eJournals Vox Romanica 82/1

Vox Romanica
vox
0042-899X
2941-0916
Francke Verlag Tübingen
10.24053/VOX-2023-002
Es handelt sich um einen Open-Access-Artikel, der unter den Bedingungen der Lizenz CC by 4.0 veröffentlicht wurde.http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/121
2023
821 Kristol De Stefani

«Pläne sind schön; aber Improvisieren besser»: Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud von Anfang 1919 bis Mitte 1920

121
2023
Stefano Cristellihttps://orcid.org/0009-0008-0426-9492
Mario Wildhttps://orcid.org/0009-0000-0525-4307
L’articolo pubblica per la prima volta la corrispondenza intercorsa tra Paul Scheuermeier e il suo maestro Jakob Jud nel periodo di avviamento del progetto AIS (gennaio 1919-giugno 1920). I temi toccati nei 58 documenti editi (lettere e cartoline) sono vari e risultano particolarmente interessanti per la storia della disciplina: gli autori discutono, fra le altre cose, di problemi legati al finanziamento del progetto, alla selezione delle località d’inchiesta e degli informatori, a particolari forme linguistiche. L’edizione, che riproduce anche le immagini presenti sulle cartoline inviate da Scheuermeier, è preceduta da un approfondimento di tali aspetti tematici e da un paragrafo dedicato alla descrizione della silloge e dei criteri editoriali; chiude il saggio un indice dei nomi e delle forme linguistiche.
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DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Vox Romanica 82 (2023): 21-74 «Pläne sind schön; aber Improvisieren besser»: Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud von Anfang 1919 bis Mitte 1920 * Stefano Cristelli (Universität Zürich) https: / / orcid.org/ 0009-0008-0426-9492 Mario Wild (Universität Zürich) https: / / orcid.org/ 0009-0000-0525-4307 Riassunto: L’articolo pubblica per la prima volta la corrispondenza intercorsa tra Paul Scheuermeier e il suo maestro Jakob Jud nel periodo di avviamento del progetto AIS (gennaio 1919-giugno 1920). I temi toccati nei 58 documenti editi (lettere e cartoline) sono vari e risultano particolarmente interessanti per la storia della disciplina: gli autori discutono, fra le altre cose, di problemi legati al finanziamento del progetto, alla selezione delle località d’inchiesta e degli informatori, a particolari forme linguistiche. L’edizione, che riproduce anche le immagini presenti sulle cartoline inviate da Scheuermeier, è preceduta da un approfondimento di tali aspetti tematici e da un paragrafo dedicato alla descrizione della silloge e dei criteri editoriali; chiude il saggio un indice dei nomi e delle forme linguistiche. Keywords: Paul Scheuermeier, Jakob Jud, Karl Jaberg, Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz (AIS) , Graubünden, Tessin 1. Einleitung Das AIS -Archiv der Universität Bern bewahrt unter anderem zahlreiche Briefe und Postkarten auf, welche die Kommunikation zwischen den beiden Herausgebern des Atlanten und ihren Mitarbeitern dokumentieren 1 . Während der Briefwechsel zwischen * Der Artikel, der von den beiden Autoren gemeinsam verfasst wurde, kann für akademische Zwecke wie folgt unterteilt werden: SC ist für § 1, 3.1, 3.2 (Nr. 1-29) und den Anhang, MW für § 2 und 3.2 (Nr. 30-58) verantwortlich. Wir sind Aline Kunz äusserst dankbar, dass sie uns den Zugang zum Material ermöglicht und eine erste Version der Arbeit gelesen hat; wir danken zudem Rachele Fiorenza für die ausgezeichneten digitalen Reproduktionen der Dokumente, Stefano Negrinelli für die Hilfe mit einigen rätoromanischen Formen sowie den beiden Revisor: innen der Vox Romanica für ihre hilfreichen Kommentare und Anregungen. 1 Zum AIS -Archiv und seinen Materialien cf. Gentili (2007); Moretti/ Mannino (2009). 22 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Paul Scheuermeier und Karl Jaberg (1919-1925) Gegenstand einer kürzlich erschienenen Monografie (Kunz 2018) ist, wurde derjenige zwischen Paul Scheuermeier und Jakob Jud bisher nur partiell veröffentlicht 2 . Mit dem vorliegenden Artikel machen wir einen weiteren Teil der Korrespondenz zwischen Scheuermeier und Jud einem breiteren Publikum bekannt, genauer gesagt die unveröffentlichten Briefe und Postkarten von Anfang 1919 bis Mitte 1920 3 . Die Dokumentation beläuft sich auf 58 4 Schriftstücke und betrifft die Anfangszeit des AIS -Projekts (Vorbereitung und Methodologie des Werks, Feldforschungskampagne in der rätoromanischen und italienischen Schweiz) und erlaubt es uns daher, Scheuermeiers Arbeit aus einer privilegierten Perspektive zu betrachten 5 . Der Edition des Briefwechsels (§3) wird ein kurzer Abschnitt vorangestellt, der den interessantesten Themen der hier publizierten Materialien und dem allgemeinen Kontext gewidmet ist (§2). Für eine bessere und schnellere Orientierung innerhalb der Korrespondenz kann das Namens- und Inhaltsverzeichnis konsultiert werden. Es enthält alle Orts- und Personennamen sowie alle linguistischen Formen, die in den Briefen und Postkarten erwähnt werden, und befindet sich am Ende dieses Beitrags. 2. Kontext und Hauptthemen des Briefwechsels Am 19. November 1919 begann Scheuermeier seine Mission, die ihn in 311 Ortschaften Graubündens, des Tessins, Italiens sowie (des heutigen) Kroatiens führen sollte 6 . Für die erste Phase der Feldforschung reiste er in den Kanton Graubünden, von wo aus er am 28. April 1920 nach Abschluss der letzten Aufnahme freudig verkünden 2 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud wird in Teilen (161 Postkarten Scheuermeiers an Jud ab Juli 1920) auch im Museo degli Usi e Costumi della Gente Trentina in S. Michele all’Adige (Trient) aufbewahrt. Der Text und die Bilder dieses Teils der Korrespondenz wurden zum ersten Mal von Gentili (1999) veröffentlicht und figurieren teilweise auch in Canobbio/ Telmon (2007: 37-66) und Perco/ Sanga/ Vigolo (2011: 291-329). Ein einzelner Brief an Jud (8. August 1921, Cumpedials [Compadials]) findet sich zudem in Caltagirone/ Sanga/ Sordi (2007: 382) und Heinimann (1988) druckt fünf Briefe aus dem Jahr 1924 (Pisa, Incisa, Florenz und Siena), die an Jud und Jaberg gemeinsam adressiert sind, ab. 3 Es sei erwähnt, dass der Briefwechsel zwischen Scheuermeier und Jud als Quelle für die Hamburger Abschlussarbeit von K. Rautmann diente, welche vereinzelte Passagen aus den hier veröffentlichten Briefen zitiert (cf. Rautmann 1993: 56 N57, 100 N102). 4 Den Brief, den Scheuermeier am 28. Januar 1920 von Soglio aus an Jaberg und Jud richtet, lassen wir aus, da er bereits in Kunz (2018: 215-16) publiziert ist. 5 Auf diese Zeit beziehen sich die in Jaberg/ Scheuermeier (1942: 22-26) und Scheuermeier (1969: 4-7) gesammelten Erinnerungen, die teilweise mit den in unserer Sammlung enthaltenen Informationen vergleichbar sind (cf. den Bericht über den Aufstieg auf die Dreisprachenspitze, Nr. 15). Parallel zu den hier abgedruckten Texten können auch die Briefe Nr. 1-109 in Kunz (2018: 173-269) gelesen werden. 6 In der Endversion des Atlanten sind die von Scheuermeier erhobenen Daten einfach wiederzuerkennen: Es handelt sich jeweils um die obere Hälfte der Karten, die mit einer Linie von der anderen - für die Gerhard Rohlfs (1892-1986) und Max Leopold Wagner (1880-1962) zuständig waren - getrennt ist (cf. Jaberg/ Jud 1928: 15-16). 23 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 konnte: «Es lebe der Bündner Atlas! » (Brief Nr. 49). Danach folgte das Tessin, wobei dieses zunächst unvollständig bleiben musste, da er bereits am 7. Juli 1920 nach Italien weiterreiste 7 . Einen Überblick über die Etappen von Scheuermeiers Reise durch die Kantone Graubünden und Tessin im hier wiedergegebenen Zeitraum gibt die folgende Karte (Abb. 1). Abb. 1: Karte der für den vorliegenden Briefwechsel bedeutsamen Orte 8 7 Für eine detailliertere Beschreibung von Scheuermeiers Reise cf. Kunz (2018: 21-26). Zu Beginn der Feldforschung waren Aufnahmen lediglich für die rätoromanisch- und italienischsprachige Schweiz sowie für Norditalien vorgesehen (cf. z.B. Heinimann 1990: 73); über die Ausweitung auf den restlichen italienischen Sprachraum (detailliert nachgezeichnet von Kunz 2018: 69-88), welche die Erweiterung des Teams um die «Exploratoren» Gerhard Rohlfs und Max Leopold Wagner nötig machte, informieren die Herausgeber in der Einleitung in Jaberg/ Jud (1928). 8 Um die Übersichtlichkeit der Karte nicht durch sich überlappende Toponyme zu gefährden, wurden die Orte von Nord nach Süd fortlaufend nummeriert. Die Identität der einzelnen Punkte kann folgender Liste entnommen werden (in Klammern geben wir, wo vorhanden, die im Deutschen gängige Bezeichnung der Ortschaften sowie allfällige Präzisierungen und die entsprechende Nummer innerhalb des AIS an). 1: Ramosch (Remüs; AIS -Pkt. 9); 2: Domat (Ems; AIS -Pkt. 5); 3: Glion (Ilanz); 4: Ardez ( AIS -Pkt. 7); 5: Breil (Brigels; AIS -Pkt. 1); 6: Dalin (Fraktion von Preaz [Präz]; AIS -Pkt. 14); 7: Pitasch ( AIS -Pkt. 3); 8: Surrein (Teil von Sumvitg [Somvix]; AIS -Pkt. 11); 9: Scharons (Scharans; AIS -Pkt. 16); 10: Zernez ( AIS -Pkt. 19); 11: Thusis; 12: Lantsch (Lenz, AIS -Pkt. 17); 13: Camischolas (Fraktion von Tujetsch [Tavetsch]; AIS -Pkt. 10); 14: Sedrun; 15: Casti (Tiefencastel); 16: Vrin ( AIS -Pkt. 13); 17: Maton (Mathon; AIS -Pkt. 15); 18: Ziraun (Zillis); 19: Latsch (Teil von Bravuogn [Bergün]; AIS -Pkt. 27); 20: Bravuogn (Bergün); 21: S-chanf (Scanfs); 22: Riom (Re- 24 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Von den Punkten in Abb. 1 sind, neben denjenigen im Tessin, die Nummern 30-38 dem Italoromanischen zuzurechnen (es handelt sich um die Bündner Täler Misox [30], Bergell [31-32] und Puschlav [33]) 9 . Die restlichen Orte, mit Ausnahme des seit Jahrhunderten ausschliesslich deutschsprachigen Thusis (11), gehören dem rätoromanischen Sprachraum an: Im Westen befinden sich die surselvischen Punkte (3, 5, 7, 8, 13, 14, 16), in Mittelbünden die sutselvischen (2, 6, 17, 18) und surmeirischen (12, 15, 19, 20 10 , 22, 23, 27 11 ) Orte und im Engadin kann zwischen dem Unterengadin (1, 4, 10), zu dem aus linguistischer Perspektive auch das Münstertal gezählt wird (24), und dem Oberengadin (21, 25, 26, 28, 29) unterschieden werden 12 . Die hier veröffentlichten Dokumente bieten Anlass zur Vertiefung zahlreicher Aspekte, die vor allem für die Geschichte des AIS von grosser Bedeutung sind. Aus Platzgründen beschränken wir uns darauf, einen Überblick über die wichtigsten und meistgenannten Themen zu geben. Von einer gewissen Bedeutung ist sicherlich Brief Nr. 3, in dem Scheuermeier den Auftrag annahm, als Explorator für den AIS zu arbeiten. Weitere organisatorische Aspekte betreffen die Finanzierung des Projektes, die zu Beginn der Aufnahmen noch nicht institutionell gesichert war (cf. Jaberg/ Jud 1928: 6), und das Einholen wichtiger Referenzen für die bevorstehende Kampagne in Italien (cf. Nr. 2, 26, 36, 38, 54-55). Dass die Feldforschung ein hohes Mass an Planung voraussetzte, zugleich aber auch ein gewisses Improvisationstalent erforderte, geht aus dem als Titel dieses Aufsatzes verwendeten Zitat «Pläne sind schön; aber Improvisieren besser» (Nr. 56) in exemplarischer Weise hervor (cf. auch Kunz 2018: 26-30). Aus methodologischer Sicht ist interessant, dass häufig Aspekte der Suche nach geeigneten Gewährspersonen verhandelt wurden (cf. auch Nr. 6, 9, 11-15, 18, 21-25, 27, 30, 33-34, 37-39, 42-44, 47, 53, 56). Die Suche nach dem richtigen Informanten, im ams; AIS -Pkt. 25); 23: Cunter (Conters); 24: Santa Maria Val Müstair ( AIS -Pkt. 29); 25: Zuoz ( AIS - Pkt. 28); 26: Samedan (Samaden); 27: Beiva (Bivio; AIS -Pkt. 35); 28: Silvaplauna (Silvaplana); 29: Val Fex (Fextal, Teil von Sils i. Engadin; AIS -Pkt. 47 [Siedlung Platta]); 30: Mesocco (Misox; AIS - Pkt. 44); 31: Stampa ( AIS -Pkt. 46 [Weiler Coltura]); 32: Soglio ( AIS -Pkt. 45); 33: Poschiavo ( AIS -Pkt. 58); 34: Prosito (Teil von Lodrino; AIS -Pkt. 53); 35: Bellinzona; 36: Lugano; 37: Ligornetto ( AIS -Pkt. 93); 38: Chiasso. Die Karte wurde mit dem Programm QGIS unter der Verwendung von frei zugänglichen Daten (URL: https: / / gadm.org/ [30.08.23] für die Kantonsgrenzen und URL: https: / / www. arcgis.com/ home/ item.html? id=1b243539f4514b6ba35e7d995890db1d für die Topografie [28.08.23]) erstellt. 9 Einen Überblick über die linguistische Situation von Italienischbünden gibt Grassi (2008). 10 Der Dialekt von Bergün liegt an der Grenze zum oberengadinischen Puter. Lutta (1923: 335) zählt Bergün - trotz seiner Sonderstellung - nicht zu den Mundarten des Engadins (cf. bereits Ascoli 1873: 116-17), wohingegen für Widmer (2008: 4) «der mit auffälligen Sonderentwicklungen gespickte Ortsdialekt von Bergün […] seit der konfessionell bedingten Einführung des Puter nicht mehr als surmeirische Variante bezeichnet werden kann». 11 Der Dialekt Bivios ist von Einflüssen aus dem Bergell geprägt, was seinen «stark schwankenden Charakter» (Grisch 1939: 10) erklärt. Zur soziolinguistischen Situation in dieser Ortschaft cf. Kristol (1984). 12 Zur linguistischen Gliederung des rätoromanischen Sprachraums cf. Schmid (1976; 1985); einen Überblick gibt auch Liver (1999: 41-43). 25 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 AIS -Jargon «Sujets» genannt, scheint eine der Hauptsorgen Scheuermeiers gewesen zu sein 13 : «Ich weiß nicht, soll ich mich in Bivio an den Dichter, Präsident Lanz od. lieber an einen rohen Bauern wenden. Aber diese kosten Zeit u. Geduld» (Nr. 24); «Es ärgert mich genug, daß ich in Reams wieder einem verkappten Schulmeister in die Hände gelaufen bin. Ich muß noch lernen. Aber die Guten haben eben meistens nicht die nötige Zeit» (Nr. 27). Von zentraler Bedeutung ist hier auch Juds Aussage, wonach die Informanten «echte» Mundart sprechen sollten: «nun muss die Bedingung erfüllt sein, […] dass Hr. Pfarrer Cadonau […] ein gutes Sujet sei, der echte (nicht verschulmeisterte) Mundart redet! » (Nr. 39). Dies scheint zunächst mit dem in Jaberg/ Jud (1928: 241) geäusserten Grundsatz, dass die Existenz einer genuinen Mundart eine Illusion sei («Eine genuine Mundart gibt es so wenig wie es eine einheitliche Mundart gibt»), und dem Ziel, «die moderne Mundart mit allen Mischungen und Infiltrationen festzuhalten», im Widerspruch zu sein. Der Begriff «genuin» ist jedoch diachron aufzufassen und in diesem Kontext mit «ursprünglich» gleichzusetzen, während «echt» eher dem heutigen Konzept von «basilektal» entspricht (cf. hierzu auch die Unterscheidung Dialekt / (Dorf)Mundart - regionaler Dialekt / regionale Mundart - regionale Form der Gemeinsprache - Schriftsprache in Jaberg/ Jud 1928: 181-82 14 , wo auch explizit auf die Gefahr, dass die Befragten - um dem Befrager entgegenzukommen - Elemente aus der Regionalmundart einstreuen könnten, eingegangen wird). Des Weiteren ging es Scheuermeier häufig darum, den genauen Ablauf der Aufnahmen in Absprache mit Jud - und Jaberg (cf. Kunz 2018: 21-26) - zu organisieren (cf. Nr. 9, 10, 19, 21-22, 28, 30, 37-39, 42-44); nicht selten sprach er von der Reihenfolge der Aufnahmen und von der Auswahl der zu untersuchenden Ortschaften. Ein wiederkehrendes Problem scheint dabei der Mangel an Zeit gewesen zu sein: «Ich bin immer in Eile» (Nr. 11); «Um Zeit zu sparen, habe ich mit Bedauern [auf eine Aufnahme in Viano über Brusio] verzichtet» (Nr. 25). Aussagen wie diese, gepaart mit der Angst vor der zu jener Zeit immer noch grassierenden Spanischen Grippe, erklären wohl die Besorgnis Juds, die hier zum Ausdruck kommt: «Wir haben nur den einen Wunsch: Sie dürfen sich nicht überanstrengen und ins besondere nicht zu weit in die Nacht hineinarbeiten: denn Ihre Gesundheit ist ein gar wertvolles Kapital, das man nicht verschleudern darf. Auch haben wir stets etwelche Befürchtungen wegen Grippenansteckung: wenn Sie etwa ein desinfizierendes Mittel wünschen, schreiben Sie mir ja ungeniert» (Nr. 26). Grund zur Sorge boten auch die äusseren Umstände, zumal Scheuermeier unter anderem mit Skiern unterwegs war und bei 13 Zum Thema der Auswahl der Gewährspersonen für den Atlas cf. Jaberg/ Jud (1928: 189-93); Scheuermeier (1932: 99-105); Sanga (2009). Die für den AIS angewandten Kriterien gaben vereinzelt auch Anlass zu (harscher) Kritik (cf. Krefeld 2005; 2019, der den Vergleich zu den von Chambers/ Trudgill 1980: 33-35 als NORM-Informanten - « nonmobile, older, rural males » - bezeichneten Personen zieht; gemäss Jaberg/ Jud 1928: 192 liegt das mittlere Alter der befragten Personen jedoch lediglich bei ca. 50 Jahren). 14 Zu diesen Konzepten cf. auch Krefeld (2005: 84). 