eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 70/3

Tribologie und Schmierungstechnik
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expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2023-0015
81
2023
703 Jungk

Reibungsoptimierung durch Gleitschleifen: Das Einlauf- und Reibverhalten über Topographie einstellen

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2023
Florian Reinle
Dominic Linsler
Gleitschleifen ist in der Lage, eine tribologische Oberflächenoptimierung durch verbesserte Oberflächentopographie und ein verändertes Randzonengefüge zu erreichen. Das Einlaufverhalten beinhaltet sowohl topographische Aspekte als auch Aspekte der Ausbildung eines dritten Körpers. Mittels Oberflächenfinish auf unterschiedliche Rauheitsniveaus kann sowohl der topographische Einlauf verkürzt als auch die Ausbildung des dritten Körpers beeinflusst werden. Ein günstiges Einlaufverhalten wird durch Konditionierungseffekte, etwa im Gefüge, durch ein Finish-Verfahren mit geeignetem Reibungsenergieeintrag ermöglicht.
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Einleitung Lebensdauer, Verschleiß und besonders die Energieeffizienz von Maschinenelementen sind zentrale Aspekte des modernen Maschinenbaus. Das Einlaufverhalten eines tribologischen Systems nimmt erheblichen Einfluss auf diese Eigenschaften. Auf dieses Einlaufverhalten wird mit der Endbearbeitung großen Einfluss genommen. Neben der Einstellung der Topographie wird durch die Endbearbeitung die chemische Zusammensetzung der Oberfläche und auch das Randzonengefüge verändert [1]. Im niedrigsten Verschleißratenregime, in dem Maschinenbauanwendungen typischerweise operieren, spielen diese Größen für eine unter tribologischen Aspekten leistungsfähige Oberfläche eine zentrale Rolle [2,3,4]. In der Veröffentlichung wird insbesondere die Beeinflussung der Topographie durch eine Gleitschleifbehandlung adressiert. Geschliffene Oberflächen dienen hier als Referenz. Neben der Betrachtung klassischer höhenbzw. amplitudenbasierten Rauheitsparameter (z.B. Ra, Rz, Rpk) werden auch die Streulichtmethode und REM-Bilder eingesetzt. Streamfinish (SF) - das optimierte Tauchgleitschleifen Tauchgleitschleifen basiert auf einem mit meist abrasivem Schleif- oder Poliergranulat gefüllten drehenden Arbeitsbehälter, in den ein fixiertes Werkstück eingetaucht wird (Bild 1). Die Firma OTEC Präzisionsfinish GmbH (OTEC) hat dieses Verfahren zum Streamfinish (SF) weiterentwickelt. Mit der präzisen Rotation des Werkstückhalters Aus Wissenschaft und Forschung 27 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0015 Reibungsoptimierung durch Gleitschleifen: Das Einlauf- und Reibverhalten über Topographie einstellen Florian Reinle, Dominic Linsler* Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 63. Tribologie-Fachtagung 2022 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. Gleitschleifen ist in der Lage, eine tribologische Oberflächenoptimierung durch verbesserte Oberflächentopographie und ein verändertes Randzonengefüge zu erreichen. Das Einlaufverhalten beinhaltet sowohl topographische Aspekte als auch Aspekte der Ausbildung eines dritten Körpers. Mittels Oberflächenfinish auf unterschiedliche Rauheitsniveaus kann sowohl der topographische Einlauf verkürzt als auch die Ausbildung des dritten Körpers beeinflusst werden. Ein günstiges Einlaufverhalten wird durch Konditionierungseffekte, etwa im Gefüge, durch ein Finish-Verfahren mit geeignetem Reibungsenergieeintrag ermöglicht. Schlüsselwörter Gleitschleifen, Oberflächenoptimierung, Einlaufverhalten, Oberflächenfinish