eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 6/2

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
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2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
10.24053/VvAa-2021-0014
121
2021
62 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Studierenden-Präsentationen jenseits des Referats

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2021
Christian Klein
David O’Neill
vvaa620065
Studierenden-Präsentationen jenseits des Referats Screencasts und Filme als Handlungsprodukte einer Gruppenarbeit Christian Klein (Bergische Universität Wuppertal) 1 Didaktische Ziele Die akademische Lehre verbindet idealerweise die Vermittlung von Fachkenntnissen mit dem Erlernen und Einüben fachübergreifender Kompetenzen. In meinen literaturwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen sollen sich die Studierenden fachspezifisches Wissen und das Rüstzeug für die formale Analyse literarischer Texte aneignen, gleichzeitig ihr Verständnis literarhistorischer, motiv-, stil- und gattungsgeschichtlicher Zusammenhänge vertiefen sowie ihr Theoriebewusstsein und ihre Methodenkompetenzen schärfen. Die Studierenden lernen zudem, sich mit anderen Meinungen kritisch auseinanderzusetzen, eine eigene Position zu entwickeln, zu begründen und zu überprüfen. Ein wichtiger Schritt, um diese Seminarziele zu erreichen, ist es, dass die Studierenden möglichst früh im Seminarverlauf aktiv am Seminargeschehen beteiligt werden, indem sie neuerworbenes Wissen selbstständig anwenden und reflektieren. Das kann nicht nur im Kontext der gemeinsamen Seminardiskussion zentraler Primärtexte oder Forschungsbeiträge geschehen, sondern auch im Rahmen von Arbeitsaufträgen, die beispielsweise in Kleingruppen zu erledigen sind. Auf diese Weise ist eine intensive Beteiligung möglichst vieler Studierender gewährleistet, die in Auseinandersetzung mit konkreten Beispielen abstrakte Problemstellungen diskutieren und neue Analysekategorien oder -instrumente anwenden. Umfasst der jeweilige Arbeitsauftrag eine Präsentation der Gruppenergebnisse für die anderen Studierenden, werden gleichzeitig Präsentations- und Feedbacktechniken trainiert. Da klassische Referate erfahrungsgemäß nicht zu den nachhaltigsten Formen der Informationsvermittlung zählen, bietet es sich an, für diese Präsentationen die Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen, was spätestens seit Corona ohnehin eine zentrale Forderung an die akademische Lehre ist. Berücksichtigt man die große Bedeutung von Medien im Alltag, lassen sich so im Zuge der praktischen Auseinandersetzung mit digitalen Verstehen von Anfang an 6/ 2 (2021) DOI 10.24053/ VvAa-2021-0014 Präsentationstechniken gleichzeitig auch Aspekte der Medienkompetenz vertiefen und reflektieren. 2 Umsetzung Nach einer einführenden Seminarphase, in der gemeinsam die zentralen definitorischen, terminologischen und analytischen Grundlagen zu erarbeiten sind, werden die Studierenden früh im Semester in Arbeitsgruppen eingeteilt. Jede Arbeitsgruppe erhält die Aufgabe, ergänzend zu den Textbeispielen, die für die gemeinsame Seminardiskussion vorab ausgewählt und bekanntgegeben wurden, weitere Beispiele aus dem jeweiligen Gegenstandsbereich auszuwählen, in einer fünfminütigen Präsentation dem Seminar vorzustellen und in den Seminarzusammenhang einzubetten. Ergänzend kann die Aufgabenstellung einzelne inhaltliche oder formale Perspektivierungsvorgaben sowie Analysekategorien oder Fragestellungen enthalten, die bei der Erstellung der Präsentation zu berücksichtigen sind. Eine solche Aufgabenstellung erfordert nicht nur die praktische Anwendung definitorischer Merkmale als Grundlage der Beispielauswahl, sondern dient auch der Einübung der Terminologie und dem Umgang mit analytischem Instrumentarium. Darüber hinaus wird der Gegenstandsbereich in größerer Breite ausgeleuchtet, denn die gemeinsame Seminardiskussion ist notgedrungen auf wenige exemplarische Texte, Ansätze etc. beschränkt. Den Arbeitsgruppen wird ein Abgabetermin genannt, der ausreichend Zeit für die Auswahl, Absprache und Erarbeitung der Präsentationen lässt und für alle Arbeitsgruppen gleich ist. Diese Vorgabe erlaubt einen vergleichenden Blick auf die verschiedenen Präsentationen und begegnet gleichzeitig den bekannten (und nachvollziehbaren) Beschwerden über ungleich lange Fristen zur Vorbereitung von Präsentationen, wenn diese über das Semester verteilt vorzustellen sind. Die Präsentation der AGs soll technisch so aufbereitet sein, dass sie von den anderen Studierenden asynchron rezipiert werden kann, wobei der medialen Umsetzung und Kreativität