eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 70/2

Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2023-0009
51
2023
702 Jungk

Kalorimetrische Messung der Verzahnungsverlustleistung im Bereich hoher Umfangsgeschwindigkeiten

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2023
Jaacob Vorgerdhttps://orcid.org/0000-0003-0232-2479
Peter Tenberge
Nadja Aufderstroth
Alexander Thomas
Verzahnungsschäden, wie bspw. Fressen, reagieren sensitiv auf die örtliche Dissipation von Reibungswärme während des Zahneingriffs. In der einschlägigen Literatur existiert eine Vielzahl empirisch-phänomenologischer Modellansätze, mit denen sich lokale oder auf den Eingriff gemittelte Zahnreibungszahlen berechnen lassen. Für den Modellabgleich werden zumeist experimentelle Daten aus dem stationären 2-Scheiben Analogieversuch herangezogen. Der Modelltransfer sowie die Berücksichtigung topographischer, rheologischer und geometrischer Effekte ist jedoch mit Unsicherheiten behaftet. Im Rahmen dieses Beitrags wird ein Messverfahren präsentiert, mit dem die Verlustleistungen schnelllaufender Stirnradgetriebe bis vt = 100 m/s gemessen werden können. Als physikalisches Messprinzip dient die Kalorimetrie des zirkulierenden Schmiermittels. Die konstruktive Ausgestaltung des Messverfahrens in einem Zahnradverspannungsprüfstand reduziert das Messobjekt auf die Prüfgetriebeverzahnung. Analysen zur Messgüte zeigen, dass das Messverfahren über einen weiten Bereich von Betriebsbedingungen reproduzierbare Ergebnisse mit einer hohen Messauflösung liefert.
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stärkt auf schnelllaufende Antriebe [1, 2]. Die Maximierung der Leistungsdichte erhöht die Anforderungen an die Getriebethermik. In Stirnradgetrieben steigt die wärmeemittierende Verzahnungsverlustleistung P VZ überproportional mit der Umfangsgeschwindigkeit v t an (Bild 1) [3-5]. Perspektivisch ist es deshalb notwendig, die lastunabhängigen Verlustleistungsanteile P VZ0 mithilfe bedarfsgerechter Schmierung sowie die lastabhängigen Reibungsverluste P VZP durch tribologisch optimierte Gleitwälzpaarungen zu reduzieren. Die messtechnische Erfassung von Reibungskoeffizienten im Zahneingriff stellt eine vielfältige Problemstel- Aus Wissenschaft und Forschung 22 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0009 1 Einleitung Aktuelle Getriebeentwicklungstrends im Bereich der Automobiltechnik oder der zivilen Luftfahrt setzen ver- Kalorimetrische Messung der Verzahnungsverlustleistung im Bereich hoher Umfangsgeschwindigkeiten Jaacob Vorgerd, Peter Tenberge, Alexander Thomas, Nadja Aufderstroth* Eingereicht: 7.8.2022 Nach Begutachtung angenommen: 12.4.2023 Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 63. Tribologie-Fachtagung 2022 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. Verzahnungsschäden, wie bspw. Fressen, reagieren sensitiv auf die örtliche Dissipation von Reibungswärme während des Zahneingriffs. In der einschlägigen Literatur existiert eine Vielzahl empirisch-phänomenologischer Modellansätze, mit denen sich lokale oder auf den Eingriff gemittelte Zahnreibungszahlen berechnen lassen. Für den Modellabgleich werden zumeist experimentelle Daten aus dem stationären 2-Scheiben Analogieversuch herangezogen. Der Modelltransfer sowie die Berücksichtigung topographischer, rheologischer und geometrischer Effekte ist jedoch mit Unsicherheiten behaftet. Im Rahmen dieses Beitrags wird ein Messverfahren präsentiert, mit dem die Verlustleistungen schnelllaufender