eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 70/2

Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2023-0008
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2023
702 Jungk

Untersuchungen zur wirtschaftlichen Nutzung von Niedertemperatur-Nitrierprozessen durch Übertragung auf Behandlungen im industriellen Maßstab [POSEIDON (II)]

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2023
Tristan Brückner
Hanno Paschke
Peter Kaestner
Isabel Hahn
Sabine Siebert
Sebastian Weber
Dichtungsfreie Wälzlager für den Einsatz unter mediengeschmierten Bedingungen sind hohen tribokorrosiven Beanspruchungen ausgesetzt. Ein Behandlungsansatz für diesen Anwendungsfall sind Niedertemperatur-Plasmanitrierprozesse zur Steigerung der Oberflächenhärte korrosionsbeständiger Stähle. Beim Hochskalieren der entwickelten Niedertemperatur-Plasmanitrierprozesse auf industrielle Batchprozesse ist es erforderlich, dass die geforderte Randzonenbehandlung unabhängig von der örtlichen Platzierung des jeweiligen Lagerrings im Rezipienten erreicht wird. Unter Berücksichtigung relevanter Faktoren wie Temperaturverteilung und Bauteilchargierung wurde ein Hochskalieren auf industrielle Batchprozesse am Beispiel von Lagerringen mit dem Ziel eines homogenen Behandlungsergebnisses analysiert. Auf diese Weise wurden Rückschlüsse über die Randzoneneigenschaften in Abhängigkeit von Temperatur, Chargenaufbau und Chargierposition gezogen, um die Homogenität des Behandlungsergebnisses zu verifizieren.
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Aus Wissenschaft und Forschung 13 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0008 Untersuchungen zur wirtschaftlichen Nutzung von Niedertemperatur-Nitrierprozessen durch Übertragung auf Behandlungen im industriellen Maßstab [POSEIDON (II)] Tristan Brückner, Hanno Paschke, Peter Kaestner, Isabel Hahn, Sabine Siebert, Sebastian Weber* Eingereicht: 5.9.2022 Nach Begutachtung angenommen: 6.4.2023 Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 63. Tribologie-Fachtagung 2022 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. Dichtungsfreie Wälzlager für den Einsatz unter mediengeschmierten Bedingungen sind hohen tribokorrosiven Beanspruchungen ausgesetzt. Ein Behandlungsansatz für diesen Anwendungsfall sind Niedertemperatur-Plasmanitrierprozesse zur Steigerung der Oberflächenhärte korrosionsbeständiger Stähle. Beim Hochskalieren der entwickelten Niedertemperatur-Plasmanitrierprozesse auf industrielle Batchprozesse ist es erforderlich, dass die geforderte Randzonenbehandlung unabhängig von der örtlichen Platzierung des jeweiligen Lagerrings im Rezipienten erreicht wird. Unter Berücksichtigung relevanter Faktoren wie Temperaturverteilung und Bauteilchargierung wurde ein Hochskalieren auf industrielle Batchprozesse am Beispiel von Lagerringen mit dem Ziel eines homogenen Behandlungsergebnisses analysiert. Auf diese Weise wurden Rückschlüsse über die Randzoneneigenschaften in Abhängigkeit von Temperatur, Chargenaufbau und Chargierposition gezogen, um die Homogenität des Behandlungsergebnisses zu verifizieren. Schlüsselwörter Niedertemperatur-Plasmanitrieren, Expanded Austenite, Expanded Martensite, Tribokorrosion, Industriechargierung, Prozessübertragung, Prozessoptimierung Transfer of economical low temperature nitriding processes to industrial scale treatments Sealless rolling bearings for use under media lubricated conditions are exposed to high tribocorrosive loads. To achieve the necessary wear resistance while keeping up the corrosion properties of the corrosion resistant steels low-temperature-plasma-diffusiontreatments were conducted. When scaling-up the developed low-temperature-plasma-nitriding-processes to industrial dimensions, it is necessary