Friction Optimization through Mass Finishing: Adjusting Run-in and Friction Behavior via Topography Mass finishing is able to achieve tribological surface optimization through improved surface topography and a modified surface zone structure. The runningin behavior includes both topographical aspects and aspects of the formation of a third body. By means of surface finishing to different levels of roughness, the topographical run-in can be shortened and the formation of the third body can be influenced. Favorable running-in behavior is made possible by conditioning effects, for example in the structure, by a finishing process with a suitable input of frictional energy. Keywords Mass finishing, surface optimization, running-in behavior, surface finishing Kurzfassung Abstract * M.Sc. Florian Reinle OTEC Präzisionsfinish GmbH, Straubenhardt Dr. Dominic Linsler MikroTribologie Centrum μTC Fraunhofer IWM, Karlsruhe dieser Arbeiten besteht hauptsächlich (> 90 %) aus Al 2 O 3 , ist minimal abrasiv und hat eine mittlere Korngröße von 1,6 mm. OTEC intern wird es mit KXMA16 bezeichnet. Prototypisches Druckfinish - nicht abrasiv Neben dem Streamfinish wird ein in Entwicklung befindliches prototypisches Druckfinish zur Bearbeitung der Proben verwendet. Das Verfahren besteht aus der Kombination einer Granulatanpressung und einer Rotationsbewegung wie in Bild 2 dargestellt. Das Werkstück wird in einen Behälter eingeführt, dieser wird mit einem Deckel verschlossen. Darauf wird mittels Fluiddruck und einer Membrane das Granulat gegen Aus Wissenschaft und Forschung 28 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0015 um die eigene Achse werden die Bearbeitungsmöglichkeiten erweitert. Es werden viele Kombinationen der Rotation um die Achsen ermöglicht. Der Werkstückhalter kann zudem um die Längsachse gepulst, hochdynamisch alternierend, gedreht werden. Die Eintauchtiefe und der Eintauchwinkel bzw. der daraus resultierende Wand- und Bodenabstand sind zentrale Parameter, um die Leistungsfähigkeit des Prozesses zu variieren. Mittels der Prozessparameter kann die Strömung sehr flexibel an die Anforderungen der spezifischen Werkstücke angepasst werden. Die Reibenergie entsteht aus dem Druck und der Bewegung des Granulats relativ zum Werkstück. Dieser Energieeintrag des Streamfinish ist günstig für die Oberflächen-Konditionierung [5] und ermöglicht eine durch Scherbeanspruchung induzierte Gefüge-Veränderung. Das eingesetzte Granulat des Streamfinish im Rahmen Bild 2: Druckfinish, schematische Darstellung, Start der Bearbeitung (l.), währenddessen (r.) 1 Granulat im Behälter 2 Werkstückhalter 3 Werkstück (WS) 4 Behälterdrehung 5 WS-Halter Drehung 6 Eintauchtiefe 7 Eintauchwinkel 8 Wandabstand 9 Bodenabstand Bild 1: Tauchgleitschleifen - SF vereinfacht/ Schema, (l.) Behälter, (m.) partieller Radialschnitt. Darstellung der obersten Schicht der Füllung im transparenten, drehenden Behälter. das Werkstück gepresst und dieses wird rotiert. Prozesswasser führt Schmutz während der Bearbeitung ab und kühl das Werkstück. Die druckdominante Bearbeitungskomponente erlaubt einen hohen, verdichtenden Bearbeitungseffekt auch im Falle der Nutzung von Granulat ohne für das Gleitschleifen typischen abrasiven Anteil. Das verendete Granulat besteht mehrheitlich aus Al 2 O 3 und zusätzlich aus ZrO 2 , ist kugelförmig mit einem Durchmesser von etwa 0,9 mm. Die Granulatoberfläche ist im Vergleich zum KXMA16 glatter und geschlossen, damit ist das Granulat nicht abrasiv und der erzeugte Abtrag ist minimal: In wirtschaftlich relevanten