ZNT – Zeitschrift für Neues Testament
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1435-2249
2941-0924
Francke Verlag Tübingen
10.24053/ZNT-2023-0010
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2023
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Dronsch Strecker VogelPostkoloniale Bibelhermeneutik und Exegese
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Werner Kahl
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1 Musa W. Dube, Reading for Decolonization ( John 4: 1-42), in: Laura E. Donaldson (Hg.), Postcolonialism and Scriptural Reading (Semeia 75), Atlanta 1996, 37-60, hier: 37; vgl. auch Dube, Postcolonial Feminist Interpretation of the Bible, St. Louis 2000, 3. Aufgrund seiner Bedeutung im postkolonialen Diskurs sei dieser Spruch hier im englischen Original wiedergegeben: „When the white man came to our country he had the Bible and we had the land. The white man said to us, ‚let us pray.‘ After the prayer, the white man had the land and we had the Bible.“ Dieser Spruch ist allerdings selbst nicht ganz unproblematisch. Er unterstellt Afrikaner: innen eine gewisse Naivität und bedient somit paternalistische Klischees. NT Aktuell Postkoloniale Bibelhermeneutik und Exegese Werner Kahl 1. Einleitender Überblick Musa W.-Dube aus Botswana zählt zu den Mitbegründer: innen und wirkmäch‐ tigsten Vertreter: innen einer postkolonialen Bibelhermeneutik. Einem ihrer ersten Beiträge zum Thema stellte sie einen im südlichen Afrika verbreiteten Spruch voran: „Als der weiße Mann in unser Land kam, hatte er die Bibel und wir hatten das Land. Der weiße Mann sagte: ‚Lasst uns beten.‘ Nach dem Gebet hatte der weiße Mann das Land und wir hatten die Bibel.“ 1 Der populäre Spruch ruft in prägnanter Kürze die Erfahrung der Kolonisie‐ rung des südlichen Afrika in Erinnerung, und zwar aus der Perspektive von dun‐ kelhäutigen Afrikaner: innen, die ihr Land an die hellhäutigen, selbsternannten Kolonialherren aus Westeuropa verloren hatten. Der Verlust des Landes wird nach dieser Deutung auf ein religiös inszeniertes Täuschungsmanöver zurück‐ geführt. Als Gegengabe erhielten die Bewohner: innen des Landes ungefragt die Bibel. Diese Kurzerzählung über eine komplexe geschichtliche Entwicklung macht beispielhaft auf die Bedeutung der Bibel im Zusammenhang der Kolonialge‐ schichte in der Moderne aufmerksam: Sie wurde in unterschiedlicher Hinsicht benutzt, um einen Macht- und Bedeutungsgewinn auf Seiten der Kolonial‐ 2 Anna Runesson, Exegesis in the Making. Postcolonialism and New Testament Studies, Leiden-2011, 226. 3 Vgl. Werner Kahl, Jesus als Lebensretter. Westafrikanische Bibelinterpretationen und ihre Relevanz für die neutestamentliche Wissenschaft (Neutestamentliche Studien zur kontextuellen Exegese-2), Frankfurt-2007, 27-35. 4 Musa W. Dube, Consuming a Colonial Cultural Bomb. Translating Badimo Into ‘De‐ mons’ in the Setswana Bible (Matthew 8.28-34; 15.22; 10.8), in: JSNT 73 (1999), 33-59; Birgit Meyer, Translating the Devil. Religion and Modernity among the Ewe in Ghana, Edinburgh-1999. 5 Vgl. Frederick M. Amevenku/ Isaak Boaheng, Biblical Exegesis in African Context, Wilmington/ Delaware-2021, 79-98. mächte zu generieren, einhergehend mit einer Entmächtigung der Koloni‐ sierten. Ein bedeutender Strang postkolonialer Bibelhermeneutik befasst sich mit der Erhellung dieser Verstrickungsgeschichte von kolonialistischer Aggression und Bibel, die - aus dieser Perspektive - geschichtlich als „imperialer Text“ fun‐ gierte. 2 Dies gilt zunächst in zweierlei Hinsicht: Vertreter von Kolonialmächten und insbesondere Missionare wussten sich vom 18. bis 20. Jahrhundert durch ihre Lektüren bestimmter biblischer Passagen dazu berufen und ermächtigt, Menschen in fernen Regionen Afrikas, Asiens und Ozeaniens - und zwar vor‐ geblich zu deren Nutzen - zu „zivilisieren“ und zu „christianisieren“. 3 Insofern fungierten diese Bibellektüren zum einen als Motivationsmotor des kolonialis‐ tischen Projekts. Darüber hinaus stellten die von Missionaren verantworteten Bibelübersetzungen in einheimische Sprachen Asiens, Ozeaniens und Afrikas und die Erstellung von Wörterbüchern im Rahmen der Verschriftlichung bis dato ausschließlich oral praktizierter Sprachen auch machtpolitisch relevante Versuche dar, traditionelle Kulturen und deren Religiosität zu diskreditieren, insbesondere durch die Dämonisierung von Ahnengeistern und Göttern. 4 Ein im pazifischen Raum und im subsaharischen Afrika verbreiteter Forschungszweig postkolonialer Hermeneutik ist der kritischen Re-Lektüre der in der Kolonial‐ zeit entstandenen Bibelübersetzungen gewidmet, einhergehend mit Projekten einer kultursensiblen Neuübersetzung biblischer Schriften in Lokalsprachen. So wird in der mother-tongue biblical hermeneutics auf die je einheimischen Enzyklopädien - Sprachen, Kulturen und Traditionen - als Ressourcen für eine angemessene Bibelübersetzung rekurriert. 5 Dies gilt sowohl im Hinblick auf die begriffliche Erfassung des in etwa neutestamentlichen Texten Gemeinten als auch im Hinblick auf seine gegenwärtige Kommunikation innerhalb be‐ stimmter Lektüregemeinschaften. Aufgrund von solchermaßen reflektierten Kolonialismuserfahrungen hinsichtlich der imperialen Benutzung der Bibel zur Beherrschung und kulturellen Herabwürdigung einheimischer Bevölkerungen Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 6 Werner Kahl 6 Vgl. die Beiträge in Fernando F. Segovia/ R. S. Sugirtharajah (Hg.), A Postcolonial Commentary on the New Testament Writings (The Bible and Postcolonialism 13), London-2009; und exemplarisch die Studien von Richard A.-Horsley, Paul and Empire. Religion and Power in Roman Imperial Society, Harrisburg PA 1997; ders., Jesus and Empire. The Kingdom of God and the New World Disorder, Minneapolis-2002. im Globalen Süden, d. h. einer partikularen Wirkungsgeschichte der Bibel in der Moderne, haben es eine Reihe von postkolonialen Exeget: innen zum einen un‐ ternommen, in sogenannten „imperial studies“ biblische Schriften selbst kritisch daraufhin zu untersuchen, inwiefern auch in ihnen imperiale Strukturen positiv transportiert, entsprechende Haltungen eingenommen und kolonialistische Handlungsanweisungen empfohlen werden - sei es als bewusste Strategien oder als unbewusste Nachahmungen bestehender Machtstrukturen. 6 Zum anderen kann die Bibel aus postkolonialer Perspektive auch auf ihr Widerstandspotential hin gelesen und gewürdigt werden. Tatsächlich registrieren neuere postkolo‐ niale Untersuchungen verstärkt das Vorhandensein sowohl systemstabilisier‐ ender als auch subversiver Tendenzen in neutestamentlichen Schriften. Neben der Wirkungsgeschichte der Bibel in kolonialistischen Zusammen‐ hängen und einer kolonialismuskritischen Re-Lektüre biblischer Schriften kann als drittes Hauptfeld postkolonialer Kritik die Auseinandersetzung mit der traditionellen historisch-kritischen Exegese benannt werden, wie sie sich im Westen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts entwickelt und durchgesetzt hat. Insbesondere in den deutschsprachigen Bibelwissenschaften, die im 19. und 20. Jahrhundert weltweit als maßgebliche Impulsgeberinnen gewürdigt wurden, galt es beinahe ungebrochen bis zum Ende des letzten Jahrhunderts hinein als selbstverständlich, exegetische Methodik und ihre hermeneutische Flan‐ kierung mit dem Nimbus der Allgemeingültigkeit zu versehen. Ein solches, recht robustes Selbstverständnis wurde - und wird - befördert durch die Ausblendung einer kritischen Reflektion der je eigenen theologischen und kulturellen Standortbestimmtheit bzw. Interessenlage einerseits und die Igno‐ rierung von akademischen und populären Bibelinterpretationen in anderen Regionen der Welt, insbesondere des Globalen Südens, andererseits. Postkolo‐ niale Exeget: innen aus dem Globalen Süden haben aufgrund der Geschichte der westlichen Beherrschung ihrer Länder und Diskreditierung traditioneller Kulturen mitunter ein ausgeprägtes Sensorium für Deutemachtansprüche, wie sie in der westlichen Exegese für eine lange Zeit vorgeherrscht haben und wie sie auch gegenwärtig noch anzutreffen sind. Insbesondere die diachron ausgerichteten Methodenschritte der historisch-kritischen Exegese mit ihrem Interesse an der Rekonstruktion eines ursprünglichen Textes, an der Erhebung einer Autorintention und der Etablierung der einen richtigen Deutung unter Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 Postkoloniale Bibelhermeneutik und Exegese 7 7 Christian Koller, Deutschland, in: Dirk Göttsche/ Axel Dunker/ Gabriele Dürbeck (Hg.), Handbuch Postkolonialismus und Literatur, Stuttgart-2017, 399-402, hier 399. 