eJournals Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa) 8/1

Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an (VvAa)
vvaa
2366-0597
2941-0789
Francke Verlag Tübingen
10.24053/VvAa-2023-0009
1125
2024
81 Fischer Heilmann Wagner Köhlmoos

Sommers Weltliteratur: Bibel to go

1125
2024
Helge F. Bezoldhttps://orcid.org/0000-0002-4100-998X
Matthias Hopfhttps://orcid.org/0000-0002-9183-7740
vvaa810099
Sommers Weltliteratur: Die Bibel to go Eine exegetisch-hochschuldidaktische Reflexion Helge Bezold (orcid.org/ 0000-0002-4100-998X)/ Matthias Hopf (orcid.org/ 0000-0002-9183-7740) 1 Ein kurzer Überblick Auf seinem Youtube-Kanal Sommers Weltliteratur to go erzählt Dramaturg und Literaturwissenschaftler Michael Sommer seit 2013 Werke der Weltliteratur in Form von Playmobil-Figurentheaterstücken nach. Der konsequente Einsatz für kurzweilige und unterhaltsame Inszenierungen zahlt sich aus: Knapp 35 Mil‐ lionen Aufrufe haben die Videos in Summe, mehr als 150.000 Abonnent: innen folgen dem Kanal. Der Einfluss der Nacherzählungen von Sommer auf die literarische Bildung kann somit kaum überschätzt werden. Seit 2020 existiert eine eigene Reihe Die Bibel to go, die sich in 66 Videos der Bücher des protestantischen Bibelkanons annimmt. Das längste Video zur Genesis dauert 13: 40 Minuten, das kürzeste zum 3. Johannesbrief 1: 55, was letztlich auch den Bekanntheitsgrad der Bücher widerspiegeln dürfte. Die Gesamtspielzeit umfasst ca. acht Stunden. Im Vergleich: Große Hörbibeln, in denen der gesamte Bibeltext vorgelesen wird, laufen über 80 Stunden. Die selbstständige Lektüre im Rahmen von Bibelleseplänen oder im Kontext von universitären Bibelkundeveranstaltungen dauert entsprechend länger. Die Kürze der Nacherzählungen ist Programm und Grund für den Erfolg: Die biblischen Texte werden stark verdichtet und auf bekannte Hauptfiguren und Erzählstränge reduziert. Zuschauende erhalten kompakte Zusammenfassungen bzw. besser: für heutige Lesende anschlussfähige und unterhaltsame Nacherzäh‐ lungen, die - so auch der von Michael Sommer selbst formulierte Warnhinweis unter jedem Video - die eigene Lektüre der Bücher nicht ersetzen können oder sollen. Der hier skizzierte Blick auf Die Bibel to go möchte deshalb nicht diskutieren, inwiefern Youtube-Videos die eigene Lektüre und Beschäftigung mit biblischen Texten im universitären Kontext ‚ersetzen‘ können - das können DOI 10.24053/ VvAa-2023-0009 sie nicht. Vielmehr möchten wir eine kritische Reflexion über den Umgang mit den Filmen im hochschuldidaktischen Kontext bieten. 2 Beobachtungen zu Umsetzung und Stil 2.1 Die Darstellung Gottes in den Filmen Eine interessante Grundentscheidung Sommers sei dieser Reflexion vorange‐ stellt: Wie alle anderen Personen von Abraham bis Jesus wird Gott von einer menschlichen Playmobil-Figur gespielt. Obwohl Sommer diese durch eine nonbinäre Geschlechtsidentität - in der Anrede wechselt Sommer rege‐ mäßig zwischen „sie“ und „er“ - und als besonders ‚bunte‘ Figur (verschiedene Hautfarben, Tattoos, blaue Haare, Hippie-Kleidung) von anderen Charakteren abhebt, steht Gott in seinen Interaktionen stets neben den anderen Personen und interagiert mit diesen auf Augenhöhe. Diese Entscheidung erleichtert sicherlich eine moderne Inszenierung und sie mag für Teile der alttestamentlichen Gottes‐ darstellung passen, die für die Mehrheit der Texte elementare Überzeugung der göttlichen Transzendenz geht dadurch allerdings verloren - trotz der Tatsache, dass die Figur Gottes in den Videos manchmal ein Schild mit der Aufschrift „unsichtbar“ trägt. Dazu kommt zum einen, dass göttliches Reden oft kindlich und flapsig an‐ mutet, und Gebote oder Kultanweisungen durch Sommers ironische Stimmlage als absurd oder lächerlich erscheinen können. Die vollzogenen Opfer sind oft ‚lustig‘ und werden mal eben ‚veranstaltet.