keine Grenzen gesetzt sind. Denkbar wäre etwa ein Screencast, also z. B. eine Powerpoint-Präsentation, bei der die einzelnen Folien mit Ton unterlegt und dann als Film (im mp4-Format) abgespeichert werden. Alternativ können sich die Studierenden auch z. B. in einem Zoom-Meeting treffen, das sie als Film mitschneiden und in dessen Rahmen sie die entsprechend vorbereitete Powerpoint-Präsentation zeigen sowie reihum kommentieren. Diese Variante hat den charmanten Vorteil, dass die Mitglieder der Arbeitsgruppe im Bild zu sehen sind und während der Präsentation auch miteinander interagieren können. Darüber hinaus gibt es kostenlose Software, mit deren Hilfe 66 Christian Klein DOI 10.24053/ VvAa-2021-0014 Verstehen von Anfang an 6/ 2 (2021) man relativ unkompliziert Buchtrailer (als Äquivalent zum Filmtrailer) oder Erklärfilme erstellen kann. Damit beginnt die Phase des selbstorganisierten Arbeitens in den Kleingruppen, die parallel zur gemeinsamen Seminararbeit laufen kann, aber eng von der Dozentin/ dem Dozenten begleitet werden muss. So bietet es sich an, in einer frühen Phase der Gruppenarbeit über das jeweils ausgewählte Beispiel zu sprechen, um gegebenenfalls frühzeitig Anpassungen vornehmen zu können. In einem weiteren Gespräch im späteren Verlauf sollte über die Ideen zur konkreten (auch technischen) Umsetzung gesprochen werden. Nach dem Abgabetermin werden alle Präsentationen den Studierenden (z. B. über Moodle ) zeitgleich zur Verfügung gestellt. Die Seminarteilnehmenden erhalten nun die Aufgabe, sich individuell innerhalb eines bestimmten Zeitfensters die verschiedenen Präsentationen anzusehen. Sinnvollerweise erhalten die Studierenden eine Art Feedback-Bogen mit Leitfragen oder Bewertungskategorien, die bei der Rückmeldung zu den einzelnen Präsentationen hilfreich sein können. Im Anschluss an die individuelle Sichtung der Präsentationen sollen die Arbeitsgruppen wieder zusammenkommen, um die Präsentation einer anderen (vorgegebenen) Gruppe zu kommentieren und Fragen an die andere AG vorzubereiten. In einer anschließenden gemeinsamen Seminarsitzung sind diese Kommentare und Fragen dann die Grundlage für das Plenumsgespräch zur Auswertung aller Präsentationen. Gegebenenfalls können die Arbeitsgruppen auch dazu aufgefordert werden, im Vorfeld der gemeinsamen Seminarsitzung die ihrer Meinung nach inhaltlich und formal gelungenste Präsentation zu benennen oder besondere Teilaspekte einzelner Präsentationen hervorzuheben, sodass am Schluss des Plenumsgesprächs die inhaltlich konziseste oder formal innovativste Präsentation gekürt werden kann. 3 Reflexion Die Ausarbeitung von Präsentationen in solchen technischen Formaten, die asynchron rezipiert werden können, hat mehrere Vorteile, stellt die Studierenden aber auch vor verschiedene Herausforderungen. Wenn die Präsentationen als Dateien auf Moodle zur Verfügung gestellt werden, haben die Studierenden die Möglichkeit, diese innerhalb des vorgegebenen Zeitfensters zeitsouverän (auch mehrfach) anzusehen. Mit einer entsprechend guten Vorbereitung der Sichtung (Feedback-Bogen, ‚Beobachtungsauftrag‘) wird die Seminarzeit von der synchronen gemeinsamen Rezeption der Präsentationen entlastet und das reflektierende Plenumsgespräch über die AG-Ergebnisse vorstrukturiert. Studierenden-Präsentationen jenseits des Referats 67 Verstehen von Anfang an 6/ 2 (2021) DOI 10.24053/ VvAa-2021-0014 Die Studierenden sind im Zuge der Erarbeitung der Präsentationen dazu gezwungen, sich über die zu vermittelnden Inhalte genau im Klaren zu sein, da die aufgenommene Präsentation für sich stehen können muss. Auch die Kommentare erfordern eine genaue Vorbereitung, um zu viele Sprechpausen, Wiederholungen oder Korrekturen zu vermeiden. Denn was im Rahmen eines mündlichen Referats vor allen Seminarteilnehmenden durch die freundliche Interaktion gegebenenfalls noch überspielt werden kann, wirkt bei einer mitgeschnittenen Präsentation schnell unprofessionell. Da die gezeigten Folien nicht mehr nur Beiwerk im Hintergrund der/ des Referierenden sind, sondern auf dem Bildschirm im Zentrum stehen, benötigt die visuelle Vermittlung der Inhalte ebenfalls eine deutlich genauere Vorbereitung. Den Rückmeldungen von Studierenden ist zu entnehmen, dass viele die Intensität der Vorbereitung unterschätzt und vor allem das Einhalten der Zeitvorgabe (fünf Minuten) für die Präsentation als Herausforderung empfunden haben. Gleichzeitig haben viele es als Bereicherung wahrgenommen, sich eher kreativ und visuell anspruchsvoll mit den vorzustellenden Inhalten auseinandersetzen zu können. Für viele war es eine wichtige Erfahrung, in der praktischen Arbeit zu erleben, in welchem Maße die medial-technischen Bedingungen die Inhalte (mit-)strukturieren. Den Präsentationen, die auf diese Weise in meinen Lehrveranstaltungen entstanden sind, ist durchweg anzusehen, dass sich alle Studierenden mit Offenheit und auch Begeisterung auf die geschilderten Herausforderungen eingelassen haben. Die Einwilligung der jeweiligen AG vorausgesetzt, können die Studierenden die Präsentationen auch auf den eigenen Rechnern speichern und verfügen so über eine Art digitales Archiv mit z. B. exemplarisch analysierten Textbeispielen, auf das sie auch nach dem Abschluss des Seminars noch zugreifen können. 