnungen zu validieren und kritische Betriebspunkte zu identifizieren. Bezogen auf die Leckagemessung sind beispielsweise Betriebspunkte mit sehr niedrigen Leckagen Hinweise auf kleine Spaltweiten und somit hohem Festkörpertraganteil, während instationäre Betriebspunkte aufgrund der kontinuierlichen Bewegung des Gleitschuhs ebenfalls auf einen zeitlich gemittelt hohen Festkörperkontaktanteil schließen lassen. Aus Wissenschaft und Forschung 18 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0040 sorgung decken kann und so eine präzise Momentmessung erlaubt. Für den stabilen Betrieb des Prüfstandes ist es wünschenswert die Drehzahlen möglichst niedrig zu halten. Um trotzdem bei zu der realen Pumpe vergleichbaren Reibgeschwindigkeiten messen zu können, muss dafür der Reibradius im Prüfstand gegenüber der Pumpe entsprechend vergrößert werden. Weiter können so die resultierenden Reibmomente erhöht und entsprechend messtechnisch präziser erfasst werden. Im Prüfstand wurde der Reibradius der Gleitschuhe daher zu 55 mm gewählt. Messung des allgemeinen Verschleißverhaltens Der vorgestellte Prüfstand erlaubt eine Vielzahl experimenteller Untersuchungen. Vorgesehen sind die allgemeine Charakterisierung anhand von Kennfeldversuchen, Einlaufversuche, die es erlauben den Einlaufverschleiß in bestimmten Betriebspunkten zu charakterisieren, sowie Dauerversuche, die den Einfluss regelmäßiger Betriebspunktwechsel identifizieren sollen. Das allgemeine Kontaktverhalten kann gut in Form von Kennfeldern untersucht werden. Dabei wird jeweils das stationäre Verhalten in konkreten Arbeitspunkten ermittelt. Anhand der zeitlichen Schwankung der Messgrößen sind dabei auch instabile Betriebspunkte gut ermittelbar. Bild 6 zeigt exemplarisch die Ergebnisse einer solchen Kennfeldmessung. Der linke Graph in Bild 6 stellt die gemessenen Reibmomentverläufe dar. Gut erkennbar ist das generelle Verhalten in Form von Stribeck-Kurven, sowie die Ver- Bild 6: Kennfeldmessungen von Reibmoment (links) und Leckagevolumenstrom (rechts), temperaturkompensiert auf 40 °C TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 18 Das Verschleißverhalten ist anhand zweier Methodiken messbar. Die Vermessung des gravimetrischen Verschleißes erlaubt die Quantifizierung des absoluten Verschleißbetrags. Hiermit lassen sich sehr gut der in Bild 7 links gezeigte Einlaufverschleiß vermessen. Nach einem initialen Einlaufverschleiß bis etwa 0,5 kJ Reibarbeit verläuft der weitere Verschleiß kontinuierlich. Für den linearen kontinuierlichen Verschleißbereich lässt sich so der Verschleiß quantifizieren, bspw. nach Archard oder Fleischer. / Arc53/ / Fle72/ / Kön20/ Anhand von optischen Profilometermessungen lässt sich zusätzlich der volumetrische Verschleiß lokalisieren. Bild 7 zeigt rechts eine entsprechende Messung. Hier wurde überwiegend Material im Bereich der äußeren Stützstege abgetragen (dunkelblau) während im Bereich des Dichtstegs außer einiger größerer Kratzer kaum Materialabtrag erkennbar ist (grün). Die genauen Zusammenhänge unter welchen Bedingungen, wie und wo Verschleiß stattfindet, werden Gegenstand zukünftiger Untersuchungen sein. Messung des Verschleißes im drehzahlvariablen Betrieb Motivation des vorgestellten Prüfstands ist die Untersuchung des Verschleißverhaltens im drehzahlvariablen Betrieb. In einer initialen Untersuchung wurden dafür die oben beschriebenen Einlaufversuche mit dem gleichen Kontakt mehrfach in unterschiedlichen aufeinanderfolgenden Betriebspunkten wiederholt. So kann zum einen gezeigt werden, inwieweit nach einem Einlaufen in einem Betriebspunkt es zu erneutem Einlaufen nach einem Betriebspunktwechsel kommt. Des Weiteren kann anhand des sich einstellenden linearen Verschleißes ein eventueller Einfluss der Belastungshistorie nachgewiesen werden. Bild 8 zeigt die Messergebnisse einer solchen Versuchsreihe für drei Gleitschuhe. Während die drei Gleitschuhe quantitativ leicht variierenden absoluten Verschleiß aufweisen, ist in den qualitativen Verläufen klar ein erneutes Einlaufen nach jedem Betriebspunktwechsel erkennbar. Aus Wissenschaft und Forschung 19 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0040 Bild 7: Gravimetrischer - (rechts) und volumetrischer Verschleiß (links) eines Gleitschuhs bei 150 bar und 1000 U/ min Bild 8: Gravimetrischer Verschleiß bei Betriebspunktwechseln TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 19 / Arc53/ Archard, JF. Contact and Rubbing of flat Surfaces Journal of Applied Physics, Vol. 24, No. 8, 1953 / Ber12/ Bergada, J.M., Kumar, S., Davies, D.L., Watton, J. 