eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 69/5-6

Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2022-0044
121
2022
695-6 Jungk

Einfluss der Stillstandszeit auf das Losreißmoment nasslaufender Lamellenkupplungen

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Patrick Stroblhttps://orcid.org/0000-0001-5204-330X
Maria-Lena Trapphttps://orcid.org/0000-0003-1398-5534
Katharina Völkelhttps://orcid.org/0000-0002-4380-109X
Hermann Pflaumhttps://orcid.org/0000-0002-4788-8006
Karsten Stahlhttps://orcid.org/0000-0001-7177-5207
Eine detaillierte Kenntnis der Einflüsse auf das Reibungsverhalten ist für den zuverlässigen Betrieb von sicherheitsrelevanten, nasslaufenden Lamellenkupplungen von höchster Bedeutung. Dabei ist das Losreißmoment insbesondere für sicherheitskritische Anwendungen wie Sicherheitsbremsen und -kupplungen von Interesse. Während Einflüsse des tribologischen Systems durch Variation von Reibpartnern, Schmierstoff und Betriebsbedingungen meist Fokus aktueller Untersuchungen sind, wird der Einfluss der Stillstandszeit zwischen einer vorangegangenen tribologischen Belastung und einem nachfolgenden Losreißen der Lamellenkupplung nicht betrachtet. Zur Bestimmung dieses Einflusses erfolgen experimentelle Untersuchungen am Komponentenprüfstand. Dazu wird die Stillstandszeit der Kupplung nach vorangegangener Lastschaltung systematisch variiert und die Kupplung anschließend aufgerissen. Im Rahmen dieser Untersuchungen wird gezeigt, dass die Stillstandszeit bei Lamellenkupplungen mit Sinterreibbelag einen erheblichen Einfluss auf das Reibungsverhalten in den ersten Schaltungen nach Inbetriebnahme zeigt. Ein Einfluss ist dabei bereits bei einer Stillstandszeit von ca. 15 min deutlich erkennbar. Es konnte eine Erhöhung der zu Beginn der Schlupfschaltung maximal auftretenden Reibungszahl gegenüber anschließenden Schlupfschaltungen beobachtet werden, die auf die Stillstandszeit nach definierter Vorbelastung zurückzuführen ist. Einflüsse der Lamellentemperatur werden hierbei durch Messung der Außenlamellentemperatur berücksichtigt. Der Einfluss wird auf die Veränderung der Grenzschicht während des Stillstands zurückgeführt. Die Ergebnisse liefern einen Beitrag zur Übertragbarkeit von Untersuchungen des Reibungsverhaltens von Komponentenprüfständen auf reale Anwendungen, bei denen das Reibsystem relevanten Stillstandszeiten ausgesetzt ist, und erweitern die bestehende Kenntnisbasis zu Versuchsmethoden.
tus695-60043
Aus Wissenschaft und Forschung 43 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0044 Einfluss der Stillstandszeit auf das Losreißmoment nasslaufender Lamellenkupplungen Patrick Strobl, Maria-Lena Trapp, Katharina Völkel, Hermann Pflaum, Karsten Stahl* Eingereicht: 6.9.2022 Nach Begutachtung angenommen: 24.1.2023 Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 63. Tribologie-Fachtagung 2022 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. Eine detaillierte Kenntnis der Einflüsse auf das Reibungsverhalten ist für den zuverlässigen Betrieb von sicherheitsrelevanten, nasslaufenden Lamellenkupplungen von höchster Bedeutung. Dabei ist das Losreißmoment insbesondere für sicherheitskritische Anwendungen wie Sicherheitsbremsen und -kupplungen von Interesse. Während Einflüsse des tribologischen Systems durch Variation von Reibpartnern, Schmierstoff und Betriebsbedingungen meist Fokus aktueller Untersuchungen sind, wird der Einfluss der Stillstandszeit zwischen einer vorangegangenen tribologischen Belastung und einem nachfolgenden Losreißen der Lamellenkupplung nicht betrachtet. Zur Bestimmung dieses Einflusses erfolgen experimentelle Untersuchungen am Komponentenprüfstand. Dazu wird die Stillstandszeit der Kupplung nach vorangegangener Lastschaltung systematisch variiert und die Kupplung anschließend aufgerissen. Im Rahmen dieser Untersuchungen wird gezeigt, dass die Stillstandszeit bei Lamellenkupplungen mit Sinterreibbelag einen erheblichen Einfluss auf das Reibungsver- Kurzfassung * Patrick Strobl, M.Sc. (federführender Autor) Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0001-5204-330X Maria-Lena Trapp, B.Sc. Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0003-1398-5534 Dr.-Ing. Katharina Völkel Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-4380-109X Dr.