68 Christian Klein DOI 10.24053/ VvAa-2021-0014 Verstehen von Anfang an 6/ 2 (2021) Presentation Formats beyond the Paper Screencasts and Films as the Result of Group Work translated by David O’Neill 1 Didactical Aims Academic teaching ideally combines the teaching of subject-specific knowledge with the learning and practising of interdisciplinary skills. In my courses in literary studies, students should acquire subject-specific knowledge and the tools for the formal analysis of literary texts, while at the same time deepening their understanding of literary-historical, motivational, stylistic and genre-historical contexts and sharpening their theoretical awareness and methodological skills. The students also learn to critically engage with other opinions, to develop, justify and examine their own position. An important step in achieving these seminar goals is for the students to be actively involved in the seminar as early as possible by independently applying and reflecting on newly acquired knowledge. This can happen not only in the context of the plenary discussion of central primary texts or research contributions, but also - to give an example - in the context of assignments worked on in small groups. In this way, intensive participation of as many students as possible is ensured, discussing abstract problems and applying new analytical categories or instruments to concrete examples. If the respective work assignment includes a presentation of the group results to the other students, presenting and feedbacking techniques are trained at the same time. Since experience has shown that classic presentations are not among the most sustainable forms of conveying information, it makes sense to use the possibilities of digitalisation for these presentations, which has been a central requirement for academic teaching since Corona at the latest. Taking into account the great importance of media in everyday life, aspects of media competence can be deepened and reflected upon in the course of the practical examination of digital presentation techniques. Verstehen von Anfang an 6/ 2 (2021) DOI 10.24053/ VvAa-2021-0014 2 Implementation After an introductory phase, in which the central definitional, terminological and analytical basics are to be worked out together, the students are divided into working groups early in the semester. Each working group is given the task of selecting further examples from the respective subject area in addition to the text examples that have been assembled and announced in advance for the joint seminar discussion, to present them to the seminar in a five-minute presentation and to embed them in the seminar context. In addition, the assignment can contain individual content-related or formal perspective specifications as well as analysis categories or questions that are to be taken into account while preparing the presentation. Such an assignment not only requires the practical application of definitional features as a basis for the selection of examples, but also serves to practise terminology and the use of analytical instruments. In addition, the subject area is illuminated in greater breadth as the joint seminar discussion is limited to a few exemplary texts, approaches etc. The working groups are given a deadline for submission. The deadline allows sufficient time for the selection, consultation and development of the presentations and is the same for all working groups. This specification allows a comparative view of the different presentations and at the same time counters the well-known (and understandable) complaints about unevenly long deadlines for preparing presentations when they are to be presented throughout the semester. The presentations of the working groups should technically be prepared in such a way that it can be received asynchronously by the other students, whereby there are no limits to media implementation and creativity. The result could be a screencast, e. g. a