Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2022-0041
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695-6
JungkReibkoeffizientenermittlung in der Zerspanung auf Basis von Hochgeschwindigkeitsaufnahmen
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Benjamin Bergmannhttps://orcid.org/0000-0003-0075-7719
Berend Denkenahttps://orcid.org/0000-0001-9763-6248
Gerhard Pollhttps://orcid.org/0000-0002-3084-201X
Florian Papehttps://orcid.org/0000-0002-2834-1929
Haichao Liuhttps://orcid.org/0000-0002-5887-1891
Lars Ellersiekhttps://orcid.org/0000-0002-1269-0980
Die Reibung am Schneidkeil beeinflusst maßgeblich das Verschleißverhalten in der Zerspanung. Aufgrund der starken örtlichen Varianz von Temperaturen und Spannungen am Schneidkeil unterscheiden sich die Reibverhältnisse lokal signifikant. In dieser Arbeit wird eine Methode vorgestellt, mit der Normalspannungen, Tangentialspannungen und lokale Reibkoeffizienten am Schneidkeil auf Basis experimenteller Untersuchungen bestimmt werden können. Zu diesem Zweck werden Hochgeschwindigkeitsaufnahmen und Kraftmessungen an einem Hobelprüfstand erstellt. Neben trockenen Zerspanprozessen werden an dem Prüfstand Untersuchungen mit Emulsion und Öl als Kühlschmierstoff durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen einen Abfall der Reibkoeffizienten beim Einsatz von Öl als Kühlschmierstoff. Beim Einsatz von Emulsion als Kühlschmierstoff verändert sich der Reibkoeffizient gegenüber der trockenen Zerspanung jedoch nur geringfügig. Dies kann auf geringe Fähigkeit der Emulsion zur Filmbildung zurückgeführt werden.
tus695-60021
1 Einleitung Die Reibung zwischen Span, Werkstück und Werkzeug beeinflusst sowohl die thermischen als auch die mechanischen Belastungen. Damit hat die Reibung einen signifikanten Einfluss auf die resultierenden Verschleißmechanismen und -formen [1]. Zur gezielten Auslegung des Zerspanungsprozesses ist die Kenntnis über das lokale Reibverhalten notwendig, um beispielsweise die Werkzeuge und Stellgrößen, wie den Kühlschmierstoff (KSS), anzupassen. Die Ermittlung der Reibung an Zerspanwerkzeugen erfolgt über die Messung der Prozesskräfte. Unter der Annahme einer ideal scharfen Schneide wird die mittlere Reibung an der Spanfläche über das Verhältnis von Aus Wissenschaft und Forschung 21 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0041 Reibkoeffizientenermittlung in der Zerspanung auf Basis von Hochgeschwindigkeitsaufnahmen Benjamin Bergmann, Berend Denkena, Gerhard Poll, Florian Pape, Haichao Liu, Lars Ellersiek* Eingereicht: 5.9.2022 Nach Begutachtung angenommen: 9.1.2023 Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 63. Tribologie-Fachtagung 2022 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. Die Reibung am Schneidkeil beeinflusst maßgeblich das Verschleißverhalten in der Zerspanung. Aufgrund der starken örtlichen Varianz von Temperaturen und Spannungen am Schneidkeil unterscheiden sich die Reibverhältnisse lokal signifikant. In dieser Arbeit wird eine Methode vorgestellt, mit der Normalspannungen, Tangentialspannungen und lokale Reibkoeffizienten am Schneidkeil auf Basis experimenteller Untersuchungen bestimmt werden können. Zu diesem Zweck werden Hochgeschwindigkeitsaufnahmen und Kraftmessungen an einem Hobelprüfstand erstellt. Neben trockenen Zerspanprozessen werden an dem Prüfstand Untersuchungen mit Emulsion und Öl als Kühlschmierstoff durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen einen Abfall der Reibkoeffizienten beim Einsatz von Öl als Kühlschmierstoff. Beim Einsatz von Emulsion als Kühlschmierstoff verändert sich der Reibkoeffizient gegenüber der trockenen Zerspanung jedoch nur geringfügig. Dies kann auf geringe Fähigkeit der Emulsion zur Filmbildung zurückgeführt werden. Schlüsselwörter Zerspanung, Lastspannungen, Kühlschmierstoff, Tribometrie, Reibkoeffizient, Emulsion High-speed image based identification of the friction coefficient in metal cutting The friction at the cutting wedge has a significant influence on tool wear. Due to the strong local variance of temperatures and stresses at the cutting wedge, the friction conditions