Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
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2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
10.24053/VvAa-2023-0005
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2024
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Fischer Heilmann Wagner KöhlmoosDie Spezifika einer theologisch-exegetischen Wissenschaftskommunikation
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2024
Matthias Hopfhttps://orcid.org/0000-0002-9183-7740
vvaa810055
Die Spezifika einer theologisch-exegetischen Wissenschaftskommunikation Einige grundsätzliche und praktische Überlegungen Matthias Hopf (orcid.org/ 0000-0002-9183-7740) Der Beitrag thematisiert dezidiert die Chancen und Grenzen, mit denen eine theologische Wissenschaftskommunikation konfrontiert ist. Nach ei‐ nigen Überlegungen auf einer grundsätzlichen Ebene (Wissenschaftskom‐ munikation als Teil des Demokratieerhalts, einem Lob auf die Neugier und einigen Anmerkungen zur Wissenschaftssprache) wird zwischen unidi‐ rektionalen und diskursiven Formaten der Wissenschaftskommunikation unterschieden und es werden deren Vor- und Nachteile beleuchtet. Der Artikel benennt weiterhin Gefahrenbzw. theologisch-exegetischer Wis‐ senschaftskommunikation insgesamt (etwa die spirituelle Existenzialität vieler Themen) und identifiziert schließlich auch einige den exegetischen Fächern inhärente Chancen (z. B. die Anschlussfähigkeit vieler Themen oder die oft gegebene Narrativität von Texten). The article addresses the opportunities and limitations faced by „scholarly communication“, i. e. the dissemination of theological insights to a broader public. After fundamental considerations (dissemination as part of the democratic process, praise of curiosity, and some remarks on scholarly language style), a distinction is made between unidirectional and discur‐ sive formats of dissemination, with a focus on their respective advantages and disadvantages. The contribution also identifies dangers and risks in theological-exegetical dissemination as a whole (such as dealing with existential-spiritual nature of many topics) and ultimately highlights some of the opportunities inherent in exegesis and its subject matters (e.-g., the relevance of many topics to modern societies, or the narrativity of many texts). DOI 10.24053/ VvAa-2023-0005 1 Vgl. seinen Beitrag Präsentation neutestamentlicher Forschung im Rahmen von Gemein‐ deveranstaltungen in diesem Heft. 2 Traditionell lösen solche ‚Hochglanz‘-Formate im Bereich der Theologie nach meiner Einschätzung oft eher Skepsis und Zurückhaltung aus - vermutlich ein Ergebnis der traditionell protestantischen Obrigkeitskritik. Vgl. für ein gutes Gegenbeispiel aber auch weiter unten Anm. 22. „Wissenschaftskommunikation“ und Theologie - es mag auf den ersten Blick den Anschein haben, dass diese zwei Begriffe nicht so recht zusammenpassen. Das gilt sogar noch mehr, wenn man das englische Pendant des ersten mit her‐ anzieht: „Science Communication“ bezieht sich semantisch zunächst tatsächlich nur auf die Naturwissenschaften, die sciences. Dabei hat die wissenschaftliche Theologie, ganz wie Peter Wick schreibt, 1 eigentlich eine lange Tradition der Wissenschaftskommunikation - selbst wenn viele dieser Formen (wie Gemein‐ deabende, Beiträge in Kirchenzeitschriften o. ä.) nicht immer in einem ‚Hochglanzformat‘ daherkommen. 2 Gerade in der zunehmenden Aufmerksamkeit, die Wissenschaftskommunikation in der akademischen Öffentlichkeit erhält, ist dies zu betonen. Gleichwohl sind neben solchen bewährten Formaten sicher auch stärker neue Wege zu gehen, neue - meist elektronische - Medien zu ‚bespielen‘. Das wirft natürlich die Frage auf, was mit „Wissenschaftskommunikation“ überhaupt gemeint ist. Gerade um die Chancen derselben auszuloten, scheint es mir aber dienlich, bewusst eine sehr weite Definition mit fließenden Grenzen zu verwenden: Es geht um jedwede Form der Wissensvermittlung jenseits der engeren Adressat: innenschaft der regulär eingeschriebenen Studierenden (bzw. des Forschungsbetriebs). Und es wird sich gleichzeitig zeigen, dass selbst diese Definition noch ein gewisses Potenzial hat ‚auszufransen‘. Dabei bringt eine theologische Wissenschaftskommunikation m.-E. verschie‐ dene spezifische Herausforderungen mit - wie auch Chancen. Diese sollen in diesem Beitrag beleuchtet werden, mit einem besonderen Fokus der Bedürfnisse einer Wissenschaftskommunikation im Bereich der Theologie insgesamt bzw. der exegetischen Fächer im Besonderen. 