-Ing. Hermann Pflaum Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-4788-8006 Prof. Dr.-Ing. Karsten Stahl1 Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0001-7177-5207 Technische Universität München (TUM) School of Engineering & Design Department of Mechanical Engineering Lehrstuhl für Maschinenelemente (FZG) Boltzmannstr. 15 85748 Garching b. München halten in den ersten Schaltungen nach Inbetriebnahme zeigt. Ein Einfluss ist dabei bereits bei einer Stillstandszeit von ca. 15 min deutlich erkennbar. Es konnte eine Erhöhung der zu Beginn der Schlupfschaltung maximal auftretenden Reibungszahl gegenüber anschließenden Schlupfschaltungen beobachtet werden, die auf die Stillstandszeit nach definierter Vorbelastung zurückzuführen ist. Einflüsse der Lamellentemperatur werden hierbei durch Messung der Außenlamellentemperatur berücksichtigt. Der Einfluss wird auf die Veränderung der Grenzschicht während des Stillstands zurückgeführt. Die Ergebnisse liefern einen Beitrag zur Übertragbarkeit von Untersuchungen des Reibungsverhaltens von Komponentenprüfständen auf reale Anwendungen, bei denen das Reibsystem relevanten Stillstandszeiten ausgesetzt ist, und erweitern die bestehende Kenntnisbasis zu Versuchsmethoden. Schlüsselwörter Reibungsverhalten, nasslaufende Lamellenkupplung, Statische Reibung, Stillstandszeit Influence of the Time of Standstill on the Breakaway Torque of Wet Disk Clutches Detailed knowledge of the influences on the frictional behavior is crucial for reliable operation of safety-relevant, wet-running multi-plate clutches. The breakaway torque is of particular interest for safety-critical appli- Abstract cations such as safety brakes and clutches. While influences of the tribological system by variation of friction partners, lubricant and operating conditions are usually the focus of current investigations, the influence of the time of standstill between a preceding tribological load and a subsequent breakaway of the wet disk clutch is not considered. TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 31 Seite 43 auf das Losreißmoment in Verbindung mit der Temperatur der Lamellenkupplung untersucht. Die Temperatur des Reibsystems ist sowohl für Gleitals auch für Haftreibung ein sehr wichtiger Einflussfaktor auf das Reibungsverhalten. In [Mei17] wird der Einfluss der Öleinspritztemperatur auf das Reibungsverhalten von Reibsystemen sowohl mit Sinterals auch Papierreibbelägen in allen Gleitgeschwindigkeitsbereichen nachgewiesen. Der Einfluss der Temperatur auf das Reibungsverhalten wird darüber hinaus in zahlreichen Quellen (z. B. [Mäk07, Mäk06, Mar07a, Mar07b]) erwähnt. Auch die spezifische Flächenpressung zeigt einen Einfluss auf das Reibungsverhalten nasslaufender Lamellenkupplungen. Allerdings ist dieser bei gleichzeitiger Berücksichtigung der Lamellentemperatur meist den Einflüssen der Temperatur und der Gleitgeschwindigkeit untergeordnet. Neben den genannten spezifischen Belastungen des Reibsystems trägt auch der Reibbelag (z. B. [Dev04, Ito98, Kat19]), Schmierstoff (z. B. [Dev04, Ing10, Mäk07, Mäk06]) und die Stahllamellenendbearbeitung (z. B. [Bäs16, Sit07, Völ20]) zum Reibungsverhalten der Lamellenkupplung bei. Die genannten Untersuchungen finden meist an Komponenten- oder Modellprüfständen unter möglichst idealen Umgebungsbedingungen statt und umfassen in der Regel einen eingelaufenen bzw. stationären Zustand frei von Startbedingungen oder ähnlichem. Dies kann insbesondere bei dem Übergang zwischen Haft- und Gleitreibung zu Diskrepanzen zwischen dem Drehmomentübertragungsverhalten am Modellprüfstand und im industriellen Einsatz führen. In der Praxis spielen dabei auch Stillstandszeiten im gelüfteten und geschlossenen Zustand eine Rolle, die aufgrund der notwendigen, zeitintensiven Versuche meist nicht betrachtet werden. In der Literatur finden sich allgemeine Arbeiten zur Zeitabhängigkeit von statischer und dynamischer Reibung Aus Wissenschaft und Forschung 44 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0044 Einleitung Das Reibungsverhalten nasslaufender Lamellenkupplungen ist für die sicherheitsgerechte Auslegung eines Antriebs von Interesse. Insbesondere bei Sicherheits- und Haltekupplungen ist die Kenntnis über das Losreißverhalten