differ significantly locally. In this work, a method is presented with which normal stresses, tangential stresses and local friction coefficients at the cutting wedge can be determined based on experimental investigations. For this purpose, high-speed recordings and force measurements are conducted on a planing test rig. In addition to dry cutting processes, investigations are carried out on the test rig using emulsion and oil as metal working fluid. The results show a reduction of the coefficients of friction when oil is used as metal working fluid. However, when emulsion is used as metal working fluid, the coefficient of friction changes only slightly compared to dry machining. This can be attributed to low film-forming ability of the emulsion. Keywords Machining, load stresses, cooling lubricant, tribometry, coefficient of friction, emulsion Kurzfassung Abstract * Dr.-Ing. Benjamin Bergmann Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0003-0075-7719 Prof. Dr.-Ing. Berend Denkena Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0001-9763-6248 Prof. Dr.-Ing. Gerhard Poll Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-3084-201X Dr.-Ing. Florian Pape Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-2834-1929 Dr.-Ing. Haichao Liu Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-5887-1891 Lars Ellersiek (federführender Autor) Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-1269-0980 Institut für Fertigungstechnik und Werkzeugmaschinen, Leibniz Universität Hannover, 30823 Garbsen TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 21 belprüfstand verwendet. Der Prüfstand ist in Bild 1 dargestellt. In den Untersuchungen wurde eine TiAlN-beschichtete Hartmetall-Wendeschneidplatte (Spanwinkel γ = 1°, Freiwinkel α = 14°, symmetrische Schneidkantenmikrogeometrie S¯ = 35 µm) eingesetzt. Um die Anwendung von KSS an dem Prüfstand zu ermöglichen, wird ein in [14] vorgestelltes KSS-Zufuhrsystem verwendet. In den Untersuchungen wird dem Prozess spanflächenseitig KSS mit 10, 30 und 70 bar KSS-Druck zugeführt. Es werden Untersuchungen mit einer 10 %-igen Emulsion des Kühlschmierstoffs Zubora 67H Extra der Fa. Zeller + Gmelin und mit reinem Schneidöl Vascomill CSF35 der Fa. Blaser durchgeführt. Der Durchmesser der KSS-Düse beträgt 1 mm. Zerspant wird der Vergütungsstahl 42CrMo4+QT. Die Geometrie des Werkstücks führt dabei zu einem kontinuierlichen Anstieg der Spanungsdicke von h = 0 mm bis 0,1 mm (Bild 1, unten). Die Spanungsbreite beträgt in allen Untersuchungen b = 2 mm. Zudem wurde in allen Untersuchungen eine Schnittgeschwindigkeit v c = 120 m/ min verwendet. Durch die kontinuierlich ansteigende Spanungsdicke h lassen sich die Lastspannungen in den drei unterschiedlichen Bereichen des Schneidkeils nach der Methode von Bergmann ermitteln [12, 13]. Die Bereiche sind in Bild 2 dargestellt. Der erste Bereich beschreibt den Abschnitt der Materialrückfederung an der Freifläche. In diesem Bereich findet ein linearer Anstieg der Spannungen im Bereich der Freifläche statt. Die Spannungen in diesem Bereich werden auf Basis von Prozesskraftmessungen beim Erreichen der Mindestspanungsdicke mit zwei unterschiedlichen Werkzeugen berechnet. Zum einen wird ein konventionelles Werkzeug verwendet und zum anderen ein Werkzeug mit einer zurückgesetzten Freifläche. Die Freifläche wurde mittels Laser zurückgesetzt und ist somit in Bereich 1 nicht in Kontakt mit dem Werkstück. Die an der Freifläche wirkenden Kräfte Aus Wissenschaft und Forschung 22 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0041 Tangentialzu Normalkraft berechnet [2]. Allerdings ist bekannt, dass lokal unterschiedliche Belastungen am Schneidkeil existieren und somit auch die Reibung entlang des Schneidkeils nicht konstant ist. Zudem ist die Reibung und auch die Reibmodellierung von den lokalen mechanischen Belastungen abhängig [3]. Aus diesem Grund ist die Ermittlung der mechanischen Lastspannungen am Schneidkeil notwendig, um daraus die Reibung am Schneidkeil abzuleiten. Bekannte Ansätze zur Berechnung der Lastspannungen am Schneidkeil umfassen den Einsatz geteilter Werkzeuge [4, 5], künstlich verkürzte Kontaktlängen [6, 7] oder die Anwendung spannungsoptischer Materialien [8, 9]. Alle Methoden haben jedoch gemeinsam, dass die Bestimmung der Lastspannungen mit einer Änderung der Werkzeuggeometrie oder der Schneidstoffeigenschaften einhergeht und somit den Zerspanprozess nicht hinreichend genau abbilden. Darüber hinaus können Reibkoeffizienten an Tribometerprüfständen ermittelt werden [10, 11]. Die Kinematik und Unterschiede reibungsrelevanter Randbedingungen (Spannung, Temperatur, Relativgeschwindigkeit) können jedoch zu Abweichungen zwischen Tribometer-Ergebnissen und den Reibverhältnissen in der Zerspanung führen. Im Rahmen dieser Arbeit wird ein neuartiger Ansatz der Spannungsberechnung zur Bestimmung lokal aufgelöster Reibkoeffizienten am Schneidkeil verwendet. Die Berechnung der Spannungen basiert dabei auf der Arbeit von Bergmann [12]. In dieser Arbeit wird zusätzlich der Einfluss von KSS auf die Lastspannungen und resultierenden Reibkoeffizienten untersucht. 2 Versuchsmethodik Zur Umsetzung der Spannungsberechnung am Schneidkeil werden Kraftmessungen und Hochgeschwindigkeitsaufnahmen im orthogonalen Schnitt an einem Ho- Bild 1: Hobelprüfstand [12] TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 22 lassen sich berechnen, indem die Kräfte des Werkzeugs mit zurückgesetzter Freifläche von den Kräften des konventionellen Werkzeugs abgezogen werden. Der zweite Bereich beschreibt den Abschnitt vom untersten Punkt des Schneidkeils zum Punkt der Mindestspanungsdicke. Die Spannungen werden in diesem Bereich als konstant angenommen und können ebenfalls anhand der Prozesskraftmessungen beim Erreichen der Mindestspanungsdicke berechnet werden. Der dritte Bereich ist die sekundäre Scherzone an der Spanfläche. Die Spannungen werden in diesem Bereich berechnet, indem inkrementelle Prozesskräfte für einen Anstieg der Spanungsdicke Δh = h i-1 - h i = 0,001 mm auf die Fläche zwischen der Spanungsdicke h i-1 und der mit h i korrespondierende Kontaktlänge KL i bezogen werden. Die daraus resultierenden inkrementellen Spannungen werden anschließend aufsummiert [12, 13]. 3 Analyse der Spannungen und lokalen Reibkoeffizienten Exemplarische Prozesskraftmessungen, Kontaktlängenmessungen und Hochgeschwindigkeitsaufnahmen in Abhängigkeit der Kühlschmierstoffstrategie sind in Bild 3 dargestellt. Hierbei wurde das Werkzeug, der Werkstoff und die Prozesseinstellgrößen konstant gehalten. Bis zum Erreichen der Mindestspanungsdicke steigt die Schnittnormalkraft F cN deutlich stärker an als die Schnittkraft F c , da der Prozess durch Pflügeeffekte und die elastische Rückfederung des Werkstoffs gekenn- Aus Wissenschaft und Forschung 23 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0041 Bild 2: Methode zur Berechnung der Spannungen am Schneidkeil gemäß [12, 13] Bild 3: a. Exemplarische Prozesskraftmessungen, b. Kontaktlängenmessungen in Abhängigkeit der Kühlschmierstrategie nach [15], c. Hochgeschwindigkeitsaufnahmen in Abhängigkeit der Kühlschmierstrategie TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 23 Werkstoffrückfederung, die Prozesskräfte maßgeblich in Richtung der Schnittnormalkraft wirken. Weiterhin beträgt die Relativgeschwindigkeit in diesem Bereich gleich der Schnittgeschwindigkeit und ist somit größer ist als die Relativgeschwindigkeit zwischen Span und Spanfläche. Dieses führt dazu, dass letztendlich der Reibkoeffizient in diesem Bereich deutlich geringe Werte als im Bereich der Spanfläche aufweist. Aufgrund des hohen Freiwinkels von α = 14° ergeben sich an der Freifläche zudem sehr geringe Lastspannungen. Die Ergebnisse der Untersuchungen mit Emulsion als KSS und einem KSS-Druck von 30 bar sind in Bild 5 dargestellt. In der sekundären Scherzone der Spanfläche kann eine deutliche Steigerung der Normalspannungen festgestellt werden. Dies kann mit einer reduzierten Kontaktlänge des Spans an der Spanfläche begründet werden. Die Prozesskräfte verteilen sich somit auf eine reduzierte Fläche und haben erhöhte Spannungen zur Folge. Zudem weist der Reibkoeffizient am Ende der Kontaktlänge einen deutlich höheren Wert auf als in