8 Zu den wirkmächtigen rassistischen Konstruktionen von Afrikaner: innen bei Imma‐ nuel Kant und Georg Wilhelm Friedrich Hegel sowie zu weitverbreiteten entspre‐ chenden Haltungen von deutschsprachigen Missionaren, vgl. Kahl, Jesus als Lebens‐ retter (s. Anm. 3), 27-33. Zur Verwobenheit von Kolonialismus, Orientalismus, Theologie und Bibelwissenschaften im 19. Jahrhundert, vgl. Suzanne Marchand, German Orientalism in the Age of Empire. Religion, Race, and Scholarship, Cam‐ bridge 2009; Simon Wiesgickl, Das Alte Testament als deutsche Kolonie. Die Neuerfin‐ dung des Alten Testaments um 1800 (BWANT 214), Stuttgart 2018; Runesson, Exegesis (s.-Anm.-2), 67-71. Anlegung vermeintlich universal gültiger theologischer Wahrheiten können als suspekt erscheinen. Eine solche exegetische Vorgehensweise und Haltung ruft Erinnerungen wach an das kolonialistische Projekt der Beherrschung räumlich (bzw. zeitlich) entfernter (Text-)Körper. Aus postkolonialer Perspektive ist diese Ähnlichkeit indes kein Zufall. Die Entstehung, Ausprägung und Durchsetzung der historisch-kritischen Exegese fällt nämlich exakt in die Zeit des Kolonia‐ lismus des 18. bis 20. Jahrhunderts. Auch wenn das Deutsche Reich selbst nur für eine recht kurze zeitliche Periode als Kolonialmacht in Erscheinung trat (1884- 1918/ 9), allerdings mit einer langen Vorgeschichte der Involvierung deutscher Akteure als Händler (inklusive Sklavenhändler), Söldner und Missionare in oft ausbeuterischen Beziehungen zu fernen Ländern, die bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen, 7 so reflektieren philosophische Denkbewegungen, philologische Initiativen und anthropologische Studien deutschsprachiger Gelehrter vor allem des 19. Jahrhunderts die Haltung eines enormen Superioritätsempfindens im Ge‐ genüber zu den als „den ganz Anderen“ konstruierten Menschen in entfernten Weltregionen, die geistesgeschichtlich und zivilisatorisch z. T. weit hinter die Europäer zurückgefallen wären und zu Objekten westlicher Forschungsinte‐ ressen wurden. 8 Insofern können postkoloniale Exeget: innen aus dem Globalen Süden einer solchen westlichen Exegese Komplizenschaft sowohl mit dem kolonialistischen Projekt der Moderne als auch mit dem Neo-Kolonialismus der Gegenwart unterstellen. Veröffentlichungen westlicher Exeget: innen werden einer postko‐ lonialen Hermeneutik des Verdachts unterworfen. Sie gelten als Ausdruck eines in den Bibelwissenschaften nach wie vor unreflektiert weitertradierten Euro‐ zentrismus. Dem hier begegnenden Anspruch an Deutungsmacht verweigern sich postkoloniale Exeget: innen. Zudem wird die traditionelle westliche Exegese mit ihren Fragestellungen und Analysemethoden samt ihrer theologischen bzw. philosophischen Vorverständnisse weithin als irrelevant für die je eigenen Kontexte erachtet. Die Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 8 Werner Kahl 9 Vgl. R. S. Sugirtharajah, Introduction. The Bible, Empires, and Postcolonial Criticism, in: ders. (Hg.), The Oxford Handbook of Postcolonial Biblical Criticism e-book, Oxford 2018-2023, 1-21, hier: 1f. 10 Raj Nadella, The Rise of Postcolonial Criticism in Biblical Studies and Its Current Status, in: Oxford Handbook (s.-Anm.-9), 703-734, hier: 706. Erkenntnis hat sich durchgesetzt, dass sich westliche Exegese einer bestimmten Geschichte und Enzyklopädie verdankt. Insofern handelt es sich auch bei ihr um eine Version kontextueller Exegese, auch wenn dies von ihren Vertreter: innen vor allem in der Vergangenheit, aber durchaus auch noch in der Gegenwart selten eingestanden wurde bzw. wird. Aus postkolonialer Perspektive kann sie als suspekte Repräsentantin oder gar Agentin westlicher Herrschafts- und Deutemacht im Bereich der Bibeldeutung erscheinen, die Stimmen der nicht Privilegierten an den Rändern der Machtsphären überhört oder ausgrenzt - sei es in Bezug auf biblische Schriften, sei es in Bezug auf Exeget: innen aus dem Globalen Süden, sei es in Bezug auf die Nöte und Bedürfnisse von Menschen, die unter gegenwärtigem Neo-Kolonialismus leiden. Einige prominente Exeget: innen, die sich dem postkolonialen Diskurs ver‐ schrieben haben, eint das politische Interesse an der Veränderung lokaler gesellschaftlicher und weltweiter ökonomischer Strukturen, um Gerechtigkeit für die vom Westen Abhängigen und Abgehängten zu befördern - sei es an den sogenannten Machträndern im Globalen Süden, sei es innerhalb der sogenannten Machtzentren. Ein solches auf Veränderung abzielendes gesell‐ schaftskritisches Interesse kann aus der Sicht postkolonialer Exeget: innen ge‐ radezu als vornehmste Funktion einer postkolonial ausgerichteten und insofern „ethischen“ Bibelhermeneutik identifiziert werden. 9 Insofern handelt es sich bei postkolonialer Hermeneutik nicht um ein histo‐ risch rückwärtsgewandtes Unterfangen, sondern um ein so engagiertes wie par‐ teiisches Programm mit dem Ziel der Gestaltung von Gegenwart und Zukunft. Einige ihrer Vertreter: innen lokalisieren sich in einem vorgeblichen Kampf „ihres“ jeweiligen Volks um ökonomische Gerechtigkeit und Würde. Sie tun dies im Wissen um eine Kolonialgeschichte, die mit dem Unabhängigwerden vormals kolonisierter Länder ab etwa Mitte des 20. Jahrhunderts nicht zu Ende gegangen sei, sondern die fortwirke, insbesondere in Form des Neo-Kolonialismus. Das Präfix „post“ in Postkolonialismus signalisiert eine kritische Reflexion und Infragestellung von Machtkonstellationen aus der Perspektive der - vormals und in unterschiedlicher Weise auch gegenwärtig vom Westen - dominierten Kolonisierten, und zwar mit dem Ziel der Veränderung von Machtverhältnissen in der Gegenwart, inklusive exegetischer. 10 Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 Postkoloniale Bibelhermeneutik und Exegese 9 11 Vgl. die umsichtige Darstellung und kritische Diskussion von Niall McKay, Materia‐ list/ Marxist Interpretations and Postcolonial Biblical Criticism, in: Oxford Handbook (s.-Anm.-9), 677-698. Während sich die klassische Befreiungstheologie der 1960er bis 1990er Jahre mit der ihr entsprechenden Hermeneutik vor allem auf lokal begrenzte Räume bezog - etwa lateinamerikanische Staaten oder Südafrika -, so nimmt postko‐ loniale Bibelhermeneutik seit den 1990er Jahren auch globale Machtverhältnisse und Ungerechtigkeiten in den Fokus, wie sie vom „Westen“, d. h. letztlich von „weißen“ Männern und auch Frauen eingenommen und verübt, theologisch gerechtfertigt und exegetisch untermauert worden seien. In gewisser Weise lebt somit Befreiungstheologie in globaler Weitung in postkolonialer Bibelher‐ meneutik und Theologie weiter. Dies bewahrheitet sich auch im Hinblick auf die politische Ideologie eines Anti-Imperialismus in marxistischer Tradition, wie sie insbesondere von einer Reihe prominenter Vertreter: innen postkolonialer Hermeneutik mehr oder weniger offen vertreten wird, die interessanter Weise vornehmlich selbst an „westlichen Universitäten“ bzw. in den „Machtzentren“ leben, arbeiten und wirken. 