Bearbeitungszeiten kann gravimetrisch mittels einer Feinwaage kein Gewichtsverlust nachgewiesen werden. Dieser spezielle Ansatz einer Bearbeitungsmethode wurde im Rahmen dieser Untersuchungen eingesetzt. Oberflächenbearbeitung der Proben Als Werkstücke wurden Prüfscheiben für gezielte Gleitreibungsuntersuchungen im Stift-Scheibe-Tribometer (SST) sowie Wälzreibungsuntersuchungen in einem 2-Scheiben-Prüfstand (Amsler) ausgewählt. Die SST Scheiben sind initial plangeschliffen und bestehen aus nicht gehärtetem 42CrMo4. Die Amsler-Proben sind aus einsatzgehärtetem, umfangsgeschliffenen 16MnCr5 in der Paarung jeweils in zylindrischer und balliger Form. Die umfangreicheren Analysen wurden rund um die Amsler Proben durchgeführt. Es wurde für die Prüfläufe mit diesen Varianten gemäß Tabelle 1 gearbeitet: Für die Bearbeitungszeit des Oberflächenfinish wurden für die SST-Scheiben 60 s (SF) und 90 s (p-PT) verwendet, für die Amsler-Proben jeweils 90 s (SF, p-PT). Prüfstandergebnisse SST - Superlubricity? Die SST-Scheiben wurden auf einem Stift-Scheibe- Tribometer des Fraunhofer IWM bezüglich des Reibungsverhaltens untersucht. Ein flacher, plangeschliffener Stift aus 100Cr6 und einem Durchmesser von 5 mm stellt den Gleit-Reibpartner der Scheibe dar. Der Kontakt wird mit einem mineralischen Grundöl der Viskositätsklasse ISO VG 32 voll beölt. Bei allen Scheiben wurden vor dem Einlauf drei Stribeckkurven aufgenommen (Bild 3, links) und nach einem Einlaufprogramm von insgesamt 16 h wurden die finalen drei Stribeckkurven ermittelt. Die Stribeckkurven werden mit einer Stift-Anpresskraft von 300 N gefahren, dies entspricht einer rechnerischen Flächenpressung von 15,3 MPa. Vor dem Einlauf ergibt sich eine Rangfolge im Reibwert von der geschliffenen Referenz (REF) über die mit Streamfinsih (SF) bearbeiteten Scheiben hin zu dem Druckfinish Proben (p PT). Im Bereich unter 1 m/ s Gleitgeschwindigkeit zeigt das Streamfinish die niedrigsten Werte vor dem Einlauf. Aus Wissenschaft und Forschung 29 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0015 Bild 3: SST-Stribeckkurven, (l.) vor dem Einlauf, (r.) nach dem Einlauf Oberflächenbearbeitung Abkürzung Proben-Typ Werkstoff Geschliffen, Ausgangsqualität REF SST 42CrMo4, weich Amsler 16MnCr5, 60 + 4 HRC Gleitgeschliffen mit Streamfinish SF SST 42CrMo4, weich Amsler 16MnCr5, 60 + 4 HRC Gleitgeschliffen mit Druckfinish p-PT SST 42CrMo4, weich Amsler 16MnCr5, 60 + 4 HRC Tabelle 1: Zustandsübersicht der Proben Scheibe, in Testrichtung, liegen die Werte bei Ra = 0,09, Rz = 0,7 und Rpk = 0,08. Die Oberflächenstruktur nach den verschiedenen Finish-Varianten stellt sich wie in Bild 4 zu sehen ein. Links ist eine typische Streamfinish (SF) Struktur mit einer sich an der Ausgangs-Schleifstruktur orientierter Restwelligkeit in der horizontalen Richtung (quer) erkennbar. Das Druckfinish (p-PT) zeigt eine geringere Restwelligkeit und einige tiefe Schleifriefen wurden nicht vollständig umgeformt. In der umfänglichen Orientierung der Rotation hat das verwendete Granulat überwiegend feine parallele Riefen hinterlassen. Um die Auswirkung der Oberflächenstruktur auf das Reibungsergebnis besser nachvollziehen zu können, wurden Streulichtmessungen nach VDA 2009 [6] gewählt und bei der Firma OptoSurf GmbH durchgeführt. Rdq ist ein Profil-Rauheitsparameter, der für seine hohe Relevanz in Bezug auf Reibung bekannt ist. Er wird aus einem quadratischen Mittel der örtlichen Steigungen des Rauheitsprofils ermittelt. Aufgrund des hohen Einflusses von Oberflächengradienten auf den Messparameter, welche der Parameter