Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2023-0018
91
2023
704-5
JungkDie Analyse von Abrieb- und Additivelementen in Schmierfetten: XRF, RDE-OES oder ICP-OES?
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2023
Christoph J. Rohbogner
Thomas Fischer
Die Analyse von Abrieb- und Additivelemente in Schmierfetten wird routinemäßig durchgeführt. Im Vergleich zur Analyse von Schmierölen sind jedoch keine internationalen Normen verfügbar. Deshalb werden in Analyselaboren viele unterschiedliche Verfahren angewendet.
Schmierfette sind aufgrund des Verdickers mit Matrixeffekten behaftet.
Wir haben die drei gebräuchlichsten Verfahren XRF, RDE-OES und ICP-OES miteinander verglichen. Für die Analyse mit RDE-OES und XRF wurden die Fette direkt ohne chemische Probenvorbereitung eingesetzt. Für die ICP-OES Analyse wurden die Proben mittels modernem Druckaufschlussverfahren in der Mikrowelle vorbereitet.
Die Analyse mittels ICP-OES erlaubt deutliche niedrigere Nachweisgrenzen von Additiv- und Verschleißelementen als bei den Vergleichsverfahren.
tus704-50014
Verschleißzustand der Motoren in ihren Diesellokomotiven ermitteln. Aus diesem Vorgehen heraus entwickelte das US-Verteidigungsministerium das „Joint Oil Analysis Program“ (JOAP) [1]. Wirtschaftliche Gründe sind der Haupttreiber für Ölanalyseprogramme, es sollen Maschinenschäden verursacht durch unzureichende Ölqualität, sowie unplanmäßige Stillstände oder Ausfallzeiten vermieden werden. In letzter Zeit sind neben der Wirtschaftlichkeit auch Betrachtungen bezüglich CO 2 Einsparung ein Treiber für Ölanalyseprogramme, denn gerade bei großen Ölfüllungen, die längere Zeit in Maschinen oder Ölumlaufsystemen verbleiben, besteht die Möglichkeit diese nicht auf- Aus Wissenschaft und Forschung 14 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 4-5/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0018 1 Einleitung Die Analyse von gebrauchten Betriebs- und Schmierstoffen während der Verwendung in Maschinen zur Feststellung einer sinnvollen Restgebrauchsdauer ist heute Standard in den meisten Industriezweigen. Die Analyse von Gebrauchtölproben wurde nach dem Ende des 2. Weltkriegs insbesondere von US-amerikanischen Eisenbahngesellschaften vorangetrieben. Diese wollten anhand ermittelter Werte aus Gebrauchtölproben den Die Analyse von Abrieb- und Additivelementen in Schmierfetten: XRF, RDE-OES oder ICP-OES? Christoph J. Rohbogner, Thomas Fischer* Dieser Beitrag wurde im Rahmen der 64. Tribologie-Fachtagung 2023 der Gesellschaft für Tribologie (GfT) eingereicht. Die Analyse von Abrieb- und Additivelemente in Schmierfetten wird routinemäßig durchgeführt. Im Vergleich zur Analyse von Schmierölen sind jedoch keine internationalen Normen verfügbar. Deshalb werden in Analyselaboren viele unterschiedliche Verfahren angewendet. Schmierfette sind aufgrund des Verdickers mit Matrixeffekten behaftet. Wir haben die drei gebräuchlichsten Verfahren XRF, RDE-OES und ICP-OES miteinander verglichen. Für die Analyse mit RDE-OES und XRF wurden die Fette direkt ohne chemische Probenvorbereitung eingesetzt. Für die ICP-OES Analyse wurden die Proben mittels modernem Druckaufschlussverfahren in der Mikrowelle vorbereitet. Die Analyse mittels ICP-OES erlaubt deutliche niedrigere Nachweisgrenzen von Additiv- und Verschleißelementen als bei den Vergleichsverfahren. Schlüsselwörter Schmierfett, Gebrauchtfettanalyse, Mikrowelle, Aufschluss, Elementanalyse, Optische Emissionsspektroskopie The analysis of abrasion and additive elements in greases: XRF, RDE-OES or ICP-OES? The elemental analysis in grease samples is common practice in their analysis. However, there