Stirnradgetriebe bis v t = 100 m/ s gemessen werden können. Als physikalisches Messprinzip dient die Kalorimetrie des zirkulierenden Schmiermittels. Die konstruktive Ausgestaltung des Messverfahrens in einem Zahnradverspannungsprüfstand reduziert das Messobjekt auf die Prüfgetriebeverzahnung. Analysen zur Messgüte zeigen, dass das Messverfahren über einen weiten Bereich von Betriebsbedingungen reproduzierbare Ergebnisse mit einer hohen Messauflösung liefert. Schlüsselwörter Zahnreibung, Verlustleistung, Stirnradgetriebe Calorimetric power loss measurement of cylindrical gears with pitch line velocities up to 100 m/ s Gear damage, e.g. scuffing, reacts sensitively to the local dissipation of frictional heat during a full gear mesh. Several empirical friction models have been established in relevant literature. These can be used to calculate the gear friction locally or averaged over a mesh. For calibration purpose, experimental data from twin disc machines with stationary contact conditions are mostly used. However, the assignment of the model as well as the consideration of topographical, rheological and geometrical effects is often subject to uncertainties. In this paper, a method is presented to measure the power losses of high-speed spur gears up to v t = 100 m/ s. The measurement principle uses the calorimetric properties of the circulating lubricant. The implementation of the measurement setup in a highspeed gear test rig reduces thermal interferences from sealings and bearings. Analysis regarding the measurement quality show that the measurement method delivers reproducible results with a high measurement resolution over a wide range of operating conditions. Keywords gear friction, power loss, cylindrical gears Kurzfassung Abstract * Jaacob Vorgerd, M. Sc. Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0003-0232-2479 Prof. Dr.-Ing. Peter Tenberge Nadja Aufderstroth, B. Sc. Alexander Thomas, B. Sc. Lehrstuhl für Industrie- und Fahrzeugantriebstechnik Ruhr-Universität Bochum Universitätsstr. 150, D-44801 Bochum lung dar. Bild 2 zeigt verschiedene Verfahren zur Messung von Reibungszahlen. Konventionelle Reibkrafttribometer ermitteln Reibungszahlen durch die reibkraftsensitive Verlagerung der Gestellaufhängung [6, 7]. Zahnreibungsmodelle sind schließlich die Transferleistung von Analogieversuchen im stationären Scheibenkontakt. Die Übertragung auf den instationären Zahneingriff gelingt jedoch häufig nur mit Korrekturfaktoren [6, 8]. Verlustleistungsmessungen des Zahneingriffs sind mit Stirnradverspannungsprüfständen möglich. Die Verlustmomente im Verspannkreis korrespondieren mit den integralen Zahnreibungszahlen. Herausfordernd bei diesem Verfahren ist die Kompensation von Leistungsverlusten der weiteren Maschinenelemente [4, 9, 10]. Als Alternative bietet sich das Arbeitsprinzip der Kalorimetrie an [11-15]. Die Verzahnungsverlustleistung infolge dissipierter Reibungswärme führt zu einer Temperaturzunahme des zirkulierenden Schmiermittels und einer messbaren Enthalpiedifferenz. Die konkrete Umsetzung des Messverfahrens setzt eine präzise Kenntnis der wirkenden Wärmeströme und eine beherrschbare Temperaturdynamik voraus [16-18]. Im Rahmen dieses Beitrags wird ein kalorimetrisches Messverfahren vorgestellt, mit dem die Verlustleistung des Zahneingriffs gemessen werden kann. Der Messaufbau ist in einen Stirnradverspannungsprüfstand implementiert und ermöglicht die Erfassung der Verzahnungsverlustleistung in einem weiten Umfangsgeschwindigkeitsbereich. Zur Bewertung der Messgüte werden abschließend verschiedene Analysen präsentiert. 