relevant, da ein definiertes Drehmoment ohne relevanten Schlupf übertragen werden soll. Die Forderung nach hohen übertragbaren Drehmomenten steht dabei im Zielkonflikt mit einer guten Regelbarkeit der Kupplung, wofür ein Anstieg der Reibungszahl über der Gleitgeschwindigkeit notwendig ist. Moderne Untersuchungen [Völ21] zeigen, dass die übertragbare Reibungszahl praxisrelevanter Reibsysteme ohne Auftreten von Kriechvorgängen geringer liegt als die unter Zwangsschlupf oder Lastschaltungen vorliegenden Gleitreibungszahlen. Ein deutlicher Einfluss der Gleitgeschwindigkeit auf das Reibungsverhalten nasslaufender Lamellenkupplungen wird ebenfalls in zahlreichen Forschungsarbeiten dokumentiert (z. B. [Bäs16, Ing10, Ito98, Ost01]). Dabei kann das Reibungsverhalten in unterschiedlichen Betriebsmodi untersucht werden, deren thermischen und mechanischen Randbedingungen z. T. sehr unterschiedlich sind. Die zuverlässige Ermittlung von Haftreibungszahlen bzw. statischer Reibungszahlen und Einflussgrößen auf das Haftreibungsverhalten nasslaufender Lamellenkupplung ist noch immer Gegenstand der Forschung. Die Ermittlung ist nicht genormt und wird z. T. unter sehr unterschiedlichen Randbedingungen vorgenommen. Lloyd, Reffett et al. [Llo94] beschreiben drei Möglichkeiten zur Bestimmung statischer Reibungszahlen zur Charakterisierung der statischen Drehmomentkapazität einer nasslaufenden Lamellenkupplung. Es wird zwischen der Reibungszahl am Ende einer dynamischen Schaltung („Endpoint“), beim Losreißen („Breakaway“) und bei stationärem Schlupf („Steady-State“) unterschieden. Dabei werden zwischen dynamischer Schaltung und erneutem Losreißen der Lamellenkupplung zwei Verweilzeiten (2 s und 75 s) im geschlossenen Zustand und deren Einfluss To determine this influence, experimental investigations are carried out on a component test rig. For this purpose, the time of standstill of the clutch is systematically varied after preceding load shifts and the clutch is then broken away. During these investigations, it is shown that the downtime of multi-plate clutches with sinter friction lining has considerable influence on the frictional behavior in the first switching operations after actuation. An influence can already be clearly seen at a standstill time of approximately 15 minutes. An increase in the maximum friction coefficient occurring at the start of the slip switching operation compared with subsequent slip switching operations was observed, which can be attributed to the downtime after a defined preload. Influences of the disk temperature are considered by measuring the outer disk temperature. The influence is attributed to the change of the boundary layer during the standstill. The results provide a contribution to the transferability of investigations of the friction behavior of component test rigs to real applications in which the friction system is exposed to relevant times of standstill and expand the existing knowledge base on test methods. Keywords Friction Behavior, Wet Disk Clutch, Static Friction, Standstill TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 31 Seite 44 [Bau99, Ber99, Ric83, Ric93, Rui83]. Hierbei wird eine logarithmische Erhöhung der Reibungszahl mit steigender Stillstandszeit festgestellt. Der bisherige Forschungsstand zeigt, dass ein Einfluss relevanter Stillstandszeiten auf das Losreißmoment bisher nicht untersucht wurde. Der vorliegende Beitrag beschreibt den Einfluss von technisch relevanten Stillstandszeiten und deren Einfluss auf das übertragbare Drehmoment bei Differenzdrehzahlen < 1 m/ s unter Zwangsschlupf. Es kommt je ein Reibsystem mit Sinter- und Papierreibbelag zum Einsatz. Material und Methoden Zur Untersuchung des Einflusses der Stillstandszeit auf das Losreißverhalten wird der Komponentenprüfstand ZF/ FZG KLP-260 (s. Bild 1) verwendet. Dieser ermöglicht u. a. die Untersuchung des Reibungsverhaltens nasslaufender Lamellenkupplungen in den Betriebsmodi Lastschaltung und Stationärschlupf. Bei einem Betrieb von Lastschaltungen wird der Innenmitnehmer über den Hauptantrieb auf eine definierte Drehzahl beschleunigt, welche über ein Tachometer gemessen wird. Im Stationärschlupf erfolgt der Antrieb des Innenmitnehmers über einen Kriechantrieb. Die Drehzahl wird hierbei über