to reach the required surface conditions independently of the parts placement within the batch. Upscaling to industrial batch processes was analyzed by using the example of rolling bearings. To achieve a homogeneous treatment result, relevant factors like temperature distribution and component placement were taken into account. This allows to draw conclusions about the surface layer properties in dependence of temperature, batch arrangement and position within the batch to verify the treatment results homogeneity. Keywords low temperature plasma nitriding, expanded austenite, expanded martensite, tribocorrosion, batch treatment, process transfer, process optimization Kurzfassung Abstract * M. Sc. Tristan Brückner a (federführender Autor) Dipl.-Ing. Hanno Paschke a Dipl.-Ing. Peter Kaestner b M. Sc. Isabel Hahn c Dr.-Ing. Sabine Siebert c Prof. Dr. Sebastian Weber c a Fraunhofer-Institut für Schicht- und Oberflächentechnik am Standort Dortmund, 44145 Dortmund b Institut für Oberflächentechnik der TU Braunschweig 38108 Braunschweig c Lehrstuhl Werkstofftechnik der Ruhr-Universität Bochum 44780 Bochum mit steigender Temperatur auch größere Diffusionstiefen erreicht werden [3]. Im Falle komplexer werdender Bauteilgeometrien spielen Kanteneffekte eine Rolle, die durch partielle, geometriebedingte Vergrößerung der Oberflächenbereiche und Erhöhung der Stromdichte auftreten und unterschiedliche Randzonendicken verursachen können [4]. Aus diesen Herausforderungen ergeben sich Fragestellungen, die Gegenstand der dargestellten Untersuchungen sind. Dazu zählt, welchen Einfluss die Intensität des Plasmas auf die Temperaturverteilung bzw. damit auf das Behandlungsergebnis hat. Darüber hinaus, inwieweit ein Unterschied der für die Außenringe nötigen Innenbehandlung bzw. der für die Innenringe nötigen Außenbehandlung besteht, z.B. in Bezug auf Unterschiede in der Gasverteilung oder Temperatur und inwieweit ein Unterschied bei der Betrachtung der konkreten Lage innerhalb der aufgebauten Türme festgestellt werden kann. Neben diesen globalen Betrachtungen spielt die Lagerringgeometrie bei der Ausbildung der Randzonendicke in Abhängigkeit von der Laufflächenposition eine große Rolle. Ziel der Untersuchungen ist es, die Temperaturabweichung innerhalb der Charge so gering zu halten, dass ein homogenes Behandlungsergebnis erreicht wird und gleichzeitig in Bezug auf die Beglimmung und das Gasangebot eine homogene Behandlung zu ermöglichen. Versuchsdurchführung Die Versuche fanden an Lagerringen (Innen- und Außenringe) aus Cronidur 30 statt. Zur Behandlung wurde eine Anlage der Firma Rübig mit einem nutzbaren Durchmesser von 100 cm und einer Höhe von 150 cm bei einem maximalen Chargiergewicht von 1500 kg genutzt. Die Regelung der Bauteiltemperatur ist an dieser Anlage über eine 3-Zonen-Wandheizung möglich. Die Gaszufuhr erfolgte über eine Gaslanze in der Mitte der Behandlungskammer. Für die Versuche wurde ein 3 Ebenen Gestell verwendet, bei dem auf der untersten Ebene eine industrienahe Bauteilaufstellung in Gestalt von Turmaufbauten realisiert wurde (vgl. Bild 1). Der Aufbau der einzelnen Türme unterscheidet sich dabei in Abhängigkeit von der zu behandelnden Fläche in Außenringtürme (AR) und Innenringtürme (IR). Für die Innenringe war durch die außen liegende Lauffläche der Bauteile eine Außenbehandlung (also eine Beglimmung der Außenflächen) nötig. Dafür wurden diese zu einer Einheit von jeweils 20 Stück auf eine zylindrische Halterung aufgesteckt. Eine Turmeinheit an Außenringen bestand ebenfalls aus 20 Stück, diese wurden durch drei sogenannte Gasfenster pro Turm in vier Fraktionen zu je fünf Lagerringen aufgeteilt. Dadurch sollte die für die in diesem Fall, durch die innenliegende Lauffläche