der trockenen Zerspanung. Eine mögliche Ursache ist der verwendete experimentelle Ansatz, die Spanungsdicke h und somit auch die Kontaktlänge während des Prozesses kontinuierlich zu erhöhen. Bei geringen Spanungsdicken findet möglicherweise eine Schmierung des Span-Werkzeug-Kontakts nahe der Schneidkante statt, der bei der Berechnung der Spannungen in Bereich 3 berücksichtigt wird (Bild 6, links). Wird die Spanungsdicke gesteigert, verändert sich auch die Eindringtiefe des KSS (Bild 6, rechts). Dies wird jedoch nicht bei der Berechnung der Spannungen berücksichtigt, sodass die Reibkoeffizienten schneidkantennah unterschätzt und die Reibkoeffizienten in einem größeren Abstand zur Schneidkante überschätzt werden könnten. Aufgrund der sehr geringen Spannungen am Ende der Kontaktlänge ist dieser Bereich besonders anfällig bei der Berechnung. Aus Wissenschaft und Forschung 24 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0041 zeichnet ist. Nachdem die Mindestspanungsdicke h min erreicht worden ist, ergibt sich ein deutlich geringerer Anstieg der Schnittnormalkraft. Die Prozesskräfte resultieren durch den Anstieg der Spanungsdicke h und somit der einsetzenden Werkstofftrennung und der Interaktion zwischen Span und Spanfläche. Für die Kontaktlänge ergibt sich ein annähernd linearer Anstieg mit steigender Spanungsdicke [15]. Bei einem KSS-Druck von 70 bar ergibt sich durch das dynamische Verhalten des KSS eine zeitlich schwankende Kontaktlänge, sodass keine direkte Korrelation zwischen Spanungsdicke und Kontaktlänge durchgeführt werden kann. Anhand der Hochgeschwindigkeitsaufnahmen in Bild 3c ist dabei erkennbar, dass die Kontaktlänge durch den Einsatz von Kühlschmierstoff deutlich abnimmt. Dies kann auf die mechanischen Kräfte des KSS zurückgeführt werden, die auf den Span wirken. Zudem ist das Verhalten des Kühlschmierstoffs bei hohen KSS-Drücken durch turbulente Strömungen gekennzeichnet. Auf Basis der Prozesskraft- und Kontaktlängenmessungen wurden die Tangential- und Normalspannungen sowie lokal aufgelöste Reibkoeffizienten ermittelt. Die Ergebnisse des trockenen Zerspanungsprozesses sind in Bild 4 dargestellt. Die höchsten Normalspannungen wurden im Bereich der Schneidkantenverrundung ermittelt. Die Spannungen an der Spanfläche reduzieren sich mit dem Abstand zur Schneidkante deutlich. Ein Absinken der Spannungen auf 0 MPa findet im dargestellten Bereich jedoch nicht statt. Die Tangentialspannungen sinken am Punkt der Mindestspanungsdicke auf 0 MPa, da es an diesem Punkt zur Werkstofftrennung kommt und die Relativgeschwindigkeit v rel = 0 m/ min beträgt. Der Reibkoeffizient ist ebenfalls nahe der Schneidkantenverrundung am größten und sinkt entlang der Kontaktlänge ab. Diese Effekte können auf erhöhte Relativgeschwindigkeiten und Temperaturen zurückgeführt werden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass hier, bedingt durch die Bild 4: Normalspannungen, Tangentialspannungen und lokal aufgelöste Reibkoeffizienten in der trockenen Zerspanung TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 24 Um die Schmierfähigkeit der Kühlschmierstoffe abschätzen zu können, wurden daher in weiterführenden Untersuchungen die mittleren Reibkoeffizienten an der Spanfläche µ av für verschiedene Prozesse berechnet. Um den Einfluss von Pflügeeffekten auszuschließen, wurden zur Berechnung des Reibkoeffizienten die Prozesskräfte beim Erreichen der Mindestspanungsdicke von den Prozesskräften bei einer konstanten Spanungsdicke h = 0,1 mm abgezogen [14]. Die Ergebnisse sind in Bild 7 dargestellt. Bei den dargestellten Werten handelt Aus Wissenschaft und Forschung 25 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0041 Bild 5: Normalspannungen, Tangentialspannungen und lokal aufgelöste Reibkoeffizienten in der Zerspanung mit Kühlschmierstoff Bild 6: Einfluss eines potenziellen KSS-Films auf die Spannungsberechnung nach [12, 13] Bild 7: Einfluss der Kühlschmierstrategie auf den mittleren Reibkoeffizienten an der Spanfläche µ av TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 25 5 Zusammenfassung und Ausblick Im Rahmen dieser Arbeit wurden