1 Einige grundsätzliche Gedanken Warum aber ist Wissenschaftskommunikation überhaupt so wichtig? Hierzu sind zu Beginn einige grundsätzliche Bemerkungen sinnvoll, die aber jeweils auf die theologische Spezifik zugespitzt werden. DOI 10.24053/ VvAa-2023-0005 56 Matthias Hopf 3 Vgl. dazu z.-B. Kiefer, Radikalisierungsprävention, oder Kart, Schlüsselrolle. 1.1 Demokratieerhalt Zunächst ist zu betonen, dass Universitäten gerade als Bildungsinstitutionen sowie durch ihr Ideal des hierarchiefreien Diskurses zentrale Institutionen der Demokratie sind. In den gegenwärtigen Zeiten ist dies in besonderem Maße von Relevanz. Die theologischen Fakultäten und Hochschulen sind öffentliche Orte freier Forschung und Lehre. Dieser Aufgabe ist auch durch Wissenschaftskom‐ munikation gerecht zu werden, indem dieses Wissen nicht nur frei zugänglich gemacht wird (man denke hier beispielsweise auch an das Stichwort „open access“), sondern auch ganz gezielt mit der Öffentlichkeit geteilt wird. Gleichzeitig besteht jedoch die Gefahr, durch die sachlich notwendigen Spe‐ zialdiskurse zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung ins ‚Esoterisch‘-Un‐ verständliche abzudriften - und dies letztlich in allen Fächern, wie die Coronas‐ kepsis äußerst schmerzlich aufgezeigt hat. Insofern steht es letztlich auch im eigenen Interesse der Fächer, die Weitervermittlung ihrer Inhalte und Ansätze möglichst breit zu streuen. Nur so können Menschen ‚mitgenommen‘ werden auf den Pfad des Verstehens - was ja die ureigene Aufgabe einer Bildungsinsti‐ tution ist. Weiterhin ist nicht zu vergessen, dass die Bevölkerung als der demokrati‐ sche Souverän letztlich immer auch die Geldgeberin für den größten Teil der Lehr- und Forschungsmittel ist. Insofern liegt die Wissenschaftskommunikation immer im Eigeninteresse der akademischen Community und ist gleichzeitig ein entscheidendes Instrument des Demokratieerhalts, da Bildung und das damit verbundene Bewusstsein für Komplexitäten zumindest in der Tendenz vor Radikalisierung bewahren kann. 3 Theologie ist in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Auch ihr ist die Aufgabe aufgetragen, sich selbst zu erklären. Entscheidend ist dabei, dass das Fach als Ganzes, insbesondere aber auch der Exegese, selbstbewusst ihre Inhalte und Ansätze erläutert. Schließlich sind biblische Texte durch ihre Sprache, Motive, Themen und Ideale nach wie vor eine zentrale Grundlage für das kulturell-ge‐ sellschaftliche Selbstverständnis in westlichen Gemeinwesen. Diese Grundlagen mögen in der breiteren Bevölkerung bisweilen nur noch sehr entfernt oder nicht mehr bewusst sein. Gerade darum ist es jedoch so wichtig, die kulturprägende Funktion biblischer Texte innerhalb der historischen wie gegenwärtigen Gesell‐ schaft aufzuzeigen, zu erklären und dabei unter Umständen auch kritische Punkte anzusprechen - den Texten, ihrer Auslegung und ihren Ausleger: innen gegenüber aber auch gegenüber der Gesellschaft. Dieses kritische Potenzial der Texte und ihrer Auslegung ist ein Schatz, mit dem zu wuchern ist. DOI 10.24053/ VvAa-2023-0005 Die Spezifika einer theologisch-exegetischen Wissenschaftskommunikation 57 4 Vgl. Bourdieu, Kapital. 5 Vgl. zu dieser Basisemotion Degé, Art. Emotionen, sowie o.-N., Art. Interesse. 6 Vgl. dazu auch die Anmerkungen zur Nachrichtenwert-Theorie im Beitrag von Helga Kaiser. 7 Dieser Aspekt wäre beispielsweise auch von Kirchen noch stärker zu beherzigen, die nach wie vor zu stark von unidirektionalen Bewegungen in das Pfarramt ausgehen und zu wenig in Rechnung stellen, dass Menschen vielleicht nur eine begrenzte Zeit den Beruf als Pfarrperson anstreben, um sich dann weiter zu orientieren. 1.2 Neugier wecken Weiterhin ist Wissenschaftskommunikation deswegen so wichtig, weil es ein grundsätzliches movens von Wissenschaft sein sollte, Neugier auf mehr zu we‐ cken - gerade auch bei der breiten Bevölkerung. Auf den ersten Blick mag dies ein Allgemeinplatz sein. Gleichzeitig ist es in Zeiten, in denen Aufmerksamkeit faktisch eine wichtige „soziale Währung“ ist (um es im weiteren Sinne mit Bourdieu zu sagen 4 ), von zentraler Bedeutung, im Gespräch zu bleiben. Dies sichert nicht nur „soziales Kapital“ in Form gesellschaftlicher Relevanz, sondern auch finanzielle Mittel und Studierendenzahlen - vom basalen wissenschaftli‐ chen Eros einmal ganz abgesehen. Kommunikationstaktisch geht es dabei um die Ansprache der Basisemotion ‚Interesse‘. 5 Ein solches ‚fishing for interest‘ mag bei manchen eventuell ethische Bedenken hervorrufen, nicht zuletzt sich weil politische Propaganda vergleich‐ barer Mittel bedient. 