erforderliche Innenbehandlung (also Beglimmung der innen- Aus Wissenschaft und Forschung 14 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0008 Einleitung Konventionelle Wälzlagerstähle mit hoher Festigkeit und Verschleißbeständigkeit aber geringer Korrosionsbeständigkeit können nur unter Einsatz korrosionsschützender Schmierstoffe eingesetzt werden. Eine Trennung von der korrosiven Umgebung durch beispielsweise eine hermetische Kapselung ist jedoch mit hohen Reibungs- und damit Effizienzverlusten verbunden. Der Einsatz mediengeschmierter Lager kann daher einen Beitrag zur Energieeffizienz bei gleichzeitiger Vermeidung von Umweltbelastungen durch Schmierstoffe bieten [1]. Zu beachten sind in diesem Fall jedoch die besonderen Bedingungen des tribologischen Systems. Neben der mechanischen Beanspruchung der Wälzlager spielt insbesondere das korrosive Umgebungsmedium eine große Rolle. Dies führt zu hohen tribokorrosiven Beanspruchungen dichtungsfreie Wälzlager unter mediengeschmierten Einsatzbedingungen. Eine Möglichkeit korrosionsbeständige Stähle unter diesen Bedingungen einsetzen zu können, ist die Optimierung mittels Randschichtbehandlung durch einen Plasmadiffusionsprozess. Durch dieses Verfahren wird eine harte, auf interstitiell gelösten Atomen basierende, stickstoffreiche Randzone gebildet, wobei durch die niedrige Behandlungstemperatur (< 400 °C) Chromnitridausscheidungen verhindert werden, die durch das Abbinden des Chroms die Korrosionsbeständigkeit herabsetzen könnten. Um bei der Randschichtbehandlung wirtschaftlich vorgehen zu können, ist die Behandlung größerer Stückzahlen und der Prozesstransfer vom (im Projekt entwickelten) Versuchsin einen Industriemaßstab nötig. Dies bringt Herausforderungen mit sich, die mit Rücksicht auf die zu behandelnden Geometrien, die Prozessparameter und den Aufbau im Einzelnen, aber auch bezüglich Wechselwirkungen dieser Faktoren untereinander zu beachten sind. Folglich steigt die Komplexität der Prozessauslegung. Ein besonderer Fokus der Skalierungsarbeiten liegt auf der Homogenisierung und Einhaltung der Behandlungstemperatur. Im Falle der Überschreitung gewisser Grenztemperaturen können Chromnitridausscheidungen auftreten, welche sich negativ auf die Korrosionsbeständigkeit auswirken [2]. Im Falle einer Behandlung im Versuchsmaßstab lässt sich die Temperatur an einer einzelnen Probe relativ homogen einstellen. Bei einer Batchbehandlung können hingegen die (ggf. unterschiedlichen) Bauteilgeometrien, die Positionierung und Chargierung der Bauteile und dadurch der Wärmeeintrag durch das Plasma bzw. die Wandheizungen in Wechselwirkung untereinander einen Einfluss auf eine inhomogene Temperaturverteilung innerhalb der Charge haben, die es zu minimieren gilt. Ein wesentlicher Punkt ist die Forderung nach einer homogen ausgebildeten Randzone. Auch hier spielt eine homogene Temperaturverteilung mitunter eine Rolle, da liegenden Lauffläche), nötige Gaszufuhr gewährleistet werden. Stabilisiert wurden die Außenringtürme durch Ummantelungen aus Rohrabschnitten, welche gleichzeitig auch den Querschnitt des Aufbaus und damit die potentielle Fähigkeit zur Wärmeableitung erhöhten. Insgesamt wurden innerhalb der industrienahen Chargierung je zwei Außen- und Innenringtürme (gekennzeichnet mit AR1, AR2, IR1 und IR2) für Messungen der Temperatur und Auswertung des Behandlungsergebnisses vorgesehen und entsprechend mit Thermoelementhalterungen bzw. Lagerringen für die Randzonenuntersuchung präpariert. Eine Definition der einzelnen Messpunkte ist Bild 2 zu entnehmen. Zur Temperaturüberwachung standen anlagenseitig vier Thermoelemente zur Verfügung, die an unterschiedlichen Messpunkten angebracht werden konnten. Um ein entsprechend aussagekräftiges Messfeld mit den