11 Insgesamt kann aber nicht von der einen postkolonialen Bibelhermeneutik gesprochen werden. Wie oben ausgeführt, ist das postkoloniale Forschungsfeld stark ausdifferenziert, je nach dem Interesse, der angewandten Methodik, dem Schwerpunkt und der Lokalisierung involvierter Exeget: innen. Das Spektrum postkolonialer Bibelhermeneutik umfasst die folgenden Arbeitsfelder und Posi‐ tionierungen: 1. Wirkungsgeschichte der Bibel in kolonialistischen Zusammenhängen 1.1 Begründung des kolonialistischen Projekts 1.2 Bibelübersetzungen 2. Kolonialismuskritische Re-Lektüren biblischer Schriften 2.1 Biblische Schriften als anti-kolonialistische, anti-imperiale Literatur und/ oder 2.2 Biblische Schriften als kolonialistische, imperiale Literatur 3. Verhältnisbestimmung zur historisch-kritischen Exegese des „Westens“ 3.1 Anwendung aus postkolonialer Perspektive 3.2 Ablehnung als irrelevant bzw. schädlich als Teil des kolonialistischen Projekts 4. Ethnische Kulturen und traditionelle Methoden als Ressourcen der Bibe‐ linterpretation 5. Ethik der Bibelinterpretation Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 10 Werner Kahl 12 Vgl. Werner Kahl, Bibelverständnisse und Bibelinterpretationen im globalen Chris‐ tentum - gegenwärtige Tendenzen, in: ÖK 71 (2022), 5-15. 5.1 Nicht-Gehörten eine Stimme geben, in Bibel, Geschichte und Gegen‐ wart, zumal im Globalen Süden, auf akademischer und populärer Ebene 5.2 Politische Agenda einer Weltveränderung in Richtung auf die Ver‐ wirklichung einer globalen, insbesondere ökonomischen Gerechtig‐ keit. Die mittlerweile berühmten Namen der Wortführer: innen einer postkolonialen Hermeneutik - R. S. Sugirtharajah, Fernando F. Segovia, Kwok Pui-lan, Musa W. Dube -, die sich durch eine gewisse politische Radikalität auszeichnen und die den diesbezüglichen internationalen Diskurs aufgrund der von ihnen verantworteten, zahlreichen Publikationen in renommierten Verlagshäusern des Westens prägen bzw. dominieren, sollten aber nicht darüber hinwegtäu‐ schen, dass sie postkoloniale Exegese, wie sie gegenwärtig im Globalen Süden getrieben wird, nicht repräsentieren. Die große Mehrheit der Exeget: innen, die in asiatischen, sub-saharischen und pazifischen Ländern leben, interpre‐ tiert die Bibel aufgrund spezifischer Problemlagen und Glaubenstraditionen different, und zwar ebenfalls oft unter dem Anspruch, postkoloniale Exegese zu treiben. 12 Viele von diesen akademisch bis zum Doktorgrad ausgebildeten Exeget: innen verbindet über Kontinente hinweg, dass sie von ihren Kirchen an theologische Ausbildungsstätten oder Universitäten entsandt wurden, um dort zu unterrichten. Auch als akademische Lehrer: innen sind sie der Kirche und ihren lokalen Glaubensgemeinden weiterhin verpflichtet. Mit ihren Gemein‐ degliedern teilen sie im Allgemeinen eine hohe Wertschätzung der Bibel als Heilige Schrift. Die Methodenschritte, Fragestellungen und hermeneutischen Voraussetzungen der klassischen, diachron ausgerichteten historisch-kritischen Exegese erscheinen hier als ebenso wenig anschlussfähig wie die Lektüre der Bibel unter der postkolonialen Hermeneutik eines Radikalverdachts der Verstrickung in kolonialistischen Zusammenhängen. In dieser Perspektive werden vor allem die folgenden Anliegen verfolgt: 1. Synchron orientierte Exegesen zur Erhellung des Widerstandspotenzials biblischer Narrative und Positionierungen gegenüber kolonialistischer Unterdrückung und Ungerechtigkeit etwa in der Antike. 2. Wiederentdeckung des kulturellen Reichtums der je als eigen erachteten Ethnie - in der Binnenperspektive auf Englisch: „tribe“ - und Stärkung der Widerstandskraft gegenüber kolonialistischer Vorherrschaft. Aus der Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 Postkoloniale Bibelhermeneutik und Exegese 11 13 Vgl. exemplarisch die Beiträge indischer Exeget: innen zum Markusbzw. Lukasevan‐ gelium, die in diesem Jahr erschienen sind, und zwar in dem Sammelband Tribal Hermeneutics. Biblical Reflections from North East India, B. Lalnunzira/ A. Abeni Patton (Hg.), Aizawl/ Delhi 2023: Lalmuanpuii Hmar, Jesus’ Confrontation of Empire in Mark’s Gospel and its Significance for Mizo Society, 143-151; Kennedy Poumai, Postcolonial Reading of Luke’s Gospel and Its Importance for Our Church, 165-174. 14 Vgl. exemplarisch die beiden folgenden postkolonialen Beiträge von Exegeten aus Samoa: Mosese Ma’ilo, Bible-ing my Samoan, Apia, Samoa 2016; Apineru Tavita, Sufiga o le va in Romans 13: 1-7. A Samoan Perspective of Postcolonial Theory (A Thesis Presented to The Faculty of Piula Theological College, Samoa, in Fulfillment of the Requirements for the Degree Master of Theology), Piula, Samoa 2022. 15 Nadella, Rise (s.-Anm.-10), 704-717. 16 Nadella, Rise (s.-Anm.-10), 706-708. Perspektive ethnischer, weithin christlicher Minderheiten etwa in nord‐ ostindischen Staaten - z. B. Nagaland oder Mizoram - wird in dieser Hinsicht übrigens als abzuschüttelndes „Imperium“ weder die ehemalige Kolonialmacht Großbritannien noch „der Westen“ identifiziert, sondern das hinduistische Indien. 13 3. Kritische Überprüfung und Revision der vorliegenden, auf Initiative von westlichen Missionaren erstellten Bibelübersetzungen in einheimische Sprachen. 14 2. Zur Entstehung einer postkolonialen Bibelhermeneutik und Exegese Die Entstehung einer postkolonialen Bibelhermeneutik und Exegese ist einzu‐ betten in weitere Zusammenhänge wie etwa Globalisierung, Migration und insbesondere damit verbundene Entwicklungen in den Literaturwissenschaften. An Englisch-Departments von Universitäten in den USA und in Großbritannien wurden ab den 1970er Jahren im Rahmen von colonial studies Romane der Kolonial- und der nach-Kolonialzeit reflektiert. 15 Ab etwa Mitte der 1950er Jahre waren in gerade zu Ende gegangenen bzw. in zu Ende gehenden britischen Kolonien Literaturen von Einheimischen entstanden, die Gegennarrative zu eu‐ ropäischen Konstruktionen des Lebens in den Kolonien, wie sie insbesondere in europäischen Romanen der ersten Hälfte jenes Jahrhunderts verbreitet wurden, darstellten. Verband letztere die deutliche Tendenz westlicher Überheblichkeit gegenüber Menschen in Indien, in afrikanischen oder arabischen Ländern, die entweder als unzivilisiert, unehrlich, kindisch und lüstern oder in romantischer Verklärung vorgeführt wurden, 16 so meldeten sich jetzt literarische Stimmen aus den Kolonien zu Wort, in denen Einheimische als komplexe Subjekte im Fokus standen, die sich vor die Aufgabe gestellt sahen, sich aufgrund des Kolonialismus Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 12 Werner Kahl 17 Vgl. Chinua Achebe, Things Fall Apart, Oxford-1958. 18 Vgl. Frantz Fanon, The Wretched of the Earth, New York-1963. 19 Vgl. die exzellente Darstellung und kritische Diskussion der Entwürfe dieser drei Theoretiker: innen des postkolonialen Diskurses in: María do Mar Castro Varela/ Nikita Dhawan (Hg.), Postkoloniale Theorie. Eine kritische Einführung, Bielefeld 3 2020. 20 Nadella, Rise (s.-Anm.-10), 709f. 21 Nadella, Rise (s.-Anm.-10), 706f. 22 Doris Bachmann-Medick, Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissen‐ schaften, Reinbek bei Hamburg- 4 2010, 188. in einer Welt zurecht finden zu müssen, in denen althergebrachte Werte und Strukturen nachhaltig erschüttert worden waren. 17 Andere Autor: innen befassten sich theoretisch mit den Auswirkungen des Kolonialismus, etwa auf die Psyche der Menschen in den Kolonialgebieten. 18 Die Entstehung des allgemeinen postkolonialen Diskurses an Universitäten des anglophonen Westens setzte die Mobilität von Studierenden aus dem Globalen Süden voraus. Bei allen drei Akademiker: innen, die im letzten Quartal des 20. Jahrhunderts die entscheidenden Impulse zur Entwicklung des post‐ kolonialen Diskurses setzten, handelt es sich ausschließlich um im Westen ausgebildete und lehrende Literaturwissenschaftler: innen, die aus - vormaligen - britischen Kolonialgebieten stammen: Edward Said (geboren in Palästina), Gayatri Chakravorty Spivak und Homi K. Bhabha (beide geboren in Indien). 