eJournals Tribologie und Schmierungstechnik 71/eOnly Special Issue 2

Tribologie und Schmierungstechnik
tus
0724-3472
2941-0908
expert verlag Tübingen
10.24053/TuS-2024-0030
0203
2025
71eOnly Special Issue 2 Jungk

Verschleißverhalten von additiv gefertigten Kunststoff-Kunststoff-Gleitpaarungen

0203
2025
Felix Harden
Birgit Schädel
Roland Kral
Leonard Sieberthttps://orcid.org/0000-0001-5316-7240
Rainer Adelunghttps://orcid.org/0000-0002-2617-678X
Olaf Jacobshttps://orcid.org/0000-0002-9685-4961
Vor dem Hintergrund der rasant steigenden Bedeutung der additiven Fertigung in der industriellen Anwendung und der sich daraus ergebenden Freiheit in Design und Materialkombinationen, sind additiv gefertigte Kunststoff-Kunststoff-Gleitpaarungen von zunehmendem Interesse. Idealerweise sollten maßgeschneiderte Compounds zum Einsatz kommen, um das volle Potential von additiv gefertigten Kunststoff-Kunststoff-Gleitpaarungen auszuschöpfen. In Anbetracht der additiven Fertigungsverfahren spielen jedoch nicht nur die Materialpaarungen, sondern auch ein Verständnis des Einflusses unterschiedlicher Druckparameter eine entscheidende Rolle. Diese Arbeit stellt eine erste, mit Hilfe des Kugel-Prisma-Tribometers ermittelte Verschleißdatenbasis für kommerziell erhältliche Tribo-Werkstoffe dar. Davon ausgehend werden die Einflüsse von Druckorientierung und Materialpaarungen auf das Verschleißverhalten untersucht. Des Weiteren wird deren wechselseitige Abhängigkeit diskutiert. Ergänzend werden die Besonderheiten und Herausforderungen der Prüfkörperherstellung sowie der Verschleißmessung betrachtet.
tus71s20019
Einleitung Kunststoffe durchdringen dank ihrer vielfältigen Eigenschaften beinahe alle Bereiche des Lebens. Aufgrund ihrer Eigenschaften wie beispielsweise hohe chemische Beständigkeit und gute Notlaufsowie Dämpfungseigenschaften werden Kunststoffe immer wieder in tribologisch beanspruchten Systemen verwendet [1]. Dabei kommen speziell additivierte Kunststoffe, häufig mit Zusätzen von PTFE, Grafit oder Silikonöl, zum Einsatz [2]. In den letzten Jahren wurden additive Fertigungsverfahren, allgemein bekannt als „3D-Druck“, zunehmend auch Bestandteil industrieller Produktionsketten [3]. Ein 3D-Print Material Tribology 19 Tribologie + Schmierungstechnik · volume 71 · eOnly special issue 2/ 2024 DOI 10.24053/ TuS-2024-0030 Verschleißverhalten von additiv gefertigten Kunststoff-Kunststoff- Gleitpaarungen Felix Harden, Birgit Schädel, Roland Kral, Leonard Siebert, Rainer Adelung, Olaf Jacobs* Vorgetragen auf der Jahrestagung der Gesellschaft für Tribologie vom 28. bis 30. September 2020 Eingereicht: 14. 9. 2020 Nach Begutachtung angenommen: 30. 3. 2021 Vor dem Hintergrund der rasant steigenden Bedeutung der additiven Fertigung in der industriellen Anwendung und der sich daraus ergebenden Freiheit in Design und Materialkombinationen, sind additiv gefertigte Kunststoff-Kunststoff-Gleitpaarungen von zunehmendem Interesse. Idealerweise sollten maßgeschneiderte Compounds zum Einsatz kommen, um das volle Potential von additiv gefertigten Kunststoff- Kunststoff-Gleitpaarungen auszuschöpfen. In Anbetracht der additiven Fertigungsverfahren spielen jedoch nicht nur die Materialpaarungen, sondern auch ein Verständnis des Einflusses unterschiedlicher Druckparameter eine entscheidende Rolle. Diese Arbeit stellt eine erste, mit Hilfe des Kugel-Prisma- Tribometers ermittelte Verschleißdatenbasis für kommerziell erhältliche Tribo-Werkstoffe dar. Davon ausgehend werden die Einflüsse von Druckorientierung und Materialpaarungen auf das Verschleißverhalten untersucht. Des Weiteren wird deren wechselseitige Abhängigkeit diskutiert. Ergänzend werden die Besonderheiten und Herausforderungen der Prüfkörperherstellung sowie der Verschleißmessung betrachtet. Schlüsselwörter 3D-Druck, Additive Fertigung, FDM, FLM, Gleitverschleiß, Kugel-Prisma-Tribometer, Kunststoff- Kunststoff, Materialextrusion Wear behavior of additive manufactured polymer-polymer sliding combinations For industrial applications, additive manufacturing becomes more and more important due to its unrivaled design and materials freedom. In this light, additively manufactured polymer-polymer sliding combinations gain increasing interest for manifold tribological applications. This potential can be fully exploited, e.g., by using tribologically tailored compounds. For additive manufacturing not only the sliding combinations but also the understanding of the influence of printing parameters are important. Thus, this work is a first investigation of commercially available tribological compounds regarding their wear behavior by means of the ball-prism wear test. On that basis, influences of printing orientation and material combination on the wear behavior are investigated. In addition, interactions of these parameters will be discussed. Finally, the challenges of test specimen production as well as wear measurements are considered. Keywords 3D-printing, additive manufacturing, FDM, FLM, sliding wear, ball-prism wear test, polymer-polymer, material extrusion Kurzfassung Abstract * Felix Harden, M.Sc. Dipl.