in Bild 2 definierten Temperaturmesspunkten abdecken zu können, wurden für jede Prozessvariante vier identische Prozesse durchgeführt, bei denen jeweils zwei Thermoelemente an den gleichen Stellen verblieben (AR2-T-o und AR2-T-u) und somit als Referenz dienten. Je zwei Thermoelemente wurden in den unterschiedlichen Prozessen an jeweils unterschiedlichen Messpunkten platziert, sodass für jede Prozessvariante eine maximale mögliche Abdeckung von zehn unterschiedlichen Temperaturmesspunkten vorlag. Aus Wissenschaft und Forschung 15 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0008 Bild 1: a) Aufbau am Beispiel der Chargiervariante V3 mit Innenringturm (1), Außenringturm (2) und Hilfskathode (3) b) schematische Querschnittsansicht eines Außenringturmteils mit TE-Halterung (4), Außenring (5), Gasfenster (6), Außenring für Randzonenuntersuchung (7) und Ummantelung (8) c) Querschnittsansicht eines Innenringturmteils mit Innenring (9), Innenring für Randzonenuntersuchung (10), TE-Halterung (11) und Füllzylinder (12) Bild 2: Schematische Übersicht der Lagerringtürme mit Definition der Messpunkte für Temperatur (grüne Punkte) und Randzone (blassrote Füllung): a) Innenringturm IR1, b) Innenringturm IR2, c) Außenringturm AR1, d) Außenringturm AR2 Zur Auswertung der Behandlungsergebnisse wurden an den in Bild 2 gezeigten Lagerringen Querschliffe angefertigt. Entlang der behandelten Fläche wurden sieben Messpunkte definiert, davon fünf Messpunkte innerhalb der Lauffläche (MP1 MP5) sowie jeweils ein Messpunkt im Bereich vor bzw. hinter der Lauffläche (MP6 + MP7) (vgl. Bild 8 b)). An jedem der Messpunkte wurden fünf Einzelmessungen der Randzonendicke vorgenommen. Die Randzonendicke sollte als Vergleichsmaß genutzt werden, um Rückschlüsse auf einzelne (Parameter-)Effekte ziehen zu können. Neben der optischen Auswertung der Randzone wurden an den Lagerringen der Varianten V1-P1 und V1-P2 zusätzlich Messungen zur Bestimmung der Nitrierhärtetiefe durchgeführt. Diese fanden mittels Mikrohärtemessung bei einer Prüfkraft von 50 mN an der Stelle des Messpunkts MP2 statt. Ergebnisse Die Auswertungen der Chargenverläufe für die einzelnen Prozessvarianten zeigen vor allem in Bezug auf die Wandheizungstemperatur und die Plasmaleistung relevante Auffälligkeiten. Die dem Aufbau zugeordneten Wandheizungen bzw. deren Temperaturen liegen bei den Prozessen der Variante V1-P1 am niedrigsten. Des weiteren liegt die Plasmaleistung in dieser Prozessvariante mit ca. 8,3 kW signifikant höher als in allen anderen Prozessvarianten (max. 5,1 kW). In den Bildern 4 bis 7 sind die ermittelten Temperaturen nach Erreichen eines stationären Zustands an den verschiedenen Messstellen sowie die Mittelwerte der Randzonendicke unter Berücksichtigung aller Messpunkte (MP1 - MP7) an dem jeweiligen dargestellten Lagerring für die jeweilige Prozessvariante aufgeführt. Auffälliges Merkmal ist die ermittelte Temperaturspannbreite ∆T innerhalb der Prozessvarianten. Mit 19 °C liegt Aus Wissenschaft und Forschung 16 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0008 Bild 3: Schematische Übersicht der Aufbauvarianten V1 bis V3 in der Draufsicht Insgesamt wurden vier Prozessvarianten mit unterschiedlichen Behandlungsbzw. Aufbaubedingungen untersucht. Basierend auf der im Folgenden beschriebenen Definition die Prozessvarianten V1-P1, V1-P2, V2-P2 und V3-P2. Die beschriebenen Messtürme wurden, wie in Bild 3 zu sehen, in verschiedene Aufbauvarianten (V1, V2 und V3) integriert. In Variante V1 wurden die Innenringtürme im Kammerinneren chargiert und die Außenringtürme im Kammeräußeren, in Variante V2 fand ein alternierender Aufbau von Innen- und Außenringtürmen statt und in Variante V3 wurden die Außenringtürme im Kammerinneren und die