19 Unter Rekurs vor allem auf poststrukturalistische bzw. postmoderne westliche Theoretiker wie Michel Foucault (Said: Machtdiskurse), Jacques Derrida (Spivak: Dekonstruktivismus in feministischer Wendung) oder auch den Psychoanaly‐ tiker Jacques Lacan (Bhabha: Mimikry, Hybridität, Ambivalenz, Dritte Räume) 20 arbeiteten sie Theorien aus, die darauf abzielten, „Diskurse, Strategien und das koloniale Erbe zu kritisieren. Dabei bezogen sie Impulse der politischen und literarischen Stadien des Postkolonialismus wie auch des Feminismus und der race-theory mit ein.“ 21 Insgesamt machen diese Autor: innen darauf aufmerksam, dass Menschen und Volksgruppen in weiten Regionen der Welt aufgrund des Kolonialprojekts des Westens an den Rand gedrängt wurden, d. h. in die Bedeutungslosigkeit, und wie sie darauf reagieren. Dieses Machtverhältnis wird diskurskritisch in den Blick genommen: Es stehen hier also die komplexen Vorzeichen jeglicher Produktion von Wissen über die ‚Anderen‘ zur Debatte, Fragen kolonialer und postkolonialer Repräsentation und im Falle des Orientalismus gar die westliche Projektion von Vorstellungen über den Orient zum Zweck der Etablierung eines hegemonialen europäischen Herrschaftsdiskurses. 22 Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 Postkoloniale Bibelhermeneutik und Exegese 13 23 Auch andere Exeget: innen wie etwa der Neutestamentler Fernando F. Segovia, ur‐ sprünglich aus Kuba und lehrend an der Vanderbilt University in Nashville, Tennessee, wären in diesem Zusammenhang zu nennen. Was Segovia aber von den drei benannten Exeget: innen in akademischer Hinsicht unterscheidet, ist dass er im Unterschied zu Kwok, Sugirtharajah und Dube schwerpunktmäßig auch jenseits eines expliziten postkolonialen Programms geforscht, gelehrt und publiziert hat, insbesondere im Bereich der klassischen befreiungstheologischen und interkulturellen Hermeneutik, vgl. etwa Fernando F. Segovia, Intercultural Bible Reading and Liberation in the Steps of Dom Hélder Câmara, in: Daniel S. Schipani/ Martien Brinkmann/ Hans Snoek (Hg.), New Perspectives on Intercultural Reading of the Bible (FS Hans de Wit), Elkhart 2015, 7-37; ders., Intercultural Bible Reading as Transformation for Liberation. Intercultural Hermeneutics and Biblical Studies, in: Hans de Wit/ Janet Dyk (Hg.), Bible and Transformation. The Promise of Intercultural Bible Reading, Atlanta 2015, 19-51. Die Bibel stellt nun auch Literatur dar, und zwar eine, der - wie oben beschrieben - kolonialgeschichtlich eine erhebliche hegemoniale Funktion zuwuchs. Insofern ist es alles andere als ein Zufall, dass es innerhalb der Theologie zunächst Exeget: innen waren, die die Impulse der postkolonialen Theoretiker: innen aufnahmen. In Analogie zu den Biographien jener drei Literaturwissenschaftler: innen handelt es sich bei den drei Initiator: innen bzw. wirkmächtigsten Vertreter: innen einer postkolonialen Hermeneutik ebenfalls um Menschen, die aus vormaligen britischen Kolonialgebieten stammen, die ihre akademische Ausbildung mit Erlangung des Doktorgrads in den USA oder in Großbritannien abschlossen und die als Exeget: innen an amerikanischen oder englischen Universitäten wirkten bzw. wirken: R. S. Sugirtharajah wurde in Sri Lanka geboren und lehrte zuletzt an der Universität von Birmingham in England; Musa W.-Dube stammt aus Botswana, wo sie lange an der staatlichen Universität unterrichtete, bis sie an die Emory University in Atlanta, Georgia wechselte; Kwok Pui-lan wuchs in Hongkong auf und lehrte zuletzt ebenfalls an der Emory University. 23 Insofern handelt es sich bei der Ausbildung der postkolonialen Theorie im Allgemeinen und bei der postkolonialen Bibelhermeneutik im Besonderen um Diasporaphänomene. Die hier entwickelten und exegetisch zur Anwendung gebrachten Theoreme wie z. B. Hybridität, Mimikry, Repräsentation und Dritte Räume reflektieren auch die biographischen Brüche und Erfahrungen der involvierten Exeget: innen aufgrund ihrer Diasporaexistenz. Im Folgenden werde ich ausgewählte programmatische Beiträge der drei Hauptvertreter: innen einer postkolonialen Hermeneutik aus den Anfangs‐ jahren darstellen. R. S. Sugirtharajah hat 1991 mit der Publikation des vom ihm herausge‐ gebenen Sammelbands Voices from the Margin. Interpreting the Bible in the Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 14 Werner Kahl 24 R. S. Sugirtharajah (Hg.), Voices from the Margin. Interpreting the Bible in the Third World, New York 1991. 25 Nadella, Rise (s.-Anm.-10), 714. 26 R. S. Sugirtharajah, Introduction, in: Voices (s. Anm. 24), 1-6; ders., Postscript, in: Voices (s. Anm. 24), 434-444. 27 Vgl. dazu den differenzierten Überblick bei Thomas Schmeller, Das Recht der Anderen. Befreiungstheologische Lektüre des Neuen Testaments in Lateinamerika (NTA 27), Münster 1994. 28 Sugirtharajah, Postscript (s.-Anm.-26), 434: „Giving a voice to the voiceless.“ 29 Sugirtharajah, Introduction (s.-Anm.-26), 1f. Third World 24 zum ersten Mal eine Neuorientierung innerhalb der exegetischen Beschäftigung mit der Bibel eingefordert, die inhaltliche Überschneidungen mit dem zeitgenössischen postkolonialen Diskurs in den Literaturwissenschaften aufweist, allerdings ohne schon eine ausgearbeitete und explizit so benannte postkoloniale Hermeneutik vorzulegen. Vorausgesetzt wird die Unterscheidung von Machtzentrum und seinen Rändern, sowohl in der Antike als auch in der Gegenwart. Der Sammelband stellte den Versuch dar, „das Zentrum zu dezentra‐ lisieren, indem seine interpretativen Agenden, Anliegen und epistemologischen Annahmen, wie sie vor allem durch historisch-kritische Methoden befördert wurden, in Frage gestellt wurden.“ 25 In seiner Einführung in den Band sowie in einem Postscript gibt Sugirtharajah Auskunft über das von ihm initiierte Programm einer Neuausrichtung der Exegese. 26 In Anknüpfung an die lateinamerikanische Befreiungstheologie und ihre Bibelinterpretationen 27 wird der Blick jetzt geweitet um die Perspektiven von Unterdrückten in der gesamten - damals sogenannten - Dritten Welt und innerhalb der Machtzentren (African-Americans, Native-Americans). Die Stimmen derer, die aufgrund von Klasse, „Rasse“ oder Gender diskriminiert werden, sollen im weltweiten Chor um die Interpretation der Bibel hörbar gemacht werden, und zwar - abgeleitet aus dem Evangelium - als privilegierte Stimmen. 28 Als ein wesentliches Ziel dieses Vorhabens gilt die Überwindung der Marginalisierung von exegetischen Stimmen aus dem Globalen Süden in „mainline biblical scholarship“, der bis dato von „male Euro-American scholars“ dominiert worden sei. 29 Die historisch-kritische Exegese mit ihrer Methodik, ihrem Anspruch auf Neutralität, ihrer individualistischen Ausrichtung und theologischen Abstraktion soll durch bewusst kontextuelle und parteiische Zugänge zur Bibel ersetzt werden. Nur durch eine Bezugnahme auf konkrete Lebenskontexte mache Bibelexegese Sinn. Die von Sugirtharajah als „hermeneutics of the marginalized“ beschriebene Alternative zum vorherrschenden historisch-kritischen Paradigma wird mit den folgenden Merkmalen versehen: Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 Postkoloniale Bibelhermeneutik und Exegese 15 30 Sugirtharajah, Postscript (s.-Anm.-26), 436. 31 Sugirtharajah, Postscript (s. Anm. 26), 436. Ich habe diese vom Evangelium hergeleitete theologische Begründung mit Bedacht als Zitat gebracht. In allzu vielen postkolo‐ nialen Untersuchungen, insbesondere in solchen, die durch eine Hermeneutik des Verdachts geleitet sind, scheint sich die Methode verselbständigt zu haben, ohne dass die Positionierung theologisch reflektiert bzw. an ein wie auch immer geartetes Evangeliumsverständnis zurückgebunden wird. 32 Sugirtharajah, Postscript (s.-Anm.-26), 437. 33 Hier liegt also noch keine grundsätzliche Kritik an der historisch-kritischen Methodik vor. 1. Eine Wiederinbesitznahme der Bibel durch die „gewöhnlichen“ Gläubigen („ordinary people“). 