-Ing. (FH) Birgit Schädel Prof. Dr.-Ing. Roland Kral Technische Hochschule Lübeck, Fachbereich Maschinenbau und Wirtschaft, 23562 Lübeck Leonard Siebert, M.Sc. Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0001-5316-7240 Prof. Dr. rer. nat. Rainer Adelung Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-2617-678X Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Institut für Materialwissenschaft, 24143 Kiel Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Phys. Olaf Jacobs Orcid-ID: https: / / orcid.org/ 0000-0002-9685-4961 Technische Hochschule Lübeck, Fachbereich Maschinenbau und Wirtschaft, 23562 Lübeck 3D-Print Material Tribology 20 Tribologie + Schmierungstechnik · volume 71 · eOnly special issue 2/ 2024 von Erhard [8] stammt bereits aus dem Jahr 1980. Bei dieser Arbeit wurde der Fokus allerdings mehr auf das Reibals auf das Verschleißverhalten gelegt. Zudem wurden nur nicht additivierte Kunststoffe verwendet. Aktuellere Studien wie die von Ashraf et al. von 2009 [9], Schädel et al. von 2012 [10] und Ramesh et al. von 2019 [11] zeigen, dass auch heute noch die Vorhersage des Verschleißverhaltens von Kunststoff-Kunststoff-Paarungen schwierig ist. Insbesondere die Arbeit von Ramesh et al. [11] verdeutlicht nochmals, dass auch für Standardpolymere kaum Reibungs- und Verschleißdaten zu Kunststoff-Kunststoff-Paarungen vorhanden sind. Um eine bessere Datengrundlage zu schaffen, werden hier zunächst einige bereits kommerziell erhältliche Compounds untersucht. Davon ausgehend stellt die vorliegende Arbeit den Beginn einer systematischen Untersuchung verschiedener, insbesondere mittels FLM-Verfahren additiv gefertigter, tribologischer Kunststoff- Kunststoff-Paarungen dar. Im Folgenden werden entscheidende Einflussfaktoren identifiziert und damit die Grundlagen für umfangreichere Untersuchungen gelegt. Materialien Um den Einfluss der Materialpaarung zu untersuchen, wurden für die jeweiligen Kunststoff-Kunststoff-Paarungen vier verschiedene Materialien verwendet, welche bereits als Filament (aufgewickeltes Strangmaterial, optimiert für das FLM-Verfahren) kommerziell erhältlich sind. Bei den Materialien handelt es sich um Glycolmodifiziertes Polyethylenterephthalat (PETG) sowie Acrylnitril-Styrol-Acrylat-Copolymerisat (ASA). Diese wurden zum einen bereits für tribologische Anwendungen mit Partikeln aus Polytetrafluorethylen (PTFE) modifiziert; daneben wurden die nicht tribologisch optimierten Varianten in die Untersuchung mit einbezogen. Tabelle 1 zeigt die Materialien, die Bezeichnungen, welche im weiteren Verlauf Verwendung finden, und grundlegende Kennwerte. Die Bestimmung des E-Moduls sowie der Zugfestigkeit wurden nach DIN EN ISO 527-1 [12] durchgeführt. Abweichend zur Norm wurden horizontal gedruckte Prüfkörper mit der Geometrie 1BA nach DIN EN ISO 527-2 [13] verwendet. Die Parameter zur Herstellung der gedruckten Prüfkörper werden im nächsten Kapitel beschrieben. Die thermischen Eigenschaften wurden mittels dynamischer Differenzkalorimetrie (DSC) der Firma Netzsch Gerätebau GmbH mit ca. 10 mg Probeneinwaage und einer Heizrate von 10 K/ min ermittelt. DOI 10.24053/ TuS-2024-0030 entscheidender Faktor hierfür ist, dass sich mittels additiver Fertigungsverfahren eine nahezu beliebige Bauteilkomplexität ohne teure Formwerkzeuge herstellen lässt, was sie gerade auch für kleine Stückzahlen interessant macht. Zudem eröffnet die additive Fertigung ganz neue Möglichkeiten, wie beispielsweise die Verarbeitung mehrerer Materialien im selben Prozess, auch bekannt als „Multimaterialdruck“ [4]. Somit können beispielsweise tribologische Paarungen hinsichtlich der Druckparameter und Materialkombination weitgehend frei designt werden. Darüber hinaus ermöglicht die additive Fertigung die Herstellung von zusammenbaufreien Mechanismen, sogenannte Non-Assembly-Mechanismen, in einem einzigen Fertigungsschritt. Solche Mechanismen reduzieren nicht nur den Montageaufwand, sondern ermöglichen weitreichende Funktionsintegration und Gewichtseinsparung. Allerdings ist dies auf Materialien beschränkt, die in einem Prozess verarbeitet werden können. In Anbetracht dieser Tatsache sind auch tribologisch aufeinander zugeschnittene Werkstoffe derselben Werkstoffgruppe unabdingbar. Zu den am weitesten verbreiteten additiven Fertigungsverfahren zählen die Materialextrusionsverfahren für Kunststoffe, auch bekannt unter dem Markennamen „Fused Deposition Modeling - FDM ® “ von Stratasys oder „Fused Layer Modelling - FLM“ nach der VDI-Richtlinie 3405 [5], [6]. Um das volle Potential additiv gefertigter Non- Assembly-Mechanismen für die Materialextrusionsverfahren für Kunststoffe ausnutzen zu können, sind neben konstruktiven Voraussetzungen aufeinander abgestimmte Kunststoff-Kunststoff-Verschleißpaarungen unabdingbar. Das setzt eine gründliche Untersuchung spezifischer Paarungen, der Additivierung der Kunststoff- Compounds sowie des Einflusses der Druckparameter