Innenringtürme im Kammeräußeren chargiert. In den Aufbauvarianten V2 und V3 fand zusätzlich standardmäßig eine wie in Bild 1 a) zu erkennende Hilfskathode Anwendung. Zur Überprüfung der Wirkung dieser Zusatzkathode auf die Temperaturverteilung wurde für die Prozessvarianten V2-P2 und V3-P2 jeweils ein zusätzlicher Prozess ohne Zusatzkathode durchgeführt. Für die Prozessvariante V1-P2 (standardmäßig ohne Zusatzkathode) wurde indes ein Zusatzprozess mit Zusatzkathode durchgeführt. Daneben wurden zwei Parametervarianten (P1 und P2) definiert, wobei die Parametervariante P1 den Referenzprozessparametern entspricht, mit denen im Projektverlauf bereits weitere Prozesse untersucht wurden. Einziger Unterschied der Parametervarianten war das jeweilige Prozessgasgemisch. In P1 lag das H 2 : N 2 -Verhältnis bei 20: 80 und in P2 bei 80: 20. Die Zieltemperatur der Charge betrug in allen Fällen 360 °C, die Behandlungszeit des Niedertemperaturnitrierschritts acht Stunden. Wie Bild 3 zu entnehmen ist, wurde die Anordnung von Temperatur- und Randzonendickenmesspunkten in Bezug auf die einzelnen Türme nicht verändert. Eine Änderung fand lediglich durch die Aufstellung der jeweiligen Türme an unterschiedlichen Turmpositionen (1- 4 entsprechend dem Chargierbodenradius) statt. diese für V1-P1 am höchsten. Es folgen die Prozessvarianten V1-P2 und V2-P2 mit jeweils ∆T = 10 °C und V3-P2 mit ∆T = 9 °C. ZurAuswertung der Randzonendicke ist anzumerken, dass an den Querschliffen der Behandlungsvariante V1-P1 aufgrund von Inhomogenitäten nur teilweise Messungen an den vorgesehenen Messpunkten durchgeführt werden konnten (Randzonendickenwerte aus Bild 4). Herausstechend in der Randzonendickenauswertung waren die Proben V1-P1 IR1-R-o und V3-P2 IR1-R-u. An beiden Proben konnte über den gesamten Querschliff keine Diffusionszone nachgewiesen werden. Weitere markante Messwerte liefern die Proben V1-P1 IR1-R-u, hier wurde mit 4,77 µm die durchschnittlich niedrigste Randzone gemessen, sowie die Probe V1-P2 AR2-R-o mit der durchschnittlich höchsten Randzone von 6,76 µm, sodass sich hier ein durchschnittliches Dickenintervall von 1,99 µm ergibt. Aus Wissenschaft und Forschung 17 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0008 Bild 4: Temperaturen und mittlere Randzonendicke an verschiedenen Messpunkten der Variante V1-P1 Bild 5: Temperaturen und mittlere Randzonendicke an verschiedenen Messpunkten der Variante V1-P2; Messungen des Zusatzprozesses mit Hilfskathode sind mit ‚*‘ gekennzeichnet Bild 6: Temperaturen und mittlere Randzonendicke an verschiedenen Messpunkten der Variante V2-P2; Messungen des Zusatzprozesses ohne Hilfskathode sind mit ‚*‘ gekennzeichnet bzw. Endpunkt der Lauffläche die höchste Dicke auf. Die geringste Dicke wird mit 5,49 µm an MP3 im mittleren Bereich der Lauffläche erreicht. Die durchschnittliche Randzonendicke außerhalb der Lauffläche liegt auf Aus Wissenschaft und Forschung 18 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0008 Bild 8a) zeigt die durchschnittliche Randzonendicke entlang der Lauffläche auf Basis von 47 ausgewerteten Lagerringquerschliffen. Mit einer Randzonendicke von 5,66 µm (MP1) bzw. 5,69 µm (MP5) weisen Anfangs- Bild 7: Temperaturen und mittlere Randzonendicke an verschiedenen Messpunkten der Variante V3-P2; Messungen des Zusatzprozesses ohne Hilfskathode sind mit ‚*‘ gekennzeichnet Bild 9: Mittelwerte der Randzonenhärte in Abhängigkeit des Abstands zur Oberfläche a) Mittelwerte der Innenringe aus V1-P1 b) Mittelwerte der Außenringe aus V1-P1 c) Mittelwerte der Innenringe aus V1-P2 d) Mittelwerte der Außenringe aus V1-P2 Bild 8: a) Durchschnittliche Randzonendicke entlang der Lauffläche (rot gestrichelt: Mittelwert aus Referenzmesspunkten MP6 und MP7) b) eingebetteter