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Electro Hydraulic Actuation (EHA) Systems for Primary Flight Control, Landing Gear and other Type of Actuation In Proceedings of the 2016 IEEE/ CSAA International Conference on Aircraft Utility Systems (AUS), Beijing, 2016 / Hel16/ Helbig, A., Boes, C. Electric hydrostatic actuation - modular building blocks for industrial applications In Proceedings of the 10th International Fluid Power Conference, Dresden, 2016 / Iva01/ Ivantysyn, J., Ivantysynova M. Hydrostatic Pumps and Motors Akademia Books International, New Delhi, 2001, ISBN 81-85522-16-2 / Iva20/ Ivantysyn, R., Shorbagy, A., Weber, J. Investigation of the Wear Behaviour of the Slipper in an Axial Piston Pump by Means of Simulation And Measurement In Proceedings of the 12th International Fluid Power Conference, S. 315-326 Dresden, 2020 / Kön20/ König, F. Prognose des Verschleißverhaltens ölgeschmierter Gleitlager im Mischreibungsbetrieb Verlagsgruppe Mainz GmbH, Aachen, 2020, ISBN 978- 3-95886-372-9 / Man13/ Manring, N.D. Fluid Power Pumps and Motors: Analysis, Design and Control McGraw Hill Professional, 2013, ISBN: 9780071812214 / Mar11/ Mare, J.C. Combining Hydraulics and Electrics for Innovation and Performance Improvement in Aerospace Actuation In Proceedings of the 12th Scandinavian International Conference on Fluid Power, Tampere, 2011 / Röb20/ Röben, T., Viennet, E., Wider, H. Robustness of the LIEBHERR-AEROSPACE EHA Technology for Future Flight Control Application In Proceedings of 12th International Fluid Power Conference IFK20, Dresden, 2020, Seiten: 233-241 / Sch18/ Schmitz, K., Murrenhoff, H. Grundlagen der Fluidtechnik Teil 1: Hydraulik Shaker Verlag, Aachen, 2018, ISBN: 978-3-8440-6246-5 / Vuk16/ Vukovic, M., Leifeld, R., Murrenhoff, H. STEAM - a hydraulic hybrid architecture for excavators In Proceedings of: 10th International Fluid Power Conference IFK16, Dresden, 2016. Seiten: 151-162 / Weg21/ Wegner, S. Experimental and simulative investigation of the cylinder block/ valve plate contact in axial piston machines Shaker Verlag, Düren, Reihe der Fluidtechnik, 2021, ISBN: 978-3-8440-7957-9 Aus Wissenschaft und Forschung 20 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0040 Zusammenfassung und Ausblick In dieser Veröffentlichung wurde ein Modellversuch für die experimentelle Untersuchung des Gleitschuh- Schrägscheibekontakts vorgestellt und die Messmöglichkeiten mit dem Aufbau nachgewiesen. Es wurde gezeigt, dass mit dem vorgestellten Prüfaufbau trotz hohen Abstraktionsgrades betriebspunktabhängiger Einlaufverschleiß auftritt und untersucht werden kann. Da im Prüfstand keine Beschleunigungs- und Zentripetalkräfte auf die Gleitschuhe wirken, kann damit besonders auch geschlossen werden, dass die drehzahlabhängigen Verschleißvorgänge nicht rein auf Basis dynamischer Kräfte auftreten. Es konnte gezeigt werden, dass die tribologischen Vorgängen den Verschleiß im drehzahlvariablen Betrieb wesentlich beeinflussen. Für die Identifikation der konkreten Wechselwirkungen ist eine vollständige Untersuchung mit größerer Messmatrix geplant. Für die wissenschaftliche Erklärung ist weiter eine elasto-hydrodynamische Verschleiß Simulation im Stil von / Kön20/ und / Iva20/ in Arbeit, anhand derer die Phänomene numerisch untersucht werden können. Die Ergänzung der hier vorgestellten experimentellen Untersuchungen um die entsprechenden theoretischen Betrachtungen wird Gegenstand zukünftiger Arbeiten sein. Die generelle Existenz des Einlaufverschleißes bei Betriebspunktwechsel wird als sehr kritisch für den Gleitschuhkontakt im drehzahlvariablen Betrieb angesehen, da auf Basis der bisherigen Erkenntnisse davon ausgegangen werden muss, dass im drehzahlvariablen Betrieb kein kontinuierlich eingelaufenes Profil erreicht werden kann. Stattdessen wird aufgrund der neuen Einlaufvorgänge bei jedem Drehzahlwechsel ein kontinuierlich hoher Verschleiß auftreten. Ziel der Forschung muss es somit sein, diesen Prozess besser zu verstehen und entsprechende Gegenmaßnahmen zu finden. Danksagung Dieses Forschungs- und Entwicklungsprojekt wird mit Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) innerhalb des Rahmenkonzeptes „LuFo VI-1“ gefördert und vom Projektträger DLR betreut. Ein besonderer Dank gilt an dieser Stelle unserem Projektpartner Liebherr- Aerospace Lindenberg GmbH. Literatur / Ach18/ Achten, P., Potma, J., Achten, J. Low Speed Performance of Axial Piston Machines In Proceedings of Bath/ ASME Symposium on Fluid Power and Motion Control FPMC2018, Bath, 2018 TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 20