26 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 der Überquerung des Ofenpasses (cf. Nr. 18) auch riskiert hatte, in eine Lawine zu geraten. Bereits vor dessen Schilderung der Ereignisse - später auch «Lawinenintermezzo» (Nr. 21) genannt - hatte Jud seinem Mitarbeiter geschrieben: «[I]ch habe stets etwas Angst betreffend Lawinengefahr» (Nr. 16). Scheuermeier war bewusst, dass der Erfolg des Unternehmens nicht zuletzt auch von seiner Integration in die lokale Gesellschaft abhing. Davon zeugen nicht nur seine Teilnahme an Vereinsaktivitäten («Ich lebe mich so ein, daß ich sogar bereits eine Zillismännerchorgesangsstunde aktiv mitgemacht habe», Nr. 8; «Dafür feierte ich aktiv das Fest der ‹Uniun dels Grischs› in Scanfs mit bis Montag früh», Nr. 13), sondern auch seine sportlichen Ausflüge und die eine oder andere gesellige Stunde (cf. Nr. 15, 45); ganz nach dem Motto «Man muß mit den Leuten gehen» (Nr. 8). Diese «Integrationsmassnahmen» scheinen allerdings auf die Kampagne in Graubünden beschränkt gewesen zu sein und sind für die anderen von ihm bereisten Gebiete nur spärlich überliefert. Eine wiederkehrende Feststellung Scheuermeiers betraf den allmählichen Verlust traditioneller landwirtschaftlicher Techniken und des damit verbundenen Wissens: «Vieles der alten Kultur u. Sprache steht leider auch hier bereits auf dem Aussterbeétat. […] Es ist hier wirklich die höchste Zeit für unsere Arbeit. Ich bin oft schon zu spät» (Nr. 15); «Nur aus 50 jähriger Erinnerung konnten er und die alte Mutter mir noch über die verschwundene Getreideu. Flachskultur des Tales Auskunft geben. Es ist auch hier wie überall» (Nr. 23). Auf der sprachlichen Ebene beobachtete er unter anderem den wachsenden Einfluss des Deutschen auf das Romanische: «Vieles ist hier auch bloßes (deutsches) Schulwissen, z.B. lα báχ šte̜ltsα [‘Bachstelze’] in Remüs» (Nr. 21) 15 . Andererseits ist es auch so, dass Scheuermeier die Aufnahmen in Graubünden auf Deutsch durchführte und ihn Informanten, die des Deutschen nicht oder nur schlecht mächtig waren, vor gewisse Probleme stellten: «In P[itasch] hab ich dann einen flotten Bauern bekommen, ein perfekter Mann, nur sprach er mit mir kein Wort Deutsch. Er verstand dieses nur. So mußte ich mir oft auch mit meinem Kautschuk-Romanisch helfen» (Nr. 42); «Er ist noch sehr frisch u. kommt gut nach; aber alles geht via Romanisch: Pantomime + Definition» (Nr. 45); cf. auch Nr. 43. Phonetische, morphologische und lexikalische Beobachtungen finden sich vergleichsweise selten: z.B. «Münster ist phonetisch interessant, besonders weil es keinen Unterschied zwischen ć u. c̋ kennt, sondern überall c̋ durchführt, worüber sich die andern weidlich lustig machen» (Nr. 18) 16 ; «mit den Namen für Tiere, bes. Vögel, Insekten, für Pflanzen, bes. Bäume, Blumen, Gemüse sind fast alle Sujet [sic] sehr 15 Für die romanischen Bezeichnungen der Bachstelze ( Motacilla alba ) cf. AIS (3: 498). Die deutsche Lehnform in Remüs wurde nicht in die Karte aufgenommen (anders als lα va̍ sαȓštè̜ltsαȓẹ̣ in Ems [Pkt. 5]). 16 Die Diakritika in den hier verwendeten phonetischen Symbolen c̋ und g̋ entsprechen nicht genau denjenigen, die Scheuermeier und der AIS benutzen. In unserer Transkription orientieren wir uns an der Praxis der Digitalisierungen innerhalb des Projektes AIS, reloaded (cf. URL: https: / / www. ais-reloaded.uzh.ch/ [30.3.2023]). 27 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 schlecht bestellt» (Nr. 21); «Man sagt mir, in Viano, 600 m. über Brusio hätten sie einen ganz besondern Dialekt: ke̜mp, kanté̜ usw.» (Nr. 25); «Lücken gabs fast keine; aber viel Interessantes, z.B. 1. pers. Ind. Präs. auf -a» (Nr. 42). Mehrfach kam auch die Perzeption - das «Ohr» - des Explorators und die damit verbundene Genauigkeit der Transkription zur Sprache: «Herr v. Planta unterscheidet noch feiner als ich. […] Auch er findet, daß halt jeder seine eigne ‹Klaviatur› besitze» (Scheuermeier an Jud, Nr. 37); «Es hat eben jeder eine besondere ‹Klaviatur›» ( Jud an Scheuermeier, Nr. 38); cf. auch Nr. 24: «In Soglio hat mich die Aussprache meines 70 jährigen Bauern zu schwitzen gemacht». Von einem fachgeschichtlichen Standpunkt aus sind sicherlich auch Juds «Spezialfragen» von einem gewissen Interesse (cf. Nr. 2, 7, 10, 16, 36), zumal sie uns einen Einblick in die Methoden jener Zeit ermöglichen: Es handelt sich vor allem um lexikologische Fragestellungen, zu welchen er bereits publiziert hatte oder im Begriff war zu publizieren und die durch den Fragebogen des AIS nicht abgedeckt waren. Ein systematischer Vergleich mit dem eingangs genannten Briefwechsel zwischen Scheuermeier und Jaberg, auf den wir hier allerdings verzichten müssen, bietet sich natürlich an (cf. bereits oben N5): Viele Elemente aus diesem finden sich auch in den hier publizierten Briefen (der Zeitaufwand für die Aufnahmen in den einzelnen Ortschaften, der Stand der Sujetsuche, etc.), es ergeben sich allerdings auch einige Divergenzen. Im Allgemeinen lässt sich feststellen, dass mit seinem Zürcher Lehrer «il tono delle lettere [era] più confidenziale» (Kunz 2018: 121), während mit Jaberg öfters punktuelle Aspekte der Transkription angesprochen wurden; die im gleichen Zeitraum an Jaberg gerichteten Schriftstücke belaufen sich fast auf das Doppelte derjenigen, die Scheuermeier an Jud schrieb (66 vs. 35). 3. Der Briefwechsel 3.1 Allgemeiner Überblick und Editionskriterien Die hier publizierten 58 Dokumente umfassen 29 Briefe und 29 Postkarten; von den letzteren zeigen sieben ein Bildmotiv auf der Vorderseite (Nr. 1, 19, 31, 33, 47, 53-54). Neben den Hauptverfassern finden wir drei weitere Schreibende, deren Identität uns bekannt ist - genauer gesagt Gion Antoni Deplazes (Nr. 45), Oskar Keller (Nr. 58) und, so scheint es, Juds Frau (Anna Maria Elisabeth Hunziker, 1874-1960), die dem Explorator im Namen ihrer selbst und ihres Mannes eine Weihnachtskarte schreibt (Nr. 17) -, sowie eine uns unbekannte Hand (Nr. 14). Die Sprache des Briefwechsels ist überwiegend Deutsch; besonders bemerkenswert sind aber drei Abschnitte, die respektive in Puter (Nr. 14; unbekannter Schreiber), Surmeirisch (Nr. 35; von Scheuermeier, in phonetischer Transkription) und Surselvisch (Nr. 45; von G. A. Deplazes an Jud gerichtete Zeilen) geschrieben sind. Die Transkription folgt in Graphie und 28 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Interpunktion den Originalen 17 . Korrekturen der Verfasser werden nur ausnahmsweise wiedergegeben und kommentiert. Was das Mise-en-page betrifft, beschränken wir uns auf offensichtlich bewusst gesetzte Zeilenumbrüche; an den Rändern der einzelnen Blätter angefügten und in anderer Richtung geschriebenen Textbestandteilen wird ein kurzer Kommentar vorangestellt. Die Empfängeradressen auf den Postkarten, die Seitenzahlen, die vereinzelten nachträglich von fremder Hand eingefügten Anmerkungen sowie die (wahrscheinlich von Jud? ) mit Farbstift gezeichneten Linien, werden übergangen. Wir reproduzieren alle Bilder auf den von Scheuermeier verschickten Postkarten 18 , während wir bei den Weihnachts- und Osterkarten von Jud, die insgesamt weniger interessant sind, davon absehen. In den Fussnoten finden sich erläuternde Angaben zu den genannten Personen sowie weitere Informationen, welche das Verständnis der Texte erleichtern sollen. Bei Fehlern (besonders Rechtschreibung und Kasusformen) fügen wir (beim ersten Auftreten) ein «[sic]» in den Fliesstext der Briefe und Postkarten ein, während wir bei der Interpunktion, der Gross-/ Kleinschreibung (mit Ausnahme der Höflichkeitsform) und der Getrenntschreibung hinsichtlich einer besseren Lesbarkeit darauf verzichten. Für die genaue Identifizierung der verschiedenen Schriftstücke, die im Folgenden aus Platzgründen lediglich mit einer Zahl gekennzeichnet sind, verweisen wir auf untenstehende Tabelle 19 . Nr. Datum Ort Absender Art 1 01.01.1919 Zürich J. Jud Postkarte 2 21.01.1919 (cf. aber N22! ) Zürich J. Jud Brief 3 06.04.1919 Zürich P. Scheuermeier Brief 4 19.05.1919 Zürich J. Jud Brief 5 19.09.1919 Winterthur P. Scheuermeier Postkarte 6 14.11.1919 Zürich P. Scheuermeier Postkarte 7 19.11.1919 Zürich J. Jud Brief 8 21.11.1919 Ziraun (Zillis) P. Scheuermeier Brief 9 01.12.1919 Zernez P. Scheuermeier Brief 10 02.12.1919 Zürich J. Jud Brief 11 04.12.1919 Zernez P. Scheuermeier Brief 12 06.12.1919 S-chanf (Scanfs) P. Scheuermeier Postkarte 13 09.12.1919 Santa Maria Val Müstair P. Scheuermeier Postkarte 17 Scheuermeiers Gebrauch von <m̄ ̄ >, <n̄ > für <mm>, <nn> wird ohne Weiteres aufgelöst. Die Abkürzungen, die eindeutig verständlich sind ( H. ‘Herr’, u. ‘und’, v. ‘von’ etc.), lassen wir unangetastet, wobei stillschweigend ein Punkt eingefügt wird, wo dieser im Original fehlt; die nur sehr schwer verständlichen Abkürzungen lösen wir in eckigen Klammern auf. 18 Auf die Nennung des Fotografen und des Verlags der jeweiligen Karten verzichten wir hingegen. 19 Wenn Ort und Datum nicht vom Verfasser vermerkt wurden, geben wir die Informationen des Poststempels wieder. 29 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 14 09.12.1919 Zürich J. Jud Postkarte 15 15.12.1919 Santa Maria Val Müstair P. Scheuermeier Brief 16 20.12.1919 Zürich J. Jud Brief 17 25.12.1919 s.l. J. und A. M. Jud Postkarte 18 27.12.1919 Zuoz P. Scheuermeier Brief 19 29.12.1919 Zürich J. Jud Postkarte 20 05.01.1920 Zernez P. Scheuermeier Brief 21 07.01.1920 Samedan (Samaden) P. Scheuermeier Brief 22 12.01.1920 Val Fex (Fextal) P. Scheuermeier Brief 23 19.01.1920 Stampa P. Scheuermeier Brief 24 31.01.1920 Samedan (Samaden) P. Scheuermeier Brief 25 07.02.1920 Silvaplauna (Silvaplana) P. Scheuermeier Postkarte 26 09.02.1920 s.l. J. Jud Brief 27 14.02.1920 Cunter (Conters) P. Scheuermeier Brief 28 15.02.1920 Casti (Tiefencastel) P. Scheuermeier Postkarte 29 16.02.1920 Zürich J. Jud Postkarte 30 17.02.1920 Zürich J. Jud Postkarte 31 18.02.1920 Bravuogn (Bergün) P. Scheuermeier Postkarte 32 19.02.1920 Zürich J. Jud Postkarte 33 20.02.1920 Latsch P. Scheuermeier Postkarte 34 23.02.1920 Casti (Tiefencastel) P. Scheuermeier Brief 35 23.02.1920 Lantsch (Lenz) P. Scheuermeier Postkarte 36 29.02.1920 Zürich J. Jud Brief 37 04.03.1920 Thusis P. Scheuermeier Brief 38 07.03.1920 s.l. J. Jud Brief 39 18.03.1920 Zürich J. Jud Brief 40 23.03.1920 Glion (Ilanz) P. Scheuermeier Brief 41 23.03.1920 Glion (Ilanz) P. Scheuermeier Postkarte 42 29.03.1920 Glion (Ilanz) P. Scheuermeier Postkarte 43 02.04.1920 Glion (Ilanz) P. Scheuermeier Brief 44 03.04.1920 Zürich J. Jud Brief 45 07.04.1920 Surrein P. Scheuermeier Postkarte 46 08.04.1920 Zürich J. Jud Postkarte 47 12.04.1920 Sedrun P. Scheuermeier Postkarte 48 26.04.1920 Zürich J. Jud Postkarte 49 28.04.1920 Lantsch (Lenz) P. Scheuermeier Postkarte 50 30.04.1920 Zürich J. Jud Postkarte 51 12.05.1920 Zürich J. Jud Postkarte 30 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 52 22.05.1920 s.l. P. Scheuermeier Brief 53 03.06.1920 Ligornetto P. Scheuermeier Postkarte 54 19.06.1920 Lugano-Chiasso P. Scheuermeier Postkarte 55 21.06.1920 Zürich J. Jud Brief 56 24.06.1920 Bellinzona P. Scheuermeier Postkarte 57 26.06.1920 Zürich J. Jud Brief 58 29.06.1920 Bellinzona P. Scheuermeier Postkarte 3.2 Edition 1. 1. I. 19. Meine herzlichen Wünsche begleiten Sie in dieses Jahr, das Ihnen die Krönung Ihres Studiums bringen soll. Ihr J. Jud 2. ZÜRICH 7, den 21. I. 19. Sprensenbühlstrasse 14 20 Lieber Herr Doktor! Als Ihre lieben Zeilen am letzten Mittwoch aus Fex eintrafen und Sie Ihren Weggang für Donnerstag in Aussicht nahmen, musste ich darauf verzichten, Ihnen einen Brief zu schreiben, da er sie [sic] nicht mehr erreicht hätte. Ich wartete daher Ihren folgenden Brief ab und schreibe Ihnen nun nach Stampa weiter, von wo er Ihnen hoffentlich nachgeschickt wird. So ein gelindes Frühlingsahnen haben Sie bereits im Bergell und nun müssen Sie in den Winter zurück! Bei uns geht jetzt die Campagne für die Finanzierung los! Eingabe ans Curatorium 21 , Eingabe an den Bundesrat für Ihre Empfehlung folgten sich rasch aufeinander und geben immer wieder neue Diskussion. Beiliegend den Artikel von H. Prof. v. Wartburg 22 und zugleich meine Kirchenväterarbeit 23 ! Darf ich Sie bitten, sich im Bergell zu erkundigen, ob Sie für den Jochriemen (beim Doppeljoch), der das Joch mit dem Deichsel [sic] 24 verbindet, den Namen amblaz oder umblaz kennen 25 . 20 Hier (und in Nr. 4, 7, 10, 16, 36, 39, 44, 55, 57) benutzte Jud Papier mit vorgedrucktem Briefkopf, bei dem lediglich das Datum handschriftlich eingefügt werden musste. 21 Es handelt sich um das Kuratorium der Stiftung für wissenschaftliche Forschung an der Universität Zürich, das im November 1919 einen Beitrag von 19.000 Franken sprechen sollte (cf. Jaberg/ Jud 1928: 6 und unten Nr. 26). 22 Walther von Wartburg (1888-1971), u.a. Verfasser des FEW (cf. HLS , s.). Zum hier genannten Artikel cf. N75. Dem Inhalt nach scheint Jud hier ein Fehler beim Datum unterlaufen zu sein (21. I. 19 anstatt 21. I. 20). Wir befolgen hier trotzdem die Reihenfolge der Dokumente im AIS -Archiv. 23 Es handelt sich wahrscheinlich um den Text eines Vortrags, den Jud am 14. Januar 1919 vor der Historisch-Antiquarischen Gesellschaft von Graubünden in Chur hielt und der danach in deren Jahresbericht abgedruckt wurde ( Jud 1919). 24 Im Schweizerdeutschen häufig maskulin (cf. SchwId. , s. Dīchsel ). 25 Diesen Formen ist Jud (1921) gewidmet. 31 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Aber nun basta! Ich habe noch für Colleg von morgen vorzubereiten. Warmen Gruss Ihr Jud 3. Zürich, 6. IV. 19. Herrn Prof. Dr. J. Jud, Zürich. Sehr geehrter Herr! Nachdem ich in den letzten Tagen Gelegenheit gehabt hatte, mit Herrn Prof. Jaberg bekannt zu werden und mit ihm gemeinsam einige Probeaufnahmen zu machen, haben Sie mich am 3. IV. mit der freudigen Mitteilung beehrt, daß Sie und Herr Prof. Jaberg gewillt seien, mich für die Materialsammlung zu einem auszuführenden Sprachatlas Oberitaliens als Explorator in Aussicht zu nehmen. Wenn ich mir auch der großen Anforderungen und Schwierigkeiten dieser Aufgabe voll bewußt bin, nehme ich doch Ihr Anerbieten freudig und mit Dank an. Diese Zeilen mögen Ihnen als Bestätigung unserer Unterredung vom 3. IV. dienen. Mit Ihnen sehe ich deutlich die Notwendigkeit ein, daß in Rücksicht auf die Einheitlichkeit des Werkes ein und derselbe Mann alle Aufnahmen durchführen sollte, diese also auch in der Schweiz (Tessin, Bünden) erst begonnen werden können, wenn Aussicht auf eine anschließende Fortsetzung in Italien vorhanden ist. Hier wäre also noch die Klärung der politischen Zustände abzuwarten. Meine bevorstehende Anstellung an den höhern Schulen von Winterthur erlaubt mir nun, vorläufig in Ihrer Nähe zu bleiben und zu Ihrer Verfügung zu stehen. Persönlich wünschte ich, die Aufgabe möglichst bald anfangen zu können. In Anbetracht der gegenwärtigen Umstände werde ich aber in Winterthur bis zum nächsten Herbst amten, wenn möglich ohne der dortigen Schulbehörde vor September von diesem meinem Vorhaben zu sprechen, in dieser Zeit dort aber auch keine weitern Verpflichtungen eingehen. Länger als bis zum Frühling 1920 glaube ich aber mit dem Beginn der Reise nicht zuwarten zu können. Sie berechnen die Dauer der Aufnahmen höchstens auf zwei Jahre. Da ich aber im Sinne habe, nachher doch an die Mittelschule zurückzukehren, darf ich aus Rücksicht auf die spätere Anstellungsmöglichkeit nicht zu alt werden, bis ich mich Ihrer Aufgabe entledigt habe. Ich sollte also darauf rechnen können, dieses Ziel bis spätestens Frühling 1922 oder nicht wesentlich später erreicht zu haben 26 . Ihr Anerbieten, mich für die Reise gegen Unfall zu versichern, nehme ich mit Dank entgegen. Noch tiefern Dank schulde ich Ihnen aber für Ihr weit gehendes Vertrauen, das mich zum Mitarbeiter emporhebt, sodaß ich auch für den Fall des Eintretens einer «force majeur» [sic] (Krankheit, Unterbruch aus politischen Gründen usw.) auf Ihre moralische und finanzielle Hilfe hoffen kann. Wenn auch unser Zusammenarbeiten auf gegenseitigem persönlichem Vertrauen beruhen soll, ist im Hinblick auf angehörige Drittpersonen vielleicht doch eine vertragliche Fixierung unseres Arbeitsverhältnisses vor dessen Aufnahme wünschenswert. Nun handelt es sich für mich darum, mich der großen Ehre, die Sie mir erweisen, würdig zu zeigen. Ich soll mit Ihnen zusammen an einem großen, idealen Werke schaffen dürfen, mein Name soll als der des dritten Autors neben den Ihrigen stehen, ich soll sogar eines Drittels eines allfälligen Preises teilhaftig werden. Ich weiß, daß ich, um all dieses zu verdienen, noch vieles werde leisten und lernen müssen. 26 Dieser Zeitplan konnte allerdings nicht eingehalten werden. Scheuermeier war bis 1925 (und in den Jahren 1926 und 1928 noch während den Schulferien) für den AIS unterwegs (cf. Kunz 2018: 21-22). 32 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Ich bin mir schon vorher bewußt gewesen und die Aufnahmen mit Herrn Prof. Jaberg haben es mich noch mehr gelehrt, daß meine phonetische Vorbildung für eine solche Aufgabe noch ungenügend ist. Ich werde mich daher bemühen, im nächsten Halbjahr in W’thur 27 mich möglichst in Aufnahmen mit Italienern, Tessinern, Bündnern und auch Deutschschweizern im schärfern und unvoreingenommenern Hören zu üben. Ich hoffe dabei in Herrn Dr. Fankhauser 28 einen erfahrnen Helfer zu finden. Ich werde auch versuchen, wie es mich Prof. Jaberg gelehrt hat, fremde Laute wenn möglich nach den aus der eignen Mundart gewonnenen Normen zu bemessen. Ich werde auch die physiologisch-theoretische Seite nach der empfohlenen Literatur, ebenso auch die angegebenen Transkriptionssysteme noch näher studieren. Natürlich wäre es mir wertvoll, mich möglichst bald in dem definitiv zu wählenden System üben zu können, am vorteilhaftesten vielleicht in persönlichen Sitzungen mit Herrn Prof. Jaberg in Bern im Laufe meiner Sommerferien. Ebenso will ich mich gern noch besser in der sachlichkulturgeschichtlichen Literatur orientieren. Auch da wird mir Dr. Fankhauser ein kundiger Führer sein können. Vielleicht werde ich in W’thur auch Gelegenheit finden, einige Anleitung im Skizzieren von Geräten, Gegenständen usw. zu bekommen. Also Arbeit genug. Den Willen dazu wird der freudige Blick in die Zukunft schon bringen. Indem ich nochmals beiden Herren für Ihr Vertrauen meinen tiefgefühlten Dank ausspreche, grüße ich Sie herzlich Ihr Paul Scheuermeier. 