auf das Verschleißverhalten voraus. Vor diesem Hintergrund sind aufeinander abgestimmte Kunststoff-Kunststoff-Gleitpaarungen für die Verarbeitung mittels additiver Fertigung von großem Interesse. Die Studie von Angelopoulos et al. [7] gibt einen guten Überblick über den Stand der Forschung in Bezug auf funktionelle Füllstoffe und deren Auswirkung auf die Materialeigenschaften im Bereich der FLM-Verfahren. Hier wird nochmals deutlich, dass insbesondere in dem Bereich der Materialien für FLM-Verfahren nur sehr wenige Erkenntnisse über tribologische Zusammenhänge vorliegen. Hinzu kommt, dass trotz der in der Praxis recht weit verbreiteten Paarung von Kunstoffen unter tribologischen Beanspruchungen, bisher nur wenige experimentelle Untersuchungen auf diesem Gebiet veröffentlicht wurden. Die wohl bekannteste und umfassendste Studie Bez. Polymer/ Blend Hersteller E [MPa] σ m [MPa] T g [°C] T m [°C] I150 PETG/ PTFE Igus GmbH 2500 44 77/ - -/ 330 I170 ASA/ PTFE Igus GmbH 2300 27 101/ - -/ 325 PETG PETG Filamentworld 2400 47 77 - ASA ASA Fillamentum Manufacturing 2400 36 104 - Tabelle 1: Materialien und Bezeichnung 3D-Print Material Tribology 21 Tribologie + Schmierungstechnik · volume 71 · eOnly special issue 2/ 2024 Prüfkörperherstellung Die Prüfkörperherstellung sowohl für die tribologische als auch mechanische Prüfung, erfolgte im FLM Verfahren mit einem Ultimaker 2+ der Firma Ultimaker BV. Das Gerät verfügt neben einem Bowdenextruder über eine beheizte Druckplatte und wurde mit einer Düse mit 0,4 mm Durchmesser ausgestattet. Da sich die unterschiedlichen Materialien nicht mit identischen Parametern verarbeiten lassen, wurden diese mit einem jeweils auf das Material angepassten Parametersatz verarbeitet. Basierend auf den Untersuchungsergebnissen von Kuznetsov et al. [14] wurden die Prüfkörper mit möglichst hoher Verarbeitungstemperatur sowie ohne Bauteilkühlung gefertigt, um maximale Festigkeit zu erzielen. Zudem wurde, um eine möglichst geringe Rauheit der Oberfläche zu schaffen, die Schichtdicke so klein wie möglich gewählt. Insbesondere bei I170 musste sowohl bei Schichtdicke als auch bei Druckgeschwindigkeit abweichend von den Parametern der anderen Materialien gearbeitet werden, damit sich dieses verarbeiten ließ. Die maßgeblichen Verarbeitungsparameter für die einzelnen Materialien sind in Tabelle 2 dargestellt. Für die Verschleißversuche wurden jeweils sechs Kugeln und zwölf Plättchen in einem Druck gefertigt. In Anlehnung an die Norm DIN ISO 7148-2 [15] wurden Kugeln mit dem Durchmesser von 12,7 mm mit einer Aufnahme zur Einspannung in den Prüfstand gedruckt. Die Plättchen wurden ebenfalls nach den maßlichen Standards der Norm angefertigt mit Abmessungen von 10 mm x 12 mm und 2 mm Dicke. Nach Herstellung der Prüfkörper wurden diese min. 24 Stunden bei Raumbedingungen (ca. 20 °C / 50 % rF) ausgelagert. Anschließend wurden die Plättchen in Aluminiumträger eingeklebt, um die für die Verschleißversuche benötigten Prismen zu erhalten. Vor jedem Verschleißversuch wurden sowohl die Prismen als auch die Kugeln mit unvergälltem Ethanol gereinigt. Bedingt durch das FLM-Verfahren entstehen anisotrope Bauteile. Gründe hierfür liegen in den fertigungsbedingt bereits anisotropen Werkstoffeigenschaften der Filamente und in deren gerichteter Ablage sowohl in der Fertigungsebene (x-y-Ebene), als auch in der Schichtungsrichtung (z-Richtung) senkrecht dazu. Als Folge entsteht unter anderem eine Ausrichtung der gedruckten Oberflächenstruktur. Um deren Einfluss auf das Verschleißverhalten zu untersuchen, wurden die Plättchen auf unterschiedliche Weise im Prisma orientiert, sodass sich zwei verschiedene Ausrichtungen der aufeinander einwirkenden Oberflächenorientierungen zueinander ergeben. Bild 1 zeigt schematisch die Druckgeometrien im Verschleißprüfstand. Links ist die Ausrichtung der Oberflächenorientierungen des Prismas parallel zur Rotationsrichtung und gleichzeitig parallel zur Oberflächenorientierung der Kugel zu sehen, im Folgenden als Längsausrichtung (bzw. längs) bezeichnet, im rechten Teil der Abbildung die Ausrichtung der Oberflächenorientierungen des Prismas rechtwinklig zur Rotationsrichtung, im Weiteren als Querausrichtung (quer) bezeichnet. Alle möglichen Materialkombinationen (vergl. Tabelle 1) wurden sowohl in Längs-, als auch in Querrichtung getestet. In Kombination mit Tausch des statischen und rotierenden Partners ergeben sich somit 32 Kombinationsmöglichkeiten. DOI 10.24053/ TuS-2024-0030 Bez. Drucktemperatur [°C] Druckgeschwindigkeit [mm/ s] Schichtdicke[μm] I150 230 20 60 I170 250 40 100 PETG 215 20 60 ASA 260 20 60 Tabelle 2: Ausgewählte Verarbeitungsparameter im FLM-Verfahren Bild 1: Geometrie des Verschleißkontakts mit Oberflächenorientierung der Plättchen; links: längs, rechts: quer 3D-Print Material Tribology 22 Tribologie + Schmierungstechnik · volume 71 · eOnly special issue 2/ 2024 tationsfrequenz im Trockenlauf. Aufgrund der Prüfkörpergeometrien ergibt sich daraus eine Normalkraft von 21,21 N pro