is no international standard available describing procedures. Thus, numerous often-similar approaches are used in commercial laboratories. In contrast to lubricating oils, grease analyses are influenced by the matrix, originating from different thickeners. We have compared the results from the most common methods, XRF, RDE-OES and ICP-OES. The latter method using modern microwave assisted sample preparation. The analysis using ICP-OES after microwave-assisted digestion leads to low LODs compared to the other methods used in this study. Keywords Grease, Used Grease Analysis, Microwave, Digestion, Elemental Analysis, Atomic Emission Spectroscopy Kurzfassung Abstract * Dr. Christoph J. Rohbogner (federführender Autor), Dr. Thomas Fischer OELCHECK GmbH Kerschelweg 28, 83098 Brannenburg TuS_4_2023.qxp_TuS_4_2023 20.09.23 09: 16 Seite 14 grund fixer Wechselintervalle, sondern anhand ihres Zustands zu behandeln und somit einen Betrag zur Vermeidung klimawirksamer Emissionen zu leisten [2, 3, 4]. Die Gebrauchtölanalyse ist wie erwähnt Industriestandard. In einem typischen Ölanalyseprogramm werden routinemäßig zahlreiche Parameter ermittelt, deren Bestimmung durch eine Vielzahl nationaler und internationaler Normen (DIN, EN und ISO) festgelegt ist. Diese Normierung der analytischen Verfahren hat den Vorteil, dass bei der Verwendung der gleichen Norm eine Vergleichbarkeit der ermittelten Werte besteht, auch wenn diese durch unterschiedliche Laboratorien bestimmt wurden. Die Bestimmung von Verschleiß- und Additivelementen ist neben ca. 40 weiteren Werten in einer Standardgebrauchtöluntersuchung ein zentraler Parameter. Die Konzentration von typischen Verschleißmetallen wie z.B. Eisen, Aluminium, Zinn und Kupfer gibt Aufschluss über eine normale oder ungewöhnliche Verschleißsituation in der Maschine. Des Weiteren gibt die Konzentration der Additivelemente wie z.B. Calcium, Zink, Phosphor oder Molybdän Aufschluss darüber, ob der eingesetzte Schmierstoff noch über genug Reserven für den weiteren Gebrauch, verfügt. [5] Im Gegensatz zur Gebrauchtölanalytik ist die Untersuchung von gebrauchten Fetten weniger weit verbreitet. Dennoch liefern auch Gebrauchtfette wichtige Informationen zum Maschinenzustand, der Verschleißsituation sowie Beschaffenheit des Schmierstoffs. Somit ist auch die Analyse von Fetten aus den genannten Gründen ein wichtiges Instrument einer nachhaltigen Schmierstoffstrategie. Aufgrund fehlender internationaler Normen für die Elementanalyse ist jedoch eine direkte Vergleichbarkeit unterschiedlicher Laboratorien nicht immer gegeben. Fette dienen wie Schmieröle der Reibungsreduzierung gegeneinander bewegter Oberflächen. Im Gegensatz zu Ölen sind Fette grundsätzlich mit einem Verdicker versehen. Dieser sichert das Verbleiben des Schmierstoffs an der vorgesehenen Oberfläche und das Freigeben des Öls im vorgesehenen Moment. Dadurch kommen fettgeschmierte Anwendungen oftmals ohne komplexe Schmierstoffversorgung aus. Neben weiteren Vorteilen der Fettschmierung müssen die Lager nicht speziell gegen Schmierstoffverlust abgedichtet werden. Als nachteilig gegenüber einer Ölschmierung können jedoch unter anderem, schlechtere Abfuhr von Wärme, Verschleiß- und Schmutzpartikeln sowie höhere Aufwände beim Schmierstoffwechsel, gelten. Dies ist hauptsächlich auf die Inhomogenität eines Fettes zurückzuführen. Diese resultiert aber automatisch aus der Beschaffenheit und der Anwesenheit eines Verdickers. Letzterer macht auch die Elementanalyse aufwändig und bisweilen fehleranfällig [6]. In diesem Beitrag werden die gebräuchlichsten Messverfahren zur Bestimmung der Konzentration von Abrieb- und Additivelementen miteinander verglichen. Diese sind Röntgenfluoreszenz, optische Emissionsspektroskopie nach dem Rotrodeprinzip sowie mit induktiv gekoppeltem Plasma. Dabei wird auf Vor- und Nachteile der einzelnen Verfahren sowie mögliche Fehlerquellen eingegangen. 