6 Diese wären aber m. E. dahingehend zumindest zu lindern, dass damit (anders als oft in jenen Fällen) sinnvolle und wissenschaftlich vertretbare Inhalte vorgetragen werden. Dieser Aspekt des Neugier-Weckens hat dabei aber gerade für das Fach Theo‐ logie noch ein nicht zu unterschätzendes Potenzial, das eben schon angemerkt wurde: So dürfte Wissenschaftskommunikation nämlich insbesondere hinsicht‐ lich der Studierendengewinnung Wirkung entfalten. Vielleicht können dabei nicht unbedingt immer ‚reguläre‘ Studierende in Lehr- oder Pfarramtsstudien‐ gängen gewonnen werden, sondern vielleicht eher auch Studierende in späteren Lebensphasen. Gleichwohl präsentieren sich Berufsbiographien inzwischen ohnehin deutlich vielfältiger als noch vor nicht allzu langer Zeit. 7 Weiterhin besteht - soweit ich dies überblicken kann - nach wie vor größeres Potenzial im Ausbau von Studiengängen, die nicht direkt auf Berufsziele in Kirche oder Schule ausgerichtet sind. In dieser Hinsicht ist Wissenschaftskommunikation also per se auch ein Instrument zur Aufbrechung der ‚kirchlichen Bubble‘. Um dies an einem Beispiel zu verdeutlichen: An der Facoltà Valdese etwa, der einzigen protestantischen Ausbildungsstätte in Italien, sind nach Auskunft des Dekans insgesamt mehr als zehnmal so viele Menschen in einem Studiengang DOI 10.24053/ VvAa-2023-0005 58 Matthias Hopf 8 Die Information stammt aus persönlicher Korrespondenz mit Dekan Lothar Vogel. Weitere Informationen zu diesem Studiengang „Laurea in Scienze Bibliche e Teologiche (LSBT)“ finden sich auf der italienischen Website der Facoltà unter http: / / facoltavalde se.org/ it/ Laurea+in+SBT. Dies bringt dort und brächte wohl auch in Deutschland aber eine stärkere Hinwendung zu mindestens hybrider Lehre mit sich - die nach Corona trotz manchen Potenzials inzwischen leider wieder in einer Nische gelandet ist. 9 Vgl. z. B. die Studiengänge zu christlicher bzw. religiöser Kulturgeschichte in Berlin (https: / / www.theologie.hu-berlin.de/ de/ studienangebot/ mrc), Erlangen (https: / / me instudium.fau.de/ studiengang/ kulturgeschichte-des-christentums-ba/ ) oder Heidel‐ berg (https: / / www.theologie.uni-heidelberg.de/ de/ studium/ studiengaenge/ christen tum-und-kultur) sowie den Studiengang Evangelische Theologie und Hermeneutik in Bonn (https: / / www.uni-bonn.de/ de/ studium/ studienangebot/ studiengaenge-a-z/ evangelische-theologie-und-hermeneutik-bakf). 10 Es wäre sicher reizvoll, diesen Fragen in einer fundierten quantitativen oder qualita‐ tiven Studie weiter nachzugehen. Mir ist derzeit keine entsprechende Untersuchung bekannt. Lediglich von einzelnen nicht repräsentativen Umfragen (z. B. innerkirchliche Aktionen dieser Art) habe ich verschiedentlich gehört. eingeschrieben, der im Grunde eine Bildung in religiöser Kompetenz im Allge‐ meinen als Ziel hat, als dies im Studiengang für das Pfarramt der Fall ist. 8 Dies ist umso bemerkenswerter angesichts des Umstands, dass diese Studierenden aus ganz unterschiedlichen Hintergründen kommen und sie ‚lediglich‘ das Interesse an biblischen Texten und theologischen Fragen vereint. Erste Schritte in dieser Hinsicht wurden mancherorts auch in Deutschland schon mit verschiedenen spezifischen Masterstudiengängen gemacht. 9 Ausbau‐ fähig scheint mir dieser Bereich in aller Regel jedoch nach wie vor zu sein - etwa auch hinsichtlich dessen, was in der Schweiz als „Certificate of Advanced Studies (CAS)“ firmiert, also Fortbildungszertifikaten, mit denen sich verschiedenste Personen in religionskulturellen Fragen zusätzliche Qualifikationen erwerben können. Mit anderen Worten: Die Grenzen zwischen universitärer Bildung und akademischer Fortbildung können bzw. sollten dementsprechend fließender werden. Schließlich dürfte Wissenschaftskommunikation aber nicht nur in dieser Verbreiterung des Studierendenpools wirksam sein, sondern auch mit Blick auf die ‚regulären‘ Studierenden: Schließlich besteht bei jeder interessierten Person, die ein Wissenschaftskommunikationsangebot wahrnimmt, immer die Möglichkeit, dass jene eben dieses Interesse an andere Menschen weitergibt - innerhalb der Familie, im Freundeskreis oder der Gemeinde. Wissenschafts‐ kommunikationsinteressierte können mithin als Multiplikatoren wirken. 10 DOI 10.24053/ VvAa-2023-0005 Die Spezifika einer theologisch-exegetischen Wissenschaftskommunikation 59 11 Vgl. beispielsweise die Thema-Hefte des bayerischen Sonntagsblatt, https: / / shop.sonnt agsblatt.de/ thema. 