‘ Die Einsetzung der Beschneidung geschieht à la ‚schnipp-schnapp.‘ Zum anderen ist auffällig, dass die Figur Gottes in dieser Weise beinahe ausschließlich in Videos zum Alten Testament auf der Bühne präsent ist - der Anfang des Hebräerbriefes und das Ende der Offenbarung sind die Ausnahme. So sehr sich diese Differenz aufgrund unterschiedlicher Erzähltechniken im Alten und Neuen Testament bzw. aus religionsgeschichtlichen Entwicklungen nahelegt, bleibt doch der Eindruck, die neutestamentlichen Autoren hätten das allzu menschliche, alttestamentliche Gottesbild abgelegt. 2.2 Der Umgang mit den Texten insgesamt Die Inszenierung der wesentlichen Handlung der biblischen Bücher gelingt Sommer insgesamt ausgesprochen gut und auf unterhaltsame Art und Weise. Schnelle Szenen- und Figurenwechsel, reduzierte Bühnenbilder und humorvolle Erzählerkommentare machen es Menschen ohne fundierte Bibelkenntnis mög‐ lich, die Hauptfiguren und Kernelemente biblischer Bücher kennenzulernen. DOI 10.24053/ VvAa-2023-0009 100 Helge Bezold / Matthias Hopf Wenngleich zwangsläufig klassische Spannungen wie z. B. die der beiden Schöpfungstexte (Gen 1-3) oder in der Fluterzählung (Gen 6-9) übergangen werden (Gott zu Noah: „Packste n’Paar von allen Tieren rein“), erweist sich Sommer als guter Leser und gewitzter Erzähler, der auf kleinstem Raum große Erzählbögen spannt und ein Gespür für rezeptionsgeschichtlich ‚wichtige‘ Texte und Themen hat. Bisweilen kommt sogar klassisches Einleitungswissen oder Übersetzungsfragen zur Sprache, z. B. wenn Sommer betont, dass in der Paradieserzählung gar nicht von einem Apfel und im Buch Jona nicht von einem Wal die Rede ist. Für heutige Lesende ‚schwierige‘ Texte spricht Sommer an und versieht sie bisweilen mit kritischen Anmerkungen. So lässt er Gott zum Thema Homose‐ xualität im Buch Levitikus ergänzen, dass man über diese Regel ja im 21. Jahr‐ hundert noch einmal reden könne. Besonders anstößige Szenen (wie z. B. die Vergewaltigungen in Sodom und Gomorra, die Erzählung von Juda und Tamar oder von Lot und seinen Töchtern) stellt Sommer in den regulären Videos nicht dar, sondern er weist sie als Stoff der eigens produzierten ‚Erwachsenenversion‘ aus. Dieses eigene Video („Genesis-Clips für Erwachsene to go“) beschließt Sommer mit einem Kommentar, der erklärt, dass viele moralische Vorstellungen alt- und neutestamentlicher (! ) Texte „mit unserem heutigen Wertesystem nicht vereinbar“ sind und wir uns heute kritisch fragen müssen, „was wir uns da zum Vorbild nehmen wollen, und was nicht“. 2.3 Elemente alttestamentlicher Exegese in den Texten In erfrischender und aus exegetischer Sicht erfreulich nuancierter Art und Weise versteht es Sommer, auch Texte vorzustellen, deren Gattungen deutlich jenseits der Erzählung liegen. Das Video zum Psalter schafft es z. B. mithilfe von Vergleichen zu moderner Popmusik, für die Genretypik der biblischen Poesie zu sensibilisieren. Mit Zitaten aus unterschiedlichen Psalmen führt er in Unterschiede zwischen Lob- und Klageliedern ein, diskutiert theologische und anthropologische Fragen des Psalters und deutet an, dass die Verfasserfrage der Psalmen nicht eindeutig zu klären ist. In die jesajanische Prophetie leitet Sommer mit einem Verweis auf die