4. ZÜRICH 7, den 19. V. 19. Sprensenbühlstrasse 14 Lieber Herr Doktor! Samstag morgen hatte mir H. Prof. Gauchat 29 von seiner grossen Freude berichtet, die ihm die Durchsicht Ihrer Arbeit bereitet hatte: jetzt ist auch die letzte Staffel überschritten: Sie sind nun auf sonniger Höhe angelangt, richten Ihren Blick in die ferne Zukunft, die Ihnen nun die endgültige Route öffnen soll. Dass nun in den kommenden Tagen alles recht gut ablaufen möge, dass Ihre starke Aufopferung stets ein dankbares Wirkungsfeld finde, ist mein aufrichtiger Wunsch! Herzl. Gruss Jud. 27 Gängige Abkürzung für Winterthur. 28 Franz Fankhauser (1883-1959), Schüler von Gauchat und Jaberg und danach Lehrer am Gymnasium in Winterthur (cf. Kunz 2018: 260 N142). 29 Louis Gauchat (1866-1942), ordentlicher Professor für romanische Philologie in Bern (1902-1907) und Zürich (1907-1931), wo er zwischen 1926 und 1928 zudem als Rektor amtete (cf. HLS , s.); zu seiner Rolle bei der Finanzierung des AIS -Projekts cf. auch Nr. 26 und 38. 33 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 5. Bankstr. 4. W’thur. 19. IX. 19. Lieber Herr Prof.! Wie ich nachträglich in dem Trauerkärtchen «in pia memoria», das uns Fam. D[eplazes] s[einer] Z[eit] schickte, sah, ist Stanislaus 30 am 10. Dez. 1893 geboren. Ich habe aber schon vorher bei der Familie angefragt u. werde Ihnen zur Bestätigung auch noch diese Antwort berichten. Ist Eri Aeschl. 31 bei Ihnen gewesen? Habe gestern bei Hrn. Prof. Dr. Hunzikers 32 gehört, daß er in Amerika sei. Darf ich Sie um d. Seitenzahl bitten für arag. clot Bull. dial. catal. 1915. p.? Piverone brua A. Gl. It. XVIII, ? Cóal, -one, -ini, -etto, -óra? (Top. venet.) Studi glott. ital. III., 33 ? Bitte um Entschuldigung u. danke zum Voraus bestens. Am linken Rand in vertikaler Richtung zum Rest des Textes: Herzl. grüßt Sch. 6. 14. XI. Lieber Herr Professor! Schon lange u. oft habe ich Sie fragen wollen, was Salvioni 34 , Arch. stor. lomb. XLV, 245 Note 3 über speluca schreibe. Ich finde dieses Faszikel [sic] nicht im Museum. - Gestern abend habe ich Herrn Prof. Gauchat den Abschiedsbesuch gemacht u. mit ihm über unser Werk gesprochen. Habe dort auch für tribuna noch einige Belege als «Beinhaus» u. «Keller» gefunden. Die Karten u. alles übrige sind nun fertig. tribuna soll es heute werden. Habe soeben endlich mein Ms. zurückbekommen u. zugleich eine Karte von Niemeyer, in der er mich auffordert sofort das Ms. zurückzuschicken. Er sei bereit zum Weiterdrucken 35 . - Brenner 36 hat auf heute abend die deutschen Q n versprochen 37 ; dann bring ich sie sofort zum Buchbinder. Wenn er’s nur bis morgen noch machen kann! - Erhalte eben jetzt auch einen Teil der Photographien und Bilder. Der Schluß u. mein Q v mit der Übersetzung soll folgen. Wir wissen noch nicht ob das bekannte Sujet gegenwärtig in Ardez sich befindet. - Mit Photograph Mollet 38 , Limmatquai habe ich 30 Stanislaus Deplazes (1893-1916), Kommilitone Scheuermeiers, zu dem cf. Kunz (2018: 243 N118). 31 Erhard Aeschlimann (1897-1972), Neffe von Ulrico Hoepli und Freund Scheuermeiers, zu dem cf. Kunz (2018: 322 N230). 32 Rudolf Hunziker (1870-1946), zur Zeit von Scheuermeiers Anstellung am Gymnasium in Winterthur Lehrer für Latein, Deutsch und Geschichte an derselben Schule (cf. Kunz 2018: 609 N813; HLS , s.). 33 Cf. respektive Montoliu (1915: 43-4); Flechia (1919: 282); Olivieri (1903: 164). 34 Carlo Salvioni (1858-1920), Schüler der Junggrammatiker in Leipzig (v.a. Karl Brugmanns) und Nachfolger Graziadio Isaia Ascolis an der Universität in Mailand (cf. HLS , s.). Zur Bedeutung Salvionis innerhalb der Romanistik cf. Loporcaro/ Lurà/ Pfister (2010). 35 Scheuermeier bezieht sich auf die von Niemeyer gedruckte Version seiner Promotionsarbeit (Scheuermeier 1920). 36 Zu dieser Person, die kurz in Jaberg/ Scheuermeier (1942: 23) genannt wird, cf. URL: https: / / www. matrikel.uzh.ch/ active/ static/ 3225.htm [27.3.2023]. 37 Zu den verschiedenen Questionnaires - abgekürzt mit Q e , Q n , Q r , Q v - cf. Kunz (2018: 55 N1) und das von ihr ins Italienische übersetzte Vademecum des Explorators des A.L.I.L. (abrufbar unter der URL: https: / / www.italiano.unibe.ch/ e75031/ e75032/ e648011/ e667397/ VademecumdelricercatoredellA_ita.pdf [30.3.2023]). 38 Es handelt sich um ein Zürcher Fotografiegeschäft (cf. auch Kunz 2018: 296 N189). 34 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 verhandelt, mich mit Film versehen u. eine Rechnung auf Atlas J-J mit Ihrer Adresse eröffnet. Werde auf jeden Fall bis Sonntag berichten, ob die Abreise Montag morgen möglich sei. Mit herzl. Gruß P. Sch. 39 7. ZÜRICH 7, den 19. XI. 19. Sprensenbühlstrasse 14 Lieber Herr Doktor! Jetzt sind Sie wohl heute zum ersten Mal auf der Wanderschaft: ich sehe Sie in dem mir wohlbekannten Zilliser Wirtshaus am Tische sitzend, kaum den gewaltigen Wechsel der Szenerie und der Menschen verstehend, der zwischen gestern und heute liegt. Glückauf! Und nun noch meine Wünsche 40 : 1) Name der Bergerle 41 2) Name der Legföhre (zuondra, müf u. andere Namen, im ital. der Alpentäler meistens als pino mugo bekannt) 3) Name der Arve (dschember, arolla) 4) crienta criaintas lomb. grienta «vagliatura del grano, grano cattivo che si separa dal buono» 5) dasa «rami colle aguglia [sic]» 42 6) fro(d)a im Tessin und ital. Bünden. 7) Wo werden die Tannzapfen noch als Spielzeuge (Spielkühe) verwendet? 8) «gauflə» (zwei Hände voll) 43 9) Kennen Sie das Wort loba, lioba? Bedeutg? 10) ginepro nano: Typen: giop, gioc, Tessin brensciol 44 . So jetzt ist’s genug! Ein warmer Händedruck! Ihr Jud Am rechten Rand der letzten Seite in vertikaler Richtung zum Rest des Textes: N.B. Haben Sie die deutsch abgefassten Quest. an H. Jaberg gesandt? Am oberen Rand der letzten Seite auf dem Kopf stehend: Oder sind Sie bei H. Brenner? Wie ist der Besuch bei H. Prof. Bovet 45 ausgefallen? 8. Zillis, 21. XI. 19. Lieber Herr Professor! Das Bündnerland hat mich mit Haufen Schnee, blauem Himmel u. Sonnenschein empfangen. Nach einem prächtigen Schneebummel durch die Viamala habe ich im wohlbekannten Zilliser Wirtshaus beim guten Lehrer u. Presi Conrad 46 gute Unterkunft gefunden. Noch bessere Auf- 39 «Montag […] P. Sch.» ist am linken Rand in vertikaler Richtung zum Rest des Textes geschrieben. 40 Fast alle Fragen beziehen sich auf einige der Wörter und Aspekte, die in Jud (1911) besprochen werden. 41 Oberhalb angefügt: «drausa». 42 Anstatt aguglie , wie in Jud (1911: 85) richtigerweise geschrieben ist. 43 Von Alemannisch Gaufel (cf. SchwId. , s.). 44 Cf. LSI , s. brénsciol . 45 Ernest Bovet (1870-1941), Professor für französische und italienische Literatur an der Universität Zürich, bei dem Scheuermeier während seiner Ausbildung zum Sekundarlehrer studiert hatte (cf. HLS , s.; Scheuermeier 1969: 8). 46 Joos Conrad (1859-1922), Lehrer und Gemeindepräsident in Zillis (cf. den Nachruf von H[? ] H[? ] im Jahresbericht des Bündnerischen Lehrervereins 40 [1922]: 84-85, URL: https: / / www.e-periodica. ch/ digbib/ view? pid=jbl-001%3A1922%3A40#29 [30.3.2023]). 35 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 nahme fand und mache ich bei Herrn Cortes 47 . Es ist ein aufgeweckter junger Mann, der wirklich ausgesprochenen Sinn für seine Sprache hat. Die Arbeit geht rasch und ohne alle Störung vor sich. Nur bedauern wir beide, sie nicht in Ardez machen zu können. Auf Wunsch von Prof. Jaberg bin ich an Q n . Bis gestern Nacht haben wir in 8 Stunden ⅓ gemacht, p. 37. Heute abend, am Samstag nachmittag u. Sonntag können wir weiterfahren. Ich werde am Montag reisen. Jetzt schneits wieder, nachdem es die ganze Nacht gestürmt u. gestern stark geföhnt hat. Ich lebe mich so ein, daß ich sogar bereits eine Zillismännerchorgesangsstunde aktiv mitgemacht habe, unter Leitung von Cortes. Man muß mit den Leuten gehen. - Arbeit in der Zwischenzeit habe ich noch mehr als genug. Vielen Dank noch für Ihre Karte mit Wunschzettel, den ich recht auszufüllen hoffe. Mit herzlichen Grüßen Ihr P. Sch. 9. Zernez, 1. XII. 19. Lieber Herr Professor! Bitte fassen Sie mein langes Stillschweigen als ein Zeichen für große Inanspruchnahme durch meine neue und schöne Arbeit auf. Meinen Sujets liege ich zu jeder Tagesstunde auf der Lauer, sodaß sich meine Sitzungen schon bis über 11 h nachts ausdehnten, und dann erst noch mit einem Fräulein - von 50 Jahren aber. Die Zwischenzeit habe ich immer noch viel mit Vorbereitungsarbeiten zu tun; bis alles so im Blei ist mit den Q u. Bildern, und bis ich alles so intus habe, wie ich es wünsche. Jetzt habe ich bereits zwei volle Aufnahmen mit Q n hinter mir, und ich würde sagen, es sei alles ganz nach Wunsch gegangen, wenn nicht die Ardezer Aufnahme (ohne die K[onjugationen]) 26 Stunden, die Ramüser (mit den K[onjugationen]) 30 Stunden gedauert hätte 48 . So bin ich schon bald 14 Tage unterwegs und kann morgen erst die 3. Aufnahme in Zernez anfangen mit einem über 70 jährigen, urchigen u. noch rüstigen Zernezerbauern u. Holzer. Ich habe Hoffnung, daß es auch dieses 3. Mal gut geht. Die beiden ersten Sujets haben in allen Beziehungen sich die größte Mühe gegeben u. wirklich ihre Aufgabe mit Eifer u. Aufopferung getan. Der junge Lehrer Cortes in Zillis war jede freie Stunde außerhalb der Schule bereit, u. im großen Bauernhaus in Remüs, wo Fräulein Andry 49 noch allein ihren 82 jährigen Vater pflegt, war ich immer wie ein hoher Gast in der extra geheizten guten Stube empfangen u. wurde allemal zum Schluß noch vor dem Schlafengehen mit Bündnerschinken behandelt. Beide Sujets waren bis auf wenige Gebiete, so besonders Bäume, Sträucher, Tiere, Insekten usw. sehr gut beschlagen, sodaß ich relativ wenig Lücken habe. Die Aufnahmen selber haben mir wenig Mühe gemacht und sind auch bis auf das Plaudern rasch gegangen. Nun will ich morgen sehen, ob der alte Mann weniger schwatzt. Daß es manchmal schwer ist, Sujets zu finden, habe ich in Remüs gesehen, wo fast das ganze Dorf schon fort, besonders in Italien gewesen ist. Das Fräulein Andry, das seit bald 50 Jahren noch keine Woche außerhalb Remüs war, hat selbst 47 Informant für Ardez, zu dem cf. Jaberg/ Jud (1928: 40). 48 Die durchschnittliche Dauer der Aufnahmen betrug 3 Tage (ca. 18 Stunden) für eine «Normalaufnahme», 0.75 Tage (ca. 4.5 Stunden) für die «kleine Aufnahme» und 7.5 Tage (ca. 40 Stunden) für die «grossen Aufnahmen»; interessant ist dabei, dass in Graubünden der Durchschnitt für die Normalaufnahme mit 4.5 Tagen höher war (cf. Jaberg/ Jud 1928: 195). 49 Annetta Andry, Informantin für Ramosch (Remüs); cf. Jaberg/ Jud (1928: 40). 36 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 noch einige Ardezerbrocken von ihrer verstorbenen Mutter, die wohl vor mehr als 60 Jahren ins Dorf gekommen war, erhalten. Photographiert habe ich noch nicht viel; gestern in Remüs einige Molkereiu. Feldgeräte. Ich kann vielleicht später noch im Unterengadin dies nachholen; denn Cortes hat mich zu sich in die Ferien eingeladen auf Frühling oder Sommer. Beide Aufnahmen habe ich noch ohne Bilder gemacht, weil das «Album», dessen Herstellung sehr zeitraubend ist, noch nicht fertig ist. Ich habe aber alles ganz gut so machen können. Immerhin ist das Album nun meine nächste Arbeit. - Ich muß Sie noch fragen, ob ich in Casaccia und Stampa oder in einem der beiden Dörfer der Sopraporta Q n fragen soll. Man finde dort jetzt Leute (in Casaccia). Von Ihren Spezialwünschen sind alle im bündn. Q n enthalten bis an [sic] loba u. gaufle, welche ich extra frage. Hier einige Materialien. Soll ich Ihnen Ihre Stellen aus Q n jeweils ausziehen u. extra zustellen? Die Hefte von deutsch Q n von Fürrer 50 hat weder mein Bruder noch ich erhalten. Ich habe an Fürrer darum geschrieben. Hier lege ich auch die 1. Rechnung ab. Mit herzlichen Grüßen Ihr P. Scheuermeier 10. ZÜRICH 7, den 2. XII 19 Sprensenbühlstrasse 14 Lieber Herr Doktor! Für Ihren lieben und hoffnungsfreudigen Brief warmen Dank. Dass Sie es nun so gut treffen freut mich besonders: dass alles langsamer fortschreitet, das war vorauszusehen! Die beiden Spezialfragen nehme ich gern jeweils entgegen: vielleicht sind Sie so freundlich, meine Desiderata zu behalten, da ich sie ja auch ausserhalb Bündens abfragen lassen möchte. - Beiliegend finden Sie das deutsche Quest.: ich wusste nicht, dass Sie keines haben und sandte daher zwei an Prof. Jbg. und eines behielt ich für mich. Ich sende Ihnen nun sofort das Meinige und verlange eines von Prof. Jaberg zurück. Beiliegend ferner Adressen der Corresp. des Rät. Idioticons, die Ihnen zur Orientierung dienen können. Die Liste behalten Sie natürlich gut auf. Ferner auch eine Karte für Puschlav! Ich denke jeden Tag an Sie und ich beschäftige mich mit Ihrer Arbeit, Ihren Sorgen und hie und da beneide ich Sie auch ein wenig! Warmen Gruss auch von meiner l. Frau & Mutter! Jud Am oberen rechten Rand der letzten Seite, mit einem Rahmen von der vorgedruckten Absenderadresse abgetrennt: Natürlich nur Casaccia oder Stampa: Stampa bietet mehr Auswahl von Sujets! 50 Fürrer, ein Zürcher Papeteriegeschäft, war der Lieferant für Hefte, Papier, usw. fürs Projekt (cf. Kunz 2018: 176 N7). 37 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 11. Zernez, 4. XII. 19. Lieber Herr Professor! Nur schnell einige Zeilen in Eile - ich bin immer in Eile -, um Ihnen für die soeben auf der Post geholten Sachen zu danken. Besonders herzlich freuts mich, zu wissen, wie Ihre Gedanken mich stets begleiten. Das Gleiche brauche ich von mir wohl nicht extra zu sagen. Ich komme vor lauter Freude, recht schöne, volle u. dicke Hefte zu machen, kaum dazu, dies wunderschöne Winterwetter und Sportland zu genießen. Bin ganze Tage in der Stube. Wie freuts mich, daß es bis jetzt so gut gegangen. Und jetzt freuts mich noch mehr, nachdem ich den etwas pessimistischen Brief von Prof. Pult 51 gelesen. Ich glaube, ich komme schon gut durch. Die zu alten Leute, von denen er im Schams spricht, werde ich wohl nicht berücksichtigen können. Viel lieber wäre mir, ich könnte Lehrer u. Musiker Dolf 52 aus Mathon erwischen, wenn er in den Ferien bei seiner Familie in Zillis steckt. In seiner Stube habe ich schon die ganze Aufnahme mit Cortes gemacht. Bin dort bekannt. Über die Liste von Pult bin ich natürlich froh. Werde sie aufbewahren u. gelegentlich benützen 53 . Empfehlungen von bekannten Leuten sind immer vorteilhaft. Mit dem deutschen Q n ist ein Mißverständnis passiert. Ich habe nämlich bei der Abreise schon ein gleiches Ex., wie Sie mir schicken, mitgenommen. Nun hätte mir Fürrer aber ein anderes solider in schwarzem Leinwanddeckel einbinden sollen. Auf dieses habe ich gewartet. Wenn es nicht existiert, dann ist jetzt alles in Ordnung; ich behalte mein Ex. u. das Reserveex. Ich verstehe nicht recht, ob ich aus dem vollen Heft die Antworten, welche Sie interessieren, auf einen Zettel ausziehen u. Ihnen zustellen soll, bevor ich das Heft an Herrn Jaberg schicke. Daß ich alle Ihre Wünsche natürlich überall abfrage, versteht sich von selbst. Ich habe meinen ersten Druckbogen korrigiert u. zur Durchsicht an Dr. Fankhauser in W[interthur] geschickt, da er sich dazu anerboten hat. Er wird ihn dann direkt an Niemeyer senden. Neu möchte ich Sie noch fragen: 1.) heißt es Lallée oder Lallé en Bas-Ch. (Martin) 54 ? 2.) schreibt Horning im 65. Beiheft lothr. trœ̄ ̜ č oder trœ̄ č 55 ? Wollen Sie bitte die Antwort an Fankhauser schreiben, der direkt die Korrektur besorgen wird. Hier gehts gut mit einem 74 jährigen, zähen u. rüstigen Holzer, Bauer, Jäger u. Präsi. Doch ist eine Pause angezeigt. Ich reise drum morgen, wenns Wetter gut [sic], über den Ofenpaß. Adr. bis 15. XII. Poste restante St. Maria. Herzl. grüßt Ihr P. Sch. P.S. Fast hätte ich wieder den Besuch bei Bovet vergessen. Er hat mich ganz freundlich, trotz der außergewöhnlichen Stunde empfangen. Hat mich ein bißchen reden lassen. Ich erklärte ihm, wie ich nicht hätte fortgehen wollen, ohne ihn nochmals zu sehen, u. ich denke auch, er interessiere sich um die Sache u. ihre Organisation. Ich zeigte u. erklärte die Q u. Bilder. Er hörte aufmerksam zu und als er sah, daß ich sonst nichts anderes wollte, als noch eine gelegentliche Empfehlung - er würde sie nicht an den alters- 51 Chasper Pult (1869-1939), Romanist und Verfechter der Eigenständigkeit des Bündnerromanischen und von dessen Anerkennung als vierte Landessprache, der unter anderem ab 1914 Chefredaktor des Dicziunari Rumantsch Grischun war (cf. HLS , s.). 52 Thumasch Dolf (1889-1963), Lehrer und Musiker (u.a. Komponist rätoromanischer Lieder) aus Mathon, der mit dem Schiller-Preis ausgezeichnet wurde (cf. HLS , s.). 53 Schweizerisch für benutzen ; cf. URL: https: / / www.duden.de/ rechtschreibung/ benutzen [30.3.2023]. 54 Cf. Martin (1908: 26-32). 55 Cf. Horning (1916: 87). 