Plättchen und eine Gleitgeschwindigkeit von 28 mm/ s zu Beginn des Versuchs. Zusätzlich zu den Versuchen mit 100 h Versuchsdauer wurden zur Ermittlung der Veränderung der Oberflächenstruktur in der Einlaufphase an sechs Armen an einer ausgewählten Materialpaarung Versuche mit ansonsten identischen Bedingungen durchgeführt, bei denen mit Taktung von 10 min über die ersten 60 min jeweils ein Prüfkörper entnommen wurde. Dies wurde exemplarisch anhand der Kombination von PETG-Kugeln gegen I150-Prismen längs sowie quer durchgeführt. Ein Nachteil dieses Versuchsaufbaus ist, dass aufgrund der kugelförmigen Kontaktfläche die Flächenpressung während des Versuchs kontinuierlich abnimmt, ebenso - wenn auch in deutlich geringerem Maße - die Gleitgeschwindigkeit bei Verschleißen der Kugel. Somit ist bei diesem Versuchsaufbau der pv-Wert nicht konstant über die Versuchsdauer. Auch können mit dem Kugel- Prisma-Tribometer keine Reibwerte ermittelt werden. DOI 10.24053/ TuS-2024-0030 Untersuchungsmethoden Die Verschleißversuche fanden in VPS 6-fach Verschleißprüfständen von Dr. Tillwich GmbH Werner Stehr statt, die nach dem Modellsystem Kugel/ Prisma arbeiten. Diese Prüfstände bieten den entscheidenden Vorteil, dass pro Prüfstand sechs Paarungen gleichzeitig geprüft werden können. Pro Paarung wurden zur Ermittlung der Verschleißdaten jeweils drei Versuche durchgeführt. Angesichts der sich daraus ergebenden großen Anzahl an notwendigen Verschleißversuchen (min. 96), um die Versuchsmatrix abzubilden, in Kombination mit der langen Dauer tribologischer Untersuchungen, wurde diese Testmethode für die Verschleißversuche gewählt. Die Prüfstände wurden mit induktiven Wegaufnehmern zur digitalen Datenerfassung ausgerüstet. Das schematische Versuchsprinzip ist in Bild 2 zu sehen. Der Versuchsarm wird mit einem Gewicht belastet, welches das Prisma gegen den rotierenden Kugelprüfkörper drückt. Der induktive Wegaufnehmer zeichnet die Eindringtiefe beider Prüfkörper ineinander auf. Geprüft wurde dabei nach DIN ISO 7148-2 [15] bei 23 -0 +1,4 °C und 50 -10,9 +3,5 rF über 100 h mit einer Belastung von 30 N und 1 Hz Ro- Bild 3: Versuchsschema Universaltribometer; grün: Messgrößen, rot: Prüfkräfte, schwarz: Bewegungen Bild 2: Versuchsprinzip Kugel-Prisma Verschleißtest [10] Aus diesem Grund wurden an ausgewählten Materialkombinationen zusätzlich Untersuchungen zum Reibungskoeffizienten mit einem Universal-Tribometer UMT-3MT der Firma Center for Tribology, Inc. (CETR) durchgeführt. Dazu wurden die Geometrien, Eingriffsverhältnisse und Belastungen der Kugel-Prisma-Verschleißuntersuchungen einseitig nachgebildet. Bild 3 zeigt den Versuchsaufbau. Die Kugel wird zentrisch auf einen rotierenden Tisch gespannt und das Plättchen auf einer 45° abgeschrägten Ebene des Prüfdorns befestigt. Dieser wiederum ist an dem Kraftaufnehmer befestigt, welcher sowohl vertikale Kräfte als auch einachsig horizontale Reibkräfte aufnehmen kann. Um die Reibkräfte messen zu können, konnte daher lediglich eine Hälfte des Prismas gegen die Kugel gedrückt werden. Dies hat zur Folge, dass die Prüfkraft lediglich 15 N betrug, um eine Normalkraft von 21,21 N auf das Plättchen zu erhalten, was der Normalkraft im Kugel-Prisma-Versuch entspricht. Die Drehzahl von 1 Hz wurde identisch der Kugel-Prisma-Versuche gewählt. Aus der aufgebrachten Prüfkraft F wurde die wirkende Normalkraft F N berechnet, durch Division der gemessenen Reibkraft F R durch die Normalkraft der Reibungskoeffizient µ. Alle Versuche zur Reibwertermittlung wurden an quer ausgerichteten Prismen vorgenommen. Auswertemethodik Wie bereits in einer früheren Arbeit von Schädel et al. [10] mit demselben Versuchsaufbau im Kugel-Prisma- Prüfstand dargestellt, wird die Auswertung von Kunststoff-Kunststoff-Verschleißuntersuchungen wesentlich komplexer als bei gängigen Verschleißuntersuchungen von Kunststoffen gegen einen metallischen oder keramischen Gegenpartner. Dort kann in der Regel der auftretende Verschleiß des Gegenpartners vernachlässigt werden, sodass Kontaktgeometrie und Verschleißvolumen eindeutig aus der Eindringtiefe ermittelt werden können. Bei einer Kunststoff-Kunststoff-Paarung verschleißen dagegen beide Partner in variablem Maße. Somit kann die Eindringtiefe nicht eindeutig einem der beiden Verschleißpartner zugeordnet werden. Bild 4 zeigt die beiden möglichen Extremfälle der Verschleißszenarien sowie deren projizierte Verschleißfläche (a). Sie ist für beide Szenarien bei gleicher Eindringtiefe identisch. Das Verschleißvolumen, welches sich aus der projizierten Verschleißfläche ermitteln lässt, ist dagegen für beide Szenarien stark unterschiedlich. Verschleißt nur das Prisma (b), bildet sich im Eingriff jedes der Plättchen eine Kalotte aus. Verschleißt wiederum nur die Kugel (c), wird die projizierte Verschleißfläche umlaufend von der Kugel abgetragen. Somit ergibt sich bei derselben Eindringtiefe ein deutlich höheres Verschleißvolumen, wenn nur die Kugel verschleißt. Betrachtet man Bild 5, wird dieser Unterschied der beiden 