2 Verlustleistungsanteile von Stirnradgetrieben Leistungsverluste in Stirnradgetrieben P V entstehen infolge von Reibung in tribologischen Kontakten sowie durch Strömungswiderstände. Im Welle-Lager-System sind neben dem Zahneingriff P VZ auch die zugehörigen Maschinenelemente mit tribologischen Kontakten wie die Lager P VB und die Dichtungen P VD an den Leistungsverlusten beteiligt. Residuale Fremdwärmeströme P VX beeinflussen die Leistungsbilanz zusätzlich (Gleichung 1). Die Verzahnungsverlustleistung P VZ setzt sich Aus Wissenschaft und Forschung 23 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0009 Bild 1: Verzahnungsverlustleistungsanteile in Stirnradgetrieben Bild 2: Schematische Darstellung von Messverfahren zur Erfassung von Reibungszahlen zahnungsverlustleistung P VZP [10, 20, 21]. Die diskreten, geschmierten Gleitwälzkontakte sind tribologischen Bedingungen aus Hertzscher Belastung, Schlupf, Topographie, Elastohydrodynamik und Temperatur ausgesetzt. Die lokalen Reibzahlen μ R ergeben sich aus den tribologischen Gegebenheiten im Gleitwälzkontakt. Unter der Annahme, dass die Belastungen im Zahneingriff für alle Zahnpaare identisch sind und sich zyklisch wiederholen, ergibt sich die Verzahnungsverlustleistung nach Gleichung 4. (4) 3 Kalorimetrisches Messprinzip zur Erfassung der Zahnreibung Das Arbeitsprinzip der Kalorimetrie basiert auf der Annahme, dass die Verlustleistung vollständig als Abwärme dissipiert wird. Nach Ausbilden thermischer Stationärbedingungen entspricht die aufgenommene Wärmeleistung des Schmiermittels Q˙ Öl der Verzahnungsverlustleistung P VZ . Die Wärmebilanz des Schmierölkreises lässt sich mit Kenntnis der Ein- und Austrittstemperaturen ϑ ein und ϑ aus , des Volumenstroms V˙ Öl sowie der Stoffdaten c p und ρ Öl bestimmen (Gleichung 5). (5) ! " #$% & " '() * Aus Wissenschaft und Forschung 24 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0009 additiv aus lastabhängigen P VZP und lastunabhängigen P VZ0 Anteilen zusammen (Gleichung 2) [5, 19]. (1) (2) Bild 1 zeigt schematisch die Drehzahlsensitivität der Verzahnungsverlustleistung. Die lastunabhängigen Anteile P VZ0 setzen sich aus folgenden Größen zusammen (Gleichung 3): - Ventilationswiderstände P vent der rotierenden Zahnräder im Öl-Luft-Gemisch - Hydraulische Förder- und Verdrängungswiderstände P hydr bei der Schmiermittelversorgung des Zahneingriffs - Planschverluste P Plansch aus dem Eintrittswiderstand der in den Ölspiegel eintauchenden Radkörper Primär beeinflussen die Umfangsgeschwindigkeit v t sowie die Fluidmechanik die lastunabhängige Verlustleistung. Des Weiteren ist die Ausprägung von den konstruktiven Gegebenheiten sowie der Ausführung der Getriebeschmierung abhängig [3, 19]. (3) Die Akkumulation von Reibleistung (μ R · F N · v s ) während eines Zahnreingriffs bewirkt die lastabhängige Ver- +,-. / #)%0+ / 1') / / 2 / 3 / 4 Bild 3: Mechanisches Arbeitsprinzip des Hochdrehzahlprüfstands Konstruktiv ist der Messaufbau in einen Hochdrehzahlprüfstand integriert (Bild 3) [22]. Der Prüfstand wird für Tragfähigkeitsuntersuchungen von Stirnradgetrieben mit Umfangsgeschwindigkeiten bis v t = 100 m/ s eingesetzt. Das grundlegende Wirkprinzip basiert auf der mechanischen Verspannung von zwei Getrieben derselben Übersetzung. Zwischen den Getrieben wird ein Leistungskreis aufgebaut, sodass der Elektromotor lediglich die Verlustleistung einspeist. Bild 3 zeigt schematisch