2. Solidarität und performative Interpretationen, um den sogenannten her‐ meneutischen Graben, d. h. zum einen die historische Distanz zwischen biblischen Texten in ihren Kontexten und gegenwärtigen Lektürekon‐ texten zu überbrücken, und zum anderen die arbeitsteilige Trennung von Exeget: innen und Pastor: innen („die größte Sünde der historisch-kritischen Exegese“) 30 zu überwinden. Es wird auch von Exeget: innen Solidarität und eine Beteiligung bzw. Parteinahme im Befreiungskampf an den Rand gedrängter Bevölkerungsgruppen eingefordert, sei es in Bezug auf bibli‐ sche oder auf gegenwärtige Kontexte. Biblische Hermeneutik wird somit - in Tradition der lateinamerikanischen Befreiungstheologie - mit einer gesellschaftsverändernden Funktion verknüpft. Diese Inanspruchnahme begründet Sugirtharajah dezidiert biblisch-theologisch, indem er auf das Evangeliumsnarrativ verweist: „Das biblische Konzept der Auferweckung [gemeint wohl: Jesu von den Toten, W. K.] wird nur dann deutlich, wenn man neue Hoffnung und Liebe zu Menschen bringt, die weder Hoffnung noch Liebe haben. Jesu Verkündigung von Gottes Herrschaft wird verwirk‐ licht nur, wenn die Ideale des Reiches Gottes - Liebe, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit - praktiziert werden.“ 31 3. Die Unterprivilegierten stehen im hermeneutischen Fokus. 4. Eine produktive Verschmelzung von Befreiungsengagement und akade‐ mischer Exegese: Euro-amerikanischen Exeget: innen dienten die histo‐ risch-kritischen Methoden dazu, „die biblischen Narrative für eine säku‐ larisierte Bevölkerung, die sich ihres Glaubens unsicher geworden ist, bedeutsam werden zu lassen.“ 32 Diese Methoden seien nun für den Zweck der Befreiung der Marginalisierten anzuwenden. 33 5. Die Beachtung und Würdigung der sozialen Lokalität von Bibelinterpreta‐ tionen bei gleichzeitiger Ablehnung von exegetischen Ansprüchen, wert‐ neutral zu verfahren. Hermeneutische Neutralität sei in einer in reich Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 16 Werner Kahl 34 Dube, Postcolonial (s. Anm. 1). 35 Vgl. die ausführlichere Darstellung und Kritik des Buchs in Kahl, Jesus als Lebensretter (s.-Anm.-3), 95-100. und arm, privilegiert und unterprivilegiert geteilten Welt eine Illusion, die zudem den status quo zementiere. 6. Es geht um das Engagement für eine Transformation der Welt in Richtung auf die Verwirklichung von Gerechtigkeit. Die Exegetin Kwok Pui-lan hat in ihrem Beitrag „Reflection on Women’s Sacred Scriptures“ von 1998 aus explizit feministischer Perspektive die folgenden Hauptanliegen einer postkolonialen Bibelhermeneutik identifiziert: 1. Herausforderung des Totalitäts-, Objektivitäts- und Universalitätsan‐ spruchs westlicher Exegese. 2. Verfolgung eines anti-hegemonialen Diskurses in der Exegese, indem die Strategie verfolgt wird, verdeckte, totgeschwiegene, überhörte und anti-koloniale Stimmen in biblischen Texten aufzuspüren und zum Spre‐ chen zu bringen. 3. Inbeziehungsetzung biblischer Texte mit außerbiblischen Texten, Tradi‐ tionen und Kontexten (Intertextualität). 4. Förderung der Partizipation von Menschen an den Rändern ökonomi‐ scher Machtzentren am exegetischen Diskurs: ethnische Minoritäten, Mi‐ grant: innen und besonders Frauen (Intersektionalität). 5. Orientierung an Einsichten poststrukturalistischer Literaturtheorie und postmoderner Philosophie, insbesondere diskurstheoretische Reflexionen des Verhältnisses von Macht, Sprache und Theorie. Diese Punkte decken sich zum großen Teil mit den von Sugirtharajah aufge‐ führten Anliegen. Anders als Sugirtharajah argumentiert Kwok mit Begrifflich‐ keiten und Konzepten, die sich dem säkularen postmodernen Diskurs in den Li‐ teraturwissenschaften verdanken. Gleichzeitig tritt der befreiungstheologische Impuls, der in Surgirtharajahs Ausführungen von grundsätzlicher Bedeutung ist, zugunsten diskurstheoretischer Reflexionen zurück. Die Neutestamentlerin Musa W. Dube dekonstruierte in ihrer viel beachteten Untersuchung Postcolonial Feminist Interpretation of the Bible aus dem Jahr 2000 34 unterschiedliche Lektüren von Mt 15,21-28 („Die kanaanäische Frau“). 35 Als Kriterium der Analyse des biblischen Textes sowie seiner Interpretationen gilt ihr einzig und allein die Frage danach, ob sie „Leben in Gottes Schöpfung fördern und wiederherstellen“. Es geht Dube aus der Perspektive der partikularen Kolonialismuserfahrungen im südlichen Afrika und seiner Auswirkungen um Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 Postkoloniale Bibelhermeneutik und Exegese 17 36 Dube, Postcolonial (s.-Anm.-1), 182. 37 Dube, Postcolonial (s.-Anm.-1), 154. 38 Dube, Postcolonial (s.-Anm.-1), 155. 39 Dube, Postcolonial (s.-Anm.-1), 182. 40 Dube, Postcolonial (s.-Anm.-1), 39. 41 Dube, Postcolonial (s.-Anm.-1), 39. die Dekolonisation des Christentums einschließlich seiner Bibelinterpretation. Der ausgewählte Bibeltext dient ihr als Paradigma zur Aufdeckung imperialis‐ tischer Tendenzen sowohl des Matthäusevangeliums als auch seiner westlichen Interpret: innen, inklusive feministischer Exegetinnen. Ihr Vergleich von Mt 15,21-28 mit 8,15-30 („Der Hauptmann von Kaper‐ naum“) legt nahe, dass der implizite Autor des Matthäusevangeliums, der in einer Situation imperialer Besatzung schrieb, möglicherweise die religiösen Leitungsfiguren herausforderte, wobei er sich mit anderen Gruppen in einem Wettbewerb um Machtgewinn befand und das Wohlwollen des römischen Reichs zu gewinnen trachtete. 36 Indem im Matthäusevangelium „Reisen in entfernte und bewohnte Länder“ zum Zweck der Missionierung favorisiert würden, 37 „stellt das matthäische Model eine Verkörperung imperialistischer Werte und Strategien dar.“ 38 Diese Strategie eines Mimikry würde nun von westlichen Exegeten übersehen werden. Aber auch „weiße, der Mittelschicht zugehörige feministische Lektüren des Wes‐ tens“ 39 blieben einem kulturellen und ökonomischen Imperialismus verhaftet, der es ihnen nicht möglich mache, die der Textpassage zugrunde liegenden Machtverhältnisse, Aushandlungsprozesse und Interessenlagen zu erfassen. Damit partizipierten sie an der hegemonialen Macht des Westens. Was anstehe, sei vielmehr die Befreiung nicht-westlicher Traditionen aus der Gefangenschaft der ökonomischen Machtzentren. Da die Bibel heute der ganzen Welt und nicht mehr nur dem Westen gehöre 40 , sei ein Lektüremodell vonnöten, das die Präsenz von Imperialismus und Patriarchalismus ernst nehme und an einer befreienden Interdependenz interessiert sei „between genders, races, nations, economies, cultures, political structures, and so on“. 41 Ein solches Lektüremodell sieht Dube in der Praxis afrikanisch-unabhängiger Kirchen in Botswana verwirklicht, denn hier seien Machtoppositionen wie / Mann/ versus / Frau/ , / alt/ versus / jung/ , / schwarz/ versus / weiß/ , / schriftliches/ versus / mündliches Wort/ , / christliches Heil/ versus / afrikanische Religiosität/ weithin aufgehoben. Jeder und jede ein‐ zelne würden hier als Personen gewürdigt, die am göttlichen Geist partizipieren könnten. Wie in der afrikanisch-traditionellen Religiosität seien hier Kirche und Theologie daran ausgerichtet, Leben zu bewahren und zu fördern. Menschliche Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 18 Werner Kahl 42 Dube, Postcolonial (s.-Anm.-1), 186. 43 Dube, Postcolonial (s.-Anm.-1), 190. 44 Dube, Postcolonial (s.-Anm.-1), 40. Existenz werde wahrgenommen als „befreiendes Beziehungsgewebe“. 42 Und genau damit sei nach Dube der göttliche Wille erfasst. Die hier vorausgesetzte Heilsinklusivität liege in der Bibel nur verdeckt vor; sie komme auch in den mündlichen Mitteilungen von Frauen in den unabhängigen Kirchen nur gebrochen zum Ausdruck. Aufgrund teilnehmender Beobachtungen in jenen Kirchen kommt Dube zu folgender Schlussfolgerung: Die Kommunikation der Bedeutung der Passage war unauflöslich verwoben mit den Akten der Interpretation (…): kommunalistische Interpretation, partizipatorische Interpretation durch den Gebrauch von Liedern, Interpretation durch dramatisierte Erzählung und Interpretation durch Wiederholung. 