3D-Print Material Tribology 23 Tribologie + Schmierungstechnik · volume 71 · eOnly special issue 2/ 2024 DOI 10.24053/ TuS-2024-0030 Bild 5: Vergleich von theoretischem, reinem Kugel- und Prismaverschleiß ermittelt aus gleichen gemessenen Eindringtiefen (am Beispiel der Messdaten der Paarung von I150 Kugel gegen ASA-Prisma) Bild 4: Mögliche Verschleißszenarien einer Kunststoff-Kunststoff-Paarung im Kugel-Prisma-Prüfstand; Verschleißvolumina sind rot dargestellt; a) projizierte Verschleißfläche, b) nur Prismaverschleiß, c) nur Kugelverschleiß 3D-Print Material Tribology 24 Tribologie + Schmierungstechnik · volume 71 · eOnly special issue 2/ 2024 Ergebnisse & Diskussion Nachfolgend werden zunächst die Ergebnisse aus den Versuchen mit dem Kugel-Prisma-Tribometer dargestellt. Die in Bild 6 exemplarisch dargestellten Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen zeigen zwei verschlissene Plättchen aus I150. Diese wurden in Kombination mit ASA-Kugeln getestet. Bei den Aufnahmen a) und b) handelt es sich um dasselbe Plättchen einer Paarung mit Längsausrichtung des Prismas. Die Aufnahmen c) und d) sind Aufnahmen eines Plättchens einer Paarung mit Querausrichtung des Prismas. Bild 6 a) zeigt einen nicht verschlissenen Bereich des Prismas. Die durch das Herstellungsverfahren in Bahnen strukturierte Oberfläche ist gut zu erkennen. Ebenfalls erkennbar sind die beim I150 eingebetteten PTFE-Partikel (beispielsweise rot umrandet). Da es sich um eine bereits tribologisch getestete Probe handelt, sind auch Abriebpartikel zu erkennen. Die Verschleißkalotte desselben Plättchens ist in Bild 6 b) zu sehen. Am rechten Rand befinden sich Teile der nicht verschlissenen Oberfläche des Plättchens. Die Verschleißkalotte selbst weist leicht gekrümmte Verschleißriefen in Rotationsrichtung der ASA-Kugel (roter Pfeil) auf. Durch das Herstellungsverfahren der Prüfkörper bedingte ausgerichtete, gedruckte Strukturen sind keine mehr erkennbar. In Bild 6 c) wird dies nochmals deutlich. Hier zu sehen ist das quer zur Rotationsrichtung ausgerichtete Plättchen auf der Eintrittsseite des DOI 10.24053/ TuS-2024-0030 Extremfälle nochmal deutlich. Das wahre Verschleißverhalten liegt somit irgendwo zwischen theoretischem reinem Kugel- und reinem Prismaverschleiß. Um Rückschlüsse sowohl auf das real vorliegende Verschleißszenario als auch auf die Oberflächenstruktur zu ermöglichen, wurden die Verschleißflächen nachträglich mit einem chromatischen Weißlicht-Sensor der Firma FRT GmbH abgerastert. Für die Berechnungen der Verschleißkennwerte wird das Verschleißvolumen in Abhängigkeit des Weges betrachtet. Zur Bestimmung der spezifischen Verschleißrate wird zuerst der stationäre Bereich des Verschleißes ermittelt. Für diesen Bereich gilt ein linearer Zusammenhang zwischen Verschleißvolumen und Reibweg. Anhand der Daten innerhalb dieses Bereichs lässt sich die spezifische Verschleißrate ermitteln. Der Bereich bis zum Erreichen des stationären Bereichs ist der Einlaufbereich. Hier wird das Gesamtvolumen im Einlaufbereich bezogen auf die Normalkraft ermittelt. Um einen Eindruck von den beteiligten Oberflächen - sowohl gedruckt als auch tribologisch beansprucht - und den wirkenden Verschleißmechanismen zu erlangen, wurden ausgewählte Proben mit einem Rasterelektronenmikroskop (Zeiss Supra 55VP) untersucht. Bild 6: REM-Aufnahmen verschlissener I150-Plättchen mit ASA als Gegenpartner; a) gedruckte Oberflächenstruktur von I150 auf einem unverschlissenen Bereich des Plättchens, b) Verschleißmarke eines Plättchens mit Längsausrichtung, c) Eintrittsseite der Kugel auf einem Plättchen mit Querausrichtung, d) Austrittsseite der Kugel auf einem Plättchen mit Querausrichtung; roter Pfeil: Rotationsrichtung der Kugel, rot umrandet: eingebettet PTFE Partikel, beige: Fertigungsrichtungen Gegenpartners. Die sich in der Verschleißkalotte als Folge des Verschleißvorgangs ausbildenden Riefen verlaufen senkrecht zur herstellungsbedingten Oberflächenorientierung der nicht verschlissenen Oberfläche im unteren Teil der Aufnahme. Strukturen die auf den Schichtungsprozess während der Prüfkörperherstellung zurückzuführen sind, verlaufen parallel zur durch eben diesen Schichtungsprozess ausgerichteten Oberflächenstruktur. Folglich sind die Riefen in der Verschleißkalotte eine Folge des Verschleißvorganges. Bild 6 d) zeigt die Austrittseite der Kugel auf dem Plättchen. Auch hier ist die Ausrichtung der Verschleißriefen zur Rotationsrichtung zu erkennen. Zusätzlich findet auf der Austrittseite vermehrt eine Anhäufung des Abriebs statt. Anhand der Untersuchungen der sich ausbildenden Verschleißflächen mit dem chromatischen Weißlicht-Sensor erfolgte eine Zuordnung der primär vorliegenden Verschleißszenarien, wie Bild 7 exemplarisch an zwei verschiedenen Verschleißpaarungen zeigt. Zur Bestimmung des primären Verschleißpartners wurden Schnitte an höchster, respektive tiefster Stelle durch die dreidimensionalen Topografiedaten gelegt und mit der Sollkontur verglichen. Betrachtet man die Profilschnitte