bei idealer Messung abbildet, hat man damit eine wichtige Komponente, um die statistischen mittleren Krümmungsradien im Kontakt zu ermitteln [7]. Eine Verringerung der Oberflächengradienten hilft in der Regel, die Kontaktspannungen zu reduzieren und den rein elastisch übertragenen Lastanteil im Reibkontakt zu steigern. Rdq oder Sdq (Rdq als 3D Parameter) sind jedoch Größen, bei denen sowohl die praktische Nutzbarkeit - der Vergleich zwischen Geräten - als auch die Präzision aufgrund z.B. Messrauschen, Filterung und Ableitung begrenzt sind. Streulicht basiert auf Winkelmessungen nach dem Spiegelfacettenmodell und kann daher die Analyse von Gradienten unmittelbar und detaillierter vornehmen. Die SST-Scheiben wurden quer- und längs zur Vorzugsrichtung gemäß des initialen Planschliffs vermessen. Dafür wird die Orientierung des Auswertungsarray verwendet, welches definiert, welche Strukturrichtungen breitbandiger aufgelöst werden kön- Aus Wissenschaft und Forschung 30 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0015 Interessant ist, dass die mit Druckfinish bearbeitete Probe (p-PT) bereits zu Beginn ab 1,5 m/ s Gleitgeschwindigkeit im reibungsarmen Bereich der technischen Superlubricity optiert. Nur bei dieser Probe war der Einlauf derart, dass bei p-PT hier keine Mittelung der drei Stribeckkurven sondern die Punkte der ersten und der dritten Kurve dargestellt sind. Man erkennt, dass das Fahren von 3 Stribeckkurven bereits einen erkennbaren Einlauf zeigt, mit verminderten Reibwerten z.B. bei 1 m/ s. Es zeigt sich ein Reibwert von unter 0,01 bei 1 m/ s bei der dritten Stribeckkurve. Insgesamt sehen wir mit Streamfinish (SF) im Mittel etwa 50 % geringere Reibwerte. Mit dem Druckfinish (p-PT) eine teils hohe Reduktion um bis zu Faktor 25 und Faktor 13 im Mittel. Nach dem Einlauf bleiben die Differenzen mehrheitlich erhalten (Bild 3, rechts). Das Druckfinish (p-PT) operiert nun von 0,5 - 3 m/ s bei einem Reibungskoeffizient von etwa 0,005. Bei der niedrigsten Gleitgeschwindigkeit wird die Versuchsreihe hinsichtlich Reibung von dem Streamfinish (SF) angeführt. Insgesamt sehen wir mit Streamfinish weiterhin 50 % geringere Reibwerte und mit Druckfinish eine hohe Reduktion in Spitze von Faktor 23 und im Mittel von Faktor 13. Eine Größenordnung Unterschied im Reibwert kann als bemerkenswert bezeichnet werden. SST - Veränderung der Topographie: Rauheitscharakterisierung Messungen an einem Weißlichtinterferometer (WLI) mit Auswertung durch Lc = 800 µm ergeben eine Rauheit von Ra = 0,5 µm, Rz = 3,7 µm sowie Rpk = 0,43 µm für die Ausgangsqualität. Im Vergleich dazu Ra = 0,15 µm, Rz = 1,1 µm und Rpk = 0,1 µm für die Streamfinish SST- Scheiben. Entsprechend dazu liegt das Druckfinish bei Ra = 0,07, Rz = 1,1 und Rpk = 0,09 radial bzw. senkrecht zur Finish-Struktur. In tangentialer Richtung der SST- Bild 4: WLI Aufnahme 50 x, 1 mm x 1mm, SST Oberflächenstruktur, (l.) SF, (r.) p-PT nen. Dabei wurde jeweils ein Messfeld von 5 x 23 mm mittels eines 30 µm Messflecks abgedeckt, womit sich 150.000 Einzelmessungen ergeben. Der Aq Wert stellt die Varianz der Profilwinkelverteilung der reflektieren Oberflächenwinkel dar. Er stellt ein Maß für Rauheit dar, mit Fokus auf die laterale Dimension, weniger die der Amplitude wie bei gängigeren Messverfahren. Aqm ist der arithmetische Mittelwert und Aqs ist die Standardabweichung in Bezug auf eine Vielzahl einzelner Aq-Messwerte. Die Aqm-Werte sind in einer Häufigkeitsverteilung dargestellt (Bild 5). Dabei zeigt sich insbesondere in der Richtung quer zu den Schleifriefen eine deutliche