43 Die im Westen vorherrschende Methode der Bibelinterpretation sei hingegen stark text- und logozentriert. Als solche sei sie für afrikanische Kontexte irrelevant. 44 3. Zentrale Publikationen postkolonialer Hermeneutik und Exegese Exegetische Publikationen unter einem explizit postkolonialen Vorzeichen sind seit Mitte der 1990er Jahre vorgelegt worden, und zwar fast ausschließlich in englischer Sprache. Sie überlappen sich inhaltlich teilweise mit Untersu‐ chungen, die der „kulturellen Exegese“ zugerechnet werden, welche sich wiederum methodisch den linguistic und cultural turns in den Literatur- und Geisteswissenschaften verdankt und die der explizit als postkolonial in Erscheinung tretenden Bibelhermeneutik zeitlich etwas vorangeht. Auch post‐ koloniale Hermeneutik und Exegese wertet kulturelle Zugänge zur Bibel etwa in marginalisierten Ethnien stark auf und kann ihre Anwendung als intertex‐ tuelle Methoden und Ressourcen empfehlen. Sie unterscheidet sich von Unter‐ suchungen kultureller Exegese durch ihre von dem postkolonialen Diskurs geprägte Begrifflichkeit und eine Imperialismus kritische Stoßrichtung, die oft mit einer grundsätzlichen, diskurskritischen Infragestellung der Methoden und Voraussetzungen westlicher Exegese einhergeht und die Bibel selbst unter eine Hermeneutik des Verdachts der Verstrickung in kolonialistischer Ausbeutung stellt. Kulturelle Exegesen hingegen zeichnen sich weithin dadurch aus, dass sie das Spektrum möglicher Bibellektüren um bisher im Westen ausgeblendete Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 Postkoloniale Bibelhermeneutik und Exegese 19 45 Vgl. Brian K. Blount, Cultural Interpretation. Reorienting New Testament Criticism, Minneapolis 1995; Fernando F. Segovia/ Mary Ann Tolbert (Hg.), Reading from this Place, Bd. 1: Social Location and Biblical Interpretation in the United States, Minnea‐ polis 1995; Reading from this Place, Bd. 2: Social Location and Biblical Interpretation in Global Perspective, Minneapolis-1995. 46 R. S. Sugirtharajah, From Orientalist to Post-Colonial. Notes on Reading Practices, in: AJT 10 (1996), 20-27. 47 Nadella, Rise (s.-Anm.-10), 715. 48 Laura E. Donaldson (Hg.), Postcolonialism and Scriptural Reading, (Semeia 75), Atlanta 1996. Im selben Jahr erschien übrigens in derselben Reihe der inhaltlich verwandte Band Gerald West/ Musa W. Dube (Hg.), “Reading With”: An Exploration of the Interface between Critical and Ordinary Readings of the Bible. African Overtures (Semeia 73), Atlanta-1996. 49 Musa W. Dube, Reading for Decolonization. Joh 4,37-60, in: Postcolonialism and Scriptural Reading (s. Anm. 48), 37-60. Perspektiven erweitern, ohne den - allerdings kontextuell zu relativierenden - Wert westlicher Exegesen zu bestreiten. 45 Es folgt eine Auflistung weiterer, besonders bedeutender Publikationen im Bereich postkolonialer Hermeneutik und Exegese ab Mitte der 1990er Jahre bis in die Gegenwart. Zur Orientierung versehe ich sie mit kurzen Erläuterungen. Im Jahr 1996 erschienen zwei Publikationen, mit denen das Paradigma einer ausdrücklich als postkolonial markierten Bibelhermeneutik begründet wurde: Sugirtharajah veröffentlichte im Asia Journal of Theology den Beitrag „From Orientalist to Post-Colonial. Notes on Reading Practices“, 46 in dem er „ausdrücklich postkoloniale Kritik mit biblischen Interpretationen ins Gespräch brachte.“ 47 Wie bereits im Titel anklingend, rekurrierte er hierbei auf die Orienta‐ lismuskritik von Edward Zaid. Der vorgeblich westlichen exegetischen Tendenz, Stimmen, Texte und Methoden zur Bibelinterpretation aus dem Globalen Süden totzuschweigen, begegnet Sugirtharajah mit der postkolonial unterfütterten Forderung nach einer intertextuellen Inbeziehungsetzung hinduistischer und christlicher Texte, und zwar als exegetische Methodik. Im selben Jahr erschien der Sammelband Postcolonialism and Scriptural Reading in der Semeia-Reihe der Society of Biblical Literature. 48 Er wurde herausgegeben von Laura E. Donaldson, die selbst eine amerikanisch-indigene Herkunft aufweist. Aus unterschiedlichen lokalen bzw. kulturellen Perspektiven - auch Musa Dube aus Botswana ist hier bereits mit einem Beitrag zu Joh 4,1-42 vertreten - werden kolonialistische Tendenzen sowohl in Bibelinterpretationen als auch in Bibeltexten selbst aufgespürt. 49 1998 wurde eine neue Buchserie ins Leben gerufen, in der im Laufe der Jahre eine ganze Reihe von bedeutenden Studien zu postkolonialer Bibelhermeneutik Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 20 Werner Kahl 50 Erschienen bei Bloomsbury, Sheffield Academic Press. 51 Fernando F. Segovia und R. S. Sugirtharajah (Hg.), A Postcolonial Commentary on the New Testament Writings, London 2007. Vgl. als alttestamentliche Entsprechung: Hem‐ chand Gossai (Hg.), Postcolonial Commentary and the Old Testament, London-2020. und Exegese erschienen ist: The Bible and Postcolonialism. 50 Der erste Band trug den Titel The Postcolonial Bible und wurde herausgegeben von Sugirtharajah. Die Beiträge in diesem Sammelband analysieren, wie der Kolonialismus auch durch biblische Exegese befördert wurde. Darüber hinaus werden unterschied‐ liche ethnische und kulturelle Perspektiven präsentiert, die als Ressourcen für kontextuell relevante Bibelinterpretationen ins Feld geführt werden. Diese Thematik wird im zweiten Band der Serie mit dem Titel Vernacular Hermeneutics, wieder von Sugirtharajah im Jahr 1999 herausgegeben, weiter ausgeführt und vertieft. Es wird der Frage nach der postkolonialen Bedeutung und dem Gewinn einer Exegese, die auf indigene Traditionen und Enzyklopä‐ dien in einheimischen Sprachen rekurriert, nachgegangen. In eben dieser Reihe erschien auch die im Jahr 2005 von Stephen Moore und Fernando Segovia herausgegebene Aufsatzsammlung Postcolonial Biblical Criti‐ cism. Interdisciplinary Intersections. Die hier versammelten Beiträge loten das Beziehungsfeld zwischen postkolonialer Bibelhermeneutik und Exegese einer‐ seits und feministischen, ethnischen, poststrukturalistischen und marxistischen Perspektiven andererseits aus, und zwar auf einem hohen Reflexionsniveau. Ein besonderes Ereignis stellte die Veröffentlichung von A Postcolonial Com‐ mentary on the New Testament Writings im Jahr 2007 dar, herausgegeben von Fernando F. Segovia und R. S. Sugirtharajah. 51 Die Kommentierung aller neu‐ testamentlichen Schriften wird eingeleitet durch einen umfänglichen Beitrag von Segovia (S. 1-68). Hier analysiert er die Kommentierungen in komparativer Weise, und zwar mittels der folgenden Kriterien: 1. postkoloniale Konfigura‐ tionen; 2. exegetische Zugänge; 3. Positionierungen zwischen neutestamentli‐ chen Schriften und frühchristlichen Glaubensgemeinschaften einerseits und der gesellschaftspolitischen Realität im Römischen Reich andererseits; 4. die Beziehung zwischen diesen Positionierungen und den jeweiligen Exeget: innen. Resultat seines Durchgangs ist, dass in diesem Kommentar ein weites Spektrum von sich zum Teil widersprechenden hermeneutischen Definitionen, Zugangs‐ weisen und Positionierungen innerhalb der postkolonialen Bibelhermeneutik und Exegese vorliegt. Beendet wird der Band mit einem kurzen Aufsatz von Sugirtharajah, der hier in recht provokanter Weise die nächste Phase der postkolonialen, biblischen Interpretation bedenkt (S. 455-466). Angesichts eines vorgeblich kriegerischen Neo-Imperialismus im Namen von Demokratie, Humanität und Befreiung mahnt Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 Postkoloniale Bibelhermeneutik und Exegese 21 er die noch nicht zu Ende geführte und teilweise nicht einmal begonnene postkoloniale Durchdringung der Exegese an sowie die Weitung des Horizonts postkolonialer