Tribologie und Schmierungstechnik
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0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2023-0012
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2023
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JungkUntersuchung des Einflusses der Oberflächentopografie auf EHD-Kontakte mittels FE-Simulation
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Martin Wittmaack
Markus André
Katharina Schmitz
Die Oberflächentopografie hat einen starken Einfluss auf die Reibung in geschmierten Dichtungskontakten. In diesem Kontext werden FE-Kontaktsimulationen für gemessene repräsentative Flächenausschnitte vorgestellt und mit dem gängigen Greenwood-Williamson-Kontaktmodell verglichen. Aufbauend auf den FE-Simulationen werden die Flussfaktoren für die deformierte Spalttopografie berechnet. Dies ermöglicht die Berücksichtigung der realen Oberflächentopografie in EHD-Bauteilsimulationen.
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Einleitung Das Reibverhalten in geschmierten Dichtungskontakten ist komplex und wird insbesondere im Mischreibungsbereich stark von der Oberflächentopografie der beiden Körper (Stahlgegen Elastomerkörper) beeinflusst. Hierbei werden durch die Rauheit unter anderem die reale Kontaktfläche (Traganteil) und die Hydrodynamik im Schmierspalt bestimmt. Eine gezielte Optimierung der Oberflächentopografie führt somit zu einer Verbesserung der hydrodynamischen Schmierfilmbildung und trägt zur Reduzierung von Reibung und Verschleiß bei. Dies erfordert eine genaue Beschreibung der Oberflächentopografie im Kontaktmodell. In der Simulation eines gesamten Bauteils, zum Beispiel auf Basis der Finite- Elemente-Methode, schließt sich die detaillierte Beschreibung der Oberflächentopographie auf Grund der unterschiedlichen Größenskalen praktisch aus. Daher werden die Kontakte in der Regel durch vereinfachende Ansätze modelliert, welche die Oberfläche auf Basis statistischer Größen beschreiben. Beispiele hierfür sind das Greenwood-Williamson (GW)-Kontaktmodell [1] oder das Kontaktmodell von Persson [2]. Ein ausführlicher Vergleich der zahlreichen Kontaktmodelle ist [3] zu entnehmen. In der vorliegenden Arbeit wird hingegen ein Kontaktmodell auf Basis einer FE-Simulation von real vermessenen Oberflächentopografien präsentiert und mit dem in der Praxis häufig verwendeten GW- Kontaktmodell verglichen. Anschließend dient die, in der FE-Simulation berechnete, Schmierspaltgeometrie der Bestimmung von Flussfaktoren für die Berechnung der Hydrodynamik im Rahmen von EHD-Simulationen. Ein ähnlicher Ansatz wird von Bartel [4] verfolgt, der ebenfalls den mikroskopischen Kontakt auf Basis real Aus Wissenschaft und Forschung 5 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0012 Untersuchung des Einflusses der Oberflächentopografie auf EHD-Kontakte mittels FE-Simulation Martin Wittmaack, Markus André, Katharina Schmitz* Eingereicht: 22.09.2022 Nach Begutachtung angenommen: 25.05.2023 Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 63. Tribologie-Fachtagung 2022 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. Die Oberflächentopografie hat einen starken Einfluss auf die Reibung in geschmierten Dichtungskontakten. In diesem Kontext werden FE-Kontaktsimulationen für gemessene repräsentative Flächenausschnitte vorgestellt und mit dem gängigen Greenwood-Williamson-Kontaktmodell verglichen. Aufbauend auf den FE-Simulationen werden die Flussfaktoren für die deformierte Spalttopografie berechnet. Dies ermöglicht die Berücksichtigung der realen Oberflächentopografie in EHD-Bauteilsimulationen. Schlüsselwörter Kontaktmodellierung, FE-Simulation, Flussfaktoren, Oberflächentopografie, Dichtungskontakt