einen Inkrementalgeber erfasst. Der Außenmitnehmer ist auf einer gelagerten Platte über eine Kraftmessdose verbunden, wodurch eine Messung des Reibmoments T R realisiert wird. Zur Einstellung der Massenträgheit sind Schwungmassen an die Welle des Innenmitnehmers zuschaltbar. Zum Schließen der Kupplung wird über einen Hydraulikzylinder eine definierte Axialkraft auf das Kupplungspaket aufgebracht. Die Axialkraft F ax wird über eine Kraftmessdose gemessen. Die Beölung der Kupplung erfolgt über eine Innenbeölung mittels einer Öldüse sowie einer Beölung von oben, wobei Öleinspritztemperatur und Ölvolumenstrom regelbar sind. Eine detaillierte Beschreibung des Komponentenprüfstandes ZF/ FZG KLP-260 ist in [Mei15] zu finden. Alle Versuche erfolgen mit sechs Reibflächen (n Rf = 6). Die Reibungszahl berechnet sich unter Berücksichtigung des mittleren Reibradius r m gem. Formel 1. (1) Die Untersuchungen erfolgen an jeweils einem Reibsystem mit Sinterreibbelag (RS-S) und mit Papierreibbelag (RS-P). Alle Daten zu Geometrie und Schmierstoff sowie eine Abbildung der Versuchsteile finden sich in Bild 2. Das Sinter-Reibsystem kommt in industriellen und maritimen Anwendungen zum Einsatz. Es wird eine Belagvariante mit Waffelnutung sowie eine Serien- Stahllamellenvariante verwendet. Das Papier-Reibsystem wird in Automat- und Doppelkupplungsgetrieben eingesetzt. Es wird eine Belagvariante, bei welcher der Belag gruppenparallel, multisegmentiert mit Waffelnutung ausgeführt ist, sowie eine Stahllamellenvariante aus Serienanwendung verwendet. Die Reibsysteme wurden vor den Untersuchungen vollständig eingelaufen. Über ein Thermoelement des Typs K (NiCr-Ni) wird die Temperatur einer mittleren Außenlamelle auf Höhe des mittleren Reibradius in Lamellenmitte gemessen. Bei dem Reibsystem mit Papierreibbelag erfolgt die Messung in der Stahllamelle (gem. Bild 3), bei dem Reibsystem mit Sinterreibbelag im Belagträger der mittleren Belaglamelle. μ = T R F ax ∙ n Rf ∙ r m Aus Wissenschaft und Forschung 45 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0044 Bild 1: Schemazeichnung des Komponentenprüfstands ZF/ FZG KLP-260 gem. [Mei15] TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 31 Seite 45 sucht. Das Reibsystem wird während Betrieb und Stillstand bei der Öleinspritztemperatur ϑ Ö = 40 °C und dem spezifischen Ölvolumenstrom v˙ Öl = 0,8 mm 3 / mm 2 s betrieben. In einer Versuchsreihe werden sieben Stillstandszeiten untersucht (30 s, 1 min, 2 min, 5 min, 15 min, 1 h, ca. 10 h), die Messreihe wird unabhängig voneinander dreimal durchgeführt. Aufgrund der unterschiedlichen Baugrößen der Reibsysteme ergeben sich teils unterschiedliche spezifische Belastungen, welche in den nachfolgenden Tabellen angegeben sind. In jedem Durchlauf des Versuchs erfolgt die Belastung des Reibsystems durch die in Tabelle 1 spezifizierten Lastschaltungen. Zur Charakterisierung der Lastschaltungen werden die Reibungszahlkennwerte μ mit und μ 5 gem. [Hen14] herangezogen (Bild 4). Der Kennwert μ mit beschreibt den arithmetischen Mittelwert der Reibungszahl μ zwischen 0 und 60 % der max. Gleitgeschwindigkeit v g,max . Der Kennwert μ 5 bezeichnet den max. Wert der Reibungszahl im Bereich zwischen 0 und 10 % der maximalen Gleitgeschwindigkeit v g,max . Aus Wissenschaft und Forschung 46 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0044 Der Versuchsablauf ist für beide Reibsysteme identisch. Das jeweilige Reibsystem wird in jedem Durchlauf zunächst einer definierten tribologischen Belastung durch Lastschaltungen unterzogen. Anschließend wird nach definierten Stillstandszeiten das Reibungs- und Losreißverhalten im Betriebsmodus Stationärschlupf unter- Bild 2: Überblick über die Reibsysteme RS-S und RS-P Reibsystem automobile Anwendung (organischer Reibbelag, RS-P) Geometrische Daten: Anzahl Reibflächen n Rf : 6 Bruttoreibfläche A brutto: 6553 mm² Mittlerer Reibradius r m : 77 mm Schmierstoffdaten: Dichte bei 15 °C: 846 kg/ m 3 Viskosität bei 40 °C: 26 mm 2 / s Viskosität bei 100 °C: 5,6 mm 2 / s Automatgetriebeschmierstoff 20 mm 20 mm Reibsystem Industrieanwendung (sintermetallischer Reibbelag, RS-S) Geometrische Daten: Anzahl Reibflächen n Rf : 6 Bruttoreibfläche A brutto : 7357 mm² Mittlerer Reibradius r m : 81 mm Schmierstoffdaten: Dichte bei 15 °C: 891 kg/ m 3 Viskosität bei 40 °C: 100 mm 2 / s Viskosität bei 100 °C: 40 mm 2 / s Allgemeine Industrieanwendung 20 mm 20 mm r m Andrückung Thermoelement Abstützung Innenlamellen A ußenlamellen Bild 3: Schemazeichnung zur Lamellentemperaturmessung Geometrische Daten: Anzahl Reibflächen n Rf : 6 Bruttoreibfläche A brutto: 6553 mm² Mittlerer Reibradius r m : 77 mm Schmierstoffdaten: Dichte bei 15 °C: 846 kg/ m 3 Viskosität bei 40 °C: 26 mm 2 / s Viskosität bei 100 °C: 5,6 mm 2 / s Automatgetriebeschmierstoff Geometrische Daten: Anzahl Reibflächen n Rf : 6 Bruttoreibfläche A brutto : 7357 mm² Mittlerer Reibradius r m : 81 mm Schmierstoffdaten: Dichte bei 15 °C: 891 kg/ m 3 Viskosität bei 40 °C: 100 mm 2 / s Viskosität bei 100 °C: 40 mm 2 / s Allgemeine Industrieanwendung TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 31 Seite 46 Betriebsmodus Reibsystem Anzahl Schaltungen Schlupfzeit t S Zykluszeit t Z Flächenpressung p Gleitgeschwindigkeit v g spez. Reibarbeit q A in s in s in N/ mm² in m/ s in J/ mm² Kühlphase RS-P RS-S 2 10 15 0,02 0,040 0,042 < 0,001 Stationärschlupf RS-P RS-S 3 30 35 0,5 0,005 0,008 0,010 Nach einer variablen Stillstandszeit werden gem. Tabelle 2 drei Stationärschlupf-Schaltungen mit dazwischenliegenden Kühlphasen bei angelegter Kupplung durchgeführt. Zur Charakterisierung des Reibungsverhaltens im Stationärschlupf werden die Reibungszahlkennwerte μ stat nach [Mei17] und μ max verwendet (Bild 5). Der Kennwert μ stat bezeichnet den arithmetischen Mittelwert der Reibungszahl μ im stationären Bereich der Schaltung, dafür wird hier bei einer Schlupfzeit von 30 s der Bereich zwischen 8 und 28 s gewählt. Zusätzlich wird zur Charakterisierung des Losreißverhaltens der Kennwert μ max definiert. Dieser definiert den maximalen Wert der Reibungszahl μ in den ersten 5 s des Stationärschlupfs. Nachfolgend werden die Kennwerte aus Stationärschlupf in Abhängigkeit von der Stillstandszeit nach der Aus Wissenschaft und Forschung 47 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0044 Reibsystem Anzahl Schaltungen Druckzeit t D Zykluszeit t Z Flächenpressung p max. Gleitgeschwindigkeit v g spez. Reibarbeit q A Tabelle 1: Spezifikationen der Lastschaltungen Tabelle 2: Spezifikationen der Schaltungen im Betriebsmodus Stationärschlupf 50 60 100 0 10 μ Gleitges c hwindigk eit in % v g,max μ mit : Mittelwert 0...60% v g,max μ 5 : max . 0...10% v g,max S tart E nde Bild 4: Lastschaltungskennwerte nach [Hen14] anhand zweier Reibcharakteristiken unterschiedlichen Verhaltens zu Schaltungsende 8 24 32 16 μ μ stat : Mittelw ert 8...28 s μ max : max . 0...5 s Mes s z eit in s m x 0 Bild 5: Kennwerte im Stationärschlupf vorangegangenen Belastung durch Lastschaltungen betrachtet. Ebenfalls erfolgt eine Betrachtung der Kennwerte in Abhängigkeit von der Lamellentemperatur. Ergebnisse Einfluss der Stillstandszeit auf das Losreißmoment (Industrieanwendung) Bei der Untersuchung des Losreißverhaltens des Reibsystems aus Industrieanwendung zeigen sich deutliche Unterschiede abhängig von der Stillstandszeit. Bild 6 zeigt ausschnittsweise den Verlauf der Messdaten Axialkraft, Drehzahl und Reibungszahl bei der kürzesten und längsten untersuchten Stillstandszeit zu Bein s in s in N/ mm² in m/ s in J/ mm² RS-P 10 0,24 10 5 15 0,5 RS-S 10,1 0,20 TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 31 Seite 47 Am Ende der Schaltung fällt die Reibungszahl bei sämtlichen untersuchten Stillstandszeiten monoton mit der sinkenden Drehzahl ab, hierbei tritt im Gegensatz zum Aufreißen keine Erhöhung der Reibungszahl ggü. des stationären Werts auf (Bild 6, rechts). Es ist davon auszugehen, dass die untersuchten Reibsysteme bei den vorliegenden Drehzahlen < 0,6 m/ s eine ansteigende Reibcharakteristik besitzen. Bei der Drehzahl des Innenmitnehmers (s. Bild 6) zeigen sich durch die Regelung bedingte Schwankungen. Im stationären Bereich der Schaltung weicht die Drehzahl maximal 0,05 min -1 (etwa 8 %) von ihrem Mittelwert ab. Zu Beginn der Schaltung zeigen sich Abweichungen von einem ideal linearen Anstieg auf den Sollwert, insbesondere geht die starke Überhöhung der Reibungszahl beim Aufreißen der Kupplung nach langen Stillstandszeiten (s. Bild 6, unten links) mit einer leicht niedrigeren Drehzahl