Bibelhermeneutik in Richtung auf eine (selbst-)kritische Analyse von Terrorattacken im Namen des Islams und des Phänomens von Asylsuchenden. Das Oxford Handbook of Postcolonial Biblical Criticism, herausgegeben von Sugirtharajah, war ab 2018 zunächst nur online oder als e-book zugänglich. Die Hardcover-Version erschien erst Anfang November 2023. Einzelartikel waren in der Zwischenzeit stillschweigend aktualisiert worden. Auf eine Einleitung des Herausgebers („The Bible, Empires, and Postcolonial Criticism“, S. 1-21) folgen 30-Beiträge unter den folgenden Rubriken: Biblical Empires in the Hebrew Scriptures, Inter-Testamental Writings, the New Testament, and the Christian Apocrypha/ Modern European and Asian Empires/ Empires and Translations/ Postcolonial Social and Ethical Concerns/ Postcolonial Biblical Criticism and Cog‐ nate Disciplines/ Postcolonialism, Biblical Studies, and Theoretical Orientations. Mit der Publikation des Handbuchs wird noch einmal die Breite des Spek‐ trums von postkolonialer Bibelhermeneutik und Exegese eindrucksvoll vor Augen geführt. Nachdem diese Forschungsperspektive mit ihrer vielfältigen Methodik gewissermaßen eine Würdigung durch renommierte anglophone Publikationshäuser erfahren hat, stellt sich nun die Frage nach ihrer Rezeption innerhalb der deutschsprachigen Exegese. 4. Zur Rezeption in der deutschsprachigen Exegese In der deutschsprachigen Exegese sind die Entwürfe und Untersuchungen post‐ kolonial orientierter Exeget: innen bisher nur am Rande und erheblich zeitver‐ zögert wahrgenommen worden. Hierbei ergeht es postkolonialer Hermeneutik und Exegese nicht anders als vorangegangenen Perspektivwechseln der letzten 50 Jahre, die ebenfalls in der englischsprachigen Welt ihren Ausgang nahmen und bis dato als sicher geglaubte Forschungsergebnisse, hermeneutische und theologische Vorverständnisse und Haltungen in Frage stellten: sei es in Bezug auf eine differenzierte Wahrnehmung des antiken Judentums, die damit im Zusammenhang stehende Neue Paulusperspektive, die feministische Exegese, die literatur- und kulturwissenschaftlich verantwortete Exegese, die Kritik an der Zweiquellentheorie und anderes mehr. Was postkoloniale Perspektiven anbetrifft, kommt im Unterschied zur anglophonen Welt erschwerend hinzu, dass es aufgrund der spezifischen Kolonialgeschichte Deutschlands keine ins Ge‐ wicht fallende Diasporapräsenz aus vormaligen deutschen Kolonialgebieten hier‐ zulande gibt, die postkoloniale Impulse in die Theologie und Exegese eintragen könnte. Erst seit wenigen Jahren beginnt sich in dieser Hinsicht die Situation Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 22 Werner Kahl 52 Bezeichnenderweise kommen im umfänglichen Handbuch Postkolonialismus und Lite‐ ratur, hrsg. von Dirk Göttsche/ Axel Dunker/ Gabriele Dürbeck (Stuttgart 2017), weder Bibel noch postkoloniale Exegese vor. 53 Vgl. Ulrich Winkler/ Christian Boerger/ Joel Klenk (Hg.), Von Peripherien und Zentren, Mächten und Gewalten (Jerusalemer Ansätze für eine postkoloniale Theologie, JThF-41), Münster 2021; Ciprian Burlăcioiu (Hg.), Migration and Diaspora Formation. New Per‐ spectives on a Global History of Christianity (AKG 152), Berlin/ Boston 2022; Gregor Etzelmüller/ Claudia Rammelt (Hg.), Migrationskirchen. Internationalisierung und Plurali‐ sierung des Christentums vor Ort, Leipzig-2022; Malte Cramer/ Alena Höfer (Hg.), Schrift‐ auslegung im Plural. Interkulturelle und kontextuelle Bibelhermeneutiken, Stuttgart 2023. 54 In ihrer kulturwissenschaftlichen Einführung zum Postkolonialismus hat etwa Doris Bachmann-Medick als eine der ersten überhaupt in Deutschland auf die exegetischen Arbeiten von Musa W. Dube, Fernando F. Segovia und R. S. Sugirtharajah hingewiesen, vgl. Doris Bachmann-Medick, Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissen‐ schaften (rowohlts enzyklopädie), Reinbek bei Hamburg 4 2010, 208 u. 229f., vgl. aber bereits meine ausführliche Präsentation und Analyse von Dube, Postcolonial Feminist Interpretation of the Bible, in: Kahl, Jesus als Lebensretter (s. Anm. 3), 95-100 aus dem Jahr 2007, sowie die ausdrückliche Würdigung postkolonialer hermeneutischer Ansätze in Stefan Alkiers Lehrbuch Neues Testament (UTB basics), Tübingen 2010, 67-72; und Werner Kahl, Akademische Bibelinterpretationen in Afrika, Lateinamerika und Asien angesichts der Globalisierung, in: VF 54 (2009), 45-59; ders., Gottesgerechtigkeit und politische Kritik - neutestamentliche Exegese angesichts der gesellschaftlichen Relevanz des Evangeliums, in: ZNT-31 (2013), 2-10, hier: 6-8. 55 Interkulturelle Theologie. Zeitschrift für Missionswissenschaft 38/ 1-2 (2012), hierin: K. Pui-lan, Die Verbindungen herstellen. Postkolonialismus-Studien und feministische Bibelinterpretation, 34-62; Fernando F. Segovia, Grenzüberschreitendes Interpretieren. Postkolonialismus-Studien und Diaspora-Studien in historisch-kritischer Bibelexegese, 110-135; R. S. Sugirtharajah, Eine postkoloniale Untersuchung von Kollusion und Konstruktion in biblischer Interpretation, 136-162. Bei diesen Beiträgen handelt es sich um Übersetzungen von englischsprachigen Beiträgen aus den 1990er und 2000er Jahren. etwas zu verändern, insbesondere durch Student: innen mit einer mittelbaren afrikanischen Migrationsgeschichte, die postkoloniale Studien treiben und sich gegen Rassismus engagieren, wenn auch meistens außerhalb der Theologie. 52 Globale Migrationsbewegungen der letzten Jahrzehnte, die eine Diversifizierung der hiesigen Bevölkerung mit sich brachten, haben erst in jüngster Zeit in den theologischen Fächern zu einer Reflexion der Phänomene und Bedeutungen von Migration, Diasporaexistenz und Interkulturalität geführt. 53 Beiträge zur postkolonialen Hermeneutik und Exegese in Deutschland sind beredter Weise zunächst vor allem außerhalb der neutestamentlichen Wissen‐ schaft zur Kenntnis genommen und veröffentlicht worden. 54 In die deutschspra‐ chige Theologie sind bibelhermeneutische Entwürfe der bedeutenden postkolo‐ nialen Exeget: innen Kwok Pui-lan, Fernando F. Segovia und R. S. Sugirtharajah zum ersten Mal im Jahr 2012 eingespeist worden in dem Themenheft Postkolo‐ niale Theologie der Zeitschrift Interkulturelle Theologie. 55 Es folgte 2013 eine um Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 Postkoloniale Bibelhermeneutik und Exegese 23 56 Andreas Nehring/ Simon Wiesgickl (Hg.), Postkoloniale Theologien. Bibelhermeneuti‐ sche und kulturwissenschaftliche Beiträge (ReligionsKulturen-11), Stuttgart-2013. 57 Andreas Nehring/ Simon Wiesgickl (Hg.), Postkoloniale Theologien II. Perspektiven aus dem deutschsprachigen Raum, Stuttgart-2017. 58 Vgl. die Einschätzung von Ulrich Luz, Theologische Hermeneutik des Neuen Testa‐ ments, Neukirchen-Vluyn 2014, 279-281. Der wohl erste Aufsatz eines deutschen Neu‐ testamentlers, der sich exklusiv mit postkolonialer Theologie bzw. Hermeneutik befasst hat, stellt insgesamt einen Verriss dar: Lukas Bormann, Gibt es eine postkoloniale Theologie des Neuen Testaments, in: Postkoloniale Theologien II (s. Anm. 57), 186-204. Dabei argumentiert Bormann streckenweise unsachlich und stark verkürzend, etwa wenn er fälschlicherweise den Aufsatzband Still at the Margins, hrsg. von Sugirtharajah im Jahr 2008, als „Kompendium“ bezeichnet, und mit dem Hinweis auf das Fehlen von Namen einiger westlicher Exegeten im Register des Bandes unterstellt, dass sich postkoloniale Exegese „mit theologischer Exegese nicht wissenschaftlich befasst“ (201). Tatsächlich haben sich maßgebliche Veröffentlichungen im Bereich postkolonialer Exegese seit den Anfängen mit den Entwürfen von Vertretern der klassischen Exegese auseinandergesetzt, so bereits in der ersten Auflage von Voices from the Margin aus dem Jahr 1991 (C. K. Barrett, F. F. Bruce, R. Bultmann, E. Haenchen, J. Jeremias, G. von Rad, G. Strecker, G. Theissen and C. Westermann); vgl. Christopher Stanley (Hg.), The Colonized Apostle. Paul in Postcolonial Eyes, Minneapolis, MN 2011 (Theologien von R. Bultmann, N. T. Wright und J. Dunn); Postcolonial Commentary on the New Testament Writings aus dem Jahr 2007 (z. B. im Beitrag zum Römerbrief von Neil Elliott: u. a. C. K. Barrett, H. Bartsch, F. C. Baur, J. C. Beker, R. Bultmann, J. J. Collins, J. Dunn, D. Georgi, E. Käsemann, H. Räisänen, G. Theissen, F. Watson). Das Kriterium für die Bewertung postkolonialer Zugänge stellt für Bormann die „historisch-kritische Exegese“ dar. Die Forderung der postkolonialen Exegese nach einer Ideologiekritik gerade auch des historisch-kritischen Methodenkanons reflektiert er nicht. weitere theologische und exegetische Beiträge, etwa von Musa Dube, erweiterte Textausgabe, wiederrum verantwortet von dem Missions- und Ökumenewis‐ senschaftler Andreas Nehring, diesmal im Verbund mit dem alttestamentlichen Exegeten Simon Wiesgickl: Postkoloniale Theologien. Bibelhermeneutische und kulturwissenschaftliche Beiträge. 