Reduzierung der Oberflächenrauheit in Bezug auf Aqm. Dies bedeutet eine erhebliche Reduktion der Rauheitsgradienten bei beiden Finish-Varianten. Das Resultat quer zu den ursprünglichen Schleifriefen ist nicht vollständig auf dem erreichten Niveau längs zu den Riefen. Damit ist eine signifikante Verbesserung erzielt und mittels der gewählten Bearbeitungsparameter noch keine umfassende Isotropie erreicht. Beim Druckfinish (p-PT) treten sehr niedrige Aq-Werte besonders häufig auf. Der Aq-Wert einer ideal glatten Oberfläche liegt bei 1,6. Je näher die Oberflächen einer erreichbaren minimalen Grenzrauheit kommen desto schiefer wird die Verteilung. Die Streamfinish (SF) Bearbeitung erreicht einen gemittelten Aqm von 6,13 quer und 5,24 längs zu den Riefen. Das sind erheblich niedriger Werte als im Vergleich zur Ausgangsqualität 88,9 quer und 10,25 längs zu den Riefen. Das Druckfinish (p-PT) erreicht quer einen Aqm von 6,76 und längs einen außergewöhnlich niedrigen Aqm von 3,39. Interessant ist auch der Blick auf die Standardabweichung: Aqs der Referenz ist 16,7 quer und 6,1 längs. Das Streamfinish erreicht nahezu gleichmäßige Werte von Aqs 3,7 quer und 4,1 längs. Das Druckfinish liegt quer bei Aqs 7,3 und längs bei einem sehr guten Aqs von 2,2. Eine geringere Standardabweichung deutet auf eine über die Oberfläche gleichmäßiger verteile Rauheit hin. Die besonders geringen Oberflächengradienten des Druckfinishs p-PT sind eine mögliche Erklärung für die beobachteten Reibungsergebnisse im Bereich der technischen Superlubricity. Die Auswirkungen dieser Topographie ermöglichten im Prüflauf eine plateauartige Rauheitsreduktion am harten 100Cr6 Stift durch die weiche 42CrMo4 Scheibe. Damit hat am Stift der topographische Anteil des Einlaufs stattgefunden, die Topographie der Scheibe bleibt stabil. Prüfstandergebnisse Amsler Die Amsler-Proben wurden auf einem 2-Scheiben Amsler-Wälzprüfstand am Fraunhofer IWM bezüglich des Reibungsverhaltens untersucht. Der Kontakt wird mit einem mineralischen Öl mit Getriebe-Vollformulierung und der Viskositätsklasse ISO VG 32 beölt. Die Öltemperatur beträgt bei Zuführung 50 °C. Es folgt ein Prüfprogramm von 70 h Belastung unter 2 GPa Pressung und einen auf 10 % einstellten Schlupf. Die Summengeschwindigkeit beträgt dabei 1,26 m/ s. Vor, mitten im und nach dem 70 h Dauerlauf wurden Stribeckkurven unter 1,75 GPa Pressung ermittelt. Der Einstiegsreibwert als obere Balkengrenze sowie der Endreibwert als untere Balkengrenze dieses Dauerlaufs sind in Bild 6 dargestellt. Die geschliffene Oberfläche gegen eine zweite geschliffene Probe (REF vs REF) ergibt den höchsten initialen Reibwert. Die hohe Pressung in Kombination mit der Aus Wissenschaft und Forschung 31 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0015 Bild 5: Häufigkeitsverteilung SST-Scheibe; Varianten: REF, SF, p-PT; 0,1 Aqm pro Klasse Referenzpaarung erst mit Einlauf erreicht. Aufgrund der vergleichsweisen hohen Rauheit erfolgt eine geringe Reibungsreduktion, womit nach dem Dauerlauf geringfügig niedrigere Reibwerte im Vergleich zu Referenz erzielt werden können. Die Druckfinish-Paarung p-PT2 wurde vor dem nicht abrasiven Druckfinish auf ein niedrigeres Rauheitsniveau geglättet. Damit wird die spezielle Mikro-Topographie des Druckfinish auf einem geringen Rauheitsniveau ermöglicht. Im Prüflauf haben sich die niedrigsten Reibwerte auf eine sehr stabile Weise ergeben. Dies entspricht etwa 60 % bzw. 40 % weniger Reibung vor bzw. nach dem langen Einlauf der Referenzpaarung. Außergewöhnlich ist die zusätzliche Gleitgeschwindigkeitsstabilität, denn