38 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 schwachen Martini 56 , der ihm nicht mehr antwortete, sondern an andere einflußreiche Bekannte richten - da war er sichtlich zufrieden. Er habe sich sonst vorher gefragt, was ich jetzt da wohl von ihm wolle, er könne ja hier keine sachlichen Ratschläge erteilen. Dann hat er auch gefragt, wer jetzt das Unternehmen finanziere. Ich antwortete, daß Sie das auf privatem Wege tun, bis Sie die erwartete Subvention vom Stiftungsfonds bekämen. Er meinte, man habe Gauchat doch auf 2 Jahre zugesagt. Es habe sich aber Opposition erhoben. Noch höfl. Dank u. Erwiderung der Grüße von Frau Professor 12. Scanfs, Postbureau 6. XII. 19. Lieber Herr Professor! Mitten aus dem tiefsten Schnee muß ich Ihnen schnell meine Freude mitteilen, hier in S. nach langem Suchen einen ausgezeichneten Gewährsmann gefunden zu haben, den Bruder von Herrn Dr. Melcher sel 57 . Habe heute um 12 h meine 3. Aufnahme, in Zernez, abgeschlossen. Bin damit zufrieden; hatte einen originellen, alten Gewährsmann. Schon seit drei Tagen wollte ich über den Ofenberg. Da ist das Wetter aber immer schlechter geworden, u. ich war gezwungen, zuerst hieher zu gehen. Beim ersten schönen Tag reise ich hinüber. Für wie viel Tage ich hier bin, weiß ich nicht. Adr. Poste rest. Sta. Maria erreicht mich früher oder später. Herzl. grüßt Ihr Sch. 13. Sta. Maria, 9. XII. 19. Lieber Herr Professor! Der Sonnenblick von Samstag war schön, aber kurz. Als ich am Sonntag mittag 1½ laut Verabredung zu Herrn Melcher kam, teilte er mir mit, es sei ihm nachträglich in den Sinn gekommen, daß er vor Mittwoch oder Donnerstag unmöglich Zeit habe. Wir haben dann noch einige Stunden geplaudert; dann war ich wieder auf Trocknen. Sie können sich meine Enttäuschung denken. Ich ging noch am gleichen Abend nach Zuoz u. erkundigte mich bei Lehrer Pfosi 58 , den Sie vor vielen Jahren kannten. Nach langem Besinnen fand er einen Herr [sic], den ich am folgenden Morgen besuchte. Er habe immer Zeit, nur jetzt nicht. Ich fand also in Zuoz u. Scanfs niemanden, der unsern Anforderungen entsprach. Dafür feierte ich aktiv das Fest der «Uniun dels Grischs» in Scanfs mit bis Montag früh. Die Aufnahme Scanfs verschob ich u. zog abwärts. Komme soeben per Ski über den Ofenberg. Versuche hier mein Glück. Am linken Rand in vertikaler Richtung zum Rest des Textes : Mit herzl. Gruß Ihr Sch. 56 Ferdinando Martini (1841-1928), italienischer Schriftsteller und Politiker, der im Governo Giolitti I als Bildungsminister amtete (cf. Kunz 2018: 186 N23). 57 Florian Melcher (1875-1913) war von 1904 bis zu seinem Tod Redaktor des Dicziunari Rumantsch Grischun ; wie aus dem Brief hervorgeht, stellte sich sein Bruder, Anton, Scheuermeier als Informant für S-chanf, das aber nicht im AIS vertreten ist (cf. unten Nr. 13), zur Verfügung (cf. Kunz 2018: 195 N40). 58 Gian A. Pfosi, 1920 als Lehrer in Zuoz registriert (cf. Jahresbericht des Bündnerischen Lehrervereins 38 [1920]: 203, URL: https: / / www.e-periodica.ch/ digbib/ view? pid=jbl-001%3A1920%3A38#23 [30.3.2023]). 39 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 14. Lieber Herr Doktor! Nur rasch die Mitteilung: für Sils i. Eng. scheint die beste Gewährsperson die Wirtin im Fextal zu sein (nach H. Prof. Pult): erkundigen Sie sich darüber in Sils. Da ja das Wetter anhaltend trübe ist und Ihre Reise nach dem Münstertal noch hinausgeschoben werden muss, so dürfte Sils ev. nach Scanfs an die Reihe kommen. Besten Dank für Karte. Bestellung für Conjugationstabellen machen Sie am besten direkt an Fürer [sic] 59 Herzl. Gruss Jud Eine andere Person hat die Adresse korrigiert ( Scanfs Engadin → St. Maria Val Müstair ) und hat folgenden Gruss an Scheuermeier eingefügt: Bun di, signur Dr. Amiaivels salüds e bgera fortüna in Val Müstair 60 ! 15. Sta Maria, Weißes Kreuz 15. XII. 19. Lieber Herr Professor! Sie werden wohl meine Korrespondenz etwas spärlich finden; denn wenn ich auch meine langen Geschäftsberichte, die ins Archiv nach Bern wandern, in Gedanken immer zur Hälfte an Sie richte, merken Sie doch zunächst nichts davon. Meine Arbeit geht immer rüstig vorwärts. Ich treffe gute Leute und im allgemeinen tüchtige Sujets. Persönlich scheints mir fast, ich sei vom Glück verfolgt. Kaum im Unterengadin angekommen, lud man mich schon zu einer Schlittenfahrt nach Pfunds im «schönen» Land Tirol ein; am zweiten Abend in Scanfs durfte ich schon im Kreis der «Uniun dels Grischs» eine ganze Nacht Studien zu trä ́ yšc̋ as 61 und anderen schönen Sachen machen. Und gestern Sonntag hab ich sogar zum ersten Mal auf meiner Reise Italien begrüßt. Und zwar - ein gutes Omen - unter dem strahlendsten Blau eines wunderbaren Wintertages von der Höhe der Dreisprachenspitze. Ich saß am Samstag abend eben mit meinem Gewährsmann bei einem Glase Wein, als 4 stramme Bündnerburschen neben mir sagten, sie gingen auf den Piz Umbrail. Auf meine Frage luden sie mich freundlich ein, u. sofort war der Sack gepackt u. die Skier an den Füßen. Das Funkeln einer herrlichen Nacht leuchtete uns hinauf, und stundenlang genossen wir droben inmitten eines Kranzes blendender Spitzen die Schönheit einer Wintergebirgslandschaft. Ihre Reinheit war allerdings schmerzlich gestört durch die traurigen Überreste vergangener Kämpfe: Ruinen zerschossener Hotels, Baracken, Unterstände, Gräben und Telegraphenstangen bis auf die höchsten Bergspitzen. Wahnsinn! Hier habe ich einen ehemaligen Lehrer gefunden, der sich für unsre Arbeit interessiert: Lehrer Lüzi Perl 62 , der seinerzeit auch von Ihnen Fragebogen erhielt, aber nie beantwortete. Nun revanchiert er sich sogar fast mit Q v . Wenn die Bereitwilligkeit anhält, hoffe ich bis Ende dieser Woche fertig zu werden. Wir stehen gerade auf Seite 69 u. haben seit letzten [sic] Mittwoch jeden Tag außer Sonntag gearbeitet. Q v scheint langsamer vorwärts zu gehen als die bisherigen Aufnahmen mit Q n . Vielleicht liegt der Grund auch am Sujet, das manchmal unsicherer ist als die bisherigen. 59 Gemeint ist wahrscheinlich Fürrer (cf. oben Nr. 9 und N50). 60 «Guten Tag, Herr Doktor. Freundliche Grüsse und viel Glück in Val Müstair! ». 61 Cf. DPD , s. trạs-cha ‘Tanz’. 62 Es handelt sich um die in Jaberg/ Jud (1928: 43) beschriebene Gewährsperson. 40 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Vieles der alten Kultur u. Sprache steht leider auch hier bereits auf dem Aussterbeétat. Es hat mir u. Perl heute fast weh getan, die Erinnerung an die mächtigen, alten Kornkasten (ko̜ ̄ ́ šans ̩ 63 ), die heute zum Heizmaterial herabgesunken sind, zu vergleichen mit der «Kultur» unser [sic] Zeit. Es ist hier wirklich die höchste Zeit für unsere Arbeit. Ich bin oft schon zu spät. So hat man mir in Scanfs u. Zuoz lauter gestorbene Leute aufgezählt, die für mich ausgezeichnet gewesen wären. Aber wir leben mit den Lebendigen. Und so kehre ich eben nach Scanfs zurück zum Bruder Melchers, wennschon dieser von der Landwirtschaft u. den alten Geräten u. all diesen Sachen, wie es scheint, nicht mehr ganz sichere Auskunft geben kann. Das ist eben auch typisch für unser Heute. - Will sehen, ob die Wirtin in Fex besser ist u. uns sich zur Verfügung stellt. «Ich habe keine Zeit» kann man selbst im Winter hinter dem Ofen hervortönen hören. Ich pflücke, was ich kann. Hier noch das korrigierte u. ergänzte Q n zurück. Herzlich grüßt Sie u. Ihre Familie Ihr P. Sch. 16. ZÜRICH 7, den 20. XII 19 Sprensenbühlstrasse 14 Lieber Herr Doktor! Besten Dank für guten Bericht aus Santa Maria: den Höhenflug auf den Umbrail mag ich Ihnen warm gönnen. Hoffentlich haben Sie dieses Mal mehr Glück in Scanfs. Da Herr Brenner krank geworden ist, so kann ich Ihnen das Qu r immer noch nicht senden. - Hoffentlich ist Ihre Rückreise über den Ofenpass glücklich abgelaufen: ich habe stets etwas Angst betreffend Lawinengefahr. Beiliegend finden Sie eine Arbeit meines Freundes Dr. Brockmann 64 , die Sie vielleicht an einem Abend rasch durchlesen: ich habe ihm in Aussicht gestellt, Sie würden auf Ihrer Reise sich jeweils über die Verwendung von rumex alpinus (lavazza rom. 65 ) 1) als Futter für Vieh 2) als menschliche Speise 3) den Namen an den Orten erkundigen und ihm (Kapf, Zurich [sic] 7) jeweils alle 14 Tage direkt berichten (gleichzeitig mit Rücksendg des Ms.). Da ihn die Verhältnisse im Münstertal besonders interessieren, so sind Sie viell. so freundlich, an Ihr Sujet in Santa Maria eine Fragekarte (mit Antwort) zu richten, ob eine solche Verwendung von rumex ihm bekannt ist. Während der kommenden Weihnachtstage bin ich bei Ihnen und wünsche Ihnen alles Gute J. 17. 25./ XII.19 Lieber Herr Doktor, Zum Zeichen, dass wir in den Festtagen Ihrer herzlich gedenken, senden wir Ihnen ein kl. Christkindmümpfeli 66 in Ihre Bergeinsamkeit! Mit warmem Gruss Ihre J. u. M. Jud. 63 Cf. dazu Bott (2012: 48). 64 Da ein Manuskript erwähnt wird (cf. Nr. 20), handelt es sich wahrscheinlich um eine Vorabdruckversion von Brockmann-Jerosch (1921). 65 Cf. REW (4897). 66 Ein essbares Weihnachtsgeschenk (aus zürichdeutsch Mümpfeli ‘kleiner Bissen’: cf. ZW , s.; SchwId. , s. Mumpfel ). 41 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 18. Zuoz, Weißes Kreuz 27. XII. 19. Lieber Herr Professor! Wieder atme ich unter dem freiern Himmel des Engadins, froh, der Falle glücklich entschlüpft zu sein, in welche mich die Schneemassen seit dem 22. XII. einschließen wollten. Reiche Ernte habe ich im Münstertale gehalten. Mit dem gleichen Sujet, einem 52 jährigen ehemaligen Lehrer, Lüzzi Perl, habe ich beinahe Q v erledigt. Ich hätte es selber nicht für möglich gehalten. Da aber der Mann Interesse an der Sache zeigte, ließ ich ihn nicht mehr los. In der 2. Hälfte haben wir noch intensiver gearbeitet. Das Ganze dauerte an die 70 Stunden, ohne die volle Konjugationstabelle, sachliche Skizzen, Notizen u. Photographien. Im Ganzen war ich 16 Tage im Tal. Am Schluß machte ich noch eine Aufnahme im katholischen Münster mit dem Q r , das ich letzten Frühling von Prof. Jaberg kopierte, nicht vollständig zwar; aber dafür die Kirchenwörter von Q e u. Q v , die im protest. Sta Maria mager ausgefallen. Den Teufel, Hölle u. Hexen mußte ich aber aus dem Spiel lassen, denn draußen in der dunklen Nacht rüttelte der Sturm gar unheimlich an den Fensterladen, u. ich durfte die Seelenruhe des 75 jährigen Mütterchens nicht allzusehr stören. Sie stellte mir ohnehin die fatale Frage, ob ich katholisch sei, daß ich diese Sachen so gut kenne, worauf ich auf diesem heißen Boden des beständig glimmenden Glaubenskampfes mit etwas undeutlichem Gebruschel 67 antwortete. Münster ist phonetisch interessant, besonders weil es keinen Unterschied zwischen ć u. c̋ kennt, sondern überall c̋ durchführt, worüber sich die andern weidlich lustig machen. Ich hoffe, diese Eigentümlichkeit in der ca. 4 stündigen Aufnahme genügend festgehalten zu haben. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich die große Aufnahme in Münster statt in Sta Maria gemacht hätte, weil dieser katholische Winkel in vielem noch konservativ ist. Aber das habe ich erst zu spät erfahren, u. das günstige Sujet, das sofort bereit u. immer willig war, hat mich bestimmt. Ich hoffe, daß es so auch gut sei. Die große Aufnahme hatte ich noch am 22. XII. abends auf die Post getragen, um das kostbare Paket mit dieser letzten Gelegenheit noch Herrn Prof. Jaberg an den Weihnachtsbaum zu hängen. Nun vernehme ich hier zu meinem Bedauern, daß gerade diese Post die erste war, welche nicht mehr passieren konnte. Nun liegt das Heft, wie auch mein Koffer noch hinter dem Ofenberg, bis die Straße wieder fahrbar ist. Ich habe nicht solang gewartet. Mit einem tüchtigen Bündner bin ich an den beiden Weihnachtstagen per Ski über den Ofenpaß gezogen, über und unter Lawinen. Daß ich nun glücklich wieder unter den Leuten bin, will ich Ihnen hier schnell mitteilen. Um nicht weiter Zeit zu verlieren, habe ich heute gleich eine Rekognoszierung nach Zuoz gemacht, u. hier den Lehrer Pfosi, der bis zum 2. I. Ferien hat, zu einer Aufnahme bereit gefunden. Da dieser Gewährsmann in der Liste der Korr[espondenten] von Pult als ganz besonders gut angemerkt ist, u. da er auch persönlich mir recht gut gefallen hat, möchte ich ihn doch dem etwas zu kultivierten italianisierten Herrn Melcher in Scanfs vorziehen. Die Sucherei in Scanfs von neuem anfangen, wollte ich auch nicht. Im Fall Sie Wert darauf legen, wegen größerer Nähe an der Sprachgrenze neben Zuoz doch auch Scanfs oder Zinuskel-Brail vertreten zu haben, bitte ich Sie, mir sofort Q r zu diesem Zweck zu schicken. Aber Sie stimmen vielleicht mit mir auch für rascheres Tempo. Es ist bald Neujahr u. ich noch immer im Engadin. Und habe doch immer nach Kräften gearbeitet. 67 Von zürichdeutsch bruschele ‘murmeln, undeutlich sprechen’ (cf. ZW , s.; SchwId. , s. bruscheln ). 42 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Mit den besten Wünschen aufs neue Jahr grüßt Sie u. Ihre Familie Ihr ergebener P. Sch. Am oberen Rand der letzten Seite auf dem Kopf stehend: Adr. bis 31. XII. 19 Weißes Kreuz, Zuoz 19. Lieber Herr Doktor! Wir waren in starker Sorge um Sie: wir dachten, dass der Übergang schwer sei. Wenn Sie nach Sils gehen, machen Sie noch einen kurzen Besuch bei Herrn Bezzola 68 , der in Celerina ist. Darf ich Sie freundl. bitten, einen Brief & Packetchen [sic] Postrestante Scanfs abzuholen, wo sie seit 8 Tagen liegen. Scanfs bietet nicht soviel besonders [sic], dass sich eine Aufnahme lohnt. Ihnen wünschen wir beide alles Gute und Liebe zum kommenden Jahre! Ihr Jud 20. Zernez, Neujahr Lieber Herr und Frau Professor! Empfangen Sie vor allem mit meinen besten Neujahrswünschen herzlichen Dank für die lieben Weihnachtssachen. Ich habe sie zwar erst an Silvester aus ihrem Gefängnis im Postbureau Scanfs befreit; dafür haben sie mich dann süß ins neue Jahr hinübergeleitet. Ich bin heute hier von der freundlichen Familie meines Standquartier [sic] eingeladen. Bis Ende Woche hoffe ich in Zuoz fertig zu werden. Ich werde mein Hauptquartier nach Samaden verlegen u. über Celerina nach Fex zur Sonnenwirtin Füm reisen; dann Bergell u. Puschlav. - Zur Lektüre der Arbeit B[rockmanns] will ich mir sobald wie möglich Zeit machen u. das Ms. retournieren. Leider ist mein Koffer durch Poststörung u. Irrtümer auf Irrfahrt geraten. Der Wanderer muß auf alles gefaßt sein. Herzlich grüßt dankend Ihr P. Sch. Am Anfang der ersten Seite auf dem Kopf stehend: Adr. bis ca. 5. I: Poste rest. Samaden Unter «Neujahr» von Jud geschrieben: 1920 21. Samaden, Des Alpes 7. I. 20. Lieber Herr Professor! Hier sitze ich in Samaden u. schaue zu, wie gewaltige Haufen Neuschnee fallen. Es ist wieder wie in Sta Maria: gerade wenn ich reisen sollte, fängt das schlimme Wetter an. Vorgestern bin ich hier angekommen, nachdem ich in Zuoz abgeschlossen und mein Lager in Zernez endgültig abgebrochen hatte. Nun schneits beständig. Die lieben und eindringlichen Ermahnungen sind aber nach meiner Ofentour aus dem Unterland so zahlreich zu mir herauf gekommen, daß ich jetzt artig sein u. keine so eiligen Sprünge mehr machen will. Ich habe auch etwas innere und äußere Retablierung recht nötig; habe ich doch über die Festtage fast jeden Tag 68 Reto Raduolf Bezzola (1898-1983), Schüler Juds aus Celerina, der später in Zürich Professor für italienische, französische und rätoromanische Literatur werden sollte (cf. HLS , s.; Kunz 2018: 610 N814); Verfasser des Grundlagenwerks Litteratura dals Rumauntschs e Ladins (Bezzola 1979). 43 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 irgend etwas für den Atlas gearbeitet, die Ofenstrapazen, die ich vor allem wegen Zeitersparnis unternommen, nicht eingerechnet. Dann gibts auch immer noch so viel zwischen hinein zu tun: phonetische Notizen zu den Aufnahmen, Charakteristik der Sujets, Ergänzung u. Kontrolle fraglicher Stellen der Aufnahme durch andere Personen, Vorbereitung der Konj.-Tabellen, Tagebucheintragungen, Zusammenstellung der vielen flüchtigen Gelegenheitsnotizen im Westentaschenblock auf diese Einheitsblätter, Sachstudien mit Skizzen u. Photographien (diese sind jetzt noch etwas zu kurz gekommen, bis ich besser eingeschossen bin; das Photographieren nimmt immer viel Zeit in Anspruch u. meistens kommt gerade immer das schlechte Wetter, wenn ich mich daran mache. Das Finden eines günstigen Platzes ist oft recht schwer jetzt, wo die Häuser ringsum im tiefen Schnee stecken); dann ist der Rechnungsabschluß (ich konnte diesen nicht früher schicken, weil ich erst seit gestern wieder im Besitz aller meiner Sachen bin), die Korrespondenzen, die jeweiligen Reisevorbereitungen bei jedem Ortswechsel (das System des großen Koffers in einem festen Standquartier u. des Handkoffers, der mich überall begleitet u. immer wieder frisch geladen wird, hat sich bis jetzt bewährt, das Lawinenintermezzo ausgenommen), auch die Illustrationen zu den Q. sind noch nicht alle aufgeklebt; ich habe sie noch einzeln in Couverts mitgetragen. Übrigens sind bei guten Sujets die Bilder viel weniger nötig als ich glaubte, am ehesten noch bei den Tieren u. Pflanzen. Das ist überhaupt immer ein heikles Gebiet: mit den Namen für Tiere, bes. Vögel, Insekten, für Pflanzen, bes. Bäume, Blumen, Gemüse sind fast alle Sujet [sic] sehr schlecht bestellt. Für vieles fehlt offenbar der einheimische Name, z.B. die «Kellerassel» kannten alle u. wußte niemand zu benennen. Vieles ist hier auch bloßes (deutsches) Schulwissen, z.B. lα báχ šte̜ltsα 69 in Remüs. Von meiner ganzen Arbeit fallen mir die Aufnahmen selber am leichtesten. Ich habe auch glaub bis jetzt damit ordentlich Glück gehabt. Daß ich im Münstertal die fast doppelkolonnigen 182 Seiten von Q v beinahe fülle, hätte ich nicht geglaubt. Auch in Zuoz habe ich mit dem tüchtigen Lehrer Pfosi eine schöne Aufnahme gemacht. Aber lange dauert die Geschichte immer. Die 1. Aufnahme mit Cortes in Zillis war noch bis jetzt die kürzeste; aber da durfte ich eben den Gleichaltrigen freundschaftlich zu raschem Tempo drängen, was sonst nicht immer gut geht. So hatte ich für Ardez: 26, Remüs: 30, Zernez: 27, Sta-Maria: 68, Zuoz: 30 Stunden, die Zeit für die Konj. immer nicht mitgerechnet, welche auch ca. 3 Std. dauert. Und alle diese Sujets sprachen doch sehr gut deutsch, also Übersetzungsschwierigkeiten waren fast keine da. Ich bin gespannt, wie weit mit größerer Übung meinerseits diese Zeit noch verringert werden kann. Nun stehe ich hier vor einer doppelten Frage: 1) Soll ich zuerst ins Puschlav u. nachher aufwärts Richtung Bergell oder soll ich mit Fex zunächst die romanischen Engadineraufnahmen abschließen, daran das Bergell fügen u. so das Puschlav als 3. der 3 ital. Aufnahmen machen? Dabei setze ich voraus, daß die Berninabahn, wie man mir hier versichert, auch später so gut wie bis jetzt funktioniere. Mir wäre diese Reihenfolge lieber; denn wenn nachher noch schlechteres Wetter einsetzt, wäre das bahnlose Fex u. Bergell wohl noch schlimmer. Herr Jaberg schreibt mir übrigens in seinem letzten Brief vom 3. I. 70 , ich solle vielleicht lieber Bergell u. Puschlav weglassen u. später von Italien aus machen. Was meinen Sie dazu? Ich meine «ja», wenn im Notfall das Wetter mich dazu zwingt, sonst aber möchte ich beim alten Plan bleiben. 