historische Entwicklung um die assyrischen und babylonischen Eroberungen von Israel und Juda ein; er verweist auf die Entstehungsgeschichte des Buches („Ich bin drei Propheten“), singt (mit Gitarrenmusik hinterlegt) das Weinberglied und umschreibt theologische Kern‐ gedanken („Wölfe und Schafe machen ’ne WG auf “). Das Video zu Hiob beginnt Sommer mit einer Klassenzimmerszene zur Erklärung des Begriffs ‚Theodizee,‘ bevor die Handlung des Buches nacherzählt wird. Nuanciert gelingt es Sommer, DOI 10.24053/ VvAa-2023-0009 Sommers Weltliteratur: Die Bibel to go 101 in knapp 5 Minuten die Positionen der Freunde Hiobs herauszuarbeiten. Am Schluss wagt sich Sommer an einer Interpretation im Munde der Figur Gottes („Ich lasse viel Freiheit zu in meiner Schöpfung“), die zumindest zur weiteren Diskussion einlädt. 2.4 Das Neue Testament in den Filmen Den Einstieg in das Neue Testament macht ein schwarz-weiß-Video im Stil eines Gangsterfilms zum Matthäusevangelium. Jesus ist der kapitalismuskritische „J“ (bzw. „Jay“), der seiner Jünger: innen dazu auffordert zu „Extremisten des Guten“ zu werden. Das Video zum Markusevangelium („Dem Brühwürfel unter den Evangelien“) präsentiert Jesus als coolen Wundertäter in Basketballkleidung, bei Lukas ist er ein umhangtragender Weisheitslehrer und Heiler, bei Johannes („Johnny“) hat Jesus „Beef “ mit den Pharisäern und trinkt am Kreuz Essig, „was wahrscheinlich voll eklig ist.“ Leider wirken die Inszenierungen der Evangelien ziemlich gekünstelt. Insofern sie die vielen Szenen aus dem Leben Jesu knapp anreißen und Jesus/ Jay gewollt ‚cool‘ darstellen, bleiben die individuellen Profile der Einzeldarstellungen blass und es fehlt an Tiefe. Gewichtige Szenen wie die Kreuzigungen und Auferstehungsberichte erscheinen als beinahe beiläufige Anhänge. Hier bliebe besonders Potential in der Lehre, insofern die mediale Aufbereitung der Evangelien einiger kritischer Reflexion bedarf (vgl. weiter unten). Mehr überzeugen können die Videos zur Briefliteratur. Paulus erhält eine biographische Einleitung und die Briefe werden (z. B. im Falle des Galaterbriefes) in ihre historische Reihenfolge gebracht sowie in ihren Abfassungskontexten verortet. Auch schwierige theologische Denkformen bringt Sommer gut auf den Punkt, wenngleich hier wieder der umgangssprachliche Duktus und die Comicsprache u. E. eher Distanz als Nähe schafft („Wir können den ganzen Sün‐ denscheiß hinter uns lassen“ zu Röm 7). Die paulinische Haltung zu Israel nach Röm 9-11 kommt bei Sommer insofern überzeugend zur Sprache, als er Paulus in der ersten Person Plural als Mitglied des jüdischen Volkes sprechen lässt. Auch die für viele heutige Bibellesende vermutlich eher sperrigen Vorstellungen des Hebräerbriefes kann Sommer in seiner Darstellung einprägsam vermitteln, u. a. indem er die Verweise auf das Alte Testament mit ‚bekannten‘ Figuren aus den alttestamentlichen Videos gestaltet. DOI 10.24053/ VvAa-2023-0009 102 Helge Bezold / Matthias Hopf 1 Vgl. zu diesem Aspekt insbesondere auch Gerstenmaier/ Mandl, Wissenserwerb, worin eine Lanze für eine vielgestaltige Lehre gebrochen wird, die möglichst viele Anknüp‐ fungspunkte für individuelle (Lern-)Erfahrungen bietet. Gleichzeitig darf aber nicht übersehen werden, dass hier auch die Gefahr einer unbewussten Übernahme der filmischen Interpretation außerordentlich groß ist. 3 Erwägungen zum didaktisch sinnvollen Einsatz Die entscheidende Frage ist nun natürlich, wie diese überwiegend gelungenen Filme in hochschuldidaktischen Kontexten sinnvoll eingesetzt werden können. Zur Beantwortung dessen sollen zunächst einige Grundsätze benannt werden, auf welche dann Überlegungen zur Verwendung in unterschiedlichen Veran‐ staltungstypen folgen. 