die Stribeckkurve ist nahezu eine Gerade. Im Vergleich zu den SST-Ergebnissen war, bei 2 GPa Pressung mit einem Reibwert un- Aus Wissenschaft und Forschung 32 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0015 moderaten Gleitgeschwindigkeit ermöglicht über den Verlauf der 70 h einen vergleichsweisen guten Einlauf. Damit wird ein niedrigerer Wert erreicht als die Probenpaarung REF vs SF, obwohl jene zunächst geringere Reibwerte ergibt. Eine wahrscheinliche Erklärung hierfür ist, dass der einseitig gefinishte Partner die maximale oberflächennahe Kontaktpressung der Paarung reduziert, womit der Einlauf des geschliffenen und gehärteten Partners etwas weniger umfangreich gelingt. Dieses hiermit als Einlauf-Teilstabilisierung bezeichnete Verhalten ist eine Beobachtung unter diesen Bedingungen und nicht unbedingt allgemein übertragbar. Eine Druckfinish Paarung p-PT1 hat bereits nach der Bearbeitung ein Rauheitsniveau, das mit dem der Referenz nach dem Einlauf vergleichbar ist. Diese p-PT1-Paarung erreicht bereits zum Beginn des Prüflaufes Reibwerte, die die 0,05 0,06 0,07 0,08 0,09 0,1 0,11 0,12 0,2 0,4 0,6 0,8 1 1,2 1,4 Reibungskoeffizient μ Summengeschwindigkeit in m/ s REF 0h REF 70h p-PT1 0h p-PT1 70h SF 0h SF 70h p-PT2 0h p-PT2 70h Bild 7: Stribeckkurven vor und nach dem 70 h Amsler Prüfprogramm Bild 6: Reibwertspanne im Amsler 70 h 2 GPa Prüfprogramm. Alle Versuche zeigten ein kontinuierlich fallendes Reibungsverhalten ter 0,01 nicht zu rechnen. Die Paarung SF vs SF erzielt ebenfalls etwa 35 % niedrige Reibwerte als die Referenzpaarung, die über den Verlauf der 70 h nahezu keine Veränderung aufweisen. Hier ist sind die Stribeckkurven vor (gestrichelt) und nach dem Dauerlastprogramm eingezeichnet. Man sieht den deutlichen Einlauf der geschliffen Referenzvariante. Die raue Druckfinish-Probe p-PT1 zeigt einen wesentlich weniger ausgeprägten Einlauf. Allerding war dieser Umstand in den Messungen unter Dauerlast noch deutlicher zu erkennen. Die Veränderungen durch den Einlauf der Varianten SF und p-PT2 sind sehr gering. Interessant ist die Beobachtung der geringen Geschwindigkeitsabhängigkeit über den verwendeten Drehzahlbereich vor dem Einlauf der glatten Druckfinishvariante p-PT2. Die verbesserten Reibwerte durch die Finish- Varianten stellen sich in einem ähnlichen Ausmaß wie bereits erwähnt dar. Amsler - Veränderung der Topographie: Rauheitscharakterisierung Die gleitgeschliffenen Proben haben sich in Bezug auf die amplitudenbasierten Parameter Ra und Rz nicht eindeutig unterscheidbar verändert*. Dies ist ein Zeichen für die topographische Einlaufstabilität. Zur Veranschaulichung ist die Oberflächenstruktur exemplarisch bei REF und SF in Tabelle 2 zu sehen: Der in Bild 8 dargestellte Vergleich einer WLI-Messung zeigt den deutlichen topografischen Einlauf der geschliffenen Proben (REF) in der Reibspur auf. Die mit Streamfinish bearbeitete Probe (SF), hat sich in Bezug auf die Topographie nur minimal verändert. Die Bewegungsrichtung des Reibkontakts im Versuch ist parallel zur den initialen, umfänglichen Schleifriefen und ist mit einem blauen Pfeil gekennzeichnet. Amsler - Veränderung der Topographie: REM Ein weiteres Bild zur beobachteten Einlaufstabilität ist in den REM-Aufnahmen Bild 9 und 10 zu finden: Die geschliffene Referenzoberfläche lässt vor der Reibbelastung sehr deutlich von der druckgefinishten Oberfläche unterscheiden. Die Bewegungsrichtung der Belastung ist mit einem blauen Pfeil gekennzeichnet. Nach der Reibbelastung mit Einglättungseffekten der geschliffenen Referenzprobe können