Investigation on the influence of surface topography on EHD contacts using FE simulation Surface topography has a strong influence on friction in lubricated sealing contacts. In this context, FE contact simulations of measured representative surface sections are presented and compared with the wellknown Greenwood-Williamson contact model. Based on the FE simulation, the flow factors for the deformed gap topography are determined. This enables the consideration of real surface topography in EHD simulations of engineering parts. Keywords Contact modeling, FE-simulation, flow factors, surface topography, Sealing contact Kurzfassung Abstract * Martin Wittmaack, M.Eng (federführender Autor) Prof. Dr.-Ing. Markus André Hochschule Hannover, Ricklinger Stadtweg 120 30459 Hannover Univ.-Prof. Dr.-Ing. Katharina Schmitz RWTH Aachen, Institut für fluidtechnische Antriebe und Systeme (ifas), Campus Boulevard 30, 52074 Aachen Matrixfilter geglättet. Die untersuchten unverformten Oberflächen z 0,1 (x,y) und z 0,2 (x,y) sind in Bild 1 dargestellt. Bei der Stahl-Oberfläche ist die anisotrope Oberflächenstruktur auf Grund des Fertigungsvorgangs zu erkennen, wohingegen die EPDM-Oberfläche eine nahezu isotrope Oberflächenstruktur aufweist. Definition der Spalthöhe Die tatsächliche Spalthöhe h (x,y) (siehe Bild 2)) berechnet sich aus der Differenz der z-Koordinaten der beiden Oberflächen 1 und 2 zu (1) Zu beachten ist hierbei, dass die beiden Oberflächen im Kontakt einer mechanischen Deformation unterliegen, so dass z 1 (x,y) und z 2 (x,y) die deformierten Oberflächen beschreiben. Liegen die Elementknoten der beiden Oberflächen nicht übereinander, wird zwischen den Knoten mit einem kubischen- Spline interpoliert. In makroskopischen Bauteilsimulationen werden die Oberflächen der Bauteile in der Re- ( , ) = ( , ) ( , ). Aus Wissenschaft und Forschung 6 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0012 vermessener Oberflächen berechnet. Jedoch wird dort die Kontaktberechnung unter Verwendung eines Halbraummodells durchführt. Untersuchte Oberfläche Im Rahmen dieser Arbeit wird der mikroskopische Kontakt des Dichtsystems einer ABS/ ESP-Pumpe aus dem Automotive-Bereich untersucht. Der Pumpenkolben ist hierbei aus Stahl gefertigt. Die Dichtung besteht aus einem Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM). Die Größe des untersuchten Flächenausschnitts im Dichtkontakt beträgt 100.26 × 100.26 µm 2 und wird mit einem konfokalen Laserscanning-Mikroskop (Keyence VK-100) gemessen. Der Abstand zwischen den einzelnen Messpunkten beträgt in beiden Richtungen ∆x = ∆y = 0.682 μm. Nach der Messung werden die Krümmung sowie die Neigung der gemessenen Oberfläche mit einem Polynom 2. Ordnung korrigiert. Außerdem werden die Messdaten mit einem 7 × 7-Gauss- Bild 1: Gemessene Oberfläche Bild 2: Schmierspalt [ m] [ ] [ ] [ ] [ ] Stahl 0.879 1.14 9.90 3.90 6.00 EPDM 1.18 1.52 12.13 5.26 6.87 Tabelle 1: Oberflächenkennwerte der untersuchten Oberflächen gel als ideal glatte Oberflächen modelliert. Diese ideal glatte Fläche kann als Mittelebene der Rauheit interpretiert werden. In diesem Sinne berücksichtigt die deformierte Spalthöhe h def die mechanischen Deformationen durch den lokalen Kontakt der beiden Oberflächen. Sie berechnet sich durch die Mittelung über den untersuchten Flächenausschnitt Ω wie folgt (2) Im unverformten Zustand entspricht die deformierte Spalthöhe h def der nominellen Spalthöhe h nom . Die lokale Rauheit r(x,y) ist so definiert, dass ein positiver Wert einer Aufweitung des Schmierspaltes entspricht und berechnet sich aus dem Abstand der lokalen z-Koordinate und der mittleren Rauheitsebene zu (3) Im