der Verschleißpaarung oben in Bild 7, fällt bei a) eine Abweichung der Kontur des Kugelprüfkörpers von der idealen Kugelkontur auf. Der Profilschnitt des Prismas (b) weist im Wesentlichen lediglich eine Materialanhäufung des Abriebs auf. Hier verschleißt primär die Kugel. Betrachtet man nun die beiden unteren Topografiedatensätze lässt sich kaum eine Abweichung des Kugelprüfkörpers (c) von seiner Idealkontur feststellen. Das Prisma (d) hingegen weist eine deutliche Vertiefung auf. Bei dieser Paarung verschleißt primär das Prisma. Die Ergebnisse der Zuordnung der Verschleißszenarien sind in Tabelle 3 für alle Paarungen dargestellt. Drei der untersuchten Verschleißpaarungen verschlissen allerdings vollständig vor dem Erreichen des geplanten Versuchsendes (100 h). Die Verschleißpaarungen aus PETG-Kugel und PETG-Prisma versagten bereits nach wenigen Minuten unter starker thermischer Verformung. Somit ließ sich diese Paarung weder einem Verschleißszenario zuordnen, noch lassen sich weitere Auswertungen vornehmen. Die Verschleißpaarungen aus ASA und I170 verschlissen in den ersten etwa 10 Stunden komplett. Trotz des vorzeitigen Versagens ließen sich die Verschleißszenarien hier jedoch eindeutig zuordnen, weitere Auswertungen sind allerdings auch hier nicht möglich. 3D-Print Material Tribology 25 Tribologie + Schmierungstechnik · volume 71 · eOnly special issue 2/ 2024 DOI 10.24053/ TuS-2024-0030 Bild 7: 3D-Darstellung und Schnitt der Verschleißspur einer Verschleißpaarung aus a) I150-Kugel und b) I170-Prisma mit Querausrichtung sowie einer Verschleißpaarung aus c) PETG-Kugel und d) I170-Prisma mit Längsausrichtung; grün: Ideal-Kontur & Schnittposition, schwarz: Ist-Kontur; Breiten aller Darstellungen: 5 mm, Höhe der y-Achsen aller Diagramme: 700 µm 3D-Print Material Tribology 26 Tribologie + Schmierungstechnik · volume 71 · eOnly special issue 2/ 2024 ASA längs quer O O xV xV O O OV OV Kugel I1 I1 P A Für die Berechnung der Verschleißvolumina und damit auch der Verschleißraten aus den gemessenen Eindringtiefen wurden die zuvor ermittelten Verschleißszenarien der jeweiligen Paarung zugrunde gelegt. In Bild 8 sind die Verschleißraten, die im stationären Bereich nach Beendigung der Einlaufphase ermittelt wurden, dargestellt. Der Einfluss der Additivierung mit PTFE ist stark abhängig von der Kombination der Verschleißpartner. Betrachtet man die Paarungen aus PETG und I150 fällt auf, dass die Additivierung nur eines Verschleißpartners mit PTFE zu einer drastisch verringerten Verschleißrate im Vergleich zu Paarungen aus PETG und PETG führt. Dabei ist irrelevant, welcher der beiden Partner additiviert wird. Eine Additivierung beider Partner senkt die Verschleißrate - in geringerem Maße - noch weiter. Anders stellt es sich bei den Paarungen mit Kugeln aus PETG bzw. I150 gegen ASA-Prismen dar. Die Additivierung der I150-Kugel mit PTFE führt hier zu keiner Reduzierung der Verschleißrate. Im Einklang dazu steht, DOI 10.24053/ TuS-2024-0030 Anhand dieser Untersuchungen lassen sich erste Trends feststellen. Betrachtet man Tabelle 3 wird deutlich, dass die Orientierung der Oberflächenstruktur keinen signifikanten Einfluss auf das Verschleißszenario hat. Auffällig ist: Bei den Paarungen aus I150 bzw. I170 gegen PETG verschleißt, unabhängig vom Material, immer das Prisma. Für die anderen nichtgleichnamigen Paarungen ist es stark materialabhängig, ob vorwiegend das Prisma oder die Kugel verschleißt (Details dazu siehe weiter unten). Eine Korrelation mit dem Eingriffsverhältnis - das Prisma ist immer im Eingriff, die Kugel intermittierend - ist nicht festzustellen. Für gleichnamige Paarungen aus I170 bzw. ASA fällt auf, dass beide Partner maßgeblich verschleißen. Der Verschleiß setzt sich somit aus signifikanten Anteilen von Kugel- und Prismaverschleiß zusammen. Bei diesen Paarungen wird der Kugelverschleiß für die weiteren Berechnungen zugrunde gelegt. Diese Annahme führt zu überhöhten Werten der berechneten Verschleißvolumina. Bei Paarungen aus PETG mit I150 und I170 ist auffällig, dass unabhängig vom Material immer das Prisma verschleißt. Tabelle 3: Primärer Verschleißpartner; Prisma: V - Kugel: O - vorzeitig verschlissen: x Prisma I150 I170 PETG ASA längs quer längs quer längs quer längs quer Kugel I150 V V O O V V O O I170 V V OV OV V V xV xV PETG V V V V x x O O ASA V V xO xO V V OV OV Bild 8: spezifische Verschleißraten im stationären Zustand verschiedener Materialpaarungen im Kugel-Prisma- Verschleißtest; Primärer Verschleißpartner; Prisma: V - Kugel: O - vorzeitig verschlissen: x dass Paarungen aus ASA-Kugeln gegen Prismen aus PETG bzw. I150 ebenfalls keine signifikante Verringerung der spezifischen Verschleißrate durch die Additivierung mit PTFE aufweisen. Da für diese Paarungen beim Tausch der Materialien - wie aus Tabelle 3 zu entnehmen ist - das verschleißende Material dasselbe bleibt, wechselt jedoch das Verschleißszenario vom Kugelzu Prismaverschleiß, was eine Verringerung der spezifischen Verschleißrate zur Folge hat. Ähnliche