3.1 Grundsätze 1. So gelungen die Filme sein mögen, so wenig können sie die Auseinander‐ setzung mit den biblischen Primärtexten ersetzen, wie Michael Sommer selbst betont. Gleichzeitig aber bieten diese medialen Aufbereitungen viele Chancen zur intensiven und reflektierten Beschäftigung mit selbigen Texten. 2. Grundsätzlich ist eine Sensibilität für die Differenz zwischen Text und medialer Interpretation anzumahnen: Filme reproduzieren nicht einfach Texte, sie interpretieren sie. Insofern muss diese Sensibilität Ausgangs- und Zielpunkt jeden Einsatzes dieser und ähnlicher Medien sein. Aus‐ gangspunkt ist sie dabei insofern, als die Sensibilität das hermeneutische Fundament für den Einsatz bildet; und Zielpunkt deswegen, weil so bei Studierenden das Bewusstsein für diese Differenzen geschärft werden kann. Davon können sie auch in der späteren Berufspraxis profitieren, da Bibelrezeption ein wichtiges Betätigungsfeld darstellt. 3. Ein nicht zu unterschätzender Nebeneffekt kann jedoch sein, dass die biblischen Texte und v. a. ihre Inhalte durch die audiovisuelle Ansteuerung verschiedener Rezeptionskanäle wahrscheinlich nachhaltiger wirkt, als dies eine rein lesende Rezeption bewirken kann. 1 Ähnliches gilt für die sehr ‚modern‘ gestalteten Sprachformen der Filme, die aber - wie schon ange‐ deutet - bei den Rezipierenden womöglich auch Befremdung hervorrufen kann. 4. Angesichts dieser Aspekte sollte ein Einsatz der Filme immer wohl durch‐ dacht und gut geplant sein - und nicht nur ein ‚Gimmick‘. Vielmehr sollte nach einer vorlaufenden Rezeption behutsam abgewogen werden, wie DOI 10.24053/ VvAa-2023-0009 Sommers Weltliteratur: Die Bibel to go 103 2 Vgl. beispielsweise Utzschneider/ Nitsche, Arbeitsbuch, 334 f. und 340. genau sich die filmischen Präsentationen zu den didaktischen Zielen der Veranstaltung fügen. Dies hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die Filme primär unterhalten wollen, was in einem gewissen und eigentüm‐ lichen Kontrast zur existenziellen Tiefe der biblischen Texte steht bzw. zumindest stehen kann. 3.2 Verwendung innerhalb eines Vorlesungskontextes Im Kontext von eher monologisch ausgerichteten Veranstaltungen wie Vor‐ lesungen dürfte insbesondere der erwähnte durchaus vorhandene und ggf. auch gewinnbringend einzusetzende Unterhaltungswert der Filme zum Tragen kommen. Eine Vorführung kann zwar referierend durch die dozierende Person kommentiert werden. Gleichzeitig dürfte dies im Lerneffekt bei den Studie‐ renden nicht die gleiche Tiefe erreichen, die eine stärker eigenständige Ausein‐ andersetzung mit Film und Text haben kann. Entsprechend kann hier die Gefahr entstehen, dass das Medium durch seine eindrücklichere Prägnanz eine etwaige vorlaufende oder nachfolgende Kommentierung überlagert oder gar verdrängt. Insofern wären wir gegenüber einer Verwendung in solchen Kontexten eher zurückhaltend. 