Rahmen dieser Arbeit werden die Ergebnisse in Abhängigkeit der normierten deformierten Spalthöhe h def ⁄ σ aufgetragen. Die Standardabweichung σ berechnet sich aus dem quadratischen Mittenrauwert [4] zu (4) Greenwood-Williamson Kontaktmodell Das Greenwood-Williamson-Kontaktmodell [1] ist eines der gängigen Modelle zur Beschreibung des Festkörperkontaktes zwischen rauen Oberflächen. Die Rauheitsspitzen werden bei diesem Modell als normalverteilte Halbkugeln mit gleichem Radius R (GW) angenommen. Aus den gemessenen Oberflächenprofil z 0,2 (x,y) der EPDM-Oberfläche werden nun die Rauheitsspitzen identifiziert. Eine Rauheitsspitze z s,i liegt vor, wenn der jeweilige Messpunkt größer ist, als die umliegenden Punkte. N (GW) ist die Anzahl der identifizierten Rauheitsspitzen des untersuchten Oberflächenausschnitts Ω. Für diese Punkte werden der Mittelwert μ s sowie die Standardabweichung σ s der Rauheitsspitzen berechnet. Aus den umliegenden Messpunkten berechnet sich der Halbkugelradius über die mittlere Krümmung [5] zu (5) Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Rauheitsspitze bei einem nominellen Abstand der Flächen h nom im Kontakt ist, beträgt = 1 ( , ) ( ) . ( , ) = ( , ) 1 ( , ) ( ) = , + , . ( , ) = 1 ( , ) ( ) ( , ). ( ) = 1 ( ) 2 + ( ) . (6) Unter der Annahme, dass sich die Einzelkontakte nicht gegenseitig beeinflussen sowie der Gültigkeit der Hertzschen Kontakttheorie berechnet sich die reale Kontaktfläche A (GW) in Abhängigkeit des Halbkugelradius R (GW) , der Anzahl der Rauheitsspitzen N (GW) und der Normalverteilungsfunktion der Rauheitsspitzen Φ(z) zu (7) Auf Basis der Hertzschen Kontakttheorie berechnet sich der mittlere Kontaktdruck p m(GW) , bezogen auf die nominelle Kontaktfläche A nom wie folgt (8) Das GW-Kontaktmodell berechnet die Kontaktfläche sowie den Kontaktdruck für den nominellen unverformten Spalt h nom . Für den späteren Vergleich mit der FE- Simulation ist es daher erforderlich, auch für das GW- Kontaktmodell den deformierten Spalt h def zu berechnen. Hierfür wird im GW-Modell angenommen, dass auf Grund einer mechanischen Verformung kein Punkt eine z-Koordinate annehmen kann, die größer als die nominelle Spalthöhe h nom ist. Auf dieser Annahme wird mit Hilfe der gemessenen Oberflächen z 0,2 (x,y) eine deformierte Mittelfläche bestimmt. Die Differenz zu h nom liefert die deformierte Spalthöhe h def (GW) . Finite-Elemente-Kontaktmodell Als Alternative zum GW-Kontaktmodell wird in dieser Arbeit eine Kontaktsimulation real vermessener Oberflächen auf mikroskopischer Skala mittels der Finite- Elemente-Methode (FEM) durchgeführt. Für repräsentative Flächenausschnitte erfolgt die Bestimmung der elastischen Verformungen im Festkörperkontakt sowie der Normalkräfte in Abhängigkeit des Abstands der beiden Flächen. Durch Abbildung der mikroskopischen Oberflächentopografie wird im Kontaktmodell die Interaktion der vollständigen Oberflächentopografien berücksichtigt. So wird zum Beispiel durch dieses Kontaktmodell der Einfluss der Verformung von Rauheitsspitzen auf die umliegende Oberflächentopografie beschrieben. Dies ermöglicht die Untersuchung von Einflussgrößen, wie der mikroskopischen Struktur der Oberfläche, auf den tribologischen Kontakt. Ferner liefert die Auswertung des mikroskopischen Kontaktes wertvolle Hinweise zur Optimierung der Oberflächentopografie. ( ) = ( ) = 1 2 . ( ) = ( ) ( ) ( ) ( ) . ( ) = 1 4 3 ( ) 1 ( ) ( ) ( ) . Aus Wissenschaft und Forschung 7 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0012 verhaltens wird eine weiche Normalkontaktformulierung verwendet, bei der ein exponentieller Zusammenhang [6] zwischen dem lokalen Kontaktdruck p und dem lokalen Abstand h der