Beobachtungen lassen sich für Paarungen aus PETGbzw. I150-Kugel mit I170-Prismen machen. Auch hier bleibt die Additivierung des I150 irrelevant für die spezifische Verschleißrate. Jedoch führt die Additivierung des Prismas zu einer drastisch verringerten Verschleißrate im Vergleich zum reinen ASA-Prisma. Zusätzlich ändert sich für die Paarung mit PETG-Kugel das Verschleißszenario von Kugelverschleiß beim Versuch gegen das ASA-Prima zu Prismaverschleiß beim I170- Prisma. Für Paarungen aus I170-Kugeln gegen Prismen aus I150 führt der Tausch der Partner zu einer weiteren Reduzierung der spezifischen Verschleißrate, da sich hier das Verschleißszenario zu Prismaverschleiß ändert. Aufgrund der hohen Schwankung bei Paarungen aus I170-Kugel und PETG-Prisma, kann kein signifikanter Unterschied im Vergleich zur umgekehrten Paarung festgestellt werden. Dies steht auch im Einklang mit dem trotz des Partnertausches für diese Paarung unveränderten Verschleißszenario. Im Gegensatz zu den Ergebnissen beider Verschleißpartner aus I150 führt eine Paarung beider Verschleißpartner aus I170 zu einer erhöhten Verschleißrate im Vergleich zu beiden Partnern aus reinem ASA. Eine mögliche Ursache, die zu dieser Erhöhung der Verschleißraten von I170-I170-Paarungen führt, könnte eine mangelhafte Anbindung des PTFE in die ASA-Matrix sein. Dies würde auch eine Erklärung für die verhältnismäßig geringen Festigkeitswerte der gedruckten I170-Prüfkörper liefern, bleibt jedoch noch zu klären. Dargestellt in Bild 9 ist das kraftbezogene Einlaufverschleißvolumen. Hier zeigt sich keine eindeutige Korrelation zwischen PTFE und dem kraftbezogenen Einlaufverschleißvolumen. Im Hinblick auf die Ausrichtung der Oberflächenstruktur wurde ein Einfluss auf das Verschleißverhalten, insbesondere auf den Einlaufverschleiß, erwartet. Betrachtet man die Ergebnisse der Auswertung des Einlaufverschleißvolumens, kann jedoch keine solche Korrelation festgestellt werden. Ebenso zeigt sich auch keine Korrelation zwischen der Ausrichtung der Oberflächenstruktur und der in Bild 8 dargestellten spezifischen Verschleißrate. Eine mögliche Erklärung ist, dass die Oberflächenstrukturen - durch die zu Beginn des Versuchs sehr kleine Kontaktfläche - bereits kurz nach Beginn des Versuches eingeebnet sind. Im weiteren Verlauf haben diese lediglich im Randbereich des Eingriffs eine untergeordnete Rolle. Die Untersuchungen der Verschleißflächen in den ersten 60 min der Einlaufphase bestätigen diese Vermutung. In Bild 10 ist bereits nach 20 min eine deutliche Einebnung der Oberflächenstrukturen sowohl für längs 3D-Print Material Tribology 27 Tribologie + Schmierungstechnik · volume 71 · eOnly special issue 2/ 2024 DOI 10.24053/ TuS-2024-0030 Bild 9: Kraftbezogenes Einlaufverschleißvolumen verschiedener Materialpaarungen im Kugel-Prisma- Verschleißtest; Primärer Verschleißpartner; Prisma: V - Kugel: O - vorzeitig verschlissen: x 3D-Print Material Tribology 28 Tribologie + Schmierungstechnik · volume 71 · eOnly special issue 2/ 2024 bination mit der schlechten Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffen führt dies zu einer ersten signifikanten Erwärmung der Probe. Begünstigt durch den verhältnismäßig niedrigen Glasübergang beim PETG nehmen mit steigender Temperatur im Material unterhalb der Kontaktzone die plastische Verformung sowie die viskoelastische Energiedissipation und damit auch der kohäsive Anteil des Reibungskoeffizienten schnell zu. Dies führt zu einer weiteren Vergrößerung des Reibungskoeffizienten und somit auch zu einer weiteren Erhöhung der Temperatur in der Kontaktzone. Es entsteht ein sich selbst verstärkender Prozess, der schnell zur thermischen Überlastung der PETG-PETG-Paarung führt. Im Hinblick auf das Phänomen des vom Material unabhängigen Verschleißszenarios für Paarungen aus PETG mit I150 bzw. I170 wurde eine ähnliche Ursache vermutet. Bedingt durch die unterschiedlichen Eingriffsverhältnisse - permanenter Eingriff des Prismas, intermittierender Eingriff der Kugel - könnte der oben beschriebene Effekt nur für das Prisma auftreten, da die Kugeloberfläche kurze Phasen der Abkühlung zwischen zwei Eingriffen hat. Die ermittelten Reibungskoeffizienten dieser Paarungen bestätigen dies allerdings nicht. Für Paarungen aus PETG und I150 lassen sich - ungeachtet welches Material der Kugel und welches dem Prisma zugeordnet ist - niedrige Reibungskoeffizienten von circa 0,1 feststellen. Diese drastische Absenkung des Reibwerts kann auf das Vorhandensein von PTFE zurückgeführt werden. Paarungen aus PETG und I170 weisen einen etwas höhe- DOI 10.24053/ TuS-2024-0030 als auch für quer ausgerichtete Prismen zu erkennen, die gedruckten Oberflächenstrukturen sind in den Verschleißflächen nicht mehr erkennbar. Aufgrund des Phänomens des vom Material unabhängigen Verschleißszenarios für Paarungen aus PETG mit I150 und I170 sowie des sofortigen Versagens der PETG-PETG-Paarung wurden Reibwertuntersuchungen, wie im Abschnitt „Untersuchungsmethoden“ beschrieben, mit dem Universaltribometer