Lagerringabschnitt im Querschliff mit Messpunkten c) Aufnahme der Randzone im Querschliff am Beispiel eines Lagerrings der Prozessvariante V1-P1 (AR2-R-mo MP2) Basis dieser Lagerringe bei 5,60 µm (MP6) bzw. 5,65 µm (MP7). In Bild 9 ist der Härteverlauf in Bezug auf den Abstand zur Probenoberfläche zu sehen. Die vier dargestellten Kurven zeigen jeweils den Mittelwert der Härte aller entsprechenden Lagerringe an dem jeweiligen Messpunkt. Zu erkennen ist in allen Fällen im Mittel eine Härtesteigerung im Randbereich. Allerdings ist die Streuung der Härtewerte im randnahen Bereich deutlich ausgeprägter als weiter unterhalb der Oberfläche. Diskussion Durch Zusammenfassen der in den Bildern 4 bis 7 aufgeführten Werte der Randzonendicke ergeben sich einige Tendenzen, deren Plausibilität im Folgenden genauer betrachtet werden soll. Unterscheidung zwischen Außen- und Innenringen Hier ergibt sich im Durchschnitt aller Messwerte für die Außenringe mit 5,69 µm eine geringfügig dickere Randzone als für die Innenringe mit 5,51 µm. Eine Möglichkeit hierfür könnte ein intensiveres Plasma bei der Innenbehandlung sein. Unterstützt wird diese Theorie dadurch, dass die Differenz zwischen Randzonendicke der Außenringe und Innenringe mit 0,49 µm in der Prozessvariante V1-P1, also bei der höchsten Plasmaleistung, am größten ist. In den Prozessvarianten V1-P2 und V2-P2 war die Randzonendicke für Außen- und Innenringe im Durchschnitt dagegen nahezu identisch. Jedoch lag die durchschnittliche Randzonendicke auch in V3-P2 für die Außenringe höher als für die Innenringe, sodass hier auch auf wirkende Effekte der Turmanordnung (ineffiziente Aufteilung der thermischen Masse, Abstände der einzelnen Turmaufbauten etc.) geschlossen werden könnte und eine unterschiedliche Randzonendicke nicht allein auf die Bauteilgeometrie zurückgeführt werden muss. Turmhöhe Auch für diesen Fall ist im Durchschnitt eine Tendenz zu erkennen. Werden die Durchschnittswerte aus allen Prozessvarianten der Innenringtürme in Bezug auf die obere, mittlere und untere Position betrachtet, liegt die durchschnittliche Randzonendicke an der oberen Position mit 5,62 µm am höchsten und sinkt über 5,54 µm an der mittleren Position auf 5,37 µm an der unteren Position. Eine ähnliche Tendenz ist auch für die Außenringtürme feststellbar, sofern der Messpunkt ‚R-mo‘ in un- Aus Wissenschaft und Forschung 19 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0008 Spezialschmierstoffe von Lubrilog Vom Kleinstgetriebe bis hin zu Drehrohröfen: Seit mehr als 25 Jahren hat sich Lubrilog in der Entwicklung und Produktion von Hochleistungsschmierstoffen spezialisiert. Ihre persönlichen Ansprechpartner: Dirk Brosenbauch · (0162) 1333 354 dirk.brosenbauch@totalenergies.com Felix Haas · (0162) 1333 540 felix.haas@totalenergies.com totalenergies.de 03823053 Lubrilog Anz_210x145_rz.indd 1 03823053 Lubrilog Anz_210x145_rz.indd 1 17.03.23 09: 49 17.03.23 09: 49 Anzeige Korrosionsbeständigkeit unter Einsatzbedingungen beibehalten werden konnte. Weiterhin zeigt die Temperaturauswertung tendenziell für die Innenringtürme eine niedrigere Chargentemperatur. Bis auf die Temperaturmessungen am AR2 in Variante V1-P1 lagen die Temperaturen nie oberhalb von 360 °C. Bei den Außenringtürmen wurde indes in jeder Prozessvariante an mindestens einer Messstelle die Zieltemperatur von 360 °C überschritten. Nichtsdestotrotz scheint die Unterscheidung zwischen Außen- und Innenringtürmen mit Verweis auf die Temperaturverteilung durch den gewählten Aufbau der einzelnen Türme eine untergeordnete Rolle zu spielen. Viel deutlicher ist die Temperaturverteilung bei Betrachtung der Turmpositionen. So weisen die Temperaturmessungen an Messpunkten in Kammerwandnähe niedrigere Temperaturen