12 Vgl. etwa die Vorstellung von Welt und Umwelt der Bibel hier im Heft. 1.3 Die Sprachformen Ein letzter Punkt auf der grundsätzlichen Ebene benennt zunächst ein Problem: die starke Trennung im Sprachstil Forschungs-, Studien- und breitenwirksamer theologischer Literatur in der deutschsprachigen Forschung. Dies ist natür‐ lich kein allein für die Theologie spezifisches Problem. Gleichzeitig besteht aber gerade im Bereich der Exegese eine große Chance zur Lösung oder zumindest Linderung dieses Problems: Bekanntlich wird der Umgang mit der Wissenschaftssprache etwa im Bereich der US-amerikanischen Exegese anders gehandhabt. So sind dort die Grenzen zwischen diesen Literatur-‚Genres‘ deut‐ lich fließender. Dementsprechend ist dort selbst Forschungsliteratur prinzipiell viel leichter auch für ein breiteres Publikum zugänglich, was sich denn auch in den Auflagen- und Verkaufszahlen niederschlägt. Damit wird das Ziel der Wissenschaftskommunikation per se viel leichter erreicht, ohne dass damit zu große Einbußen in der exegetischen Qualität einhergehen. Natürlich hat die starke Hochsprachlichkeit im deutschen Bereich eine lange Tradition und bis zu einem gewissen Grad auch eine grundsätzliche Berechti‐ gung - nicht zuletzt in der Exegese aufgrund ihres Umgangs mit linguistischen Details in den Ursprachen. Dennoch denke ich, dass es hier Wege gäbe, die Trennlinien zwischen den Bereichen etwas weniger scharf zu ziehen. Insofern könnte eine verstärkte Nutzung von Wissenschaftskommunikation auch einen positiven Sekundäreffekt mit sich bringen, indem sich die Sprachformen des exegetischen Diskurses auf eine größere Zugänglichkeit hin transformieren. Diese liegt letztlich im Eigeninteresse der Exegese - ob hinsichtlich der Rezep‐ tion neuerer Forschungsergebnisse durch Pfarr- und schulische Lehrpersonen oder ob in einem Abbau von Klischees und Fehlinformationen in der breiteren Bevölkerung (z. B. das leider nach wie vor zu weit verbreitete Zerrbild vom Alten Testament mit seinem ‚Rachegott‘). 2 Formen der Wissenschaftskommunikation Wenn man nun auf die Wege blickt, welche eine theologische Wissenschafts‐ kommunikation einschlagen kann, ist, wie schon eingangs erwähnt, zunächst zu betonen: Es gibt hier vieles, was sich seit Langem bewährt hat - Ge‐ meindeabende, Kirchenzeitungen (oft auch mit Themenheften 11 ), spezifische breitenwirksame theologische Zeitschriften, 12 aber natürlich auch Predigten DOI 10.24053/ VvAa-2023-0005 60 Matthias Hopf 13 Gleichzeitig bin ich mir nicht sicher, ob dieser Reichtum an Formen immer wirklich gesehen bzw. wertgeschätzt wird. Wissenschaftskommunikation muss jetzt möglichst modern und reichweitenstark geschehen. 14 Das Projekt UR: BAN - Urban Religion: Bridging Ancient & New wird von Jan Rüggemeier (Bonn) und Benjamin Schließer (Bern) geleitet und sollte demnächst seine Früchte veröffentlichen. Vgl. in jedem Fall aber schon die Projektbeschreibung auf der Website der Universität Bonn, https: / / www.etf.uni-bonn.de/ de/ fakultaet/ neues-testament/ proj ekte. 15 Vgl. die Zusammenfassung der Taxonomiestufen bei Bloom u. a., Taxonomie, 217-223. in Universitätsgottesdiensten bzw. auf Einladung in anderen Gemeinden - um nur die nächstliegenden zu benennen. 13 Diese sind oft aber eher auf die ‚kirchliche Bubble‘ beschränkt. Umso wichtiger ist, dass inzwischen Blogs, soziale Medien und manch anderes hinzugekommen ist. Selbst große, durch Drittmittel geförderte Unternehmungen sind hier zu nennen, wie beispielsweise das vielversprechende Projekt UR: BAN, das in Bern und Bonn angesiedelt ist. 14 Da zumindest einige dieser Formate aber in anderen Beiträgen dieses Hefts dargestellt werden, soll es im Folgenden weniger um diese einzelnen Vermitt‐ lungswege gehen, sondern mehr um eine grundsätzlichere Frage, die mit einer zentralen didaktischen Grundsatzentscheidung zusammenhängt: nämlich ob in der Wissenschaftskommunikation ein eher unidirektionaler Weg beschritten wird oder ob auf diskursive Formen gesetzt wird. Dies scheint mir ein viel entscheidenderer Aspekt zu sein als die nachfolgende konkrete Umsetzung. 2.1 Diskursive Formate Ich beginne mit den diskursiven Formen. Dabei denke ich z. B. an Workshops etwa mit Lehrkräften oder Pfarrpersonen, aber auch an Kinderuniversitäten, z. T. auch an soziale Medien, bei denen ein Posting ja nicht selten längere Diskussionen ins Rollen bringt. Mein Eindruck ist, dass solche Formate ein gewisse Präferenz erfahren: Alles soll möglichst in den Diskurs führen - was unter didaktischen Gesichtspunkten in der Tat viel für sich hat. Meiner Ansicht nach müssen aber Vor- und Nachteile solcher Formate in den Blick genommen werden. Der größte Vorteil besteht sicherlich darin, dass bei interaktiven Veran‐ staltungen höhere Taxonomiestufen des Lernens erreicht werden können. 