2 Beschreibung der Analyseverfahren Für die Durchführung der Elementanalytik ist eine Anregung aller in der Probe vorhandenen Elemente notwendig. Um diese zu erreichen, wird in die Probe, nach erfolgter Vorbereitung, Energie eingebracht. Nach dem Erreichen des angeregten Zustandes kehren die Elemente nach dem Verlassen der Anregungszone wieder in den sogenannten Grundzustand zurück. Hierbei wird die eingebrachte Energie in Form von Licht wieder emittiert, es entsteht dabei das für jedes Element charakteristische Linienspektrum. Über die Intensität des Lichts kann nach erfolgter Kalibration mit einem zertifizierten Standard eine quantitative Aussage über den Elementgehalt in der Probe getroffen werden. Diese Ermittlung wird von Systemgrenzen beeinflusst, es besteht typischerweise eine apparative sowie eine methodische Nachweisgrenze bei jedem Verfahren für die jeweiligen Elemente [7, 8]. 2.1 Röntgenfluoreszenz (XRF) Röntgenfluoreszenz ist eine oft eingesetzte, schnelle und genaue Methode bei der Elementbestimmung in Betriebsstoffen wie z.B. Kraftstoffen, Schmierölen und -fetten. Es sind prinzipiell zwei unterschiedliche Verfahren bekannt: Wellenlängendispersive Röntgenfluoreszenzanalyse (WDXRF) und Energiedispersive Röntgenfluoreszenzanalyse (EDXRF). Beide Methoden bringen die für die Elementanregung erforderliche Energie in Form von Röntgenstrahlung in die Probe ein. Sie unterscheiden sich aber in der Detektion der emittierten Fluoreszenzstrahlung. Bei der EDXRF wird die Energie der emittierten Fluoreszenzspektren gemessen. Bei der WDXRF sorgt ein zusätzlicher Analysatorkristall durch Beugung für eine spektrale Aufspaltung der emittierten Fluoreszenzstrahlung. Das ermöglicht eine wesentlich höhere Auflösung, d.h. auch Elemente mit nahe beieinanderliegenden Emissionsmaxima können noch unterschieden werden. Andererseits bedingt die höhere Auflösung bei der Detektion auch eine längere Messzeit. Kombinationen aus beiden Verfahren sind ebenfalls bekannt [9]. Die Verfahren sind weit verbreitet, zeigen jedoch Schwächen bei der Detektion von „leichten“ Elementen wie Lithium und Bor. Insbesondere Lithium ist im Bereich der Schmierfette aber von Relevanz. Des Weiteren können aufgrund der Röntgenstrahlung besondere Anforderungen an die Ausbildung des Bedienpersonals und die Räumlichkeiten gestellt werden [10]. Aus Wissenschaft und Forschung 15 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 4-5/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0018 TuS_4_2023.qxp_TuS_4_2023 20.09.23 09: 16 Seite 15 Es können somit bis zu 21 Verschleißmetalle, Verunreinigungen und Additivelemente bestimmt werden [11]. Es handelt sich bei der Anwendung um eine äußerst robuste Methode, die insbesondere beim Fehlen hochwertiger Infrastruktur (z.B. Laborgasversorgung) eingesetzt werden kann. Am Markt erhältliche Geräte sind beispielsweise vom US-Verteidigungsministerium für den frontnahen Einsatz zertifiziert. Das Gerät ist vorrangig für die Analyse von flüssigen Betriebsstoffen wie Schmierölen ausgelegt. Die Matrixkompensation findet somit über die Kohlenstoff- und Wasserstoffspektrallinien statt [12]. Die Anwendung des Verfahrens wird in einer Reihe von Normen entsprechend beschrieben, u.a.: - Elementbestimmung in Kraftstoffen ASTM D 6728 - Bestimmung von Verschleißelementen in Gebrauchtölen ASTM D6595 2.3 Optische