beiden Oberflächen angenommen wird (Gleichung 10). Ist die lokale Spalthöhe h > h 0 ergibt sich der lokale Kontaktdruck zu p = 0. Ist die lokale Spalthöhe h kleiner als h 0 , wird der lokale Kontaktdruck p gemäß Gleichung (10) berechnet. Der Parameter p 0 = 10 MPa ist so gewählt, dass sich die Oberflächen bei den auftretenden Kontaktdrücken nur geringfügig durchdringen. Der Parameter h 0 = 40 nm ist so gewählt, dass dieser im Vergleich zu den Oberflächenkennwerten (Tabelle 1) klein ist, jedoch die Konvergenz des Kontaktalgorithmus positiv beeinflusst. Für den Tangentialkontakt wird Coulombsche Reibung mit einem Reibkoeffizienten von μ = 0.3 angenommen. Dieser Wert ist für diese exemplarische Simulation willkürlich gewählt, entspricht aber typischen Haftreibungskoeffizienten für, mit Bremsflüssigkeit, geschmierte Stahl/ EPDM Kontakte [7,8]. Die deformierte Spalthöhe h def berechnet sich in der FE-Simulation gemäß Gleichung (2). Vergleich der Kontaktmodelle Im Folgenden wird das GW-Kontaktmodell mit dem vorgestellten FEM-Kontaktmodell verglichen. Hierzu wird das FEM-Modell in Hinblick auf die Annahmen des GW-Kontaktmodells vereinfacht, in dem die Stahlgegenfläche als ideal glatt modelliert wird. In Bild 4 sind die reale Kontaktfläche A sowie der mittlere Kontaktdruck p m in Abhängigkeit des Verhältnisses h def ⁄σ aus der deformierten Spaltweite h def und der Standardabweichung der Rauheit σ aufgetragen. Da bei diesem Vergleich nur eine raue Oberfläche berücksichtigt wird entspricht die Standardabweichung der quadratischen ( ) = 0, < 1 1 1 , . Aus Wissenschaft und Forschung 8 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0012 Für die FE-Kontaktsimulation wird die kommerzielle Simulationssoftware ABAQUS/ standard verwendet. Im Rahmen einer statischen Simulation wird die Stahl- Oberfläche (Bild 3 - Körper 1) über eine Verschiebungsrandbedingung gegen die EPDM-Oberfläche (Bild 3 - Körper 2) gedrückt. Der EPDM-Körper ist an der unteren Begrenzung fixiert. An den übrigen Begrenzungen werden keine Verschiebungen in Normalen-Richtung der Fläche zugelassen. Da im Vergleich zur EPDM-Oberfläche die Verformung der Stahl-Oberfläche als vernachlässigbar klein angenommen werden kann, wird diese als starr angenommen. Die Vernetzung der Stahloberfläche erfolgt auf Basis der gemessenen Oberflächentopografie mit R3D4 Elementen. Die Berechnung der Verformung der EPDM-Oberfläche erfordert einen elastischen Unterbau. Der Unterbau hat ausgehend von der Mittelebene der EPDM-Oberfläche im unverformten Zustand eine Höhe von 30 μm und ist mit zehn Elementen über die Höhe diskretisiert. Die Vernetzung erfolgt mit linearen Hexaeder Elementen (C3D8RH). Das elastische Verhalten des EPDM-Materials wird mit einem hyperelastischen Neo-Hooke-Materialmodell beschrieben. Die Formänderungsenergiedichte W [6] des kompressiblen Neo-Hooke-Materialmodells berechnet sich aus dem Neo-Hooke-Parameter C 10 , der ersten Invariante des Cauchy-Green Tensors Î 1 , dem Kompressibilitätsparameter D 1 sowie der Determinanten des Deformationsgradienten J el zu (9) Die Anpassung an einen Stufenzugversuch ergibt einen Neo-Hooke-Parameter C 10 = 1.1612 MPa [7]. Außerdem wird eine moderate Kompressibilität von D = 0.1 MPa -1 angenommen. Für die Kontaktberechnung wird die surface-to-surface- Methode verwendet. Zur Verbesserung des Konvergenz- = Î 3 + 1 ( 1) . Bild 3: Aufbau des Simulationsmodells (10) Mittenrauheit der EPDM-Oberflächen σ = S q,2 = 1.52 μm. Für den untersuchten EPDM-Flächenausschnitt wurden N (GW) = 208 Rauheitsspitzen identifiziert. Der mittlere Halbkugelradius berechnet sich gemäß Gleichung (5) zu R (GW) = 2.55 μm. In Bild 4 ist zu erkennen, dass bei kleinen