3.3 Verwendung in Seminar-Kontexten Ganz anders stellt sich dies u. E. in Veranstaltungen dar, die einen semina‐ ristischen Charakter haben. Hier bieten sich in verschiedener Weise große Chancen für den Einsatz der Filme. Die nächstliegenden sind dabei vermut‐ lich: exegetische Proseminare und zwar insbesondere dann, wenn dezidiert die Rezeptionsgeschichte thematisiert wird. 2 Aspekte wie Ähnlichkeiten bzw. Differenzen in Erzählperspektive und -weise können dabei ebenso thematisiert werden wie die inhaltliche Auswahl bzw. die theologischen Deutungen und Schwerpunktsetzungen. Auch ein Vergleich mit modernen Bibelübersetzungen in einfachem bzw. Jugend-Deutsch könnte produktiv in Veranstaltungen einge‐ setzt werden. Ähnliches gilt natürlich neben Proseminaren für andere seminaristische Veranstaltungen wie Hauptseminare oder Übungen, in welchen auf entspre‐ chende Aspekte fokussiert wird. Dies kann beispielsweise in interdisziplinären Veranstaltungen der Fall sein. Gemeinsam mit der Religionspädagogik, der übrigen Praktischen Theologie oder anderen Fächern (womöglich sogar jenseits DOI 10.24053/ VvAa-2023-0009 104 Helge Bezold / Matthias Hopf 3 Ob man dies alleine auf die Besprechung bezieht oder auch auf die Rezeption der Filme, hängt letztlich von der Infrastruktur an. Ein gleichzeitiges Abspielen mehrere Filme, könnte sich schwierig darstellen je nach Raum- und Gruppensituation. Der Vorteil läge natürlich darin, dass dann arbeitsteilig mehrere Filme bearbeitet werden können. der theologischen Disziplinen) kann der Blick auf filmische (und andere) Interpretationen der Bibel gerichtet werden - hier bietet sich der Youtube-Kanal in besonderer Weise an. Dies gilt nicht zuletzt deswegen, weil dieser und ähnliche Kanäle unter Umständen auch für eine spätere Berufspraxis in Schule und/ oder Gemeinde von Interesse sein können. Gerade für solche Fälle ist eine vorlaufende Reflexion derselben bereits im Studium umso wichtiger und hilfreicher. In solchen Kontexten bietet sich zudem ggf. eine Auslagerung der Arbeit vom Plenum in Paarbzw. Gruppenarbeiten an. 3 In solchen Arbeitseinheiten dürfte die eigene Auseinandersetzung der Studierenden mit dem interpretierenden Medium Film noch stärker und nachhaltiger ausfallen. Allerdings empfiehlt es sich dann, klare Arbeitsanweisungen in diese Gruppenarbeiten zu geben, um den dortigen Diskussionen die nötige Tiefe und Reflexionsstufe zu geben. Etwas weniger umfangreich, aber nicht weniger gewinnbringend kann der Einsatz der Filme zum Einstieg in ein Seminar insgesamt bzw. in einen bestimmten Textund/ oder Themenbereich sein. Hier dürften die Filme moti‐ vierend wirken und Interesse wecken. Gleichzeitig bietet sich dann natürlich auch an, die Filme am Ende des Seminars bzw. des Themenbereichs noch einmal aufzugreifen, um nach der intensiven gemeinsamen Arbeit nochmals neu auf die Interpretation zu blicken und zu prüfen, was sich ggf. in der Beurteilung verändert hat. Eine weitere Möglichkeit in dieser Hinsicht ist natürlich die Bibelkunde, wobei es Gründe hat, warum wir diese nicht zu Beginn benannt haben. Für diese Veranstaltungen dürfte der Aspekt der nachhaltigeren Einprägung der Inhalte durch die Filme sicher am interessantesten sein. Gerade hier besteht jedoch die Gefahr, Filme und Texte zu sehr gleichzusetzen und zu übersehen, dass eine Diskrepanz zwischen Text und Interpretation liegt - auch weil der Einsatz im Veranstaltungskontext ‚Bibelkunde‘ diese Gleichsetzung suggerieren könnte. Insofern ist insbesondere in dieser Art Veranstaltungen dezidiert eine kritische und reflektierte Auseinandersetzung mit den Interpretationen vonnöten. Dann jedoch stellt sich die Frage, ob in den ohnehin immer sehr gedrängten Veran‐ staltungen Zeitaufwand und Ertrag noch in einem sinnvollen Verhältnis stehen - was nahezu in jedem Veranstaltungstyp ein Grundproblem beim Einsatz von audiovisuellen Mitteln darstellt. DOI 10.24053/ VvAa-2023-0009 Sommers Weltliteratur: Die Bibel to go 105 4 Vgl. dazu schon Heilmann, E-Learning. 