einher. Aus Wissenschaft und Forschung 48 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0044 ginn, während (10 - 12,5 s) und am Ende einer exemplarisch betrachteten 30 s langen Stationärschlupf-Schaltung. Bei allen untersuchten Stillstandszeiten steigt die Reibungszahl beim ersten Losreißen der Kupplung direkt auf ihren Maximalwert, welcher durch den Kennwert μ max erfasst wird, ehe sie zu einem stationären Wert abfällt. Dieser Effekt ist bei kurzen Stillstandszeiten (Bild 6, oben links) schwach ausgeprägt, bei langen Stillstandszeiten (Bild 6, unten links) hingegen zeigt sich zu Beginn eine deutliche Überhöhung ggü. des stationären Reibungszahlwerts. Im stationären Bereich der Schaltung (Bild 6, mittig) weist die Reibungszahl geringe Schwankungen um ihren durch μ stat charakterisierten Mittelwert auf. Dieser liegt bei langen Stillstandszeiten etwas höher als bei kurzen Stillstandszeiten. Bild 6: Ausschnitte des Verlaufs der Axialkraft F ax , Drehzahl n und Reibungszahl µ über der Versuchslaufzeit zu Beginn des Stationärschlupfs (links), während (mittig) und am Ende (rechts) bei einer Stillstandszeit von 30 s (oben) und 10 h (unten) bei Reibsystem RS-S a) nach 30 s Stillstandszeit b) nach 10 h Stillstandszeit TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 31 Seite 48 Die ermittelten Reibungszahlkennwerte der Last- und Schlupfschaltungen sind in Bild 7 dargestellt. Auffällig ist hierbei, dass die Werte µ stat auf ähnlichem Niveau wie µ 5 der Lastschaltungen liegen, was eine gute Übereinstimmung des Reibungsverhaltens am Ende der Lastschaltung mit dem Stationärschlupf zeigt. Die Reibungszahlkennwerte µ 5 sind stets deutlich höher als die korrespondierenden Kennwerte µ mit , was einen negativen Reibungszahlgradient und somit auf eine erhöhte Reibschwingneigung hinweisen. Kennwerte der zweiten und dritten Stationärschlupf- Schaltung zeigen gem. Bild 7 keinen erkennbaren Anstieg in Abhängigkeit der Stillstandszeit. Im Folgenden wird daher die erste Stationärschlupf-Schaltung nach Belastung betrachtet. Der Verlauf der Reibungszahl in der ersten Stationärschlupf-Schaltung unterscheidet sich abhängig von der vorgegebenen Stillstandszeit nach Belastung. Dies äußert sich in einem Anstieg von µ max mit längeren Stillstandszeiten (s. Bild 8). Der Reibungszahlkennwert μ stat der ersten Schlupfschaltung steigt bei kurzen Stillstandszeiten bis etwa 5 min an und bleibt bei längeren Stillstandszeiten näherungsweise konstant. Es lässt sich feststellen, dass bereits Stillstandszeiten ab ca. 15 min eine deutliche Überhöhung von µ max ggü. µ stat aufweisen. Die Lamellen erwärmen sich während der Lastschaltungen und kühlen während der Stillstandszeit ab, womit eine niedrigere über die erste folgende Schlupfschaltung gemittelte Lamellentemperatur bei längeren Stillstandszeiten einhergeht. Es kann eine näherungsweise lineare Abhängigkeit des Kennwerts μ stat von der Lamellentemperatur angenommen werden. Ab einer Stillstandszeit von 15 min ist die Lamellentemperatur in etwa konstant, der Kennwert µ max steigt jedoch weiterhin mit zunehmender Stillstandszeit logarithmisch an (s. Bild 9). Bei Reibsystem RS-S lässt sich demnach ein Einfluss der Stillstandszeit auf das Reibungsverhalten ab 15 min Stillstandszeit erkennen, der nicht über die Lamellentemperatur begründet ist. Aus Wissenschaft und Forschung 49 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0044 Bild 8: Kennwerte der ersten Schlupfschaltung abh. von Stillstandszeit (RS-S) Bild 9: Kennwerte der ersten Schlupf-schaltung abh. von Lamellentemperatur (RS-S) Bild 7: Trend der Reibungszahlkennwerte des Reibsystems RS-S TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 31 Seite 49 aus der regelungsbedingten Schwankung der Schlupfdrehzahl resultieren. Der Kennwert μ stat liegt bei langen Stillstandszeiten etwas höher als bei kurzen Stillstandszeiten, außerdem lässt sich bei langen Stillstandszeiten ein Abfall der Reibungszahl auch im stationären Bereich feststellen (s. Bild 10). Am Ende der Schaltung fällt die Reibungszahl auch hier ohne eine Erhöhung der Reibungszahl gegenüber dem stationären Wert mit sinkender Schlupfdrehzahl ab (s. Bild 10). Die ermittelten Reibungszahlkennwerte der drei durchgeführten Versuchsreihen sind für das Reibsystem