Verformungen der Oberfläche, also bei schwachen Kontaktdrücken, das GW-Kontaktmodell recht gut mit der FE-Simulation übereinstimmt. Bei großen Verformungen der Oberflächenstrukturen liefert jedoch die Hertzsche Kontakttheorie, auf der das GW-Kontaktmodell basiert, ungenaue Ergebnisse, da diese nur für kleine Verformungen gültig ist. Ferner wird bei dem GW-Kontaktmodell keine Interaktion zwischen benachbarten Asperitäten berücksichtigt. Simulation zweier rauen Oberflächen Im Folgendem wird die FE-Kontaktsimulation am Beispiel des Dichtysystems der ABS/ ESP-Pumpe (Bild 1, Tabelle 1) für zwei raue Oberflächen durchgeführt. Die berechnete Kontaktfläche sowie der Kontaktdruck sind in Bild 5 in Abhängigkeit der normierten deformierten Spalthöhe h def ⁄ σ aufgetragen. Gemäß der Gleichung (4) ergibt sich für die beiden untersuchten Oberflächen die Standardabweichung σ = 1.90 μm. Im Vergleich zu der Kontaktsimulation einer rauen Oberfläche gegen glatte Oberfläche (Bild 4) fällt auf, dass auch bei der FE-Simulation zweier rauer Oberflächen eine Kontakt-fläche berechnet wird, die etwas größer als die nominelle Kontaktfläche ist. Die Ursache hierfür ist, dass sich die EPDM-Oberfläche an die Stahloberfläche anlegt, welche aufgrund der Rauheit größer ist als ihre Projektion. Der qualitative Verlauf des mittleren Kontaktdruckes p m in Abhängigkeit der normierten Spaltweite h def / σ ist näherungsweise identisch mit dem mittleren Kontaktdruckverlauf zwischen einer rauen und einer glatten Fläche. Jedoch wird für den Kontakt zwischen zwei rauen Oberflächen ein höherer mittlerer Kontaktdruck p m berechnet. Eine Ursache hierfür ist, dass die Rauheitsspitzen beider Oberflächen bei einer Annäherung bereits früher in Kontakt treten. In Bild 6 ist die lokale Rauheit r 2 (x,y) der EPDM-Oberfläche für verschiedene Spaltweiten dargestellt. Bei einer normierten Spaltweite h def / σ = 5.80 ist die EPDM-Oberfläche nicht im Kontakt und entspricht der EPDM-Oberfläche in Bild 1. Werden die beiden untersuchten Oberflächen stark aneinandergepresst, nimmt die EPDM-Oberfläche die inverse Kontur der Stahloberfläche an. Aus Wissenschaft und Forschung 9 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0012 Bild 5: FE-Kontaktsimulation für zwei raue Oberflächen Bild 4: Vergleich GW-Kontaktmodell mit FE-Kontaktsimulation scher Skala bestimmt. Im Rahmen dieser Arbeit wird die transiente Reynolds-Gleichung (Gleichung (11)) mittels Finite-Differenzen-Methode (FDM) unter der Verwendung des zentralen Finite-Differenzen-Schemas gemäß Gleichung (13) gelöst. Die Ableitungen in y-Richtung bilden sich entsprechend. Für die Umsetzung wird das kommerzielle Mathematik Programm MATLAB verwendet. (13) Die zuvor durchgeführte FE-Kontaktsimulation liefert die deformierte Spalttopografie für die Strömungssimulation. Es wird eine Viskosität von η = 10 mPa · s angenommen. Dies entspricht einem typischen Wert von Bremsflüssigkeiten bei einer Temperatur von T = 23 °C [8]. Für die Berechnung der Druckflussfaktoren wird am Einlaufrand der Druck p ein = 0.2 MPa sowie am Auslaufrand der Druck p aus = 0.1 MPa über eine Dirichlet- Randbedingung vorgegeben. Die Geschwindigkeit der beiden Oberflächen u̇ und v̇ wird zu null vorgegeben. An den Seitenrändern wird durch die Vorgabe der Druckgradienten zu null der seitliche Ablauf des Fluids unterbunden. Der Druckflussfaktor Φ p gibt das Verhältnis der mittleren spezifischen Volumensströme der Druckströmung im rauen Spalt q̅ rau und der Druckströmung im ideal glatten Spalt q̅ glatt an (14) Bei einem Druckflussfaktor Φ p = 1 wird die Strömung im Spalt durch Oberflächentopografie nicht beeinflusst. Ist der Druckflussfaktor Φ p < 1, wird die Strömung