15 Dadurch wird Lernen nachhaltiger. Hinzu kommt, dass viel stärker auf die individuellen Vorkenntnisse, Fragen und Interessen der Zielgruppe eingegangen werden kann. Zudem ist es beispielsweise durch Online-Systeme wie Zoom, Teams, Big Blue Button o. ä. viel einfacher geworden, solche Formate anzu‐ DOI 10.24053/ VvAa-2023-0005 Die Spezifika einer theologisch-exegetischen Wissenschaftskommunikation 61 16 Dies spricht natürlich bis zu einem gewissen Grad gegen Gemeindeabende, wobei diese vielleicht auch eher in den Mittelbereich zwischen ‚diskursiv‘ und ‚unidirektional‘ fallen, weil die Grundlage hier meist ein Vortrag ist. 17 Man kann hier natürlich an die größeren Tageszeitungen denken, wie Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Rundschau, Neue Zürcher Zei‐ tung ebenso wie an Wochenzeitungen wie Die Zeit, Chrismon etc. bieten, da sie recht niederschwellig und ohne Anreise durchgeführt werden können. Nachteilig wirkt sich hier jedoch aus, dass wirklich diskursive Formate, in denen eine echte Diskussion unter großer Beteiligung der Teilnehmenden ent‐ steht, letztlich nur mit kleineren Gruppen sinnvoll möglich sind. Entsprechend sollte man bei der Zielgruppenwahl u. U. darauf achten, sich mit dieser Art Ver‐ anstaltung aus Gründen der ‚Ressourcenökonomie‘ auf high-impact-Gruppen zu konzentrieren, also Multiplikator: innen auf Fortbildungen o. ä. zu adres‐ sieren. 16 Auch Kinderuniversitäten wären m. E. unter solche high-impact-Veran‐ staltungen zu zählen, weil positive Erfahrungen hier langfristig wirken können und auch kurzfristig womöglich an einen großen Personenkreis weitererzählt werden. Ein weiterer Aspekt, der nicht zu unterschätzen ist, hängt mit einem Vorteil zusammen: Um sich auf die Interessenlage einzulassen, bedarf es einer höheren Vorbereitung, als man vielleicht geneigt ist, vorab anzunehmen. Weiterhin ist aufgrund des hohen Zeitbedarfs dieser Formate - der gedankliche Aufbau muss meist eher kleinschrittig sein - die Arbeit eher exemplarisch und ausschnitts‐ haft. Dies muss kein Nachteil sein, nur muss diese Einschränkung im Blick bleiben, um nicht an der Adressat: innenschaft vorbeizuwirken. Kurz: So hochwertig (echt) diskursive Formate sind, so passgenau sind sie m. E. auch einzusetzen, weil sie einer gründlichen Vorbereitung bedürfen und zeit- und personenintensiv sind. 2.2 Unidirektionale Formate Mit unidirektionaler Wissenschaftskommunikation beziehe ich mich insbeson‐ dere auf Vorträge vor verschiedenen Gruppen, Artikel in überregionalen Zei‐ tungen oder in breitenwirksamen Zeitschriften, 17 aber auch auf elektronische Formen wie Podcasts, Blogs, Vlogs etc. Einer der großen Vorteile solcher Formate ist, dass jene Formen, denen eine schriftliche Ausarbeitung voraus‐ geht, vergleichsweise leicht ‚bespielbar‘ sind. Vorträge/ Artikel zu schreiben ist eine Kernkompetenz des Forschens und die Genresicherheit ist mithin groß. Breitenwirksame Texte können zudem aufgrund der in der Regel bestehenden DOI 10.24053/ VvAa-2023-0005 62 Matthias Hopf 18 Vgl. dazu auch die Überlegungen bei Hölscher in seinem Beitrag in diesem Heft. 19 Gerade bei elektronischen Formen ist beispielsweise eine Empfehlung via Link schnell weitergegeben, was die ‚Mund-zu-Mund-Propaganda‘ deutlich erleichtert. 20 Vgl. dazu auch die Ausführungen bei Peter Wick hinsichtlich des Gemeindevortrags. Vertrautheit mit der Materie schnell geschrieben werden. Dies ist bei den genannten elektronischen Formen zwar so nicht oder nur begrenzt machbar, weil deren Charme oft von einer eher freien ad-hoc-Atmosphäre lebt. 18 Der Aufwand bewegt sich hier also dennoch in gut beherrschbaren Grenzen. Auch auf der Rezipierendenseite gibt es Vorteile: Letztlich sind alle diese Formate nämlich deutlich niedrigschwelliger rezipierbar - und damit im Grunde (zumindest potenziell) wesentlich breitenwirksamer. 