den Aufbau des Prüfstands. Die Prüfgetriebeverzahnung (2) wird symmetrisch von zwei bordlosen Zylinderrollenlagern gestützt. Zur Wärmeisolation separiert ein Isoliergehäuse (3) die Prüfgetriebestufe. Die Einspritzschmierung der Verzahnung (1) erfolgt unabhängig von den Lagern, wobei die jeweiligen Ölkreisläufe voneinander entkoppelt sind. Die Abdichtung des Isoliergehäuses sowie des Prüfgehäuses gegenüber der Umgebung erfolgt jeweils mit berührungslosen Labyrinthdichtungen. Das Verspanngetriebe dient als Belastungseinheit und zur Schließung des Leistungskreises (4). Die Lastaufbringung erfolgt über eine im Verspanngetriebe integrierte Mechanik, bestehend aus zwei axial verschieblichen Radsätzen in Doppelschräganordnung (6). Die Verspannräder (7) sind über eine Keilwellenverzahnung zur Drehmomentübertragung mit der Radwelle verbunden. Mithilfe einer Drehdurchführung (8) werden zwei Druckkammern gespeist, die beide Radsätze hydraulisch in entgegengesetzter Richtung verspannen. Aufgrund der Doppelschrägverzahnung werden die Axialkräfte kompensiert. Die Verspannritzel sind dagegen fest auf die Ritzelwelle gefügt. Der Leistungskreis zwischen beiden Getrieben wird mit zwei Kupplungen geschlossen. Drehmoment und Drehzahl werden mithilfe eines Drehmomentmessflansches (5) gemessen. Tabelle 1 zeigt die technischen Daten. Im Prüfgetriebe erfolgt die Schmierung des Zahneingriffs und der Lager jeweils autark. Der Prüfradsatz befindet sich in einem wärmeisolierten Innengehäuse aus einem PEEK-Kunststoff, der den Wärme- und Stoffaustausch zwischen dem Stahlgehäuse zur Kraftabstützung und dem Zahneingriff weitestgehend verhindert. Der Zahneingriff wird volumenstromgeregelt einspritzgeschmiert, wobei 1/ 3 der Ölmenge zur Schmierung radial in die Zahnlücke gespritzt wird. 2/ 3 der Ölmenge werden zur Kühlung an die Radkörper gespritzt. Den Druckaufbau im Einspritzsystem bewirken Düsen, sodass Geschwindigkeiten im Versorgungsstrahl bis 35 m/ s realisiert werden. Im Schmierkreislauf ist im Vor- und Rücklauf Sensorik zur Temperaturmessung verbaut. Beide Sensoren sind möglichst nah an der Einspritzstelle bzw. der Rücklaufstelle angeordnet. Die Stoffdaten des Schmieröls liegen temperaturabhängig vor. Die Getriebeschmierung ist so umgesetzt, dass sich der Schmierstoff durch Passieren des Zahneingriffs zwischen ΔT = 10 − 30 K erwärmt. Die Temperaturdifferenz ist drehmomentsensitiv messbar. Im Hinblick auf eine hohe Messgüte verfügen beide Temperatursensoren sowie der Volumenstromzähler über eine entsprechend hohe Messgenauigkeit. Bild 4 zeigt schematisch den Messaufbau. Methodisch ist es notwendig, die Temperaturdynamik des Messaufbaus zu adressieren sowie ausreichend viele Messpunkte zu erfassen, um die Verlustleistungsanteile zu trennen. In der ers- Aus Wissenschaft und Forschung 25 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0009 Bild 4: Schematische Darstellung und physikalisches Wirkprinzip des Messverfahrens Benennung Achsabstand Drehzahl Ritzelwelle Drehmoment Radwelle Kreisende Leistung Öleinspritztemperatur Tabelle 1: Technische Daten zum Hochdrehzahlprüfstand Symbol Wert Einheit 5 203,3 mm bis 12.000 rpm 6 7 bis 4.000 Nm 8'0+ bis 3.300 kW " bis 130 °C um ein synthetisches, estherbasisches Öl. Als Versuchsverzahnung wurden profilgeschliffene Stirnräder eingesetzt (Tabelle 2). Bild 6-a zeigt Messergebnisse zur lastunabhängigen Verzahnungsverlustleistung P VZ0 über der Umfangsgeschwindigkeit v t . Bei einem Ölvolumenstrom V˙ Öl = 14 l/ min und einer Schmieröltemperatur