als im Kammerzentrum auf. Besonders deutlich ist dies an der Auswertung der Prozessvariante V1-P1 zu erkennen. Eine Erklärung für diese Temperaturverteilung lässt sich anhand eines Vergleichs der Prozessvarianten V1-P1 und V1-P2 ableiten. Hier wird auch der Einfluss der Parameterauswahl auf die sich einstellenden Plasmabedingungen und Wärmeeintrag durch das Plasma bzw. die Wandheizungen deutlich und dadurch in der Folge der Einfluss auf die Chargentemperatur bzw. die Temperaturverteilung innerhalb der Kammer erklärbar. Im Falle von Variante V1-P1 mit höherem Stickstoffanteil in der Gaszusammensetzung ist die sich ergebene Plasmaleistung mit ca. 8,3 kW nahezu doppelt so hoch wie in der Prozessvariante V1-P2, in der die Plasmaleistung bei ca. 4,6 kW lag. In beiden Fällen lag die Temperaturreferenzmessung bei 360 °C, da der höhere Wärmeeintrag durch das Plasma über die geregelte Wandheizungstemperaturabgeführt wird. Im Fall der Prozessvariante V1-P1 wurde die Wandtemperatur auf 270 °C um ca. 30 °C niedriger als in der Prozessvariante V1-P2 geregelt. Folglich liegt hier eine größere Temperaturdifferenz zwischen Kammerwand und Chargensolltemperatur vor, welches den deutlichen Temperaturgradienten von niedriger Chargentemperatur in Kammerwandnähe zu höherer Temperatur im Kammerinnenbereich erklärt. Eine Optimierung der Behandlungsparameter und dem daraus resultierenden geringeren Wärmeeintrag durch das Plasma sorgt also für eine Verringerung der Temperaturdifferenz zwischen Kammerwand und Charge. Ein Zusammenhang zwischen der schlechteren Auswertbarkeit der Randzonen aus Variante V1-P1 und dem gemessenen hohen Temperaturintervall kann indes nicht ausgeschlossen werden. Als ein weiteres Mittel zur Angleichung der Behandlungstemperatur in Kammerwandnähe hat sich die Nutzung einer Zusatzkathode zwischen Kammerwand und Lagerringtürmen erwiesen. Die zusätzliche beglimmte Kathodenfläche kann hier als eine weitere Wärmequelle für den kühleren Außenbereich fungieren. Aus Wissenschaft und Forschung 20 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0008 mittelbarer Nähe zum Gasfenster zunächst ausgeklammert wird. In dem Fall sinkt die Randzonendicke von durchschnittlich 5,77 µm am oberen Messpunkt über 5,61 µm am mittleren Messpunkt ‚R-mu‘ auf 5,51 µm am unteren Messpunkt. Eine mögliche Ursache ist die nach unten zunehmende effektiv beglimmte Oberfläche, da im oberen Bereich lediglich die Fläche der Außenringe wirkt, im mittleren Bereich zusätzlich auch die Fläche der Innenringe und in Bodennähe auch die Fläche der Chargierplatte mit einbezogen werden muss. Somit könnte eine größere wirksame Fläche durch einen höheren Verbrauch an Gas zu einer niedrigeren Randzonendicke pro Flächeneinheit führen. Gleichzeitig ist an dieser Stelle aber auch von einer höheren Plasmaintensität auszugehen. Unterstützt wird dieser Ansatz durch den durchschnittlichen Wert der Randzonendicke an den Messpunkten ‚R mo‘, der mit 5,86 µm höher liegt als an den Vergleichsmesspunkten von ‚R-mu‘, was auch hier auf die Gaszuführung bzw. Plasmabedingungen zurückgeführt werden kann. Die diskutierten Effekte können auch eine Erklärung dafür liefern, dass in der Prozessvariante V3-P2 an der Stelle IR1-R-u keine Randzone feststellbar ist. Laufflächengeometrie In Bezug auf die Geometrie konnte ebenfalls eine Tendenz in der Randzonendicke festgestellt werden. Die höhere Randzonendicke an Beginn bzw. Ende der Lauffläche, also im Einflussbereich eines konvexen Glimmsaums, gegenüber einer niedrigeren Randzonendicke im konkav geprägten mittleren Teil der Lauffläche steht in guter Übereinstimmung mit dem bereits beschriebenen Kanteneffekt. Festzuhalten ist jedoch, dass das Intervall der Randzonendicke entlang der Lauffläche mit 0,20 µm