19 Schließlich dürfte auch die Darstellung komplexerer Sachverhalte auf diesen Wegen grundsätzlich leichter vonstattengehen - was sowohl den (oft hohen) Ansprüchen der Autor: innen, den Inhalten und damit letztlich auch den Rezipierenden zugute‐ kommt. Mit diesen letzteren Aspekten verbinden sich jedoch auch Gefahren bzw. Nachteile: Zum einen besteht nämlich immer das Risiko, dass sich solche Formate leicht ‚versenden‘ - dass also die Nachhaltigkeit in der Wirkung geringer ist. Hinzu kommt, dass es in exegetischer Wissenschaftskommunikation oft um konkrete Texte geht. Insbesondere in den elektronischen Formaten (auditiv bzw. audiovisuell) liegen die den Rezipierenden aber vermutlich gerade nicht vor, was die Bezugnahme auf textliche Details schwierig macht. Dies ist in schriftlichen unidirektionalen (wie auch diskursiven) Formaten in der Regel leichter zu bewerkstelligen. Bei schriftlichen unidirektionalen (wie auch diskursiven) Formaten hingegen stellt dies von Haus aus ein geringeres Problem dar, auch wenn hier dennoch Fragen wie Textmenge, Präsentation etc. eine Rolle spielen. 20 Zum anderen kann bei den schriftlichen Darstellungen - gerade komplexerer Sachverhalte - leicht die Neigung zur Wissenschaftssprache durchschlagen. Wenn dann nicht - wie bei Welt und Umwelt der Bibel oder vergleichbaren Formaten - eine Redaktion darauf achtet, dass die Verständlichkeit gewähr‐ leistet ist, kann ein Wissenschaftskommunikationsprojekt schnell nach hinten losgehen. Auch dies ist aber kein Gegenargument, sondern einfach eine Untiefe, um die es herumzunavigieren gilt. Schließlich sei noch ein Grundproblem erwähnt, das gerade in der Theologie gerne stärker zum Tragen kommt: Insbesondere medienintensive Formate setzen ja ein gewisses technisches Know-How voraus. Entsprechend kann zu Beginn der Nutzung solcher Medien dann aufgrund mangelnder Kompetenz letztlich Frustration, Überforderung oder schlicht ein übermäßig großer Zeitauf‐ DOI 10.24053/ VvAa-2023-0005 Die Spezifika einer theologisch-exegetischen Wissenschaftskommunikation 63 wand bei der Umsetzung das eigentliche Ergebnis sein. Dies lässt sich aber u. U. durch einen einfachen Kniff umgehen, der eigentlich ohnehin zu den Grund‐ pfeilern einer guten Wissenschaftskommunikation gehören sollte: Im Idealfall ist Wissenschaftskommunikation nämlich Teamarbeit und es sollten möglichst viele Personen eines Lehrstuhls bzw. sogar mehrerer eingebunden werden - nicht zuletzt weil Nachwuchskräfte in diesen Dingen nicht nur geübter sind, sondern oft auch kreativer (zudem haben sie meist noch mehr Zeit). Nicht zu vergessen ist diesbezüglich, dass die meisten Universitäten inzwischen in aller Regel die verschiedensten Ressourcen bereitstellen, angefangen bei Software, über Hardware bis hin zu ganzen PR-Abteilungen mit Kamera-/ Media-Teams. All dies kann die Wissenschaftskommunikation erheblich vereinfachen. Abschließend sei zu diesem gesamten Bereich noch gesagt, dass diskursive und unidirektionale Formate nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen. Beide haben ihre Berechtigung, ihre Chancen und Grenzen. Wichtig ist daher, sich selbst vorab Rechenschaft zu geben, welches der Formate - bzw. vielleicht auch welche Mischform derselben - für welche inhaltlichen Ziele und welche Zielgruppe am besten geeignet ist. 3 Die ‚Schattenseiten‘ So wichtig Wissenschaftskommunikation für die Theologie ist, so sehr gibt es doch auch Risiken bei solchen Unternehmungen, da misslungene Wissen‐ schaftskommunikation sehr kontraproduktiv auf die öffentliche Wahrnehmung des Fachs zurückfallen kann. Ein Punkt in dieser Hinsicht ist eben schon angeklungen: Ein Grundproblem jeder Wissenschaft sind ja die Vermittlung der Komplexität ihrer Hypothesen mit der dazugehörigen Kleinteiligkeit sowie die Problematik, dass das Zielpublikum mit solchen Komplexitäten womöglich nicht vertraut ist. Dies darf aber nicht als Ausrede dienen, sich gar nicht erst der Herausforderung zu stellen. Vielmehr gilt es, sich der ‚Schattenseiten‘ bewusst zu sein und die Risiken durch gute Vorbereitung zu minimieren. Ein erster Punkt in dieser Hinsicht - und gleichzeitig Aufgabe jeder Wissen‐ schaftskommunikation - ist es, die Vorläufigkeit von Forschungsergebnissen zu erläutern. Dabei ist das Erläutern wörtlich zu nehmen: Die Vorläufigkeit muss auch selbst thematisiert werden, da ansonsten die Gefahr einer Frustration bei den Adressat: innen besteht. Die sich immer weiter entwickelnden und sich verändernden Verstehensbedingungen selbst zum Thema zu machen, kann aber eine große Chance mit sich bringen. Die größere Gefahr besteht nämlich darin, dass populistische Strömungen solche Relativismus-Motive verwenden, um jegliche Forschung ad absurdum zu führen. Entsprechend wichtig ist es, die DOI 10.24053/ VvAa-2023-0005 64 Matthias Hopf 21 Vgl. etwa schon Engelhardt (Hg.), Heimat, 350 u.