2) Angenommen ich gehe ins Bergell: soll ich dann in Fex, wo der bergellische Einfluß, wie man mir hier sagt, schon ziemlich groß ist, Q n und ebenso nochmals Q n in der Sopraporta und 69 Deutsch Bachstelze (cf. auch N15). 70 Cf. Kunz (2018: 206). 44 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 in der Sottoporta fragen, sodaß wir 3 mal Q n in relativ geringer Distanz hätten? Würde nicht vielleicht an einem der 3 Punkte Q r genügen, an welchem? Ich stelle diese Frage nur in Hinsicht auf die unheimlich rasch schwindende Zeit. Wir stehen im Januar u. von den 20 Bünderaufnahmen [sic] sind erst 5 gemacht! Ich persönlich würde gern länger da oben u. in den ital. Tälern sein; ich frage ganz nur aus Zeitökonomie. Da Ihre ausführliche schriftliche Antwort auf diese Fragen mich zu lange hier warten lassen müßten [sic], werde ich Ihnen heute Abend in dieser Sache anläuten, damit ich vor der Abreise nach Fex weiß, wie ich packen muß. Ihre Antwort können Sie mir vielleicht doch, wenn nötig, nach Fex, Hotel Sonne nachsenden. Ich denke, Sie sind einverstanden, daß ich in Fex die von Pult empfohlene, mit Posthalter Wallin 71 in Scanfs verwandte Wirtin, Frau Füm 72 frage - wenn sie will u. Zeit hat? ? -, obschon ihr Vater ein schon lange zugezogener Deutschbündner Nadig war. Sie selbst wuchs in Sils auf, ist ca. 65 jährig. Andere Alte würde ich scheints in jener Gegend schwer finden, die alteinheimisch wären. Auch im Puschlav werde ich mich zunächst an den von Dr. Michael 73 empfohlenen Notar Beti 74 wenden. Sind Sie einverstanden? Habe an einem Abend schnell einen Besuch in der Fam. Bezzola, Celerina, gemacht. Die Familie, die mich freundlich zum Nachtessen einlud, hat mir doch einen rechten Engadiner Eindruck gemacht. Reto ist der Älteste einer gesunden, frischen Schar Geschwister. Es freute mich, wieder einmal mit jemandem Philologie plaudern zu können. Er zeigte mir in den Bündn. Monatsbl. Wartburg [sic] Arbeit über die sprachl. Stellg. Bergells 75 . Wäre es Ihnen möglich, mich das einmal sehen zu lassen? Bezz. möchte gern eine rätische Diss. im Sinne Baillys [sic] 76 machen. Das wäre flott. Stoff genug. Habe ihn ermuntert. Auf Wiederhören heut abend, jetzt herzliche Grüße Ihr P. Scheuermeier 22. Sonne, Fextal, 12. I. 20. Lieber Herr Professor! Einen Tag nach Ihrem Telegramm bin ich hier angekommen. Das schlechte Wetter hatte mich aufgehalten. Ich habe dann sofort in Clavadel angeläutet. Sie waren aber schon fort. Ich unterließ es dann, Sie nochmals telephonisch in Zürich um Weisung anzufragen, weil ich unterdessen ein Sujet, eine 68 jährige Jungfer, gefunden hatte. Diese hat sehr gut Zeit, findet Spaß 71 Vallin in Kunz (2018: 416 N450); es handelt sich um einen Forstwart und Postbeamten. 72 Im Tagebuch (und weiter unten) schreibt Scheuermeier Fümm , während er Füm auch in den Briefen an Jaberg verwendet (cf. Kunz 2018: 209 und N59); mehr war zu dieser Person - und ihrem Vater mit Nachnamen Nadig - nicht ausfindig zu machen. Da die Wirtin keine Zeit hatte (cf. unten Nr. 22), wurde eine andere Gewährsperson ausgewählt (cf. deren Beschreibung in Jaberg/ Jud 1928: 46). 73 Johann Michael (1873-? ), Schüler Ulrichs und Bovets, der seine Dissertation zum Dialekt des Puschlavs (Michael 1905) verfasst hatte (cf. Kunz 2018: 235 N104; cf. auch URL: https: / / www.matrikel.uzh.ch/ active/ static/ 14709.htm [30.08.23]). 74 Giacomo Beti, zu dem cf. Quaderni grigionitaliani 25 (1955-56): 152, URL: https: / / www.e-periodica. ch/ digbib/ view? pid=qgi-001%3A1955%3A25%3A%3A88#88 [30.3.2023]. 75 Wartburg (1919). 76 Es handelt sich in diesem Kontext wohl eher um Charles Bally (1865-1947), Schüler Saussures und Herausgeber von dessen Cours de linguistique générale , der zu jener Zeit den Lehrstuhl für allgemeine Linguistik und vergleichende Indogermanistik der Universität Genf innehatte (cf. HLS , s.; siehe auch Trachsler 2009). Bezzola schrieb seine Dissertation letztlich nicht zum Rätoromanischen, sondern zu den Gallizismen im Altitalienischen (Bezzola 1924; 1925). 45 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 an der Plauderei, u. da die Sache ganz gut u. rasch geht, fahre ich gleich weiter. Vieles fällt da oben ja ohnehin ganz weg; so nicht nur die Kastanien-, Seidenu. Wein-, sondern auch jede Getreide-, Hanfu. Flachskultur, u. was damit zusammenhängt. Ich bin schon über die Hälfte u. werde übermorgen fertig. Ob ich dann ins Bergell gehen kann? Heute schneite es den ganzen Tag. Es kommt aufs Wetter an, ob ich über den Maloja, die Bernina oder nach Bergün gehe, kaum über den Julier. Ich möchte schon, aber alleine gehts nicht, nicht einmal bei schönem Wetter. - Heute hab ich endlich die Arbeit Brockmanns gelesen u. werde sie morgen abschicken, bereits mit einigen guten Beiträgen. Sobald meine Reise sicher ist werde ich wieder schreiben. Herzlich grüsst Sie Ihr P. Sch. Am oberen Ende der ersten Seite auf dem Kopf stehend: Wirtin Fümm hatte keine Zeit. Am oberen Ende der zweiten Seite auf dem Kopf stehend: Ihr Telegramm ist mir übermittelt worden. 23. Hotel Piz Duan, Stampa 19. I. 20. Lieber Herr Professor! Als ich vor Jahren in Ihrer Begleitung in dieses Tal, dieses Dorf u. dieses Hotel Einzug hielt, hätte ich nicht geahnt u. zu hoffen gewagt, zum 2. Mal diesen Ort in Ihrem Auftrag zu betreten. Am Freitag abend bin ich per Ski von Fex hier unten angekommen. Weil ich nicht wußte, wie lange ich im Fextal bleibe u. wohin ich mich im Bergell wende, habe ich bis jetzt nicht geschrieben. In Clavadel versuchte ich Sie übrigens am Nachmittag Ihres Abreisetages telephonisch zu erreichen. Ich läutete dann nicht mehr bei Ihnen in Zürich an, weil ich unterdessen eine alte Fexerin gefunden hatte, die mir nicht nur sehr gern Auskunft gab, wozu sie als halber Krüppel auf der Ofenbank sehr gut Zeit hatte, sondern sie war auch noch einer der wenigen Vertreter der alten Fexeru. Silser Sprachform. Die Jungen reden schon stark Oberengadinisch. Bei diesen Alten (ich hörte auch noch einige andere) ist mir hingegen der starke Bergellereinschlag aufgefallen, lexikologisch u. phonetisch, wie ich hier gut konstatieren kann. Diesbezügliche Beobachtungen halte ich in Kürze in den phonetischen Bemerkungen fest, die ich jeweils mit der Aufnahme nach Bern schicke. Im Fextal wohnt ein merkwürdiges Gemisch von alten Silsern, Aversern, Bergellern u. Italienern. Am letzten Donnerstag habe ich die Fexeraufnahme abgeschlossen. Den wunderschönen Freitag benutzte ich als Reisetag, wobei ich auf den Skiern über einen prächtigen Aussichtspunkt an den See u. über diesen nach Maloja fuhr. Bei der Talfahrt im Alpenglühn leuchtete Italien mit einem rotgoldenen Abendgruß hinauf. Hier habe ich einen ehrwürdigen, freundlichen, 70 jährigen Förster gefunden, mit dem ich bereits die ersten 40 Seiten gemacht habe. Er interessiert sich u. macht seine Sache gewissenhaft. Nur aus 50 jähriger Erinnerung konnten er und die alte Mutter mir noch über die verschwundene Getreideu. Flachskultur des Tales Auskunft geben. Es ist auch hier wie überall. Jetzt haben wir da beinahe Frühling, wenigstens scheint es mir so, wenn ich nach den Schneehaufen des Engadins wieder schneefreie Halden sehe. Den ganzen Tag haben wir den blausten Himmel; aber über die steilen Berge trifft vor Februar kein Sonnenblick das schattige Stampa. 46 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 In der ersten Januarsnummer der «Rezia» hat man mir einen lobenden Artikel auf Dr. Wartburg gezeigt. Der Einsender möchte gern dessen Arbeit mit der «cittadinanza d’onore» belohnt wissen. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie mir das Heft hieher schicken könnten. Ich werde bis ca. 23. I hier und bis Monatsende im Tal sein; wohin ich in der Sottoporta gehe, weiß ich noch nicht. Mit herzlichen Grüßen, auch an Frau Professor, verbleibe ich Ihr P. Sch. 24. Samaden, Des Alpes 31. I. 1920. Lieber Herr Professor! Heute bin ich in langer, schöner Postschlittenfahrt von Soglio ins Engadin gefahren u. abends hier wieder gelandet. Es ist wieder Monatsende u. ich schicke Ihnen sofort heute abend noch die Abrechnung. Wenn wir uns zu der Zeit zu unsern Ungunsten getäuscht haben, konstatiere ich zu meinem Trost, daß wenigstens die Ausgaben weit unter der vorausgesehenen Höhe der Reisespesen bleiben. Ich lege auch noch nähere Angaben zu den gesandten Photographien bei, wozu ich am 28. I. nicht mehr Zeit hatte. Leider habe ich hier den geflickten Apparat noch nicht vorgefunden. Erwarte ihn im Puschlav. Morgen gedenke ich hinüber zu fahren, um so schnell wie möglich wieder zurückzukehren. Dann nachher suche ich jemanden, der mich bei schönem Wetter u. günstigem Schnee zu Ski nach Bivio über den Julier geleitet. Allein geh ich nicht. Bei schlechtem Wetter nehme ich zuerst Bergün u. steige dann ins Oberhalbstein von Tiefenkastel, wo ich mein nächstes Lager aufschlagen werde. - Mit den Aufnahmen Fex-Stampa-Soglio bin ich zufrieden; aber es sind eben gerade 3 Wochen, seit ich von hier dorthin aufbrach. In Soglio hat mich die Aussprache meines 70 jährigen Bauern zu schwitzen gemacht. Er zeichnete sich durch besondere Herbheiten u. Eigentümlichkeiten aus gegenüber dem klarfließenden, deutlichen «bregagliotto illustre» seines gleichaltrigen Mitbürgers, des gelehrten Giovanoli 77 . Dieser hatte keine Zeit als Sujet, glücklicherweise? Ich weiß nicht, soll ich mich in Bivio an den Dichter, Präsident Lanz 78 od. lieber an einen rohen Bauern wenden. Aber diese kosten Zeit u. Geduld: Soglio 3! Std. ohne Konj.! Wieder Mitternacht vorbei. Herzlich grüßt Sie Ihr Sch. Am oberen Ende der zweiten Seite auf dem Kopf stehend: Bis ca. 6. I. [sic] 79 Adr. Poschiavo, Poste rest.\oder Des Alpes, Samaden 77 Gaudenzio Giovanoli, zu dem cf. URL: https: / / www.histoirerurale.ch/ pers/ personnes/ Giovanoli,_ Gaudenzio_(1893_1977)__DB8642.html [30.3.2023]. 78 Rodolf Lanz, Lehrer und zwischen 1901 und 1905 Landammann von Bivio, der auch Gedichte im lokalen Dialekt veröffentlichte (cf. URL: https: / / nossaistorgia.ch/ entries/ yb9D13LXZoG; https: / / www.rtr.ch/ archiv/ radioscola/ radioscola-1966-1970/ igl-biviano-da-rudolf-lanz [30.3.2023]). 79 Anstatt 6. II. 47 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 25. Silvaplana, 7. II. 20. Lieber Herr Professor! In Poschiavo habe ich einen 74 jährigen alt Lehrer u. Bauer der Fraktion Sommaino über San Carlo (katholisch u. bodenständig) ½ Std. oberhalb Poschiavo gefunden. Wir haben zusammen bis jetzt das Minimum der Zeit erreicht. 27. Std. mit Konjugationen, in 4 Tagen. 3 Tage ist es zwar gegangen, bis ich nach Abschluß der Aufnahme in Soglio in Sommaino beginnen konnte. Heute habe ich der Versuchung wiederstehen [sic] müssen: man sagt mir, in Viano, 600 m. über Brusio hätten sie einen ganz besondern Dialekt: ké̜mp, kanté̜ usw. 80 Um Zeit zu sparen, habe ich mit Bedauern verzichtet. Mit dem 1. Zug bin ich über den in der Sonne glänzenden Berninapaß gefahren, habe in Samaden mein Quartier aufgehoben u. es nach Tiefenkastel verlegt. Morgen mit Führer per Ski über den Julier, 3 Stunden, wundervolles Wetter. Bis ca. 12. II. in Bivio, Hotel Post. Bin gespannt auf diesen Übergang von Bergell nach Bünden. Habe immer viel Freude an der Arbeit, gute Leute; aber wenig Zeit. Am linken Rand in vertikaler Richtung zum Rest des Textes: Herzl. grüßt Sie Ihr P. Sch. 26. 9. II 20 Lieber Herr Doktor! Sie können sich denken, dass unsere Zusammenkunft vorletzte Woche in Zürich stark mit Geschäften beladen war. Aber gefreut haben wir uns doch in erster Linie ob der prächtigen Aufnahmen und begleitenden Materialien wie Photographien, die mich besonders anheimelten. Wir haben uns besonders gefreut der so einsichtigen Einstellung für die Aufgabe, die ja so reichlicher Initiative und persönlicher Geschicklichkeit Spielraum gewährt. Wir haben nur den einen Wunsch: Sie dürfen sich nicht überanstrengen und ins besondere nicht zu weit in die Nacht hineinarbeiten: denn Ihre Gesundheit ist ein gar wertvolles Kapital, das man nicht verschleudern darf. Auch haben wir stets etwelche Befürchtungen wegen Grippenansteckung 81 : wenn Sie etwa ein desinfizierendes Mittel wünschen, schreiben Sie mir ja ungeniert. Unsere Eingabe ist Ende Januar erweitert eingereicht worden: wir haben zusammen bei dem Präsidenten des Curatoriums vorgesprochen und ihm die ganze Anlage des Unternehmens auseinandergesetzt: er hat durchaus guten Willen, aber es sind eben Concurrenten da, wenigstens stellt sich Prof. Bachmann 82 mit einem Gesuch um 15000 frs. für die Schweizerdeutschen Beiträge gleichzeitig mit uns ein. Wir haben ferner - stets in Begleitung Ihrer Zernezeraufnahme - uns vorgestellt bei HH. Prof. Vetter 83 , Gauchat, Bovet, 80 Die Abkürzung wurde in Stenografie geschrieben. 81 Jud bezieht sich aller Wahrscheinlichkeit nach auf die Spanische Grippe. 82 Albert Bachmann (1863-1934), Professor für germanische Philologie an der Universität Zürich und Chefredaktor am Wörterbuch der schweizerdeutschen Sprache ( Idiotikon ) (cf. HLS , s.). 83 Theodor Vetter (1853-1922), Professor für Anglistik an der Universität Zürich und zugleich deren Rektor (1918-1920) (cf. HSL , s.). 48 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Wehrli (Geographie) 84 ; ich habe später noch Prof. Fleiner 85 und Cloetta 86 in längerem Vortrage über den ganzen Atlas unterhalten; wir gedenken, eine zweite Tournee in vierzehn Tagen einzuleiten und weitere Nichtprofessorenmitglieder des Curatoriums zu begrüssen. Es gilt also ein eigentlicher [sic] Feldzug zu eröffnen und wir hoffen so, zum Ziele zu gelangen. (Begehren um 19000 frs.). Herr Prof. Gauchat wird wohl das Referat im Curatorium erhalten; wir haben ferner die Zusicherung erhalten, dass als Experten Prof. Gilliéron 87 wie Dr. Rob. v. Planta 88 herangezogen werden. Herr Hoepli 89 hat in den letzten Tagen seinen Beitrag von 10000 frs. einbezahlt, so dass nun wenigstens die Betriebsmittel dieses Jahr gesichert sind. H. Prof. Jaberg wird wohl nächsten Sonntag (oder übernächsten) nach Mailand reisen: 1) um mit Hoepli Rücksprache zu nehmen wegen mancherlei Anregungen, die er in seinem Brief hat fallen lassen 2) um Salvioni für Empfehlung zu gewinnen, damit Sie behördlichen Schutz erlangen. Sie können sich denken wie gespannt wir nun dem Resultat all dieser eingeleiteten Schritte entgegensehen: es hängt von den kommenden Wochen soviel ab! Aber wir sehen sehr gut ein, dass es doch richtig war, getrost die Aufnahmen zu beginnen: gerade die bereits vorliegenden Ergebnisse erleichtern die Kalkulation und die Beweiskraft unserer Darlegungen in hohem Masse. Ich hoffe Ihnen nächstens die Eingabe zustellen zu können. Dass Sie in Poschiavo die Aufnahme so rasch durchführen konnten hindert uns doch nicht daran, gewisse Abstriche nach Ihren Wünschen vorzunehmen. Wir müssen alles tun, um Ihnen die Aufgabe zu erleichtern. Ich denke, der phonetische Abstand zwischen Puschlav und Stalla ist doch ein ganz beträchtlicher! Hoffentlich haben Sie einen guten Gewährsmann entdeckt! Meine Frau lässt Sie herzlich grüssen und alles Gute wünschen. Und ich sage Ihnen herzlich Guət Nacht 90 ! Ihr Jud 84 Hans Jakob Wehrli (1871-1945), Professor für Geographie und Völkerkunde an der Universität Zürich (cf. HLS , s.). 85 Fritz Fleiner (1867-1937), Professor für Staats-, Verwaltungs- und Kirchenrecht an der Universität Zürich (cf. HLS , s.). 86 Max Cloetta (1868-1940), Professor für Pharmakologie an der Universität Zürich (cf. HLS , s.). 87 Jules Gilliéron (1854-1926), Verfasser - gemeinsam mit Edmond Edmont - des Atlas linguistique de la France ( ALF ), der Jud und Jaberg als Inspiration und als Vorbild für den AIS diente (cf. HLS , s.). In der Einleitung zu Jaberg/ Jud (1928: 1) schreiben die Herausgeber des AIS über Gilliéron, dass sie ihm «die entscheidendsten wissenschaftlichen Anregungen» ihres Lebens verdanken würden und dass er ihnen «ein leuchtendes Vorbild und in schweren Stunden eine stete Quelle neuen Mutes» gewesen sei. 88 Robert von Planta (1864-1937), klassischer Philologe und Indogermanist, dessen Idee eines rätoromanischen Idiotikons in der Schaffung des Dicziunari Rumantsch Grischun mündete (cf. HLS , s.). 