Emissionsspektroskopie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-OES) Die Anregung der in der Probe vorhandenen Elemente findet bei diesem Verfahren mittels eines Argonplasmas mit einer Temperatur ca. 8.000 - 10.000 °C statt. Die Probe wird vor dem Einbringen in das Plasma in einem Zerstäuber im Argongasstrom vernebelt. In der nachfolgenden Spraykammer werden große Tropfen abgeschieden, bevor das Aerosol in das Plasma eingebracht wird (Bild 2). Aus Wissenschaft und Forschung 16 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 4-5/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0018 Zur Untersuchung von Betriebs- und Schmierstoffen werden u.a. folgende Normen regelmäßig angewendet: - Schwefelbestimmung in Kraftstoffen und Rohölprodukten ASTM D 2622, DIN EN ISO 20884 und DIN EN ISO 13032 - Bestimmung von Blei und anderen Schwermetallen in Ottokraftstoff: ASTM D 5059 - Bestimmung von Additiv und Abriebelementen in (gebrauchten) Motorenölen: ASTM D 4927, ASTM D6443, DIN EN 15309, DIN 51399-2 2.2 Optische Emissionsspektroskopie nach dem Rotrodeprinzip (RDE-OES) Bei dem OES-Verfahren nach dem Rotrode-Prinzip werden in weniger als einer Minute die an einem „Funkenrädchen“ anhaftenden Bestandteile einer ca. 2 ml großen Schmierstoffprobe in einem Lichtbogen, der zwischen dem Funkenrädchen und einer Graphitelektrode bei ca. 40.000 Volt gezündet wird, bis auf über 8.000 °C erhitzt. Die in Form von Temperatur zugefügte Energie regt die Elemente an und veranlasst jedes vorhandene Element, Licht einer charakteristischen Wellenlänge zu emittieren. Der Lichtstrahl wird mit Hilfe eines Kristallgitters (Prinzip Prisma) in seine Spektralfarben zerlegt. In einer Dunkelkammer sind in einem Radius Detektoren so angebracht, dass sie nur das Licht aufnehmen können, das für das jeweilige Element charakteristisch ist. Aus der Intensität des detektierten Lichtes wird durch Vergleich mit zuvor gemessenen Kalibrationsstandards die Konzentration der Elemente in der Probe berechnet. Bild 1: RDE-OES Instrument (links), Funkenrädchen mit Graphitelektrode und Probentiegel (Mitte), Lehre zum Auftragen einer konstanten Fettschicht (rechts) Das Plasma kann je nach Geräteausführung „stehen“ oder „liegen“. Letzteres eignet sich aufgrund von möglicher Rußakkumulation nur bedingt für Proben mit organischer Matrix. Die Beobachtung des Plasmas kann radial oder axial erfolgen, heutige Spektrometer verfügen üblicherweise über die simultane Beobachtung in beide Richtungen (sog. Dual-View Systeme). Die Detektion der emittier- Bild 2: Argonplasma [13] (links); Zyklonspraykammer [13] (rechts) TuS_4_2023.qxp_TuS_4_2023 20.09.23 09: 16 Seite 16 ten Strahlung findet typischerweise über einen CCD- Chip nach vorheriger spektraler Auftrennung bauartbedingt über ein Beugungsgitter in Echelle Bauweise oder eine Paschen-Runge Aufstellung des Rowland Kreises, statt. Konzentrationsabhängig können verschiedene Spektrallinien beobachtet werden. So kann eine größere Genauigkeit bei der Elementgehaltbestimmung erreicht werden. Auch können einige dieser Linien eines Elements bei der Anwesenheit von weiteren Elementen gestört sein. Ein Ausweichen auf andere Linien des Spektrums kann diese Störung beseitigen bzw. minimieren [14]. Die Ausführung der Optik sowie die Beobachtungsrichtung hat einen Einfluss auf die Nachweisgrenzen sowie den Platzbedarf des Spektrometers. In Abhängigkeit von den Anforderungen vor Ort kann ein System den Vorzug vor dem anderen erhalten. Auf die genauen Unterschiede sowie die Vorzüge der Spektrometer wird hier im Näheren nicht eingegangen. In einer ICP-OES Standarduntersuchung wird das Gerät üblicherweise mit einem zertifizierten