lokal Gemeinsamkeiten erkannt werden. Die Oberfläche des Druckfinish p-PT2 hat sich nur minimal verändert. Aus Wissenschaft und Forschung 33 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0015 Bild 8: WLI 50 x, 170 x 1000 µm, von o. nach u.: REF vorher, REF nachher, SF vorher, SF nachher Probenbeschreibung Abk. Zustand Ra [μm] Rz [μm] Rpk [μm] Geschliffen, Ausgangsqualität REF vorher 0,29 2,1 0,33 nachher 0,23 1,7 0,16 Gleitgeschliffen mit Streamfinish SF vorher* 0,10 0,65 0,07 Gleitgeschliffen mit Druckfinish, „rauer“ p-PT1 vorher* 0,23 1,6 0,18 Gleitgeschliffen mit Druckfinish, „glatter“ p-PT2 vorher* 0,06 0,35 0,04 Tabelle 2: Zustandsübersicht der Proben, Rauheit bei Lc = 800 µm [3] D. Linsler, F. Schröckert, M. Scherge, Influence of subsurface plastic deformation on the running-in behavior of a hypoeutectic Al-Si alloy; Tribology International 100, 2016, pp 224 - 230 [4] X. Chen, Z. Han, X. Li, K. Lu, Lowering coefficient of friction in Cu alloys with stable gradient nanostructures, Science Advances, 2, 2016 [5] A. Kacaras, J. Gibmeier, F. Zanger, V. Schulze, Influence of rotational speed on surface states after stream finishing, 4 th CIRP Conference on Surface Integrity (CSI 2018) [6] VDA2009, Geometrische Produktspezifikation, Winkelaufgelöste Streulichtmethode, Definition, Kenngrößen und Anwendung. 2010/ 01 [7] Brodmann R and Allgauer M, Comparison of light scattering from rough surfaces with optical and mechanical profilometry Proc. SPIE 1009, Surface Measurement and Characterization, 111 ed J M Bennett pp 111-8, 1989 Danksagung Wir danken Boris Brodmann von der Firma OptoSurf für die kompetente und tatkräftige Unterstützung rund um Fragen der Oberflächenmessung. Die vorgestellten Arbeiten von OTEC und Fraunhofer IWM sind teilweise durch das BMEL im Rahmen des Projekts „TriboKon“ FKZ 22004618 gefördert. Aus Wissenschaft und Forschung 34 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 3/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0015 Fazit Die gezeigten Arbeiten adressierten die Beeinflussung des Einlaufs und der Reibungsantwort des Systems durch eine Topographie, die über Gleitschleifen verändert wurde. Verglichen mit einer geschliffenen Referenzprobe konnte ein schnellerer, stabilerer Einlauf erreicht werden. Bei einem vergleichbar hohen Rauheitsniveau gelang die Stabilisierung bei vergleichbaren Reibwerten zur Referenz. Deutlich niedrigere Reibwerte konnten bei der Stabilisierung auf einem geringen Rauheitsniveau gemessen werden. Dies stellt ein erhebliches Energieeinsparpotential dar. Das Erreichen eines für die Anwendung passenden Rauheitsniveaus und dessen Stabilisierung mit passender Mikrotopographie stellt eine aussichtsreiche tribologische Lösungsstrategie für besonders anspruchsvolle Fälle dar. Ein gefundenes Systemoptimum, das über klassischen Einlauf nicht zuverlässig reproduziert werden kann, könnte somit stabilisiert werden. Literatur [1] M. Scherge, D. Shakhvorostov, K. Pöhlmann, Fundamental wear mechanisms of metals; Wear, 255, 2003, pp 395 - 400 [2] A. Brink, K. Lichtenberg, M. Scherge, The influence of the initial near-surface microstructure and imposed stress level on the running-in characteristics of lubricated steel contacts; Wear, 360-361, 2016, pp 114 - 120 finden: Bild 9: REM-Aufnahmen, REF vorher (l.) und p-PT2 vorher (r.) Bild 10: REM-Aufnahmen, REF nachher (l.) und p-PT2 nachher (r.) \ Gesundheit \ schaft \ Linguist schaft \ Slawisti \ Sport \ Gesun wissenschaft \ L wissenschaft \ philologie \ Sp Fremdsprachen \ VWL \ Maschi schaften \ Sozi Bauwesen \ Fre