Normalspannungen, Tangentialspannungen und lokale Reibkoeffizienten bei der Zerspanung mit und ohne Kühlschmierstoff ermittelt. Durch den Einsatz von Kühlschmierstoff ergeben sich höhere Normal- und Tangentialspannungen, da die Kontaktlänge an der Spanfläche durch den KSS reduziert wird. Die Betrachtung des gemittelten Reibkoeffizienten unterschiedlicher Kühlschmierstrategien ergibt, dass sich beim Einsatz von Öl als KSS deutlich geringere Reibkoeffizienten ergeben als beim Einsatz einer Emulsion. Als eine mögliche Ursache konnte in weiterführenden Untersuchungen am Ball-on-Disc Tribometer die hohe Stabilität der Emulsion und die damit verbundene geringe Fähigkeit, einen Schmierfilm auszubilden, ermittelt werden. In zukünftigen Untersuchungen soll die Methode zur lokalen Berechnung der Lastspannungen für die Anwendung auf Zerspanungsprozesse mit KSS angepasst werden. Hierzu ist es notwendig, die Eindringtiefe des KSS zu ermitteln, beispielsweise durch fluiddynamische Simulationen. Darüber hinaus ist geplant, auf Basis der ermittelten Reibkoeffizienten Reibmodelle zu entwickeln. Die Reibmodelle können anschließend in Finite Elemente (FE) Spanbildungssimulationen eingesetzt werden, um beispielsweise reibungsmindernde Schichtsysteme auszulegen. Danksagung Die Autoren dieses Beitrags danken der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für die Förderung des Projekts „Kopplung experimenteller und numerischer Methoden zur mehrskaligen Analyse der Wirkmechanismen von Kühlschmierstrategien in Zerspanprozessen“ (Projektnummer 439904924) im Rahmen des Schwerpunktprogramms (SPP) 2231. Aus Wissenschaft und Forschung 26 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0041 es sich um die Mittelwerte aus zwei Versuchen. Es wird deutlich, dass eine Reduktion des Reibkoeffizienten insbesondere durch den Einsatz von Öl als KSS erreicht werden kann. Beim Einsatz von Emulsion als KSS ist dagegen lediglich bei hohen KSS-Drücken eine geringfügige Reduktion des Reibkoeffizienten nachweisbar. 4 Analyse der Filmbildungsmechanismen Um den geringen Einfluss der Emulsion auf den Reibkoeffizienten im Detail zu untersuchen, wurden die Filmbildungsmechanismen der Emulsion näher analysiert. Hierzu wurden Untersuchungen zum Nachweis von Schmierfilmen an einem Ball-on-Disc Tribometer [16] (Bild 8, links) mit der verwendeten Emulsion und einer weiteren kurzeitig stabilen Modell-Emulsion durchgeführt. Auf Basis interferometrischer Messungen lässt sich auf das Vorhandensein einer Schmierschicht im Kontakt schließen. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in Bild 8 rechts abgebildet. Ist die Kontaktzone rot dargestellt, existiert kein Schmierfilm. Die grüne Farbe ist dagegen der Indikator für das Vorhandensein eines Schmierfilms. Im statischen Fall bildet sich kein Schmierfilm. Durch eine Relativbewegung mit Geschwindigkeiten von 0,03 bis 1 m/ s wird das Schmiermittel in die Kontaktzone geleitet. Bei der kurzzeitig stabilen Emulsion bildet sich hierdurch ein Schmierfilm im Kontakt aus. Der Kontaktdruck von 0,5 MPa führt jedoch dazu, dass bei der verwendeten KSS-Emulsion kein Schmierfilm entsteht. Dies kann auf die hohe Stabilität der KSS-Emulsion zurückgeführt werden, sodass sich das Öl nicht aus der Emulsion herauslöst und einen Schmierfilm bildet. Die hohe Stabilität der KSS-Emulsion stellt somit eine mögliche Ursache für die geringe Schmierfähigkeit im Zerspanungsprozess da. Weitere Gründe, die eine verbesserte Schmierfähigkeit von Öl gegenüber Emulsion als KSS begründen könnten, sind unterschiedliche Randbedingungen (Temperaturen, Normalspannungen) durch unterschiedliche Kühlwirkungen der KSS sowie die potenzielle Bildung chemischer Schichten auf dem Werkzeug beim Einsatz von Öl. Bild 8: Analyse der Filmbildungsmechanismen mittels Ball-on-Disc Tribometer (links) sowie Ergebnisse der Tribometer-Untersuchungen (rechts) TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 30 Seite 26 Literatur [1] Klocke, F.: Fertigungsverfahren 1, Springer Verlag, 2018 [2] Merchant, M. E.: Mechanics of the Metal Cutting Process. I. 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