von ϑ = 100 °C stellte sich ein progressiver Anstieg der lastunabhängigen Verlustleistung ein. Ab v t = 40 m/ s überwogen die lastunabhängigen Anteile mit über 50 % an der Gesamtverlustleistung. Im Kontext der lastabhängigen Reibungsverluste stieg der Verzahnungswirkungsgrad η VZ degressiv über der Umfangsgeschwindigkeit an (Gleichung 6). Mit Ausbildung moderater Schmierfilmbedingungen ist der Einfluss der Umfangsgeschwindigkeit ab v t = 40 m/ s gering ausgeprägt. Die mittleren Zahnreibungszahlen sind im untersuchten Parameterbereich weitestgehend unbeeinflusst von der äußeren Belastung (Bild 6-b). (6) 9 : & ; < =>? @ Aus Wissenschaft und Forschung 26 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0009 ten Stufe des Lastkollektivs wird eine Messzeit von t mess = 15 min angesetzt, damit der Prüfstand stationäre Temperaturbedingungen erzielt. In den folgenden Laststufen ist eine Verkürzung der Messzeit auf t mess = 10 min möglich. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen lastabhängiger Verlustleistung und dem Drehmoment ist linear. Die lastunabhängigen Anteile lassen sich durch lineare Regression ermitteln. Zur Ausbildung eines regressionsstabilen Datensatzes haben sich sechs Lastpunkte als ausreichend bewiesen. Der methodische Ablauf einer Messreihe ist Bild 5 zu entnehmen. 4 Ergebnisse zur Verzahnungsverlustleistung Sowohl die tribologischen Bedingungen im örtlichen Gleitwälzkontakt als auch die lastunabhängigen Strömungswiderstände sind primär von der Umfangsgeschwindigkeit abhängig. In experimentellen Untersuchungen wurden Messungen zum Einfluss der Umfangsgeschwindigkeit auf die Verlustleistungsanteile durchgeführt. Bei dem Versuchsschmierstoff handelte es sich Bild 5: Ablauf der Versuchsmethodik Benennung Verzahnungsdaten Modul Zähnezahl Zahnbreite Eingriffswinkel Schrägungswinkel Profilrauheit Schmierstoffdaten Viskosität (40 °C / 100 °C) Dichte (15 °C) Tabelle 2: Verzahnungs- und Schmierstoffdaten Symbol Wert Einheit A ) 4,825 mm B 7 35 / 54 - C B C 7 22 / 20 mm D ) 22,5 ° E 5,0 ° FG B H5 7 0,3 μm I J B I 27,0 / 5,3 mm²/ s 0,997 kg/ l 5 Bewertung der Messgüte Die Zielsetzung mit dem kalorimetrischen Messverfahren ist, in folgenden Arbeiten Modellansätze zur Zahnreibung abzugleichen. Dementsprechend besteht der Anspruch einer hohen Messgenauigkeit, um den Kalibrierungsfehler zu reduzieren. Abzuwägende kritische Merkmale des Messaufbaus hinsichtlich der Messgüte sind: - Realisierung einer notwendigen Messzeit im Hinblick auf die Systemdynamik - Nachweis der Unabhängigkeit der lastabhängigen Verzahnungsverlustleistung von der Schmierungsausführung - Bewertung der wirkenden Fremdwärmeströme Systemdynamisch ist die kalorimetrische Messung der Verzahnungsverlustleistung maßgeblich von der thermischen Trägheit abhängig. Die Leistungsverluste erwärmen zunächst die Komponenten des Prüfaufbaus, bevor sich ein thermischer Gleichgewichtszustand einstellt. Dementsprechend sind Messzeiten zum Erreichen des Beharrungszustands notwendig, bevor dieser ausgewertet werden kann. K AUFMANN [23] stellt diesbezüglich eine Methodik vor, mit der die Messzeit von Messproblemen mit einem PT-1 Systemverhalten reduziert werden kann. Mit dem Ziel der Messzeitreduktion wird anstelle singulärer Punkte im Beharrungszustand der transiente Zeitverlauf y(t) erfasst und mit einem Exponentialansatz regressiert (Gleichung 7). Die Ableitung des Stationärzustands ỹ erfolgt über Extrapolation der Regressionsfunktion (Gleichung 8). (7) (8) Die Auslegung einer