Standard, der bis zu 30 Elemente enthält, kalibriert. Zum Zweck der Matrixkompensation wird die Kalibierlösung bereits in der Probe entsprechenden Lösungsmittel vorgehalten. Die ICP-OES Methode erlaubt Nachweise einzelner Elemente im ppb Bereich [7]. Die Anwendung des Verfahrens wird in einer Reihe nationaler und internationaler Normen beschrieben, u.a.: - Analyse von Abrieb- und Additivelementen in Schmierölen: ASTM D5185, DIN 51399-1 - Analyse von Verunreinigungen in Kraftstoffen: DIN EN 16476, ASTM D6751 - Bestimmung der Elementkonzentration in Wasser: DIN EN ISO 11885, ASTM D1976 Der Einsatz der ICP-OES in Laboratorien ist weit verbreitet. Dennoch werden hohe Anforderungen an die Laborinfrastruktur gestellt. Außerdem ist der Verbrauch von Argon ein Kostenfaktor beim Einsatz der Methode. 3 Möglichkeiten zur Probenvorbereitung Die Untersuchung in den oben beschriebenen Systemen kann eine Vorbereitung der Probe notwendig machen. Fette besitzen wie bereits beschrieben aufgrund des vorhandenen Verdickers für Verfahren wie RDE-OES und ICP-OES nicht immer die für eine direkte Bestimmung erforderliche Mobilität. 3.1 XRF Ein großer Vorteil der XRF-Analyse ist, dass sie direkt, ohne weitere Vorbereitung der Probe, erfolgen kann. Dazu wird die Probe lediglich homogenisiert und in ein dafür vorgesehenes Messgefäß (Bild 3) gegeben. Die Probenmenge beträgt aufgrund des Messgefäßes ca. 50 g. Aufgrund des Messprinzips ist es äußerst wichtig, dass die Menge und somit die Schichtdicke in den Messgefäßen für alle Messungen gleich ist. Dies kann unter Zuhilfenahme einer entsprechenden Lehre durchgeführt werden. Die Eindringtiefe der Strahlung nimmt mit zunehmender Schichtdicke ab. Somit sind weiter entfernte Regionen der Probe nicht im selben Maße im Ergebnis präsent. Des Weiteren muss eine Kompensation der organischen Matrix vorgenommen werden. Die Zusammensetzung des Fetts muss hierzu genau bekannt sein, damit die Matrixkompensation mit entsprechender Exaktheit vorgenommen werden kann. Dies ist üblicherweise bei Frischfetten der Fall, sodass die XRF insbesondere bei End-of-Line Kontrollen bei der Produktion eingesetzt wird. Die Zusammensetzung von Gebrauchtfetten ist meistens nicht in der Güte bekannt, sie unterliegen der Veränderungen durch den Gebrauch, auch kommt es beim Einsatz zu Vermischungen mit anderen Fetten. Ein weiterer Einfluss bei der XRF-Analyse ist der sogenannte Schatteneffekt oder „Wedge Effect“. Dieser wird hervorgerufen durch den Einsatz der entsprechenden Probengefäße (Bild 3, rechts). Das Eindringen der Röntgenstrahlen in die Probe wird durch die Geometrie des Probenträgers beeinflusst. Es kommt also zu „blinden“ Regionen in der Probe, diese werden nicht angeregt und dort enthaltene Verschleißpartikel dementsprechend nicht erfasst [16]. Aus Wissenschaft und Forschung 17 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 4-5/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0018 Bild 3: XRF-Probenträger (sog. Cups; links) [15]; Schatteneffekt („Wedge Effect“) bei XRF-Analysen (rechts) [16] TuS_4_2023.qxp_TuS_4_2023 20.09.23 09: 16 Seite 17 Schmierfette sind wie bereits erwähnt nicht homogen mittels organischem Lösungsmittel zu lösen. Der für die RDE-OES Analyse beschriebene Ansatz eines Aufschlämmens ist grundsätzlich auch für die ICP-OES Analytik denkbar. Die mit dem Vorgehen verbundenen Probleme wie das Absetzen größerer Partikel, bestehen dennoch. In modernen Probengebern kann es durch Aufrühren vor und während dem Ansaugen minimiert werden. Jedoch sind auch die Zerstäuber bezüglich der Partikelgröße limitiert. Üblicherweise sind Partikel größer als 4 µm von