89 Ulrico Hoepli (1847-1935), Schweizer Verleger, der seit 1870 in Mailand arbeitete und als Mäzen tätig war (cf. HLS , s.); Jaberg/ Jud (1928: 6) sprechen davon, dass Hoepli «mit einem hochherzigen Beitrag […] den finanziellen Grundstein des Unternehmens legen» half. 90 Zürichdeutsch ‘gute Nacht’. 49 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 27. Conters, 14. II. 20. Lieber Herr Professor! Ihr Brief hat mich in Bivio eine Stunde vor Abreise erreicht. Vielen Dank, daß Sie mich so freundlich über Ihre Campagne unterrichten. Wie Sie mich, so begleite ich auch Sie in Gedanken auf Ihren Reisen. Besonders gespannt bin ich über die Ergebnisse der Mailänderfahrt. Es wäre jedenfalls schon gut, wenn wir Salvionis Wohlwollen u. Empfehlungen erlangen könnten. Präs. Giovanoli in Soglio hielt es für selbstverständlich, daß ich für Italien von Salvioni gestützt sei. In Bivio bin ich in 19 Std. fertig geworden, allerdings mit einem unangenehmen Sujet. Ein gutes war nicht zu finden; denn auf den gelehrten Dichter u. Puristen Lanz 91 verzichtete ich lieber. Es ärgert mich genug, daß ich in Reams wieder einem verkappten Schulmeister in die Hände gelaufen bin. Ich muß noch lernen. Aber die Guten haben eben meistens nicht die nötige Zeit. Drei Tage hintereinander bis 8 Std. ist eine starke Inanspruchnahme. Ich hoffe stark, daß es mit der raschern Auffassung der Italiener schneller gehe, als mit diesen zähflüssigen Bündnern. Die Impulsiven sind in der Minderzahl. Ich habe es hier bis morgen abend erzwingen wollen, dh. 2 Aufnahmen in dieser Woche vom 8.-15. II., und hätte es auch erreicht. Es fehlen nur noch 30 Seiten. Da hat heute das Sujet, Präs. Frisch 92 , der seine Zeit auf dem Kanape [sic] verbringt, ein alter, alleinstehender Junggeselle, erklärt, er habe Sonntag u. Montag keine Zeit. Warten tu ich nicht. So gehe ich nach Bergün u. kehre nachher noch schnell einen Tag hieher zurück. Etwas ganz anderes. Ich brauche Geld, weiß aber nicht, ob u. wie viel Kredit ich bei der Bank pro Monat habe. Wir haben doch die 600 Fr. vorläufig nur für November, Dezember u. Januar festgelegt, so viel ich wenigstens weiß. Ich lebe jetzt noch vom Januargeld. Wollen Sie mir bitte möglichst rasch nach Bergün, postlagernd, mitteilen, wieviel ich von der Bank verlangen kann. Hier noch einige Photogr. u. Notizen. Ach so, ich vergesse die Grippegefahr. Von dieser hätte ich ohne Ihren Brief nämlich gar nichts gewußt. Ich bin gesund u. munter. Herzlich grüßt Sie u. Frau Professor Ihr P. Scheuermeier 28. Tiefenkastel, H. Julier 15. II. Lieber Herr Prof. Eben komm ich per Ski von Conters u. finde hier einen Brief von H. Prof. Jaberg, in dem er sagt, daß Sie in Bünden keine große Aufnahme mehr wünschen. Soll ich Lenz od. Obervaz nun ganz auf der Seite lassen u. für ein späteres Q e aufsparen, oder soll ich dort doch Q n aufnehmen. Bitte um Antwort lieber bis spätestens 21. II. Habe Hrn. Pult umsonst um die Sujets Luttas 93 gebeten. Nun zieh ich morgen auf eigene Faust nach Bergün. Herzl. grüßt Sie Ihr P. Sch. 91 Die Identität dieser Person konnte nicht ermittelt werden. 92 Jakob Frisch, die in Jaberg/ Jud (1928: 42-3) beschriebene Gewährsperson. 93 Conrad Martin Lutta (1886-1918), Verfasser einer Studie zum Dialekt Bergüns, die posthum erschien (Lutta 1923); cf. Kunz (2018: 225 N84). 50 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 29. Lieber Herr Doktor! Sie erhalten natürlich jeden Monat den gleichen Betrag: das Cuvert mit Inhalt wird wohl gleichzeitig mit meinem Schreiben bei Ihnen eintreffen (Postrestante Bergün). Besten Dank für Brief & Photos. Heute wieder Tournée! Herzl. Gruss J. 30. Lieber Herr Doktor! Hinsichtlich Lenz habe ich P. Jaberg gebeten, Ihnen das weitere mitzuteilen: wir hatten allerdings s[einer] Z[eit] davon gesprochen, Lenz als Vollaufnahme eventuell zeitlich zurückzulegen, aber Lenz auszulassen darf uns nicht in den Sinn kommen. Denn das ist eine so interessante Mdart wie wenige unter den nidwald. Dialekten! Prof. Pult konnte Ihnen keine Auskunft betreffend Sujets geben, da die Arbeit Luttas seit Monaten bei Prof. Gauchat liegt. Herzlichen Gruss J. 31. Bergün 18. II. L[ieber] H[err] P[rofessor] Erhalte soeben Ihre 2 Karten u. das Geld. Besten Dank. - übe mich in Sprüngen. Montag in Bergün, grippeverseucht. Rückzug nach Latsch, wo mit altem Bauer abgemacht auf heute Mittwoch. Sofort nach Conters zurück, um in Reams gestern abzuschließen. Komme gerade unten herauf. Direkt nach Latsch zur Aufnahme. Prächtiges Wetter. Meine Gesundheit gut. Noch keinen Bericht v. Prof. Jbg. ob Lenz Q n oder Q e . Bis ca. 21. II. in Latsch. Erwarte Antwort v. Prof. Jbg. Posterest. Bergün. Herzl. grüßt Sie P. Sch. Auf dem Bild auf der Vorderseite: g̋úkfs mit sαlvo̜ ̄ ́nα 94 c̋árs̩ da frẹ́yα «Erntewagen» 94 ‘Joche mit Jochkissen’. 51 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 32. 19 II 20. Lieber Herr Doktor! Für Ihre liebe Karte aus Conters mit g̋ukfs cun salvō ̣na herzlichen Dank! - Wenn ich mich nicht irre, hatten Sie auf jener Karte betreff. Lenz eine Antwort nach Tiefenkastel erbeten. Statt nun nach Bern zu schreiben, so dürfte es am richtigsten sein, den wohl jetzt in Tiefencastell liegenden Brief entweder bei Ihrer Auskunft in Tief. abzuholen oder noch besser ihn nach Postrestante Bergün kommen zu lassen (durch Karte an Postbureau Tiefenkastell). Ich selber kann dem Postbureau Tiefencastell als Unbeteiligter am Briefe keine Order geben. - Die «Sprünge» sind nun für Sie etwas reichlich ausgefallen! Latsch ist höchst interessant und konservativer als Bergün: hoffentlich haben Sie auf diesem sonnenüberstrahlten Hock 95 ein gutes Sujet! Warmen Gruss. Am rechten Rand in vertikaler Richtung zum Rest des Textes: Jud. 33. Latsch, 20. II. 20 Lieber Herr Prof. Vielen Dank für Ihre gestrige Karte. Den Brief in Tiefenkastel werde ich mir verschaffen. Da oben hab ichs in allen Beziehungen gut getroffen. Berge u. Himmel strahlten bis heute in hellster Sonne. Und mein Sujet könnte nicht besser sein. Lutta war auch bei ihm. Ein flotter, aufrechter, klarer Alter. Er u. seine Sprache freuen mich jeden Tag mehr. Hatte etwas Trost nötig nach den letzten 2 weniger Guten. Material immer hochinteressant. Herzl. Gruß Sch. 95 ‘Sitzender Aufenthalt’ (schweizerisch: cf. SchwId. , s.). 52 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 34. Tiefencastel, 23. II. 20 Lieber Herr Professor! Hier meine Puschlaver Bilder. Ich habe sie auf den Wunsch von Prof. Jaberg nicht mehr auf der Rückseite bezeichnet. Sind sie mit diesem neuen System der Einordnung, die ich durch Durchschlagen in 3 Exempl. herstelle, einverstanden? Habe gestern Nachmittag die prächtige Latscheraufnahme fertig gemacht. Es tat mir ganz leid, von einem so schönen Ort, von so lieben Leuten u. einer so hochinteressanten Sprache, wo noch so viel Anziehendes zu studieren wäre, so schnell mich trennen zu müssen. Wie oft habe ich während der Arbeit an unseren Lutta gedacht, nicht nur wenn ich mich in der Verzweiflung fragte, wie er wohl transkribiert habe, sondern auch bei dem vielen Interessanten, das ich überspringen mußte, er aber wohl in seiner ganzen Gründlichkeit studiert hatte. Dann dachte ich immer wieder dankbar an Sie, der Sie diese Arbeit inspiriert hatten u. zu gutem Ende führen halfen. Nun werden wir sie hoffentlich, wie mir Prof. Gauchat schreibt, als Beiheft zu sehen bekommen. Mit herzl. Gruß P. Scheuermeier Am Anfang der zweiten Seite, auf dem Kopf stehend : Gehe jetzt nach Lenz: Q n . 35. Lanć, iɬ ve̜ntsαträys dα favrẹ ̄ ́r c̋ẹ ̄ ́r siñáwr «prọfe̜sáwr»! ọ ́sα yẹ sáwŋ rivọ ̄ ́ α kwe̜l lī ́ α, nä ́ wα lαs̩ vác̋αs̩ po̜ ́ α rtαn αn tọ́tαs̩ lαs̩ kwátαr štαg̋áwns̩ be̜ ́αlαs̩ brundzo̜ ́ynαs kum bé̜αlαs ćo̜ ́yntαs̩ ẹ fó ̜yblαs. I vé ̣ šo̜ ́n fä ́ yts trä ́ ys̩ áwrαs̩ dαlα mi lαváwr ẹ i ví αd αvä ́ yr fitō ́ ̣ fo̜ ́yn α škwā ́rts máŋ u bä ́ ñ zíavg̋α. ó ̣sα i bẹ ̄ ́f ̩ αm pọ vo̜ ́yn, iɬs ō ́ ̣tαrs bẹ ̄ ́vαn ē ́ ̣r, dzū ́yαn, ró ̜yαn ẹ špo̜ ́ydαn. i vẹ síαn α ví o̜yr α lẹ ́ts, ábαr e̜lz zo̜ ́yαn c̋ inα mó ̜yr sā ́yα ó ̜ydα sipiɬ 53 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 mó ̜yr. α mo̜ ́y fa nαwó ̣t. e̜ls zo̜ ́yαn ẹ ̄ ́r: zo̜ ́yr dαd ó ̜yr ẹ bẹc̋ ó ̜yr ẹ bẹc̋ ī ́ . αdī ́ α. bunα nō ́ ̜αts. c̋α lα ɬó̜ynα zo̜ ́yα in sαlo̜ ́yt α váws 96 . Nüpfürunguet für de 97 coq à l’âne 98 , salade russe à la o̜y - aw 99 . Entschuldigen Sie den Erdgoût 100 Herzlich grüßt Ihr Sch. 36. ZÜRICH 7, den 29. II 20. Sprensenbühlstrasse 14 Lieber Herr Doktor! Für Ihren freundlichen Lenzergruss mit Mundartillustrationsprobe warmen Dank. Ja man kann an diesen Mdarten allerlei Wunder erleben! Hoffentlich haben Sie ein gutes Sujet gehabt! - Erinnern Sie sich daran, im Domleschg und besonders in Ems nach den Ausdrücken der Mais 96 «Lantsch, 23. Februar. Sehr geehrter Herr ‹Professor›! Jetzt bin ich an jenem Ort angekommen, wo die Kühe in allen vier Jahreszeiten schöne Glocken mit schönen Riemen und Schnallen tragen. Ich habe schon drei Stunden von meiner Arbeit gemacht und ich werde übermorgen oder aber Donnerstag fertig. Jetzt trinke ich ein wenig Wein, die anderen trinken auch, spielen (Karten), kauen (Tabak), spucken. Ich bin müde und will ins Bett gehen, aber sie sagen, dass eine Maus [ mó ̜yr ] die Mauer [ mó ̜yr ] hinaufgegangen sei. Mir macht es nichts. Sie sagen auch: sagen [ zo̜ ́yr ] von gehen [ ó ̜yr ] und nicht ó ̜yr [wahrscheinlich fälschlicherweise für é̜yr ] und nicht ī ́ . Auf Wiedersehen. Gute Nacht. Auf dass der Mond Ihnen einen Gruss sage». Scheuermeier scheint hier mit den an und für sich wenig sinnvollen Sätzen e̜lz zo̜ ́y α n c̋ in α mó ̜yr sā ́y α ó ̜yd α sipiɬ mó ̜yr und e̜ls zo̜ ́y α n ẹ ̄ ́r: zo̜ ́yr d α d ó ̜yr ẹ bẹc̋ ó ̜yr ẹ bẹc̋ ī ́ in humoristischer Weise auf eine Eigenheit des betonten Vokalismus im Lantscher Dialekt anzuspielen, wonach hier lat. ū und ī in / ɔi ̯/ zusammenfallen, wie er an den Beispielen mūru ( m ), mūs , dīcere und īre verdeutlicht, während die anderen von ihm genannten Vokale, / i/ und - wenn unsere Interpration korrekt ist - / ɛi ̯/ zum Beispiel in der Surselva oder in anderen surmeirischen Dialekten zu finden sind (cf. die Übersicht in Grisch 1939: 62-64; über den Verlust - und dessen Modalitäten - der Unterscheidung zwischen ū und ī in den meisten rätoromanischen Systemen informieren beispielsweise Lausberg 1969: §184-85, Eichenhofer 1989: 81-95 und Barbato 2017: 49, 55). 97 Zürichdeutsch ‘nichts für ungut für den’; die Redewendung hat auch hier - wie im Standarddeutschen (cf. DR : 552) - Entschuldigungscharakter. 98 Frz.: wörtlich ‘(vom) Hahn zum Esel’, bezeichnet das übergangslose Springen von einem Thema zum anderen (cf. PR , s.). Scheuermeier bezieht sich hier offenbar auf den wenig stringenten Inhalt seines Briefes. 99 Frz.: am besten Wohl mit ‘russischer Salat nach o̜y - aw Art’ übersetzbar. Wie bereits bei coq à l’âne scheint hier der Inhalt des Briefes gemeint zu sein, der teilweise dem signifiant - oder besser gesagt der Illustration lautlicher Besonderheiten - den Vorrang vor dem signifié gibt (deshalb auch à la o̜y - aw : im betonten Vokalismus, in offener Silbe, ist / ɔi ̯/ das Ergebnis von lat. ī und ū , während / au̯/ von lat. ŏ , ō , ŭ stammt; cf. Grisch 1939: 62-63; Negrinelli 2023: 186 und oben N96). 100 Bezeichnet eigentlich einen Beigeschmack des Weines, welcher der Bodenbeschaffenheit zugeschrieben wird (cf. SchwId ., s. Gū ). Die Verwendung im vorliegenden Kontext kann demnach als Weiterführung der gastronomischen Metaphorik ( salade russe und eventuell - mit seiner Nähe zu coq au vin - coq à l’âne ) oder aber als Versuch, den Inhalt des Briefes mit dem Weinkonsum («i bẹ ̄ ́f ̩ αm pọ vo̜ ́yn») zu entschuldigen, verstanden werden; alternativ könnte damit auch die - im Kontext des AIS äusserst relevante - «Bodenständigkeit» der verwendeten Sprache gemeint sein (zu diesem Konzept und seiner methodologischen Relevanz innerhalb des Projekts cf. Krefeld 2005: 87). 54 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 und Weinkultur zu fragen: Ems ist ja überhaupt sehr interessant. - Kommende Woche ist eine «Schicksalswoche»: Prof. Jaberg verreist am 3 III nach Mailand, am selben Tag ist Sitzung des Curatoriums: Sie können sich denken wie sehr die Spannung wächst! Herzlichen Dank für die Photos aus Puschlav, die mir noch sehr willkommen waren für meine Werbungsfahrt. Wie weit unserem Gesuch entgegengekommen wird, bleibt natürlich fraglich. Es giebt 101 eben überall Egoisten und ängstliche Gemüter! Beiliegend sende ich Ihnen die Eingabe. Und dazu muss ich gleich eine Postille hinzufügen: Wir haben uns die Freiheit genommen, Ihre Mitarbeit für 2½ Jahre in Aussicht zu stellen, da wir hoffen, dass, sofern nichts Entscheidendes dazwischengerät, Sie bis zum Frühling 1922 uns helfen können. Wir taten dies, weil unsere Berechnung der Dauer der Aufnahmen eine solche Zeit zu verlangen schien: selbstverständlich halten wir uns an die Bestimmungen des Vertrages und jeder Verlängerung muss Ihr Einverständnis vorangehen. Wir fürchteten, dass bei den Gegnern Schwierigkeiten aufgebauscht würden da wo wir der Zukunft nicht einfach vorgreifen wollten. Herzlichen Gruss & warmes Gedenken. Ihr Jud. 37. Thusis, 4. III. 20. Lieber Herr Professor! Soeben habe ich Ihre Eingabe mit großem Interesse gelesen. Vielen Dank. Ich bin damit einverstanden, daß Sie in Rücksicht auf den Zweck der Eingabe meine Mithilfe auf 2½ Jahre angegeben haben. Die für mich fast etwas zu lobende Schilderung Ihres Explorators verpflichtet mich umso mehr, den in mich gesetzten Erwartungen zu entsprechen. Ich hätte gerne noch die Bemerkung gesehen, daß ich seit Jahren Schüler von Ihnen u. Prof. Gauchat bin. Wenn ich mich recht erinnere, war es im August oder September 1918, als Sie mir im Bauschänzli 102 zum ersten Mal vom Atlas sprachen. Mit dem theoretischen Mittel von 3,7 Tagen pro Aufnahme käme man also gerade auf 7 Aufnahmen pro Monat. (7 ⋅ 3,7 = 25,9 + 4 = rund 30 Arbeitsu. Feiertage) Ich hoffe, dieses Tempo bei geringem Zeitverlust durch Reise und Sujetsuche noch erreichen zu können. Vom 3.II.-3.III. habe ich 6 Aufnahmen gemacht, nämlich Puschlav, Bivio, Reams, Latsch, Lenz, Mathon. Eine mehr ist mit Erfahrung und Praxis wohl noch möglich. Allerdings sind das nur Normalaufnahmen. Wenn dahinein noch 19 Aufnahmen von Q e kommen sollen, kann entweder die Rechnung nicht stimmen oder ich muß noch ganz große Fortschritte machen. Sie werden sich bald entscheiden müssen, ob in der Reihenfolge der Aufnahmen in der 1. Etappe, also in Tessin u. Lombardei, soll fortgefahren werden, oder ob ich nach Bünden vielleicht das westlich anschließende Gebiet vorausnehmen, die Lombardei auf spätere, ruhigre (? ) Zeiten und den [sic] Tessin als Reserve hinausschieben soll. In Bünden hoffe ich, bis Mitte April fertig zu werden. Vielleicht bringt Herr Prof. Jaberg entscheidenden Rat u. Bericht aus Italien zurück. Ich bin sehr gespannt auf das Ergebnis seiner Reise, besonders auf die Stellung 101 Gemäss der damaligen Rechtschreibung mit <ie> geschrieben. 102 Damals wie heute ein bekannter Biergarten der Stadt Zürich (zu diesem Ereignis cf. Nr. 38 und Jaberg/ Scheuermeier 1942: 22; Scheuermeier 1969: 4). 55 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Salvionis. Haben Sie eigentlich für mich schon bei irgend einem Mächtigen einen Reisetalismann [sic] 103 in Form einer wunderwirkenden Unterschrift erlangen können? Noch mehr gespannt bin ich, das Ergebnis des schicksalsschweren Gestern zu erfahren. Es würde mich fast wundern, wenn die Herren den Mut u. Großmut aufbrächten, Ihnen die ganze Summe zu bewilligen. Ich bin heute morgen früh nach Abschluß der Mathoner-Aufnahme durch die Viamala gezogen, um aufs Mittagessen in Fürstenau, wohin mich Herr Dr. v. Planta geladen hatte, zu sein. Ich war bis gegen 4 h mit ihm u. habe ihm meine Werkzeuge, die Bilder und die jüngsten Materialien von Latsch, Lenz, Mathon gezeigt. Er hat mir etwas phonetisch auf den Zahn gefühlt; leider weniger an Hand der vorliegenden Formen als über Dialekte, über die ich aus bloßem Gedächtnis antworten mußte. Daß ich hier bei dem großen Wechsel und der kurzen Zeit, die ich mich mit einem Ort abgeben kann, nicht ganz sicher bin, können Sie schon denken. Meine Arbeit ist eben ganz für den Augenblick eingestellt. Zum Nachdenken und Verdauen des Materials, das ich übrigens ja sofort aus den Händen geben muß, bleibt mir keine Zeit. Immerhin hab ich wieder aufs neue gelernt wie genau man hören und wie fein man transkribieren kann. Herr v. Planta unterscheidet noch feiner als ich. Einige Sachen meiner Transkription scheinen ihm nicht eingeleuchtet zu haben. Merkwürdigerweise zum Teil gerade solches, das ich als sicher notiert hatte, wie z.B. die ganz ausgesprochen harte Konsonanz im Latscherischen flukrts 104 . Zufällig hat er auch einmal mein Sujet von Soglio abgefragt und einige auffällige, wichtige Nüancierungen und Eigentümlichkeiten gleich wie ich oder noch etwas feiner notiert, bei andern hat er anders gehört als ich. Auch er findet, daß halt jeder seine eigne «Klaviatur» besitze. Mit einem Nichtdeutschen zusammen meine Aufnahmen vergleichen zu können, müßte für mich lehrreich sein. Könnten Sie nicht vielleicht Vieli 105 veranlaßen, in den Ferien (mit mir) eignige [sic] Stunden meinen Aufnahmen beizuwohnen. Ich gehe morgen nach Scharans (Sujet: 65-70 jährige Lehrerswittwe [sic]), werde ca. 9.