verhältnismäßigen Messzeit erfolgte anhand von Analysen zur Regressionsstabilität [24, 25]. Bild 7 zeigt den diskreten Zeitverlauf der Verzahnungsverlustleistung für eine Prüfbedingung. Der Zeitverlauf der Messgröße wies ein degressives PT1- K ! * 5 / L 5 ( MNO ! &C ( * (P KQ RST UV K ! * 5 Aus Wissenschaft und Forschung 27 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0009 Bild 7: Systemdynamische Analyse zur Auslegung von Messzeiten Bild 6: Ergebnisse zur Verlustleistungsmessung Schmierölversorgung wirkt sich lediglich indirekt in Form des Wärmehaushalts auf die Zahnreibung aus. Durch den Abgleich von Messreihen mit verschiedenen Ölvolumenströmen konnte die Unabhängigkeit der lastabhängigen Verlustleistung vom Ölvolumenstrom bestätigt werden. Die Messungen führten zu parallel orientierten Verläufen der Verzahnungsverlustleistung mit gleichen Linearitätskonstanten. Die lastunabhängigen Grundniveaus waren dagegen individuell für jeden untersuchten Ölvolumenstrom (Bild 8-a). Mit steigendem Ölvolumenstrom nimmt der Strömungswiderstand der Öleinspritzung zu, was im Versuch zu größeren lastunabhängigen Verlustleistungen führte. Insgesamt ergab sich ein progressives Abhängigkeitsverhältnis zwischen dem Ölvolumenstrom und der lastunabhängigen Verzahnungsverlustleistung bei sonst gleicher Betriebskondition (Bild 8-b). Konstruktiv ist die Wärmeisolation der Prüfgetriebestufe nicht ideal hermetisch lösbar. Mithilfe eines Thermal- Aus Wissenschaft und Forschung 28 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0009 Konvergenzverhalten auf. Die farbigen Kurven entsprechen jeweils einer Regressionsfunktion für verschiedene Messhorizonte. In der Analyse wurde der Zeithorizont fiktiv gekürzt und das Regressionsergebnis mit der realen Messung verglichen. Die relative Lage der Regressionskurven zeigt, dass die Regressionsfunktionen mit steigender Messzeit mit dem gemessenen Zeitverlauf konvergieren. Die rote Kurve repräsentiert die approximierten Stationärbedingungen, abhängig von dem für die Regressionsbildung zugrunde gelegten Messhorizont. Das Analyseergebnis ist, dass sich die Regressionsbildung stabilisiert, bevor der gemessene Zeitverlauf konvergiert. Auf Basis dieser Analysen wurde die notwendige Messzeit der ersten Laststufe für die Versuche zu t Mess = 15 min festgelegt. Definitionsgemäß sind Einflüsse auf die lastabhängigen Verlustleistungen ausschließlich auf Größen zurückzuführen, die die örtlichen tribologischen Gegebenheiten in Form des Reibungskoeffizienten beeinflussen. Die Bild 9: Analyse der Wärmeströme im Messaufbau Bild 8: Ergebnisse zum Einfluss des Ölvolumenstroms auf die lastunabhängige Verlustleistung netzwerks wurden deshalb Analysen [26] zum thermischen Systemverhalten des Messaufbaus durchgeführt. Beide Getriebewellen N W,i ermöglichen einen konduktiven Wärmeaustausch der Messzelle mit der Umgebung. Außerdem erfolgt ein Wärmeaustausch über die Platten des Isoliergehäuses N iso,i . Die Auswertung der wirkenden Wärmeströme ermöglicht die Bestimmung der Wärmeströme Q˙ x , die nicht in die Wärmebilanz des zirkulierenden Öls Q˙ Öl einfließen (Gleichung 9). Die Beurteilung des Isolationsvermögens erfolgt schließlich anhand eines thermischen Nutzungsgrads η iso nach Gleichung 10. (9) (10) Eine Parameterstudie der maßgeblichen Prüfstandsanwendungsgrenzen ergab, dass der relative Einfluss des Fremdwärmestroms mit steigender Umfangsgeschwindigkeit abnahm. Die Simulationen zeigten, dass der dissipierte Fremdwärmestrom annähernd konstant ist und der thermische Nutzungsgrad primär geschwindigkeitssensitiv reagiert. Mit steigender Verlustleistung überwiegt der Wärmeanteil, der kalorimetrisch über das Schmiermittel aus dem Messaubau abgeführt wird. Insgesamt zeigten die Analysen, dass für die zielgerechte Auflösung des Messverfahrens eine möglichst große Temperaturdifferenz zwischen den Messstellen förderlich ist, um die Lastsensitivität präzise abzubilden (Bild 9). 