einer Analyse ausgeschlossen. Des Weiteren führt eine Suspension zu unterschiedlichen Tropfengrößen beim Zerstäuben. Eine konstant gleichmäßige Größe der Tropfen ist jedoch wichtig, um stabile und verlässliche Messergebisse zu erhalten. Eine Änderung der Tropfengröße führt zu Über- oder Unterbefunden. Um die Problematik der Inhomogenität zu überwinden, besteht die Möglichkeit ein passendes Aufschlussverfahren für die Fettprobe zu wählen. Dadurch werden die Bestandteile nach Behandlung mit einem Aufschlussreagenz in eine klare Lösung überführt. Für den vorliegenden Beitrag wurde ein Mikrowellenaufschlussverfahren mit konzentrierter Salpetersäure (HNO 3 ) als Mittel der Wahl angesehen. In einer modernen Labormikrowelle (Bild 4) mit 20 Probenplätzen wurde der Aufschluss innerhalb von 90 Minuten bei bis zu 240 °C in PTFE-Druckgefäßen vorgenommen. Dieses Verfahren erfolgt entsprechend der DIN 51460-1. Die erhaltene klare, salpetersaure Lösung wird im Anschluss an den Aufschluss für die ICP-OES Messung verdünnt oder direkt eingesetzt. Die Untersuchung erfolgt dann gemäß der DIN EN ISO 11885. Der Vorteil des Mikrowellenaufschlusses liegt klar auf der Hand, man erhält eine klare, homogene salpetersaure Lösung, die sich ideal für die Analytik mittels ICP-OES eignet. Das Verfahren nach der DIN EN ISO 11885 garantiert niedrige Nachweisgrenzen für die Elemente, einige liegen im ppb Bereich. Ein ähnliches Vorgehen ist in der ASTM D7303 beschrieben. Aus Wissenschaft und Forschung 18 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 4-5/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0018 3.2 RDE-OES Die RDE-OES ist primär zum Messen flüssiger, homogener Mineralölproben konzipiert. Wie bereits erwähnt sind Fettproben aufgrund des Verdickers nicht homogen und entsprechend immobil. Es besteht die Möglichkeit, das Fett mittels eines organischen Lösungsmittels wie z.B. n-Heptan oder Xylol aufzuschlämmen, um eine entsprechende Förderbarkeit über das Funkenrädchen zu erlangen. Durch dieses Vorgehen kann jedoch keine homogene, klare Lösung erzielt werden. Durch das Aufschlämmen wird zum einen die Viskosität der Probe herabgesetzt. Außerdem kommt es zur Agglomeration von sich bildendem Niederschlag. Je nach Beschaffenheit der Partikel können mit der RDE-OES Bestandteile allerdings nur bis zu einer Größe von 5 µm im Öl gefunden werden. Größere Partikel setzen sich zu schnell im Öl ab oder werden durch den Lichtbogen nicht intensiv genug angeregt. Dieser Effekt wird dadurch verstärkt, dass sich über die Messzeit das Funkenrädchen erwärmt und somit auch die Probe im Tiegel. Durch diesen Wärmeeintrag sinkt die Viskosität der Vorlage und der oben beschriebene Effekt tritt noch schneller ein. Außerdem wird über das Funkenrädchen teilverbrannter Analyt in die Probenvorlage gefördert. Die Matrixkompensation über die Kohlenstoff- und Wasserstofflinie des Spektrums ist demenentsprechend über die Messdauer beeinflusst. Das Resultat aus dem Beschriebenen: es können zum einen nicht alle in der Probe vorhandenen Analyten nachgewiesen werden, zum anderen ist die Matrixkompensation beeinflusst, dadurch kann es zu einem Fehlbefund kommen. Eine Lösung dafür ist, die Fettprobe direkt auf das Funkenrädchen aufzutragen. Somit umgeht man mögliche oben beschriebene Fällung von Probenbestandteilen. Wichtig hierbei ist, dass zum Auftragen eine Lehre (Bild 1, links) benutzt wird, die eine konstante Schichtdicke der Fettprobe auf dem Funkenrädchen gewährleistet. Nicht gleichmäßige Schichtdicken beeinträchtigen den Befund. Aber auch dieses Vorgehen verhindert nicht die Beeinträchtigung der Matrixkompensation über die Kohlenstoff- und Wasserstoffspektrallinien während der Messung. 