-ö. 22 Vgl. nur die Mediatheken von ZDF, ARTE oder Welt. Vgl. zudem die Hinweise auf die Themen der Wissenschaftskommunikation bei Helga Kaiser. 23 Es ist nach wie vor eher eine Seltenheit, dass größere Drittmittelbeträge für Wis‐ senschaftskommunikations-Projekte ausgegeben werden. Vgl. aber das weiter oben erwähnte Projekt UR: BAN. Vorläufigkeit nicht mit ‚anything goes‘ gleichzusetzen und etwaige erkenntnis‐ theoretische Vorbehalte auch nicht zu stark zu machen, sondern zu zeigen: Forschung ist immer Forschung auf der Höhe unserer Zeit - auch und gerade in der Theologie. Ein zweites Risiko hat damit zu tun, dass nicht selten existenzielle spirituelle Fragen von theologischen Themen der Wissenschaftskommunikation berührt sind. Hier können durch Missverständnisse ungewollt Verletzungen entstehen, oder aber Rückzugsbewegungen verursacht werden (wie sie beispielsweise auch Peter Wick skizziert). Solche Schwierigkeiten sind sicherlich in diskursiven Formaten leichter zu adressieren. Es bedarf aber auch einer gewissen Sensibilität für diesen Problemkomplex in unidirektionalen Formen der Wissenschaftskom‐ munikation. Eine dritte Schwierigkeit - könnte man meinen - hängt mit dem gene‐ rellen Relevanzverlust von Kirche und damit auch von christlicher Theologie zusammen. Tatsächlich zeigen aber nicht nur die Kirchenmitgliedschaftsunter‐ suchungen seit Langem, dass sich Religiosität Wege jenseits von Kirche sucht. 21 Entsprechend sind biblische Themen (bzw. religiöse insgesamt) durchaus nach wie vor von Interesse, wie nur ein kurzer Blick in verschiedene Mediatheken zeigt. 22 Durch selbstbewusste und idealerweise auch ökumenische Initiativen dürfte hier viel erreichbar sein, nicht zuletzt jenseits kirchennaher Kreise. Ein letzter - und oft entscheidender - Punkt besteht aber darin, dass für Wissenschaftskommunikation in aller Regel die Zeit und die Arbeitskapazitäten fehlen. Dieses Problem betrifft natürlich prinzipiell alle Fächer gleichermaßen. Gleichwohl sind die Schwierigkeiten für den Bereich der Theologie insofern ungleich größer, als derzeit auf den theologischen Fakultäten, Instituten etc. ein erheblicher Spardruck lastet. Dennoch ist mit diesem Punkt v. a. eine Frage des grundsätzlichen Stellenwerts im akademischen Betrieb benannt. Entsprechende Forderungen nach Wissenschaftskommunikation von Seiten der Universitäten erfolgen demgemäß meist additiv zu bestehender Arbeitsleistung. Gleichzeitig zählen für die einschlägigen ‚Leistungsmarker‘ wie Forschungsbzw. Wissenschaftsbericht Aktivitäten der Wissenschaftskommunikation wohl doch weniger als Forschungsoutput oder Drittmittel. 23 Dies ist ein grundsätzli‐ ches Problem, das insbesondere in der Kommunkation mit Universitätsleitungen DOI 10.24053/ VvAa-2023-0005 Die Spezifika einer theologisch-exegetischen Wissenschaftskommunikation 65 24 Vgl. dazu nochmals die Hinweise zur Nachrichtenwert-Theorie bei Helga Kaiser. 25 Vgl. etwa den Sammelband Hensel/ Wetz (Hg.), Migration, aber auch die SBL-Section zu Exile (Forced Migrations) in Biblical Literature. 26 Vgl. exemplarisch Keller, Experte, oder Bangert, Wissen; jeweils insbesondere im Rekurs auf Maier, Glück. 27 Solche breitenwirksame Aufmerksamkeit kann natürlich nicht alleine Ausgangspunkt für exegetische Forschung sein. Aber als Inspirationsquelle für Anfangsuntersu‐ chungen kann sie allemal dienen. immer wieder zu benennen ist. Wissenschaftskommunikation ist wichtig - und dies sollte sich auch in finanzieller und personeller Ausstattung nieder‐ schlagen. Gleichzeitig ist es in der gegenwärtigen Situation umso wichtiger, dass zumindest ein kleiner Teil der Kapazitäten in Projekte der Wissenschaftskom‐ munikation fließt, sodass Theologie als Ganzes in der Summe wenigstens eine gewisse Aufmerksamkeit erhält. 4 Das inhärente Potenzial Abschließend müssen unbedingt auch die ‚Pfunde‘ benannt werden, mit denen eine exegetische Wissenschaftskommunikation ‚wuchern‘ kann, um es bewusst biblisch auszudrücken. Tatsächlich besitzen nämlich gerade die biblischen Fächer ein großes Potenzial für verschiedene Umsetzungen von Wissenschafts‐ kommunikations-Projekten. Dies beginnt bereits bei den biblischen Figuren bzw. Personen, die oft per se faszinierend sind. Der Mensch Jesus ist regelmäßig Thema vielfältiger Medien. Ähnliches gilt für Mose und - mit gewissen Abstrichen - vielleicht auch für prominente israelitische Könige wie David oder Salomo sowie Petrus und Paulus. Die Geschichten über diese ‚Stars‘ der Bibel üben in jedem Fall eine große Faszination auch auf heutige Menschen aus. 24 Daran kann