durchgeführt. Hier lag die Vermutung nahe, dass bedingt durch einen erhöhten Reibungskoeffizienten, der Verschleiß des Prismas begünstigt wird. Das Prisma ist permanent im Eingriff, die Flächenelemente der Kugel nur kurzzeitig, zweimal je Umdrehung. Dies hat eine stärkere thermische Belastung des Prismas zur Folge. Bild 11 zeigt die Ergebnisse der Untersuchungen im Universaltribometer. Diese liefern eine Erklärung für das vorzeitige Versagen der PETG-PETG-Paarung. Der Reibungskoeffizient, welcher sich in der ersten Minute vor dem vollständigen Versagen ermitteln lässt, schwingt sich auf und ist zum Ende circa achtmal so hoch wie bei Paarungen aus PETG und I150. Dieser hohe, sich aufschwingende Reibungskoeffizient bei der PETG-PETG-Paarung kann mithilfe des Two-Term-Non-Interacting-Model von Brian Briscoe begründet werden [16]. Der Reibungskoeffizient hat demnach einen adhäsiven und einen kohäsiven Anteil, der bei Kunststoffen großenteils auf viskoelastische Dissipation im Volumenmaterial zurückgeführt werden kann. Durch die Reibung entsteht Wärme und in Kom- Bild 10: 3D-Darstellung der Verschleißspuren (Oberflächenausschnitt 4 x 4 mm) nach 20 min und 60 min von I150-Plättchen mit ASA-Kugeln als Gegenpartner; oben: Prisma mit Längsausrichtung, unten: Prisma mit Querausrichtung ren Reibungskoeffizienten von 0,15 - 0,25 auf. Auffällig ist, dass dieser deutlich stärker schwankt als bei Paarungen aus PETG und I150. Zudem ist bei der Paarung aus I170-Kugel und PETG-Prisma ein tendenziell höherer Reibwert als bei getauschten Gegenparten zu erkennen. Nach Auffassung der Autoren liefert dieser jedoch keine Begründung für das oben beschriebene Phänomen. Daher muss dies weitergehend untersucht werden. Fazit Insbesondere die Ergebnisse der PETG-PETG-Paarungen im Vergleich mit den I150-I150-Paarungen haben gezeigt, dass es mittels Additivierung möglich ist, eine Kunststoff-Kunststoff-Paarung für den tribologischen Einsatz nutzbar zu machen, auch wenn die nicht additivierte Variante keineswegs dafür geeignet ist. Hier konnte die thermische Überlastung der PETG-PETG-Paarung durch die Absenkung des Reibwerts durch Additivierung mit PTFE überwunden werden. Dies zeigt allerdings auch, dass es nicht möglich ist, anhand der intrinsischen tribologischen Eigenschaften eines Basiskunststoffs abzuschätzen, ob dieses Material mit weiterer Additivierung für den tribologischen Einsatz in Kunststoff-Kunststoff-Paarungen geeignet ist oder nicht. Zudem haben die Untersuchungen gezeigt, dass eine Additivierung mit PTFE nicht immer den gewünschten Effekt auf das Verschleißverhalten erzielen kann, teilweise sogar einen nachteiligen Effekt hat. Ebenfalls konnte in Übereinstimmung mit der Norm DIN ISO 7148-2 [15] bestätigt werden, dass auch beim Verschleißen von Kunststoff- Kunststoff-Paarungen nicht immer primär dasselbe Material verschleißt beim Tausch des statischen mit dem rotierenden Partner. Die genaue Ursache hierfür bleibt noch zu klären. Somit ist es von entscheidender Bedeutung, Kunststoff-Kunststoff-Verschleißpaarungen aufeinander abzustimmen und systematisch zu untersuchen. Diese systematischen Untersuchungen verschiedenster Kunststoff-Kunststoff-Verschleißpaarungen mit unterschiedlichen Additivierungen sollen in nachfolgenden Arbeiten folgen. Hierbei soll ebenfalls der Vergleich zwischen additiv und konventionell gefertigten Prüfkörpern angestellt werden, um die Einflüsse der Verarbeitung besser zu verstehen. In Bezug auf die Ausrichtung der Oberflächenstruktur konnten keine signifikanten Einflüsse auf das Verschleißverhalten festgestellt werden, da die ausgeprägten Oberflächenstrukturen bereits sehr schnell zu Beginn des Versuchs eingeebnet werden. Im Hinblick auf den Kugel-Prisma-Verschleißtest mit simultanem Verschleiß beider Verschleißpartner zeigt sich einmal mehr das Verbesserungspotential. Zur besseren Bestimmung des Verschleißvolumens sowie der Aufteilung auf beide Verschleißpartner ist eine weitere Messinformation notwendig. Eine solche Modifikation des VPS 6-fach Verschleißprüfstandes ist in der Entwicklung und soll für zukünftige Untersuchungen von Kunststoff-Kunststoff- Verschleißpaarungen Anwendung finden. 3D-Print Material Tribology 29 Tribologie + Schmierungstechnik · volume 71 · eOnly special issue 2/ 2024 DOI 10.24053/ TuS-2024-0030 Bild 11: Zeitabhängige Reibungskoeffizienten von ausgewählten Verschleißpaarungen aus PETG, I150 und I170; Legende: Kugel vs. Prisma 3D-Print Material Tribology 30 Tribologie + Schmierungstechnik · volume 71 · eOnly special issue 2/ 2024 International Journal of Advanced Manufacturing Technology 2009 41(11-12), 1118-1129. [10] Schädel, B.; Rüdiger, G.; Jacobs, O.; Kowtun, A.; Beneke, T. Verschleißverhalten von Kunststoff-Kunststoff-Paarungen. Tribologie und Schmierungstechnik 2012, 59 (3), 29- 34. [11] Ramesh, V., van Kuilenburg, J., & Wits, W. W. Experimental analysis and wear prediction model for unfilled polymer-polymer sliding contacts. 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