RS-P in Bild 11 dargestellt. Der Reibungszahlverlauf aller Lastschaltungen kann in den Versuchsblöcken als identisch angenommen werden. Die Kennwerte der zweiten und dritten Stationär- Aus Wissenschaft und Forschung 50 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0044 Einfluss der Stillstandszeit auf das Losreißmoment (automobile Anwendung) Auch bei Reibsystem RS-P steigt die Reibungszahl (s. Bild 10) nach sämtlichen untersuchten Stillstandszeiten beim ersten Losreißen der Kupplung direkt auf ihren Maximalwert, ehe sie langsam zu einem stationären Wert abfällt. Hier zeigt sich bereits nach kurzen Stillstandszeiten (s. Bild 10, links oben) eine ausgeprägte Überhöhung der Reibungszahl, wodurch die Unterschiede im Reibungszahlverlauf zwischen kurzen und langen Stillstandszeiten geringer ausfallen als bei Reibsystem RS-S. Die starke Überhöhung der Reibungszahl beim Aufreißen der Kupplung geht zudem meist mit einer niedrigeren Schlupfdrehzahl im Moment des Losreißens einher. Die Reibungszahl weist beim Reibsystem RS-P ebenfalls leichte Schwankungen um ihren Mittelwert auf, die Bild 10: Ausschnitte des Verlaufs der Axialkraft F ax , Drehzahl n und Reibungszahl µ über der Versuchslaufzeit zu Beginn des Stationärschlupfs (links), während (mittig) und am Ende (rechts) bei einer Stillstandszeit von 30 s (oben) und 10 h (unten) bei Reibsystem RS-P a) nach 30 s Stillstandszeit b) nach 10 h Stillstandszeit TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 31 Seite 50 schlupf-Schaltung nach der Belastung zeigen lediglich einen sehr geringen Anstieg mit längeren Stillstandszeiten, weshalb im Folgenden wie auch beim Reibsystem RS-S die erste Schlupfschaltung nach Belastung durch Lastschaltungen betrachtet wird. Der Reibungszahlkennwert μ stat der ersten Stationärschlupf-Schaltung steigt ab Stillstandszeiten von etwa 5 min leicht an, bei kürzeren Stillstandszeiten zeigt μ stat keine eindeutige Abhängigkeit von der Stillstandszeit. Der Kennwert μ max steigt zu längeren Stillstandszeiten hin an (Bild 12), dieser Anstieg ist weniger stark ausgeprägt als beim Reibsystem RS-S. Es kann eine näherungsweise lineare Abhängigkeit des Kennwerts μ stat von der Lamellentemperatur angenommen werden, allerdings zeigen sich beim Reibsystem RS-P größere Abweichungen von der Ausgleichsgeraden als beim Reibsystem RS-S. Für den Kennwert μ max lässt sich keine eindeutige Abhängigkeit von der Lamellentemperatur feststellen (Bild 13). Hierbei ist zu beachten, dass die Lamellen bei dem Reibsystem RS-P schneller abkühlen und somit ein kleinerer Temperaturbereich vorliegt als bei Reibsystem RS-S. Insgesamt ist auch bei diesem Reibsystem eine Tendenz zur logarithmischen Erhöhung des Kennwerts µ max mit steigenden Stillstandszeiten zu erkennen, welcher allerdings nicht eindeutig von einem Einfluss der Lamellentemperatur unterschieden werden kann. Diskussion Die Ergebnisse beider Reibsysteme zeigen einen Einfluss der Stillstandszeit auf das Reibungsverhalten der Lamellenkupplung. Auffällig ist, dass trotz einer fallenden Reibcharakteristik am Ende des Stationärschlupfs stets eine Überhöhung der Reibungszahl zu Beginn des Stationärschlupfs (µ max > µ stat ) vorliegt. Diese ist insbesondere bei der ersten Stationärschlupf-Schaltung nach Stillstand deutlich ausgeprägt und zeigt einen Einfluss Aus Wissenschaft und Forschung 51 Tribologie + Schmierungstechnik · 69. Jahrgang · 5-6/ 2022 DOI 10.24053/ TuS-2022-0044 Bild 12: Kennwerte der ersten Schlupfschaltung abh. von Stillstandszeit (RS-P) Bild 13: Kennwerte der ersten Schlupfschaltung abh. von Lamellentemperatur (RS-P) Bild 11: Trend der Reibungszahlkennwerte des Reibsystems RS-P TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 31 Seite 51 gelüftet. Versuche zum Einfluss der Stillstandszeit bei geschlossener Lamellenkupplungen sind ebenfalls von Interesse, wurden jedoch bislang nicht untersucht. Zusammenfassung Die Vorgehensweise zeigt einen Einfluss der Stillstandszeit im gelüfteten Zustand auf das Losreißverhalten nasslaufender Lamellenkupplungen, der insbesondere bei dem untersuchten Reibsystem mit Sinterreibbelag nicht allein durch thermische Einflüsse erklärt werden kann. Es zeigt sich, dass sich das übertragene Losreißmoment mit steigender Stillstandszeit sowohl bei