deutlich geringer ist als die Intervalle bedingt durch die Lagerringposition. Temperatur Während bei der Betrachtung des Turmaufbaus und die Lagerringgeometrie die genannten Tendenzen festgestellt werden konnten, ließ sich eine Korrelation zwischen Temperatur und Randzonendicke nicht ausmachen. Die Zuordnung der ermittelten Temperaturwerte zu den am nächsten liegenden Randzonendickenmesspunkten bzw. deren Ergebnissen zeigte keinen tendenziellen Anstieg der Randzonendicke mit steigender Temperatur. Dies kann darauf zurückgeführt werden, dass das Temperaturintervall innerhalb der Charge durch den gewählten Aufbau bereits auf ein unterkritisches Maß gesenkt werden konnte und eine Überlagerung von Temperatureffekten mit ggf. dominierenden Geometrieeffekten keinen Einfluss der Temperatur erkennen lässt. Auch wenn in dem hier vorliegenden Temperaturfenster kein direkter Zusammenhang zwischen Bauteiltemperatur und Randzonendicke bemerkbar ist, lassen die Ergebnisse noch keine Schlüsse darüber zu, inwieweit z.B. die Fazit Durch die vielen wirkenden Faktoren ergeben sich vielfältige Überlagerungen, die es nicht zulassen, die beobachteten Effekte auf genau eine Ursache zurückzuführen. Die Charakteristik der ermittelten Diffusionszonen, die keinen scharfen Übergang zwischen Diffusionszone und Grundmaterial aufweisen, erschwert die Auswertung einzelner Proben. Durch die Bildung von Durchschnittswerten zeigen sich jedoch Tendenzen und Unsicherheiten können minimiert werden. Die Auswertung der erzielten Behandlungsresultate zeigt, dass sowohl kleinere Temperaturabweichungen innerhalb der Charge als auch die festgestellten Tendenzen in Bezug auf die Bauteilgeometrie und -positionierung das Behandlungsergebnis in den hier vorgestellten Prozessvarianten größtenteils nicht signifikant negativ beeinflusst haben. Hervorzuheben ist, dass die während dieser Arbeit erreichte globale Homogenität der Behandlungstemperaturen und Randzoneneigenschaften auf einer genauen Auslegung der Prozesse basiert. Eine industrielle Prozessführung benötigt also eine adäquate Auslegung unter Berücksichtigung der Bauteileigenschaften. Der kombinierte Wärmeeintrag durch das Plasma und die beheizte Kammerwand ist der bedeutende Faktor für die Temperaturhomogenität innerhalb der Charge. Als Handlungsempfehlung lässt sich ableiten, dass der Prozess möglichst so ausgelegt werden sollte, dass das Temperaturniveau der Wand möglichst der Chargensolltemperatur entsprechen sollte, um größere Temperaturgradienten zu verhindern. Danksagung Die gezeigten Ergebnisse wurden im Rahmen des vom BMWK geförderten Verbundprojektes „POSEIDON-II“ im Rahmen des 6. Energieforschungsprogramms erarbeitet. Literatur [1] Abschlussbericht zum BMWi-Projekt „POSEIDON“ im Rahmen des 5. Energieforschungsprogramms des BMWi mit dem Titel „Energieeffizienz durch Standzeiterhöhung von Lagern unter tribokorrosiven Betriebsbedingungen“: Projektlaufzeit: 01.08.2012 bis 31.12.2015. (2016). Schaeffler Technologies GmbH & Co. KG [u.a.]. https: / / doi.org/ 10.2314/ GBV: 871040050. [2] Y. Xi, D. Liu, D. Han, Improvement of corrosion and wear resistances of AISI 420 martensitic stainless steel using plasma nitriding at low temperature. Surface & Coatings Technology 202 (2008) 2577-2583 [3] F. Borgioli, A. Fossati, E. Galvanetto, T. Bacci, Glow-discharge nitriding of AISI 316L austenitic stainless steel: influence of treatment temperature. Surface & Coatings Technology 200 (2005) 2474- 2480 [4] G. Nayal, D.B. Lewis, M. Lembke, W.-D.Münz, J.E. Cockrem, Influence of sample geometry on the effect of pulse plasma nitriding of M2 steel. Surface and Coatings Technology 111 (1999) 148-157 Aus Wissenschaft und Forschung 21 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0008