PowerPoint presentation in which the individual slides are underlaid with sound and then saved as a film (in mp4 format). Alternatively, the students could also meet in a digital session, which they record as a film and during which they show their PowerPoint presentation and take turns commenting on it. This variant has the charming advantage that the members of the working group can be seen in the picture and also interact with each other during the presentation. In addition, there is free software that can be used to create book trailers (as an equivalent to a film trailer) or explanatory films in a relatively uncomplicated way. This is the beginning of the phase of self-organised work in the small groups, which can run parallel to the joint seminar work but must be closely accompanied by the lecturer. It makes sense to talk about the selected example in an early phase of the group work so that adjustments - if necessary - can be made at an 70 Christian Klein DOI 10.24053/ VvAa-2021-0014 Verstehen von Anfang an 6/ 2 (2021) early stage. In a further discussion later on, ideas for concrete (also technical) implementation should be discussed. After the deadline, all presentations are made available to the students at the same time (e. g. via Moodle ). The seminar participants are now given the task of viewing the various presentations individually within a certain time window. It makes sense for the students to receive some kind of feedback sheet with guiding questions or evaluation categories that can be helpful in providing feedback on the individual presentations. Following the individual viewing of the presentations, the working groups should come together again to comment on the presentation of another (given) group and prepare questions. In a subsequent joint seminar session, these comments and questions are the basis for the plenary discussion to evaluate all presentations. If necessary, the working groups can also be asked to name the most successful presentation in terms of content and form in advance of the joint seminar session, or to highlight particular aspects of individual presentations, so that the most concise presentation in terms of content or the most innovative one in terms of form can be chosen at the end of the plenary discussion. 3 Reflection The preparation of presentations in such technical formats, able to be received asynchronously, has several advantages, but also poses various challenges for the students. If the presentations are made available as files on Moodle , the students have the opportunity to view them (even several times) within the given time window. With a correspondingly good preparation of the viewing (feedback sheet, “observation assignment”), the seminar time is relieved of the synchronous joint reception of the presentations and the reflective plenary discussion about the results of the working groups is pre-structured. In the course of developing the presentations, the students are forced to be exactly clear about the content they plan to convey, as the recorded presentation must be able to stand on its own. The comments also require precise preparation in order to avoid too many speaking breaks, repetitions or corrections. After all, what may still be covered up by friendly interaction in the context of an oral presentation in front of all seminar participants quickly comes across as unprofessional in a recorded presentation. Since the slides shown are no longer just accessories in the background of the speaker, but are central on the screen, the visual communication of the content also requires much more precise preparation. Presentation Formats beyond the Paper 71 Verstehen von Anfang an 6/ 2 (2021) DOI 10.24053/ VvAa-2021-0014 Feedback from students shows that many underestimated the intensity of the preparation and found it a challenge to keep to the time limit (five minutes). At the same time, many perceived it as enriching to be able to deal with content in a rather creative and visually demanding way. For many it was important to experience in practical work to what extent the media-technical conditions (co-)structure the contents. The presentations that were created in this way in my courses showed that all the students were open and enthusiastic about the challenges described. Assuming the consent of the respective working group, the students can also save the presentations on their own computers and thus have a kind of digital archive with analysed text examples they can still access after the end of the seminar. 72 Christian Klein DOI 10.24053/ VvAa-2021-0014 Verstehen von Anfang an 6/ 2 (2021)