3.3 ICP-OES Aufgrund ihres Aufbaus sind für eine ICP-OES Analyse zwingend flüssige und homogene Proben erforderlich. Wie oben beschrieben findet im Probeneintrag aus Zerstäuber und Spraykammer eine Verneblung der Probe und Abtrennung des zu messenden Aerosols statt. Bild 4: moderne Labormikrowelle der Fa. Anton Paar TuS_4_2023.qxp_TuS_4_2023 20.09.23 09: 16 Seite 18 4 Ergebnisse und Diskussion Über einen längeren Zeitraum wurde eine mittlere dreistellige Anzahl an Fettproben aus unterschiedlichen Anwendungen mit den drei vorgestellten Verfahren verglichen. Exemplarisch werden in diesem Beitrag die Ergebnisse von vier Proben dargestellt. Untersucht wurde u.a. ein lithiumverseiftes Fett aus dem Hauptlager einer Windkraftanlage. Es zeigt sich, dass ein gravierender Unterschied bei der Bestimmung der Verschleißelemente besteht (Bild 5). Die beiden OES- Methoden (RDE & ICP) zeigen im Vergleich mit der XRF deutlich niedrigere Konzentrationen bei Eisen und Kupfer. Die gefundene Abweichung ist möglicherweise ein Resultat aus der Matrixkompensation. Bei den Additiven zeigen sich ebenfalls deutliche Unterschiede bei Calcium, Zink und Phosphor. Lithium kann aufgrund seiner geringen Masse vom XRF nicht detektiert werden. Während beim Zink beide OES-Methoden wieder ähnliche Ergebnisse liefern weicht die XRF deutlich nach oben ab. Beim Calcium zeigt sich ein entgegengesetzter Trend, hier liefern XRF und RDE-OES ähnliche Ergebnisse. Die zweite Probe stammt ebenfalls aus einer Windkraftanlage, aus einem Blattlager. Hier liefern die drei Verfahren vergleichbare Werte für die Verschleißelemente Eisen und Kupfer (Bild 6). Bei den Additivelementen jedoch zeigen sich massive Abweichungen, insbesondere bei Calcium und Bismut, aber auch bei Zink werden von den drei Methoden deutlich unterschiedliche Werte ermittelt. Es besteht zwischen beiden OES-Methoden kein Trend oder eine Art Vergleichbarkeit. Auch hier führen möglicherweise Matrixeffekte zu den starken Abweichungen bei der Bestimmung. Lithium wird wie bereits erwähnt vom XRF nicht detektiert. Eine weitere Probe stammt aus dem Drehwerk eines Turmdrehkrans, auch dieses Fett ist auf einer Lithiumkomplexseife aufgebaut. Dadurch entfällt erneut die Detektion des Lithiums mittels XRF (Bild 7). Bezüglich der Bestimmung von Eisen zeigt sich ein vergleichbares Bild zum ersten Beispiel: RDE-OES und ICP-OES lie- Aus Wissenschaft und Forschung 19 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 4-5/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0018 0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 14000 16000 Fe Cr Al Cu Pb Mn Si Abrieb XRF mg/ kg RDE mg/ kg ICP mg/ kg 0 5000 10000 15000 20000 25000 30000 Ca Mg B Zn P Ba Mo Li Bi Additive XRF mg/ kg RDE mg/ kg ICP mg/ kg Bild 6: Verschleiß- und Additivelemente einer Fettprobe aus WKA-Blattlager 0 500 1000 1500 2000 2500 3000 3500 4000 4500 Fe Al Cu Mn Si Abrieb/ Verschleiß XRF mg/ kg RDE mg/ kg ICP mg/ kg 0 500 1000 1500 2000 2500 Ca Mg B Zn P Ba Mo Li Additive XRF mg/ kg RDE mg/ kg ICP mg/ kg Bild 5: Verschleiß- und Additivelemente einer Fettprobe aus WKA-Hauptlager TuS_4_2023.qxp_TuS_4_2023 20.09.23 09: 16 Seite 19 wässrigen vorlag und die Probe für das RDE-OES direkt auf das Funkenrädchen aufgetragen wurde, ist hier ebenfalls von einem Matrixeffekt auszugehen. 