im Schmierspalt durch die Oberflächentopografie behindert, sodass der hydrodynamische Druckaufbau sowie der Schmierfilmaufbau begünstigt wird. Ist der Druckflussfaktor Φ p > 1 wird die Strömung im Spalt begüns- , = , , 2 ; , = , 2 , + , = . Aus Wissenschaft und Forschung 10 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0012 Aus dem Zusammenhang zwischen dem mittleren Kontaktdruck p m und der deformierten Spaltweite h def kann nun ein makroskopisches Kontaktmodell zur Verwendung in einer Bauteilsimulation abgeleitet werden. Flussfaktorberechnung Die Beschreibung der Schmierfilmdynamik im Schmierspalt (Bild 2) erfolgt über die instationäre Reynolds- Gleichung [4]. Unter der Annahme eines inkompressiblen Newtonschen Fluids (Dichte ρ = konst, Viskosität η = konst) ergibt sich diese zu (11) Durch die Methode der Flussfaktoren nach Patir und Cheng [9] kann der Einfluss der Oberflächentopografie auf die Schmierfilmdynamik berücksichtigt werden. Bei dieser Methode werden die Poiseuille-Terme der Reynolds- Gleichung mit dem Druckflussfaktor Φ p versehen (Gleichung (12)), die den Einfluss der Oberflächentopografie auf die Druckströmung beschreiben. Zwei zusätzliche Couette-Terme, die den Scherflussfaktor Φ s enthalten, berücksichtigen den zusätzlichen Transport bzw. die Verdrängung des Fluids im Schmierspalt auf Grund der Relativbewegung der Rauheitsspitzen. (12) Die Flussfaktoren werden im Vorfeld einer Bauteilsimulation durch Strömungssimulationen auf mikroskopi- 12 + 12 = + 2 + + 2 + . 12 + 12 = + 2 + 2 + + 2 + 2 + Bild 6: Deformation der EPDM-Oberfläche tigt, was zu einer Reduzierung des hydrodynamischen Druckaufbaus führt. Durch das Einsetzen der Randbedingungen für die Druckströmung in die Reynolds-Gleichung (10), bleiben nur die Poiseuille-Terme erhalten. Die spezifischen Volumenströme in x- und y-Richtung berechnen sich somit wie folgt (15) Aus den Richtungskomponenten des spezifischen Volumenstromes (Gleichung (15)) lässt sich der spezifische Volumenstrom berechnen (16) Da die Flussfaktor-Methode nach Patir und Cheng mit den mittleren Volumenströmen arbeitet, werden die Volumenströme über den untersuchten Flächenausschnitt Ω gemittelt (17) Der mittlere spezifische Volumenstrom zwischen zwei glatten Oberflächen berechnet sich aus der deformierten Spalthöhe h def , der Viskosität η, den vorgegebenen Drücken auf der Ein- und Auslaufseite p ein und p aus sowie aus der Länge L des untersuchten Flächenausschnittes in Strömungsrichtung wie folgt (18) In Bild 7 sind die Druckflussfaktoren Φ xp und Φ yp in Abhängigkeit der normierten deformierten Spalthöhe h def ⁄ σ aufgetragen. Sowohl in xals auch in y-Richtung ist der Druckflussfaktor Φ p kleiner als eins. Der Volumenstrom wird also im Vergleich zu einer glatten Oberfläche be- = 12 ; = 12 . = + . , = 1 12 ( ) . , = 12 = 12 . hindert und somit der hydrodynamische Schmierfilmaufbau begünstigt. Bei h def ⁄ σ < 1 unterscheiden sich die Druckflussfaktoren. Bei der Betrachtung der lokalen Spalthöhe bei h def ⁄ σ = 0.525 ist zu erkennen, dass in y-Richtung bei x = 60 μm weiterhin ein nahezu gerader Strömungskanal vorhanden ist, in x-Richtung jedoch nur kleiner verzweigte Strömungskanäle. Die Strömung in x-Richtung ist daher stärker behindert, was sich auch in den Druckflussfaktoren wiederspiegelt. Im Folgenden werden die spezifischen Volumenströme exemplarisch für die normierten deformierte Spalthöhe h def ⁄ σ = 0.525 ausgewertet. Gemäß Gleichung (18) berechnet sich der mittlere spezifische Volumenstrom für die oben definierten Randbedingungen und die Strömung zwischen zwei glatten Flächen zu q̅ glatt = 0.00822 mm 2 ⁄ s. In Bild 8 sind die spezifischen Volumenströme für die