einem Reibsystem mit Sinterals auch Papierbelag erhöht. Ein Einfluss am Ende des stationären Zwangsschlupfs ist dagegen nicht erkennbar. Hierbei ist lediglich der Einfluss der Lamellentemperatur erkennbar, die insbesondere bei sehr geringen Stillstandszeiten durch die vorangegangenen Lastschaltungen im Versuchsablauf beeinflusst werden kann. Die Ergebnisse erweitern die aktuelle Kenntnisbasis zum Reibungsverhalten nasslaufender Lamellenkupplungen um den Einfluss von Stillstandszeiten und verbessern so die Übertragbarkeit von Versuchsreihen aus Komponentenprüfständen zu realen, technischen Reibsystemen, die in der Praxis meist relevanten Stillstandszeiten ausgesetzt sind. Danksagung Die Autoren bedanken sich bei den Mitgliedsfirmen der Forschungsvereinigung Antriebstechnik e.V. (FVA), die diese Arbeit durch Sachbeistellungen unterstützt haben. Literatur [Bäs16] Bäse, M. U.; Dzimko, M.; Deters, L.: Empirische Bewertung von Zusammenhängen zwischen Endbearbeitungsparametern und Reibungsverhalten von Lamellenreibpaarungen im Mikroschlupfbetrieb. 57. Tribologie-Fachtagung, Göttingen. Gesellschaft für Tribologie e.V. (2016). [Bau99] Baumberger, T.; Berthoud, P.; Caroli, C.: Physical analysis of the stateand rate-dependent friction law. II. Dynamic friction. Physical Review B 60. Heft: 6, S. 3928-3939 (1999). 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Ein logarithmischer Zusammenhang zwischen µ max und der Stillstandszeit kann für die untersuchten Reibsysteme festgestellt werden und bestätigt Untersuchungen gem. Stand der Technik [Bau99, Ber99, Ric83, Ric93, Rui83]. Eine Ableitung einer Modellvorstellung gemäß Stand der Technik ist somit denkbar, sollte allerdings über weitere Versuche mit unterschiedlichen Reibsystemen abgesichert werden. Bei der Untersuchung des Reibsystems mit Papierreibbelag fällt auf, dass bereits bei sehr kurzen Stillstandszeiten eine deutliche Überhöhung des Losreißmoments gegenüber dem übertragbaren Drehmoment bei stationären Schlupfdrehzahlen ermittelt werden kann. Der Einfluss der Stillstandszeit ist dagegen weniger stark ausgeprägt. Der Stand der Technik [Völ21] zeigt, dass die ermittelten Haftreibungszahlen sowie Gleitreibungszahlen bei sehr kleinen Differenzdrehzahlen deutlich niedriger liegen als die hier ermittelten maximalen Reibungszahlen beim Losreißen der Lamellenkupplungen. Eine gute Übereinstimmung kann dagegen bei den jeweils fallenden Drehzahlgradienten ermittelt werden. Hier fallen die Reibungszahlen sowohl bei Sinterals auch bei Papierreibsystemen hin zu kleineren Drehzahlen ab. Das Losreißen muss demnach separat betrachtet werden. Möglich ist eine Veränderung der Grenzschichten während der Stillstandszeit, die in Folge des Kontakts mit Umgebungsluft oder Schmierstoff einsetzen kann. Ein Nachweis dieser Änderung ist allerdings schwer nachzubilden, da die Grenzschichtzusammensetzung im Betrieb nicht messbar ist. Die Übertragbarkeit zwischen Messungen am Komponentenprüfstand und realen technischen Systemen, bei denen relevante Stillstandszeiten auftreten, kann durch das Verständnis des Einflusses dieser Stillstandszeiten verbessert werden. Eine etwaige Konditionierung des Reibsystems muss demnach in Betracht gezogen werden. Von Interesse sind zudem weiterführende Untersuchungen im Mikroschlupf gem. [Völ21] zur Identifikation des Einflusses der Stillstandszeit auf das Reibungsverhalten bei Mikroschlupf und Haften, da dieser Effekt insbesondere für Halte- und Sicherheitsbremsen von Interesse ist. Bei den durchgeführten Versuchen war die Lamellenkupplungen während der Stillstandszeit stets TuS_5_6_2022.qxp_TuS_5_6_2022 09.02.23 16: 31 Seite 52 [Hen14] Hensel, M.: Thermische Beanspruchbarkeit und Lebensdauerverhalten von nasslaufenden Lamellenkupplungen, Dissertation, Technische Universität München (2014). [Ing10] Ingram, M.; Noles, J.; Watts, R.; Harris, S.; Spikes, H. A.: Frictional Properties of Automatic Transmission Fluids: Part I - Measurement of Friction-Sliding Speed Behavior. Tribology Transactions. Heft: 54, S. 145-153 (2010). [Ito98] Ito, K.; Barker, K. A.; Kubota, M.; Yoshida, S.: Designing Paper Type Wet Friction Material for High Strength and Durability. SAE Technical Paper Nr. 982034 (1998). 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