5 Zusammenfassung Es konnte gezeigt werden, dass unterschiedliche Verfahren bei der Analyse von Gebrauchtfetten zum Einsatz kommen, die jedoch mangels internationaler Normung nicht untereinander vergleichbar sind. Die Verfahren wurden miteinander verglichen, und es wurden entsprechende Unterschiede festgestellt. Diese beruhen typischerweise auf Matrixeffekten die über den Verdicker und/ oder den Gebrauchszustand bestimmt werden. Auch Vermischungen unterschiedlicher Fette beeinflussen die Analytik. Die Beseitigung der Matrix und deren Effekte ist somit zu bevorzugen, um eine hohe Qualität der Analytik zu gewährleisten. Einen Sonderfall stellt hier die Analytik von Frischprodukten dar. Hier ist die exakte Zusammensetzung im Normalfall bekannt, ein Einsatz der XRF ist Aus Wissenschaft und Forschung 20 Tribologie + Schmierungstechnik · 70. Jahrgang · 4-5/ 2023 DOI 10.24053/ TuS-2023-0018 fern vergleichbare Konzentrationen, während die XRF sehr deutlich abweicht. Bei der Detektion der Additivelemente jedoch ist zwischen beiden OES-Methoden nur die Lithiumkonzentration vergleichbar. Die drei Methoden liefern unterschiedliche Werte für die jeweils anderen Elemente. Tendenziell liefert die XRF immer einen höheren Wert als die OES-Verfahren, auch hier ist wahrscheinlich der Einfluss der Matrix ausschlaggebend. Die Probe eines Fettes mit einem organischen, Polyharnstoffverdicker wurde aus einer Antriebswelle eines LKW entnommen. Hier zeigen sich weitere Nachteile der XRF-Analyse: die Nachweisgrenzen für Verschleißmetalle sind bei den festgestellten Werten unterschritten. Somit liefert die XRF-Methode keinerlei Werte, nur RDE-OES und ICP-OES haben verlässliche Konzentrationen für die Verschleißmetalle erbracht (Bild 8). Die Werte für Eisen, Kupfer und Aluminium sind vergleichbar, es zeigen sich keine gravierenden Abweichungen. Beim Natrium hingegen, wahrscheinlich eine Verunreinigung durch salzhaltiges Wasser, liefert die Rotrode einen deutlich höheren Wert im Vergleich zur ICP-OES. Da die Probe für ICP-OES nach dem Aufschluss im 0 20 40 60 80 100 120 140 Fe Cr Al Cu Si Na Wear Elements XRF mg/ kg RDE mg/ kg ICP mg/ kg 0 2000 4000 6000 8000 10000 12000 14000 16000 Ca Mg B Zn P Ba Mo Li Additive Elements XRF mg/ kg RDE mg/ kg ICP mg/ kg Bild 8: Verschleiß- und Additivelemente einer Fettprobe aus einer LKW-Antriebswelle 0 5000 10000 15000 20000 25000 Fe Cr Ni Cu Mn Si Wear Elements XRF mg/ kg RDE mg/ kg ICP mg/ kg 0 1000 2000 3000 4000 5000 6000 Ca Mg B Zn P Ba Mo Li Additive Elements XRF mg/ kg RDE mg/ kg ICP mg/ kg Bild 7: Verschleiß- und Additivelemente einer Fettprobe aus dem Drehwerk eines Turmdrehkrans TuS_4_2023.qxp_TuS_4_2023 20.09.23 09: 16 Seite 20 hierbei somit eine sehr gute Wahl, auch unter dem Gesichtspunkt, dass keine geringen Konzentrationen an Abriebelementen festgestellt werden müssen. Somit ist die relativ hohe Nachweisgrenze der XRF hier kein Problem. Das mikrowellenunterstützte Druckaufschlussverfahren bietet wie oben erwähnt den Vorteil, die komplexe Matrix eines Schmierfetts zu entfernen und somit die Analyse von Verschleiß und Abriebelementen zu vereinfachen, da Störungen minimiert werden. Es bestünde auch die Möglichkeit, die nach dem Druckaufschluss erhaltene, salpetersaure wässrige Lösung mittels RDE-OES oder gar XRF zu analysieren. Jedoch sind zum einen die Nachweisgrenzen der ICP-OES Methode deutlich niedriger im Vergleich zu den beiden Verfahren, außerdem besteht mit der DIN EN ISO 11885 eine internationale Norm für die Analyse solcher Lösungen. Somit besteht hier der Vorteil der Vergleichbarkeit unterschiedlicher Labore. Literatur [1] Poley, J., Murphy, M. The History of Oil Analysis, Noria Corp. 2007, https: / / www.machinerylubrication.com/ Read/ 1113/ history-of-oil-analysis (abgerufen 30.06.2023). [2] Woydt, M. (Ed.), Bock, E., Hosenfeldt, T., Bakolas, V., Luther, R., Wincierz, C. 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