-12.III. in Dalin bei Präz sein (Sujet: von Vieli empfohlene Nesa Frigg 106 ); nachher Ems, Foppa, Lugnez, Brigels. Bis ca. 12.III. Sammeladresse Thusis, Poste rest., bis ca. Ende III. Ilanz, Poste rest. Im herrlichen Bergnest Mathon habe ich’s wieder mit einem köstlichen Original von einem alten Bauern zu tun gehabt, zwar 75 jährig, aber noch ein baumstarker Bündnerbär; ganz unbeleckt von der Kultur, aber mit kindlich naiver Neugierde und rührendem Interesse für all das Fremde, das da in seine alte Stube drang. Da es mir gelang, die Neigung dieses großen u. ungehobelten Naturkindes zu gewinnen, ists gut gegangen. Wir haben zusammen herzlich gelacht. - Ich möchte auch Ihnen von dieser rauhen, gesunden Luft u. von der reinen Winterbergsonne schicken. Mit herzlichem Gruß Ihr Sch. In der linken oberen Ecke der ersten Seite: Beilage: Eingabe Abrechnung II.20. 103 Scheuermeier bezieht sich hier auf Empfehlungsschreiben (wie z.B. jenes von Salvioni, cf. auch unten N116), welche er in Scheuermeier (1969: 9) auch als «Amulette» bezeichnet. 104 ‘Blumen’ (cf. AIS 7: 1357). Zum Phänomen der «verhärteten Diphthonge» im Rätoromanischen cf. zuletzt Negrinelli (2023). 105 Ramun Vieli (1895-1953), Schüler Gauchats und Juds, der von 1920 bis 1921 Präsident des surselvischen Sprach- und Kulturvereins war und ab 1921 im Auftrag der Lia Rumantscha an einem surselvischen Wörterbuch arbeitete (cf. HLS , s.; Kunz 2018: 235 N101). 106 Dies ist die in Jaberg/ Jud (1928: 41) beschriebene Gewährsperson. 56 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 38. 7. III. 20. Lieber Herr Doktor! Zuerst die Nachricht, dass die Stiftung uns für 1920 1921 die Summe von je 5000 frs. bewilligt hat. Da das Curatorium prinzipiell nicht über mehr als zwei Jahre hinaus Kredite zu bewilligen wünscht - um dem auf drei Jahre hinaus gewählten Vorstand nicht zuviel Gewalt für die Zukunft zu überlassen -, so müssen wir mit diesem ersten Erfolge zufrieden sein. Für 1922 haben wir wieder das Recht uns anzumelden. Der Fonds genügt jetzt vorläufig bis Ende Mai 1921, viell. auch etwas länger je nach den Reisekosten in Italien. Das Resultat verdanken wir zunächst dem Eingreifen von H. Prof. Gauchat 107 , der mit seiner ganzen Persönlichkeit für unser Unternehmen im Schosse des Curatoriums sich eingesetzt hatte, ferner dem Gutachten von Gilliéron und v. Planta, endlich auch der Fürsprache der H. H. Bovet, Cloetta, Wehrli und insbesondere Fleiner. Ich hoffe Ihnen einmal die Gutachten v. Planta und Gill. zustellen zu können. Auch die Fahrt nach Mailand ist - wie mir eben heute morgen Prof. J. aus der lombardischen Metropole berichtet - von Erfolg begleitet gewesen. Abgesehen davon, dass es einmal galt, H. Hoepli für sein Einstehen zu danken, war ja der Hauptzweck, eine Empfehlung von Salvioni zu erlangen. Dies ist nun gelungen: Jaberg kehrt mit dieser Empfehlung zu [sic] Hause und erst jetzt kann die Eingabe nach Rom abgehen. Details weiss ich jetzt noch nicht, da Prof. J. erst von Bern aus mir mit allen Einzelheiten berichten wird. Ich rechne noch mindestens zwei Monate, bis die Empfehlung der italienischen Regierung eingehen wird: wenn meine Berechnung zu ungünstig ist, um so besser! Gegen eine Absendung der Eingabe nach Rom ohne Empfehlung von Salvioni sprach alles: wir waren dann allen Zufällen ausgesetzt. Dagegen mit der Empfehlung ist der Regierung der Weg vorgezeichnet und Einholen von Gutachten von Rom aus zum wenigsten nicht notwendig, wenn nicht überflüssig. Sie dürfen sich, lieber Herr Doktor, an dem Durchschnitt von 3,7 Tagen nicht ängstigen, wir haben ja ausdrücklich diese Zahl als provisorisch eingestellt und die Weitung des Maschennetzes in Aussicht gestellt. Ich glaube, Sie haben Recht, es war im Herbst 1918: an einem heissen Sommertag, da wir von der Universität herunterpilgerten und dort auf dem Bauschänzli die ganze Frage besprachen. Ich studiere noch immer an einem: es muss an jenem Tag etwas Besonderes vorgefallen sein, aber ich weiss nicht was. Wir diskutierten diese Angelegenheit unterwegs, dessen erinnere ich mich wohl. Auf jeden Fall, bevor Sie nach Italien wandern, sehen wir uns ja alle noch einmal! Ich hoffe mit Ihnen in den kommenden Ferien noch eine Aufnahme im Oberland machen zu können. Vieli wird von hier Ende nächster Woche weggehen: ich will ihm Ihren Wunsch mitteilen. Doch verfügt er, wenn ich mich nicht irre, nicht über das Ohr Luttas: ich glaube kaum, dass er Ihnen einen Masstab abgiebt. Dagegen könnten Sie mit Herrn Dr. Michael in Chur an einem Sonntag eine kleine Aufnahme machen: wenn Sie es wünschen, würde ich ihm Ihren Wunsch weiterleiten. Er hat viele rätische Mdarten aufgenommen. Auch Herr Dr. Luzi 108 in Chur oben (jetzt in Paspels? ) wäre dafür zu haben. Fragen Sie vielleicht Postrestante Paspels an ob Herr Dr. Luzi in Paspels wohnt. (per Antwortkarte). Übrigens Sie dürfen sich nicht durch Dr. v. Planta verblüffen lassen: er ist in gewissen Punkten gewiss sehr feinhörig, aber in ande- 107 Jud fügt hier eine Fussnote ein: «er reist für 4 Wochen nach Sorent [sic] ab». 108 Johann Luzi (1873-1958), Schüler Ulrichs und Morfs, der seine Dissertation zum Sutselvischen (Luzi 1904) verfasst hatte (cf. Kunz 2018: 235 N104; cf. auch URL: https: / / www.matrikel.uzh.ch/ active/ static/ 13690.htm [30.08.23]). 57 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 ren auch befangen. Und dann hat er bei weitem nicht soviel gehört, sondern 109 er sieht viele Bündner Mdarten an durch die Notierungen von Dr. Luzi, der in wesentlichen Punkten nicht mit Lutta einig ging. Es hat eben jeder eine besondere «Klaviatur». Auch mit Lutta ging v. Planta nicht in allen Notierungen einig. Dr. v. Planta hat die rätischen Mdarten so in seinem Kopf wie kaum einer auf der Welt: er meint, die anderen müssten sie ebenso besitzen, wobei er nun das eine vergisst, dass andere noch ihren Lebensunterhalt verdienen müssen! Aber es ist selbstverständlich gut, wenn man über diese Dinge miteinander diskutiert: man wird sich dann um so mehr der Lücken seiner Kenntnisse und seines Ohrs bewusst. Das Semester ist zu Ende: ich muss nun wiederum allerlei in Ordnung bringen. Es häufen sich Materialien u.a. so sehr an, dass ich paar [sic] Tage brauche, um Ordnung zu schaffen. Dann beginnt der Umzug: ich will im vorderen Zimmer mich einstallieren 110 und das jetzige wird Bibliothekraum [sic]. Und wie es so geht, es muss so viel um- und neugestellt werden. - Ich lege Ihnen noch das Zirkular betreffend Wtbuchverzeichnis bei 111 . Ihre Sonne wäre mir hie & da sehr lieb, und noch mehr ein Plauderstündchen mit Ihnen! Am rechten Rand der letzten Seite in vertikaler Richtung zum Rest des Textes: Herzlichen Gruss von meiner Frau und Ihrem Jud 39. ZÜRICH 7, den 18. III. 20 Sprensenbühlstrasse 14 Lieber Herr Doktor! Herzlichen Dank für die heutige Karte, die mir gute Kunde bringt: jetzt sind Sie uns wieder am nächsten gerückt, so dass man sich fast «Gut Nacht» sagen könnte. Dass Sie nun auch wieder einmal mit Zürich durch Herrn Vieli die seelische Verbindung herstellen können, dessen freue ich mich sehr: Herr Vieli ist Ihnen ein begeisterter Gefährte! - Mit Prof. Jaberg habe ich beim letzten Besuch abgemacht, dass Sie wie bis anhin uns beiden schreiben, da das Hin- und Hersenden viel zu umständlich ist und dabei auch noch etwas sich verlieren könnte. - Von der Mailänder Reise, die über Erwarten gut gelungen ist, wird Ihnen H. J. bereits berichtet haben. Was Ihre Anfrage anbetrifft betreffend Pfr. Cadonau 112 Luvis lasse ich Ihnen hier Freiheit: nun muss die Bedingung erfüllt sein, dass ein obwald. protestantisches Dorf der Foppa vertreten sei und dass Hr. Pfarrer Cadonau den ich nicht kenne, ein gutes Sujet sei, der echte (nicht verschulmeisterte) Mundart redet! Denn Sie kommen nun in das Gebiet, wo allerlei schulmeisterliches Besserwissen die Mundart «annoblieren» will. - Ich lege Ihnen die Gutachten von Dr. Rob. v. Planta und von Gilliéron bei. Sie können sich denken wie ich nach dem Winter aufschnaufe: das war eine Zeit mit viel Erwartung und ungeduldigen Hoffnungen und Befürchtungen: nicht Ihretwegen, da Sie unseren Hoffnungen so prächtig gerecht geworden sind, sondern wegen der finanziellen Sicherstellung und der Einreise nach Italien! Nun scheint ja alles im Marsche zu sein. Viva l’Atlante dell’Italia e della Ladinia! 109 Nicht eindeutig lesbar. 110 Zu diesem Verb cf. DWB , s. 111 Eine Kopie des angesprochenen Dokuments wird im AIS -Archiv aufbewahrt. 112 Peter Paul Cadonau (1891-1972), zu dem cf. Rupp (2019). 58 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Warmen Gruss an tutti e due 113 ! Jud. In der linken unteren Ecke der letzten Seite eingefügt: Gutachten bitte gelegentlich retour! 40. Ilanz, 23. III. 20. Lieber Herr Professor! Hier noch schnell vor der Abreise auf den Berg die fertigen Photographien. 12 neue von Ems usw. sind heute abgegangen zum Entwickeln. Da ich bisher die nicht nummerierten Kopien an Sie geschickt habe, nehme ich an, Sie seien im Besitz der bereits nach Bern geschickten Kopien von Nr. 44-59. Ich schicke daher an Sie nur noch die Begleitblätter, an Prof. Jaberg alle Kopien mit Begleitblättern von 44-74. Doch jetzt muss ich das schöne Wetter benützen u. mit meinem Bündel reisen. Adieu und herzliche Grüße an Sie und Frau Professor Ihr P. Scheuermeier 41. Hotel Oberalp, Ilanz, 23. III. Lieber Herr Professor! Hier habe ich mein letztes Standquartier bezogen. Bin gestern Nacht nach interessanter Aufnahme mit unserm alten, frommen Schreiner «Stoffele» 114 von Ems heraufgekommen. Heute nachmittag versuche ich mein Glück in Riein oder Pitasch; denn auf meiner Rekognoszierung vom letzten Freitag hat man mir in Luvis gesagt, daß dort ein Einfluß des Lugnez nicht ausgeschlossen sei, während in den beiden abgeschlossenen Nestchen auf der anderen Talseite altertümliche Verhältnisse herrschen. Ich will mal sehen. Es war mir angenehm mit Vieli wieder einmal über vieles reden zu können, was mir sonst lange versagt war. Ich freue mich sehr auf unsere Lugnezerreise. Jetzt ists herrliches Wetter. Seien Sie herzlich gegrüßt von Ihrem P. Sch. 42. Sammeladr.: Hotel Oberalp, Ilanz, 29. III. Lieber Herr Prof. Soeben komme ich von Pitasch. In Riein war nichts zu machen, Grippe. In P. hab ich dann einen flotten Bauern bekommen, ein perfekter Mann, nur sprach er mit mir kein Wort Deutsch. Er verstand dieses nur. So mußte ich mir oft auch mit meinem Kautschuk-Romanisch helfen. Lücken gabs fast keine; aber viel Interessantes, z.B. 1. pers. Ind. Präs. auf -a. Leider gehts in letzter Zeit überall wieder länger als Programm. So bin ich mit Brigels, Somvix, Tavetsch nicht vor dem 15. IV. fertig. Soll ich Tavetsch zurückstellen und ca. am 11. IV. mit Ihnen ins Lugnez ziehen oder kanns beim Plan bleiben, mit Ihnen zusammen Lumbrein als letzte Aufnahme zu nehmen? Haben Sie bis 26. IV. Ferien. Bin diese Woche in Brigels, an Ostern hoffentlich in Surrhein. Herzl. grüßt Sie P. Sch. 113 It. ‘beide’. 114 Es handelt sich um die in Jaberg/ Jud (1928: 39) beschriebene Gewährsperson. 59 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 43. Hotel Oberalp, Ilanz Charfreitag [sic] 1920. Lieber Herr Professor! Noch schnell, bevor die Haustüre geschlossen wird, will ich Ihnen noch diese Bildchen reisefertig machen, damit morgen der erste Zug sie Ihnen noch früh genug mit meinen herzlichsten Ostergrüßen bringen kann. Habe den ganzen Tag mit Korrespondenzen und anderen Schreibereien zu tun gehabt. Und jetzt hab ich zum Schluß noch diese Emser Aufnahmen geordnet. Wir werden bis zum Schluß ein gutes Hundert Bündnerbilder bekommen. Gestern abend kam ich von Brigels nach einer mir selber ganz überraschend schnellen und glatten Aufnahme; denn gerade 3 x 24 Std. vor meiner Ankunft in Ilanz hatte ich dieses verlassen, am Montag Abend. Einige Stunden arbeitete ich in Brigels mit einem alten Männchen, dessen Deutsch u. Tempo mich aber nicht befriedigte. Dann lief ich zufällig an den Mann, der uns vor 7 Jahren als Sujet gedient hatte, jetzt Gemeindepräsident Cavegn 115 . Da er meinen Bedingungen entsprach, benützte ich seine Bereitwilligkeit und machte in 23 Std. in 3 Tagen das Ganze mit großem Schwung mit ihm fertig. Zu Photographieren gabs bei diesem Wetter nichts, so kehrte ich gleich zurück, um hier rückständige Arbeit trotz Festtag zu erledigen. Eine Stockung, dh. Sonntag, kanns dann über Ostern schon geben. Ich werde dann wohl in Surrhein oder Somvix sein. Morgen ziehe ich hinauf und versuche, vor den Feiertagen noch schnell etwas einzufädeln. Ich hatte Sie bei meiner Rückkehr von Pitasch vor Brigels letzten Montag wegen der Zeit unserer Lugnezer Reise per Karte angefragt und wundere mich, noch keinen Bericht bekommen zu haben. Wenn dieser mich nicht morgen vor Abreise hier trifft, erwarte ich ihn nach Somvix, postlagernd. Wenn ich jetzt Somvix u. Tavetsch zuerst erledige, werde ich bis spätestens 14.-15. IV. hier für Lumbrein reisebereit sein. Paßt das Ihnen oder müssen wir das Lugnez vor dem Tavetsch nehmen? Merkwürdigerweise habe ich auch schon lange von Herrn Prof. Jaberg gar keinen Bericht mehr. Er ist doch hoffentlich nicht etwa krank? Hier lege ich auch die Monatsabrechnung bei u. schicke zugleich auch die Gutachten von Gilliéron u. Planta, die mir so viel Freude machten, zurück. Jetzt aber die besten Wünsche auf ein schönes Osterfest u. herzliche Grüße Ihr P. Sch. 44. ZÜRICH 7, den 3. IV. 20 Sprensenbühlstrasse 14 Lieber Herr Doktor! Nun bin ich wieder etwas von der Arbeit des Quartals losgekommen und die Briefschulden müssen nun abgetragen werden. Auf Ihre freundliche Mitteilung über die noch zu bewältigenden Etappen will ich folgendes sagen: wenn nichts dringendes dazwischenkommt, so wollen wir es so halten: Sie machen noch Somvix und Rueras zuerst fertig, berichten mir am 1. Tag, da Sie in Rueras sind, wann Sie in Ilanz zu sein gedenken. Meine Ferien gehen vom 4-25. April: ich würde also sehr gut, am 15. April dort sein können. Wenn ich jetzt berechne, dass Sie heute in Somvix sind, und für jeden Ort 5 Tage rechne, so erhielten wir etwa das Datum des 115 Es handelt sich um die in Jaberg/ Jud (1928: 39) beschriebene Gewährsperson. 60 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 13. April. - Ich lege Ihnen das Empfehlungschreiben [sic] Salvioni bei 116 : Herzlichen Dank für die Photos, die nun alle der Reihenfolge nach geordnet werden. Ich bin jedesmal erfreut, wenn ich mir das Bilderbuch des Atlas ausmale. Sie haben jetzt so nach und nach einen seelischen und geistigen Querschnitt durch die Bündner Romanen in einer Art machen können, wie es wohl kaum einem vergönnt ist zu machen. Da giebts gewiss interessante Beobachtungen über die «Einheit» des rätischen Volkleins [sic] anzustellen! Doch darüber bald mündlich. Ich entdecke eben, dass es bald 5 Monate sind, dass wir uns Lebewohl gesagt haben. Warmen Gruss auch von meiner Frau. Ihr Jud 45. Surrhein, 7. IV. 20. Lieber Herr Professor! Seit gestern arbeite ich hier mit Erfolg mit einem 84 Jährigen, dem Ältesten aus dem abgelegensten Winkel. Er ist noch sehr frisch u. kommt gut nach; aber alles geht via Romanisch: Pantomime + Definition. Seit letzten [sic] Samstag bin ich hier bei Vater Deplazes 117 zu Gast geladen u. habe in der gastfreundlichen Familie schöne Ostern gefeiert. Werde bis ca. 9. IV. hier sein; dann ins Tavetsch u. via Surrhein wieder Ilanz. Wenn möglich Q r im [sic] Medels. Von Ihnen keinen Bericht. Herzl. grüßt Sie Ihr P. Sch. Auf der Rückseite, von anderer Hand (Gion A. Deplazes) geschrieben: Aultstimau Sgr. Prof. Dr. Jud. Ritscheivien cordials salids dal bab e dalla mumma e farglius dil defunct, nonemblideisel Stanislaus. Sgr. Dr. Paul Scheuermeier ei de present nus hosp zun emperneivel. El para contents cun siu success a Surrein. Els fussen era envidau tier ina visetta. Cun distingaida stema segna Deplazes Gion A 118 . 46. 8 IV 20. Lieber Herr Doktor! Haben Sie meinen Brief noch nicht erhalten? Ich erwarte also Ihren Bericht, wann Sie in Ilanz sind (telegraphisch von Rueras-Sedrun aus). Ich hoffe dann an dem betreffenden Tage am Abend in Ilanz zu sein. Entschuldigen Sie das Stillschweigen von H. Prof. Jaberg: er war schwer durch den Tod seiner Schwägerin mitgenommen. Herzlichen Gruss 116 Dieses Schreiben ist in Kunz (2018: 147-48) abgedruckt. 117 Gion Antoni Deplazes (1856-1941), Vater von Stanislaus (cf. Nr. 5; zu Gion Antoni und seiner Familie cf. URL: https: / / www.portraitarchiv.ch/ portrait/ show/ 288276#relation [27.3.2023]). 118 Hochgeachteter Herr Prof. Dr. Jud. Sie erhalten herzliche Grüsse vom Vater und der Mutter und den Geschwistern des verstorbenen, unvergessenen Stanislaus. Herr Dr. Paul Scheuermeier ist momentan unser sehr angenehmer Gast. Er scheint mit seinem Erfolg in Surrein zufrieden. Sie wären zu einem Besuch eingeladen. Mit besonderer Hochachtung zeichnet Deplazes Gion A.». 61 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Auf 119 Wiedersehen Jud. Unter der Adresse links: zur sofortigen Weiterspedition an die neue Adresse! 