6 Reflexion und Fazit In diesem Beitrag wurde ein Messprinzip vorgestellt, mit dem Verlustleistungsmessungen von Stirnradverzahnungen in einem schnelllaufenden Verspannungsprüfstand durchgeführt werden können. Das Messverfahren basiert auf der Kalorimetrie des zirkulierenden Schmierstoffs. Die konstruktive Umsetzung reduziert etwaige Störgrößen und konzentriert die Messung auf die Stirnradstufe. Experimentelle Messungen verdeutlichten den Drehzahleinfluss auf die Verzahnungsverlustleistung im Bereich hoher Umfangsgeschwindigkeiten. Zur Absicherung der Messgüte wurden darauf aufbauend Analysen zur Messzeit, zur Getriebethermik und zur Schmiermittelversorgung dargelegt. Insgesamt ist die Messgüte des Verfahrens hinreichend genau, um in weiteren Arbeiten Modelle zur Zahnreibung abzugleichen. Zur simulativen Beschreibung reibungssensitiver Verzahnungsschäden wie bspw. Fressen ist der Modellabgleich elementar. Die Kenntnis der Abhängigkeit der Zahnreibung von der Umfangsgeschwindigkeit ermöglicht die Erweiterung der gängigen Berechnungsnormen für zukünftige Getriebeentwicklungen. 4 L W XY( / L W (%ZY( 9 (%Z 4 / Förderung Diese Arbeit ist gemeinsam mit Rolls- Royce Deutschland als Teil des Forschungsprojekts KOVOHLG (Projektnummer: 20T1912) entstanden. Die Autoren danken Rolls-Royce Deutschland für die Möglichkeit, diese Arbeit zu veröffentlichen, sowie dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) für die Bereitstellung der finanziellen Mittel. Abkürzungen Lateinische Kleinbuchstaben a [mm] Achsabstand a,b,c [-] Regressionskonstanten b [mm] Zahnbreite c P [J/ kgK] Spezifische Wärmekapazität m n [mm] Normalmodul n [rpm] Drehzahl p H [MPa] Hertzsche Pressung t E [ms] Eingriffszeit t Mess [min] Messzeit v t [m/ s] Umfangsgeschwindigkeit v g [m/ s] Gleitgeschwindigkeit v Σ [m/ s] Hydrodyn. Geschwindigkeit y [-] Zustandsgröße z [-] Zähnezahl Lateinische Großbuchstaben F N [N] Normalkraft F R [N] Reibkraft F ax [N] Axialkraft LS [-] Laststufe N [-] Ansatzgrad N [-] Knoten Thermalnetz P hydr [W] Hydr. Verlustleistung P mech [W] Mechanische Leistung P Plansch [W] Planschverlustleistung P V [W] Verlustleistung P VB [W] Verlustleistung Lager P VD [W] Verlustleistung Dichtungen P vent [W] Ventilationsverlustleistung P VZ [W] Verzahungsverlustleistung P VZP [W] Lastab.Verlustleistung P VZ0 [W] Lastunabhängige Verlustleistung P VX [W] Fremdwärmeströme Q˙ Öl [W] Wärmeleistung Schmiermittel Q˙ x [W] Verlustwärme Ra [µm] Arith. Mittenrauheit T [Nm] Drehmoment T Verlust [Nm] Verlustmoment T Verspann [Nm] Verspannmoment V˙ Öl [l/ min] Ölvolumenstrom Aus Wissenschaft und Forschung 29 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 2/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0009 trains“, J. Phys.: Conf. Ser., Jg. 753, 2016, doi: 10.1088/ 1742-6596/ 753/ 7/ 072011. [12] K. Umezawa, T. Inoh und H. Katoh, Power loss of automotive transmission with exact measurement of total heat rejection. International symposium on gearing & power transmissions, 1981. [13] D. Prietz und R. 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