Druckströmung in x- und y-Richtung aufgetragen. Bei dem Vergleich der spezifischen Volumenströme ist auf die unterschiedliche Farbskala zu achten. Der maximale spezifische Volumenstrom in x-Richtung beträgt q = 0.08 mm 2 ⁄ s und der mittlere spezifische Volumenstrom beträgt q̅ x = 0.0013 mm 2 ⁄ s. Es ist zu erkennen, dass das Fluid bei y ≈ 20 μm und y ≈ 90 μm in den untersuchten Flächenausschnitt einströmt. Auf Grund der Festkörperkontakte, fließt das Fluid durch verzweigte Strömungskanäle zur Mitte des untersuchten Flächenausschnitts und teilt sich anschließend in zwei Strömungspfade auf. Bei der Druckströmung in y-Richtung (Bild 8) ist, wie auch in Bild 7 der Strömungskanal bei x = 60 μm zu erkennen, durch den das Fluid mit einem maximalen spezifischen Volumenstrom q = 0.2 mm 2 ⁄ s fließt. Der mittlere spezifische Volumenstrom für die Druckströmung in y-Richtung beträgt q̅ y = 0.00397 mm 2 ⁄ s. Eine Umlenkung des Fluids, wie bei der Druckströmung in Bild 8 findet nicht statt, weshalb der spezifischen Volumenstrom im Vergleich zu der Druckströmung in x-Richtung größer ist. Aus Wissenschaft und Forschung 11 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0012 Bild 7: Druckflussfaktoren kroskopischer Oberflächentopografien auf die Kontaktmechanik und Schmierfilmausbildung in geschmierten Dichtungskontakten. Durch die Verwendung von FE- Modellen, die auf real vermessenen Oberflächentopografien beruhen, werden die vereinfachenden Annahmen des GW-Modells vermieden. Literatur [1] Greenwood, J. A.; Williamson, J. B. 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In: Tribologie und Schmierungstechnik, Vol 69, No 1, S. 5-14, 2022 [8] Lang, A.: Tribologie in Normen weltweit (TriNoWe): Abschlussbericht im Rahmen des BMWI-Förderprogramms WiPaNo. Deutsches Institut für Kautschuktechnologie e. V. (2021). [9] Patir, N. u. Cheng, H. S.: Application of Average Flow Model to Lubrication Between Rough Sliding Surfaces. Journal of Lubrication Technology, Vol 101, No 2, S. 220- 229, 1979 Aus Wissenschaft und Forschung 12 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0012 Zusammenfassung Das Reibverhalten in geschmierten Dichtungssystemen wird maßgeblich von der Oberflächentopografie beeinflusst. Die gezielte Optimierung der Rauheit zur Reduzierung von Reibung und Verschleiß erfordert eine physikalisch basierte Kontaktmodellierung. Für den Festkörperkontakt rauer Oberflächen wurde ein mikroskopisches Kontaktmodell auf Basis einer FE- Simulation vorgestellt. Die Ergebnisse wurden für eine gemessene Oberflächentopografie mit dem gängigen Greenwood-Williamson-Kontaktmodell verglichen. Der Vergleich der beiden Kontaktmodelle zeigt, dass diese bei kleinen Verformungen gut übereinstimmen. Auf Grund der begrenzten Gültigkeit der Hertzschen Kontakttheorie liefert das GW-Kontaktmodell bei großen Verformungen falsche Ergebnisse. Die FE-Kontaktsimulation liefert hingegen auch für große Verformungen einen sinnvollen Zusammenhang zwischen dem mittleren Kontaktdruck und der deformierten Spalthöhe und veranschaulicht die Interaktion der Oberflächentopografie auf mikroskopischer Skala. Aufbauend auf der Kontaktsimulation wurden die Druckflussfaktoren für die deformierte Oberflächentopografie berechnet. Die Auswertungen des deformierten Spaltes sowie des Volumenstromes zeigen, wie einzelne Strömungskanäle die Berechnung der Flussfaktoren beeinflussen und erlauben ein vertieftes Verständnis der Elastohydrodynamik unter Berücksichtigung der Oberflächentopografie. Die vorliegende Arbeit leistet somit einen Beitrag zur Untersuchung und Quantifizierung des Einflusses mi- Bild 8: Spezifischer Volumenstrom für die Druckströmungen in x- und y-Richtung