47. Sedrun, 12. IV. 20. Lieber Herr Professor! Kann hier erst heute abend anfangen; habe aber ein gutes, rasches Sujet, sodaß ich hoffe, doch noch bis Mittwoch fertig zu werden. Das aber dann nur in den besten Umständen. So wäre ich frühestens Donnerstag, 15. IV. abends 4 16 in Ilanz. Dort könnten Sie mit dem 9 h Zug schon 1 15 oder dann abends 8 h sein. Treffpunkt Hotel Oberalp. Auf jeden Fall aber telephoniere ich Ihnen Mittwoch ab[end] zwischen 7-8 h zur genauen Abrede. Nach Lumbrein zu Fuß ca. 5-6 Std., Post ab morg. ca. 9 h . Auf freudiges Wiedersehen u. herzl. Grüße Ihr P. Sch. Auf der Vorderseite der Postkarte unterhalb des Bilds angefügt: 13. IV. Erste Aufnahme langsamer als erwartet, möglich daß ich erst auf Donnerstag fertig werde. 119 Dies scheint uns die einleuchtendste Lesart für die hier verwendete Abkürzung (in Form eines an das folgende Wort angehängten Buchstabens Alpha) zu sein. 62 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 48. Lieber Herr Doktor! Mein Bündner Aufenthalt war doch von seltener Freude umrahmt: ein paar frohe Tage mit Ihnen, die Aufführung in Rabius, die Stunden in Campadials und Surhein [sic], der originelle Soler 120 : all das lebt und webt in mir und lässt mich die Nöten [sic] des Semesteranfangs vergessen. Wir hoffen, Sie nächsten Tage [sic] in Zürich zu sehen und bei uns zu Tisch zu haben: Frl. Zweifel 121 hat heute ihre Arbeit abgegeben und berichtete mir der [sic] 122 lieben überraschung, die Sie ihr bereitet haben! Noch gutes Gelingen und warmes Gedenken! Ihr Jud. 49. Lenz, 28. IV. 20. Lieber Herr Professor! Die letzte Aufnahme ist abgeschlossen, der letzte Punkt gesetzt. Hurra! Es lebe der Bündner Atlas! Schneller u. besser ists hier gegangen, als ich glaubte. Jetzt reise ich zu Fuß über die Heide nach Chur u. von dort möchte ich zum Beginn meiner Ferien noch einige Tage nach Compadials. Am Sonntag abend bin ich in Zürich. Wenn Sie wünschen, daß ich am nächsten Montag im Sem[inar] spreche, so schreiben Sie mir bitte noch bis Freitag morgen nach Compadials, Hotel Badus, worüber und wielange [sic] ich reden soll. Jedenfalls hoffe ich Sie nächsten Montag zu sehen. Jetzt bin ich gewaltig froh, Lenz erledigt u. reinen Tisch gemacht zu haben. Mit gutem Gewissen u. voll Freude darf ich jetzt auf diesen gelungenen ersten Teil zurückblicken. Vivant sequentes! Am linken Rand in vertikaler Richtung zum Rest des Textes: Auf frohes Wiedersehen u. herzl. Grüße P. Sch. 50. Lieber Herr Doktor! Gratuliere zum Schluss der Arbeit! Ich erwarte Sie also Montag Abend 5 Uhr im Colleg: ich gedenke eine kurze Einleitung zu geben und dann Sie erzählen zu lassen (35-40 Min.). Ich denke etwa über folgendes Thema: Reiseroute, Aufgaben, die Ihnen gestellt wurden (grosses & kleines Quest. Photos), wie wird eine Aufnahme durchgeführt (Technisches, Transkription), Schwierigkeiten bei der Sujetswahl, Eindrücke über die Vitalität des Romanischen, Schwierigkeiten bei der Aufnahme (Zerstreutheit der Sujets, kitzlige Fragestellung): Sie können ja so viel erzählen, dass Sie nicht fertig werden! Tun Sie das ganz ungezwungen wie es Ihnen gerade passt! Am Montag Mittag essen Sie bei uns oder, wenn es Ihnen besser passt, am Abend! 120 Leonard Soler, damals Pfarrer in Rabius (cf. URL: https: / / pleivsumvitg.ch/ wordpress/ wp-content/ uploads/ 2016/ 11/ Cronica_Rabius_2001.pdf [30.3.2023]). 121 Diese Person taucht auch in einem Brief Scheuermeiers an Jaberg vom 10. Januar 1925 auf. Zu jener Zeit scheint sie Lehrerin an der Höheren Töchterschule der Stadt Zürich gewesen zu sein (cf. Kunz 2018: 805 N1201). 122 Das Fehlen der Präposition von ist wahrscheinlich dem Seitenwechsel zwischen mir und der geschuldet. 63 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Freundl. Gruss an H. Brunner 123 und Frl. Knecht 124 und nochmaligen Dank für die herzliche Aufnahme! Ihr Jud 51. Lieber Herr Doktor! Prof. Gilliéron ist in Twann (Kapf): wenn Sie also Zeit hätten, den Schöpfer des ALF kennen zu lernen, so sollten Sie die Gelegenheit nicht versäumen. Ich habe ihm von Ihrem eventuellen Besuch Mitteilung gemacht. Sie müssten ihn nur per Karte von Ihrer Absicht in Kenntnis setzen. Herzl. Gruss Jud 52. 22. V. Lieber Herr Prof.! Hier die Resultate der Abstimmung in Bünden 125 . Die Kirche hat dort wieder einmal die Politik gemacht. Solèr hat sich mit seinem Husten geschickt salviert. Die 3 Artikel hintennach mangeln wenigstens nicht an Kraft. Gestern habe ich mit der Korrektur fertig gemacht u. mit dem Wortregister begonnen. Dieses geht schneller, als ich glaubte. Herzlich grüßt Ihr P. Scheuermeier 53. Ligornetto 3. VI. L[ieber] H[err] P[rofessor] Durch gute Empfehlungen bin ich hieher gekommen. Habe zwar noch niemanden gefunden - es ist heute Corpus Domini-Fest - aber habe gute Hoffnung. Komme gerade recht für wichtige Arbeiten der Seidenkultur. Herzl. grüßt Ihr P. Sch. Auf der Vorderseite der Postkarte ins Bildmotiv geschrieben : Antica Osteria della Posta 126 . 123 Im vorliegenden Kontext ist es eher unwahrscheinlich, dass es sich um ein Mitglied der Familie von Scheuermeiers Onkel, Jacques Brunner, handelt (zur Rolle von Scheuermeiers Verwandten cf. Kunz 2018: 31). 124 Die Identität dieser Person konnte nicht ermittelt werden. 125 Scheuermeier bezieht sich hier wahrscheinlich auf die Volksabstimmung vom 16. Mai 1920 über den Beitritt der Schweiz zum Völkerbund. 126 Dasselbe Motiv hat Scheuermeier auch an Jaberg geschickt. Dies gilt auch für die Postkarte Nr. 54 (cf. Kunz 2018: 263, 265). 64 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 54. Lugano-Chiasso, 19. VI. 20 L[ieber] H[err] Pr[ofessor]! Sie wundern sich über mein Schweigen. 3 Seiten vor einem glücklichen Abschluß in Lig[ornetto] hat mich dort letzten Dienstag eine Verdauungsstörung mit heftigem Kopfweh ins Bett gelegt. Heute war ich gerade gut genug, in Lugano den Pass in Ordnung zu bringen. Ging ausgezeichnet mit Empfehlg. aus Lig. u. Ol[ivone]. Visum 1 Monat gültig. Gehe jetzt über Sonntag direkt nach Como, um nach 10 Jahren endlich meine Schwester wieder zu sehen. Montag wieder in Lig., dort Abschluß, Brief an Sie. Jetzt herzlich Zittergrüße aus dem Schnellzug Ihr P. Sch. 65 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 55. ZÜRICH 7, den 21. VI. 20. Sprensenbühlstrasse 14 Lieber Herr Doktor! Für Ihren freundlichen Gruss aus dem südlichsten Zipfel unserer Heimat warmen Dank: Sie fühlen nun da wohl bereits italienisches Leben pulsieren und schauen hinüber auf die italienische Ebene, die sie [sic] erwartet. Unter dessen haben wir noch nicht die römische Empfehlung erhalten: die Ministerstürze sind so rasch, dass der Gesandte in Verlegenheit sein muss, an wen er sich wenden soll. Dagegen ist nun ein Brief von Monsignore Maglioli [sic] 127 in Bern an den Erzbischof von Mailand für Sie abgegangen: wir hoffen da auf eine ebenso wichtige Empfehlung als die offizielle römische! Ich glaube übrigens immer weniger an Verhaftung und dergleichen: mit Empfehlungen von Motta 128 und den beiden christlichen Patronen sollten Sie durchkommen. Die Hälfte Ihres Quest. werden Sie heute wohl bereits hinter sich haben! Am rechten Rand der letzten Seite in vertikaler Richtung: Warmen Gruss und Gedenken Jud 56. Bellinzona, 24. VI. 20. Lieber Herr Prof. Pläne sind schön; aber Improvisieren besser. Gestern suchte ich in Mesocco umsonst nach einer verfügbaren Seele. Alles am Heuen. Sogar der gute Pfarrherr durch Festtage u. Heilige beschäftigt. Ich entschloß mich aber doch für ihn; er ist alteinheimisch, 55 jährig u. auf nächsten Mittwoch bereit. So zog ich heute mit dem Ersten nach Prosito. Auch dort alles im Heu. Nur mit dem einheimischen Mann der Lehrerin, Post, konnte ich abreden auf nächsten Sonntag bis Dienstag. So mach ich morgen meinen Freitag. Sehr heiß. Wieder z’weg 129 . Herzlich grüßt Ihr P. Sch. 57. ZÜRICH 7, den 26. VI 20 Sprensenbühlstrasse 14 Lieber Herr Doktor! Ja gewiss: ich war wirklich letzte Woche in Ängsten: jeden Abend, wenn ich vergebens auf ein Lebenszeichen gewartet hatte, fragte ich mich: was ist vorgegangen? Hoffentlich ist die Attacke nun vorüber: die heutige Karte giebt mir wenigstens Hoffnung in dieser Richtung. Ja diese Sommermonate werden noch hie & da Überraschungen bieten: wir hoffen aber dennoch auf Durchführung der Aufgabe. Wir werden sehen. Dass Sie in Chiasso und Ligornetto so warme Aufnahme gefunden haben freut uns besonders: es war so eine Art Wiedersehen mit der alma mater italica! H. Prof. Jaberg habe ich meine Ansicht hinsichtlich der Einreise mitgeteilt: er wird Ihnen direkt schreiben. - Diese Woche stellte auch gemütlich starke Ansprüche 127 Gemeint ist aller Wahrscheinlichkeit nach Luigi Maglione (1877-1944), Vertreter des Heiligen Stuhls in der Schweiz (ab 18.6.1920 als Nuntius in Bern; cf. HLS , s.; Kunz 2018: 264 N149). 128 Giuseppe Motta (1871-1940), war von 1911 bis zu seinem Tod Bundesrat für die Katholisch-Konservative Partei und hatte im Jahr 1920 das Amt des Bundespräsidenten inne (cf. HLS , s.; Kunz 2018: 262 N145). 129 Zürichdeutsch zwääg ‘gesund’ (wörtl. ‘zu Weg’) (cf. ZW , s.; SchwId. , s. z(e)wë(g) ). 66 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 an mich: meine Frau musste eine kleine Operation durchmachen und so bin ich froh, dass alles gut gelungen ist. Auch müde bin ich reichlich: in 14 Tagen rückts am Ende zu. Die Photos sind gut herausgekommen: dem Photoapparat werden Sie noch allerlei Geheimnisse entlocken wollen. Er ist Ihr Begleiter und Ihr Freund! Donnerstag war H. Prof. Bovets 50. Geburtstag. Man hat ihn mit Recht gefeiert: die Studenten am Morgen im Colleg, wir abends in seinem Hause. Wenn Sie H. Dr. Keller 130 sehen, freundl. Gruss! Und Ihnen warmen Händedruck! Ihr Jud 58. Bellinzona, 29. VI Lieber Herr Prof. Komme soeben von Prosito, wo ich mit versch. Abenteuern in 2½ Tagen fertig machte. Morgen nach Mesocco. Vielen Dank für Ihren Brief. Vor allem meine besten Wünsche für Frau Professor. Fand hier noch reichlich Arbeit für Diss.-Korr. meiner warten, aber auch frdl. Hülfe von Dr. Keller. Herzlich grüßt Sie Ihr P. Sch. Auf der Rückseite von anderer Hand (Oskar Keller) geschrieben: Sehr geehrter Herr Professor! Ich habe hier mit Vergnügen einen kleinen Einblick in Sch. schöne Arbeit tun können. - Ich komme vor dem 20. Juli nach Z’ch 131 . Wahrscheinlich werde ich Sie nicht auch dort treffen? Herzlichen Gruss! Ihr erg. O. Kell. Bibliographie AIS = J aBerg , K./ J ud , J. 1928-1940: Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz , Zofingen, Ringier. B arBato , M. 2017: Le lingue romanze. Profilo storico-comparativo , Roma/ Bari, Laterza. B ezzoLa , r. r. 1924: Contributo alla storia dei gallicismi italiani nei primi secoli (750-1300). Saggio storico-linguistico , Zurigo, Seldwyla. B ezzoLa , r. r. 1925: Abbozzo di una storia dei gallicismi italiani nei primi secoli (750-1300). Saggio storico-linguistico , Heidelberg, Winter. B ezzoLa , r. r. 1979: Litteratura dals Rumauntschs e Ladins , Cuira, Lia Rumauntscha. B ott , J. 2012: Dal gran al pan. 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Ortsnamen Amerika 5 Ardez 6, 8-9, 21 Avers 23 Bellinzona 56 Bergell 2, 20-25 Bergün 22, 24, 27-32 Bern 3, 15, 23, 32, 38, 40, 55 Berninapass 22, 25 Bivio 24-25, 27, 37 Brigels 37, 42-43 Brusio 25 Bünden 3, 7-10, 15, 21, 25, 27-28, 37-38, 43-44, 48-49, 52 Campadials [cf. auch Compadials ] 38 Casaccia 9-10 Celerina 19-21 Chiasso 54, 57 Chur 38, 49 Clavadel 22-23 Como 54 Compadials [cf. auch Campadials ] 49 Conters 27-28, 31-32 Dalin (Präz) 37 Domleschg 36 Dreisprachenspitze [cf. auch Piz Umbrail ] 15-16 Ems 36-37, 40-41, 43 Engadin 9, 15, 18, 21, 23-24 Fex(tal) 2, 14-15, 20-24 Foppa 37, 39 Fürstenau 37 Ilanz 37, 40-46 Italien 3, 7, 15, 21, 23, 27, 38-39, 55 Julierpass 22, 24-25 Ladinia 39 132 Die Verweise beziehen sich auf die Nummern der Briefe. Die Namen J. Juds und P. Scheuermeiers werden nicht berücksichtigt; dies gilt auch für die sprachlichen Formen in den auf Rätoromanisch verfassten Briefen Nr. 14, 35 und 45. Wenn der Vorname unbekannt ist, fügen wir an seiner Stelle ein Fragezeichen in Klammern ein. 70 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Lallé en Bas-Champsaur 11 Latsch 31, 33, 37 Lenz 28, 30-32, 34-37, 49 Ligornetto 53-54, 57 Lombardei 7, 37-38 Lugano 54 Lugnez 37, 41-43 Lumbrein 42-43, 47 Luvis 39, 41 Mailand 26-27, 36, 38-39, 55 Maloja(pass) 22-23 Mathon 11, 37 Medels 45 Mesocco 57-58 Münster 18 Münstertal 14, 16, 18, 21 Nidwalden [ scil. Gebiet unterhalb des Flimserwaldes, das hier nicht nur die Sutselva im engeren Sinn bezeichnet, sondern auch das Surmeir mitmeint] 30 Oberengadin 23 Oberhalbstein 24 Oberitalien 3 Oberland [ scil. Bündner Oberland; cf. auch Obwalden ] 38 Obervaz 28 Obwalden [ scil. Surselva; Bündner Oberland; Gebiet oberhalb des Flimserwaldes] 39 Ofenberg 12-13, 18 Ofenpass 11 Olivone 54 Paspels 38 Pfunds 15 Pitasch 41-43 Piz Umbrail [cf. auch Dreisprachenspitze ] 15-16 Poschiavo [cf. auch Puschlav ] 24-26 Prosito 56, 58 Puschlav [cf. auch Poschiavo ] 10, 20-21, 24, 26, 34, 36-37 Rabius 48 Reams 27, 31, 37 Remüs 9, 21 Riein 41-42 Rom 38, 55 Rueras 44, 46 Samaden 20-21, 24-25 San Carlo (Poschiavo) 25 Santa Maria Val Müstair 11-13, 15-16, 18, 21 Scanfs 12-15, 18-21 Schams 11 Scharans 37 71 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Schweiz 3 Sedrun 46-47 Sils i. Engadin 14, 21, 23 Silvaplana 25 Soglio 24-25, 27, 37 Sommaino (Poschiavo) 25 Somvix 42-44 Sopraporta 9, 21 Sottoporta 21, 23 Stalla 26 Stampa 2, 9-10, 23-24 Sur(r)hein 42, 45, 48 Tavetsch 42-43, 45 Tessin 3, 7, 37 Thusis 37 Tiefenkastel(l), Tiefencastel(l) 24-25, 28, 32-34 Tirol 15 Twann 51 Unterengadin 9, 15 Viamala 8, 37 Viano 25 Winterthur 3, 5, 11 Zernez 9, 11-12, 19, 21, 26 Zillis 7-9, 11, 21 Zinuskel-Brail 18 Zuoz 13, 15, 18, 20-21 Zürich 2-4, 6 (Limmatquai), 7, 10, 16, 22-23, 26, 36, 37-38 (Bauschänzli), 39, 44, 48-49, 55, 57-58 2 . Personennamen Aeschlimann, Erhard 5 Andry, Annetta 9 Bachmann, Albert 26 Bally, Charles 21 Beti, Giacomo 21 Bezzola (Familie) 21 Bezzola, Reto Raduolf 19, 21 Bovet, Ernest 7, 11, 26, 38, 57 Brenner, Heinrich 6-7, 16 Brockmann-Jerosch, Heinrich 16, 20, 22 Brunner, (? ) 50 Cadonau, Peter Paul 39 Cavegn, (? ) 43 Cloetta, Max 26, 38 Conrad, Joos 8 Cortes, (? ) 8, 11, 21 72 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Deplazes (Familie) 5 Deplazes, Gion Antoni 45 Deplazes, Stanislaus 5, 45 Dolf, Thumasch 11 Fankhauser, Franz 3, 11 Flechia, Giovanni 5 (Fussnote) Fleiner, Fritz 26, 38 Frigg, Nesa 37 Frisch, Jakob 27 Füm(m), (? ) 20-22 Für(r)er (Papeteriegeschäft) 9, 11 Gauchat, Louis 4, 6, 26, 30, 34, 37-38 Gilliéron, Jules 26, 38-39, 43, 51 Giovanoli, Gaudenzio 24, 27 Hoepli, Ulrico 26, 38 Horning, Adolf 11 Hunziker, Rudolf 5 Jaberg, Karl 3, 7-8, 10-11, 18, 21, 26, 28, 30-31, 34, 36-40, 43, 46, 57 Jud, Anna Maria Elisabeth (geb. Hunziker, Juds Frau) 11, 17, 23, 27, 38, 40, 57-58 Keller, Oskar 56, 58 Knecht, (? ) 50 Lanz, Rodolf 24, 27 Lutta, Conrad Martin 28, 30, 33-34, 38 Maglione, Luigi 55 Martin, David 11 Martini, Ferdinando 11 Melcher, Anton 12-13, 15, 18 Melcher, Florian 12, 15 Michael, Johann 21, 38 Mollet (Fotogeschäft) 6 Montoliu, Manuel de 5 (Fussnote) Motta, Giuseppe 55 Nadig, (? ) 21 Niemeyer (Verlag) 6, 11 Olivieri, Dante 5 (Fussnote) Perl, Lüz(z)i/ Luzi 15, 18, 38 Pfosi, Gian A. 13, 18, 21 Planta, Robert von 26, 37-39, 43 Pult, Chasper 11, 14, 18, 21, 28, 30 Salvioni, Carlo 6, 26-27, 37-38, 44 Scheuermeier, Willy (Pauls Bruder) 9 Soler, Leonard 48, 52 Vetter, Theodor 26 Vieli, Ramun 37-39, 41 Wallin, (? ) 21 Wartburg, Walther von 2, 21, 23 73 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Der Briefwechsel Scheuermeier-Jud (1919-1920) Vox Romanica 82 (2023): 21-74 Wehrli, Hans Jakob 26, 38 Zweifel, (? ) 48 3. Linguistische Formen amblaz 2 arolla 7 báχ šte̜ltsa 21 brensciol 7 brua 5 c̋árs ( da frẹ́ja ) 31 clot 5 coal , one , ini , etto , óra 5 criaintas 7 crienta 7 dasa 7 drausa 7 dschember 7 flukrts 37 frẹ́yα (c̋árs ̩ da f.) 31 fro(d)a 7 gauflə , -e 7, 9 gioc 7 giop 7 grienta 7 g̋ukfs ( cun salvōna ) 32 g̋úkfs (mit salvo̜ ̄ ́na ) 31 kanté ̜ 25 ké̜mp 25 kṓ̜šans ̩ 15 lavazza 16 lioba 7 loba 7, 9 müf 7 pino mugo 7 salvōna ( g̋ukfs cun s. ) 32 salvo̜ ̄ ́na ( g̋úkfs mit s. ) 31 SpeLuca 6 trä ́ yšc̋as 15 triBuna 6 trœ̜ ̄ č , trœ̄ č 11 umblaz 2 zuondra 7 74 DOI 10.24053/ VOX-2023-002 Stefano Cristelli/ Mario Wild Vox Romanica 82 (2023): 21-74 «Plans are nice; improvisation better»: the Scheuermeier-Jud correspondence from early 1919 to mid-1920 Abstract: The article publishes for the first time the correspondence between Paul Scheuermeier and his teacher Jakob Jud during the starting period of the AIS project ( January 1919- June 1920). The topics addressed in the 58 edited documents (letters and postcards) are various and particularly interesting for the history of the discipline: the authors discuss, among other things, problems related to the funding of the project, the selection of data collection points and informants as well as particular linguistic forms. The edition, which also reproduces the pictures on the postcards sent by Scheuermeier, is introduced by an overview of these subjects as well as a paragraph describing the collection and the editorial criteria; an index of names and linguistic forms is provided at the end of the essay. Keywords: Paul Scheuermeier, Jakob Jud, Karl Jaberg, Sprach- und Sachatlas Italiens und der Südschweiz (AIS) , Grisons, Ticino.