5 Vgl. nicht zuletzt die Beiträge von Michael Hölscher und Daniel Schmitz in diesem Heft. Weitet man aber den Blick ein wenig jenseits des Standardspektrums von Veranstaltungen, finden sich noch verschiedene weitere Einsatzmöglichkeiten. Gerade im Kontext der breitenwirksamen Wissenschaftskommunikation sind vielfältige Formen der Verwendung vorstellbar: als Anschauungsbeispiel in der Erwachsenenbildung für die schon mehrfach betonte Sensibilisierung für die Differenz von Text und Interpretation; aber auch in biblischen Angeboten für Kinderuniversitäten liegt ein Einsatz sehr nahe. Viele weitere Ideen ließen sich hier anführen. Es sei aber noch auf einen anderen Aspekt hingewiesen: Neben der reinen Sachebene kann bisweilen auch die Beziehungsebene für Veranstaltungen eine Rolle spielen. In vielen Fakultäten und Instituten existieren beispielsweise Tra‐ ditionen wie die ‚Faschingsvorlesung‘, die ‚Nikolausvorlesung‘ oder dergleichen mehr. Gerade in diesen Kontexten können solche filmische Umsetzungen zur Auflockerung bestens eingesetzt werden - und dabei ggf. in leicht ironischer Brechung sogar mit dem didaktischen Impetus hinsichtlich der Sensibilität verbunden werden, sodass eine vermeintliche ‚Ulkveranstaltung‘ doch zu mehr wird als nur Jux und Dollerei. 3.4 Verwendung im Selbststudium Ganz ähnlich wie im seminaristischen Kontext kann auch für die Einzel- oder Gruppenarbeit zwischen den Seminarsitzungen verfahren werden. Hier bieten sich ebenfalls große Chancen, nicht zuletzt weil so der Faktor Zeit weniger ins Gewicht fällt. Doch sollte in solchen Fällen vielleicht sogar noch größere Sorgfalt auf eine gut formulierte Arbeitsanweisung verwendet werden. Im Idealfall könnten dann jedoch sogar einzelne Detailbeobachtungsaufträge mit‐ gegeben werden. Ein zusätzlicher Vorteil könnte sein, dass daraus resultierende Ergebnisse in schriftlicher Form als Leistungsnachweis für die administrative Seite der Veranstaltung gewertet werden können. Wichtig erscheint uns nur, dass sich der Einsatz nicht auf diese Heimarbeit beschränkt, sondern in ein reflektierendes Plenumsgespräch mündet. Denkbar wäre dabei auch, diese Arbeit noch mit anderen IT-basierten Elementen zu kombinieren - etwa dass ein kommentierend-reflektierendes Wiki zu den Filmen entsteht 4 oder evtl. sogar eine Überführung in eine Art Kommentar-Podcast zu den Filmen. 5 DOI 10.24053/ VvAa-2023-0009 106 Helge Bezold / Matthias Hopf 4 Zusammenfassung Trotz kritischer Untertöne sollte deutlich geworden sein, dass wir den You‐ tube-Kanal von Michael Sommer als eine Bereicherung für die anschlussfähige Vermittlung biblischer Texte im Allgemeinen und für die exegetische Hoch‐ schullehre ansehen. Nur muss der Einsatz reflektiert und abgewogen erfolgen und dabei immer der Prämisse folgen, dass sämtliche dieser Medien immer Interpretation der biblischen Texte darstellen. Literatur Gerstenmaier, Jochen/ Mandl, Heinz: Wissenserwerb unter konstruktivistischer Perspek‐ tive, Zeitschrift für Pädagogik 41 (1995,6), 867-888, doi.org/ 10.25656/ 01: 10534. Heilmann, Jan: E-Learning und forschendes Lernen mit Wikis in der Lehre der Bibelwis‐ senschaften. Ein Weg zur Entwicklung guter Bibelauslegung im Studium? , Forum Exegese und Hochschuldidaktik: Verstehen von Anfang an 1 (2016/ 1), 77-100. Utzschneider, Helmut/ Nitsche, Stefan Ark: Arbeitsbuch literaturwissenschaftliche Bibel‐ auslegung. Eine Methodenlehre zur Exegese des Alten Testaments, Gütersloh 4 2014. DOI 10.24053/ VvAa-2023-0009 Sommers Weltliteratur: Die Bibel to go 107