angeknüpft werden. Tatsächlich würde eine ordentlich recherchierte Wis‐ senschaftskommunikation auf der Höhe der gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisse oft sogar gut tun im Vergleich zu dem, was in Spiegel oder anderen Outlets gesagt/ geschrieben wird. Neben den Figuren sind es aber auch viele biblische Themen, die äußerst anschlussfähig und relevant für die Gegenwart sind. Diese mögen nicht immer unbedingt kongruent sein mit den von der Exegese selbst erwählten Themen. Gleichzeitig besteht hier u. U. aber sogar die Möglichkeit, sich zu neuen Perspek‐ tiven oder Fragestellungen inspirieren zu lassen. Themen wie ‚Migration‘ 25 oder auch ‚Glück‘ 26 sind dabei nur zwei Beispiele, bei denen allgemeines Interesse und spezifische Forschung Hand in Hand gehen. 27 In solchen Glücksfällen wird Forschung im besten Sinn zum Spiegel der Gesellschaft. DOI 10.24053/ VvAa-2023-0005 66 Matthias Hopf Schließlich eignet der Bibel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung von Haus aus gerne eine gewisse ‚mysteriöse Aura‘. Ich würde dabei sogar eine grund‐ legende Verwandtschaft zwischen den Forschungsanliegen der exegetischen Fächer und dem Wissenschaftskommunikationsansatz der „Wahrheit über…“ so mancher populärer Darstellungen erkennen wollen. Letzterer kommt natürlich in aller Regel zu reißerisch daher und muss für eine seriöse Wissenschaftskom‐ munikation adaptiert werden. Aber die Ähnlichkeit zwischen einem ‚den Texten auf den Grund gehen‘ und dem Reiz der Neugier auf Religiös-Mysteriöses ist prinzipiell vorhanden; und darauf kann aufgebaut werden - leichter als in so manch anderem Fach. Ein letzter Pluspunkt exegetischer Wissenschaftskommunikation schließlich ist, dass weite Teile des Alten und Neuen Testaments letztlich schon eine ‚Vor‐ aussetzung‘ erfüllen, die gerne im Bereich der Wissenschaftskommunikation betont wird: die narrative Präsentation der Texte. Natürlich besteht dann die Herausforderung, für die Besprechung dieser narrativen Texte nicht zu sehr in den argumentierenden Stil der Wissenschaftssprache zu verfallen, wie weiter oben schon ausgeführt wurde. Gerade in dieser Hinsicht kann es aber sein, dass letztlich sogar die reguläre Lehre (und womöglich sogar die Forschung) von solchen Wissenschaftskommunikations-Projekten profitiert - ob in Form der draus entstehenden Materialien, Darstellungskonzepte oder des erneuten, noch basaler angelegten Durchdenkens der Forschung. 5 Ein kurzes Fazit Leider erfährt das Thema Wissenschaftskommunikation in der Theologie nach wie vor nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit - auch aus vielfältiger Res‐ sourcenknappheit. Gleichzeitig werden entsprechende Unternehmungen von verschiedenen Seiten (Universitätsleitungen, Drittmitellgeber, Politik) immer stärker eingefordert. Um in diesem Hiatus zu bestehen, bedarf es verschiedener Strategien: Zunächst ist herauszustellen, dass Wissenschaftskommunikation be‐ reits jetzt weit verbreitet ist, da bewährte und etablierte Formen oft nicht genug gesehen werden. Gleichzeitig sollten neue Wege erschlossen werden. Gerade aufgrund der Begrenztheit der Resourcen bedarf Wissenschaftskommunikation aber genauer Planungen und eines zielgerichteten Einsatzes. Entsprechend müssen Formate, Medien und Adressierungen wohl bedacht sein. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Unterscheidung zwischen diskursiven und unidirektionalen Formaten. Beide haben ihre Berechtigung und Wirkung, gleichzeitig aber auch Nachteile und Grenzen, sind also zielgenau einzusetzen, um theologisch-exege‐ tische Themen einer breiteren Bevölkerung näherzubringen. Denn auch wenn DOI 10.24053/ VvAa-2023-0005 Die Spezifika einer theologisch-exegetischen Wissenschaftskommunikation 67 es ‚Schattenseiten‘ und ‚Untiefen‘ in einer theologischen Wissenschaftskommu‐ nikation geben mag, überwiegen insgesamt die Chancen und das Potenzial - gerade im biblisch-exegetischen Bereich. Literatur Bangerter, Annika: „Dieses uralte Wissen steht in der Bibel“. Theologe erklärt, warum das Buch der Bücher auch ein Ratgeber zum Glück ist, in: Tagblatt 24.12.2021, leicht überarbeitet online abrufbar unter: www.tagblatt.ch/ leben/ weihnachtsinterview-dieses -uralte-wissen-steht-in-der-bibel-theologe-erklaert-warum-das-buch-der-buecher-auch -ein-ratgeber-zum-glueck-ist-ld.2231492. Letzter Zugriff: 14.07.2024. Bloom, Benjamin S. u.-a.: Taxonomie von Lernzielen im kognitiven Bereich (Beltz-Stu‐ dienbuch 35), Weinheim 5 1976. 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