56 Beide ließen 2017 einen Nachfolgeband mit Reaktionen deutschsprachiger Theolog: innen inklusive Exegeten folgen: Post‐ koloniale Theologien-II. Perspektiven aus dem deutschsprachigen Raum. 57 Einige deutschsprachige Neutestamentler haben in ersten Reaktionen eher irritiert und insgesamt ablehnend auf die Entwürfe, Anliegen, die Vorgehens‐ weise und die Ansprüche postkolonialer Exeget: innen reagiert. Bei aller Kri‐ tikwürdigkeit auch postkolonialer Exegese meldet sich hier mitunter eine - angesichts der teilweisen Fragwürdigkeit ihrer Methoden und der schnellen Verfallszeit einiger ihrer als sicher kommunizierten Resultate - erstaunliche Überheblichkeit zu Wort, die den hegemonialen Anspruch westlicher Exegese, wie er von Kolleg: innen aus dem Globalen Süden benannt und kritisiert worden ist, noch einmal eindrücklich bestätigt. 58 Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 24 Werner Kahl 59 Vgl. Christian Wetz, Die zweite Meile. Mt 5,41 in postkolonialer Perspektive - eine exegetische Erprobung, in: Britta Konz/ Bernhard Ortmann/ Christian Wetz (Hg.), Post‐ kolonialismus, Theologie und die Konstruktion des Anderen. Erkundungen in einem Grenzgebiet/ Postcolonialism, Theology and the Construction of the Other. Exploring Borderlands (STAR 26), Leiden 2020, 100-119; Markus Lau, Der fremde Exorzist (Mk 9,38-40) - zweifach gelesen. Beobachtungen zum Potential postkolonialer Theologie für historisch-kritische Exegese, in: Von Peripherien und Zentren (s. Anm. 53), 31-59; Ingeborg Mongstad-Kvammen, Ein Ritter und ein Bettler. Jakobus 2,1-4 in postkolonialer Perspek‐ tive, in: ZNT 50 (2022), 69-84. Vgl. auch die Vorstellung postkolonialer Hermeneutik durch Arie W. Zwiep, Bible Hermeneutics from 1950 to the Present. Trends and Developments, in: Oda Wischmeyer/ Michaela Durst (Hg.), Handbuch der Bibelhermeneutiken. Von Origenes bis zur Gegenwart, Berlin/ Boston 2016, 933-1008, hier: 999f. Allerdings beginnt sich hier das Bild zu wandeln: Einige neutestamentliche Veröffentlichungen der letzten Jahre zeigen ein wachsendes Interesse an post‐ kolonialer Hermeneutik und Exegese an. Sie zeichnen sich durch die Fähigkeit zu einer differenzierten Würdigung dieser Forschungsperspektive und ihrer Methoden aus und sie verstehen es, sie produktiv mit klassischen exegetischen Zugängen zum Neuen Testament zu verbinden. 59 5. Würdigung postkolonialer Hermeneutik und Exegese Es waren vor allem Neutestamentler: innen im Westen mit biographischen Verbin‐ dungen zu Ländern des Globalen Südens, die im letzten Jahrzehnt des 20. Jahrhun‐ derts das Paradigma einer postkolonialen Hermeneutik und Exegese begründeten und vorantrieben. Dieses Forschungsfeld hat sich durch unterschiedliche Interes‐ senlagen von mit der Zeit sich dem Diskurs anschließenden Exeget: innen - sei es an Universitäten oder Seminaren in Afrika, Asien, Lateinamerika oder Ozeanien, sei es in den USA oder in Großbritannien - stark ausdifferenziert. Aufgrund der Kolonialgeschichte und ihrer Nachwirkungen hat sich das postkoloniale Para‐ digma in der ein oder anderen Fokussierung für Theolog: innen und Exeget: innen in vielen Regionen der Welt als anschlussfähig erwiesen. Von besonderer Bedeutung für die neutestamentliche Exegese im deutsch‐ sprachigen Raum angesichts von Globalisierung, Migration und der erfolgten Verschiebung des Schwergewichts der Weltchristentheit in den Globalen Süden hinein scheinen mir die folgenden Anregungen bzw. Forderungen postkolo‐ nialer Perspektiven zu sein: 1. Eine kritische Reflexion der Exegese hinsichtlich ihrer theologischen und ideologischen Vorverständnisse. 2. Das Eingeständnis der Kontextualität westlicher Exegese und der Vorläu‐ figkeit ihrer Ergebnisse. Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 Postkoloniale Bibelhermeneutik und Exegese 25 60 Vgl. Esther E. Acolatse, Powers, Principalities, and the Spirit. Biblical Realism in Africa and the West, Grand Rapids 2018; Eve-Marie Becker/ Jens Herzer/ Angela Stand‐ hartinger/ Florian Wilk (Hg.), Reading the New Testament in the Manifold Contexts of a Globalized World. Exegetical Perspectives (NET 32), Tübingen 2022, sowie die Bände der Reihen New Testament Studies in Contextual Exegesis. Neutestamentliche Studien zur kontextuellen Exegese (Frankfurt) und Bible in Africa Studies (Bamberg); vgl. Blount, Cultural Interpretation (s. Anm. 45). 61 Olúfẹ́mi Táíwò, Against Decolonisation. Taking African Agency Seriously, London-2022. 62 Vgl. Anke Graneß, Philosophie in Afrika. Herausforderungen einer globalen Philoso‐ phiegeschichte, Berlin 2023, 34-37; vgl. dazu auch Simon Wiesgickl, Postkoloniale Theologien. Positionen und Potenziale, in: ThLZ-10 (2022), 903-916. 63 Vgl. dazu kritisch Alkier, Neues Testament (s.-Anm.-54), 203-209. 3. Ablegung ihres hegemonialen Absolutheitsanspruchs. 4. Die Prüfung des Beitrags partikularer kultureller Exegesen zur Erhellung möglicher Bedeutungsdimensionen in neutestamentlichen Texten. 60 5. Die Analyse der Bedeutung von Evangelium angesichts von Machtverhält‐ nissen im römischen Reich sowie die differenzierte Erhebung frühchristli‐ cher Positionierungen in Machtkonstellationen. 6. Das Achten auf Konstruktionen des je „Eigenen“ versus des „Anderen“. 7. Entwicklung der Ethik einer Interpretation in Bezug auf biblische Texte und gegenwärtige, akademische und populäre Lektüren, die sich an Gerechtig‐ keit und Barmherzigkeit als zentralen Werten des Evangeliums ausrichtet. Wie alle anderen exegetischen Zugänge sind auch postkoloniale kritikbedürftig. Dies scheint mir insbesondere gegeben zu sein bezüglich einer verbreiteten Ideologisierung unter dem Stichwort der Dekolonisation 61 , wie sie in einem prominenten Strang postkolonialer Hermeneutik vertreten wird. Die gegen Einflusssphären des Westens gerichtete Forderung nach Dekolonisation geht gemeinhin einher mit der Romantisierung und Idealisierung ethnischer Kul‐ turen. Sie redet die Handlungsfähigkeit von Menschen etwa afrikanischer Kulturen in Vergangenheit und Gegenwart klein und konterkariert postkolo‐ niale Konzepte der agency, Hybridität und der Verflochtenheit von Kulturen. 62 Als problematisch erscheint mir auch die in einigen postkolonialen Studien anzutreffende anachronistische Gleichsetzung von kolonialen bzw. imperialen Machtverhältnissen in Moderne und Gegenwart mit denen in der Antike. Das römische Reich mit seinem Anspruch als Friedensgarant bedarf einer differenzierten - und nicht einer schablonenhaften, binären - Betrachtung. 63 Insgesamt gesehen hat postkoloniale Hermeneutik wichtige Impulse gesetzt, der sich die neutestamentliche Exegese im deutschsprachigen Raum - Analoges Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 26 Werner Kahl 64 Vgl. Wiesgickl, Das Alte Testament (s.-Anm.-8). 65 Vgl. Runesson, Exegesis (s.-Anm.-2), 130f. gilt für ihr alttestamentliches Pendent 64 - im Zeitalter der Globalisierung nur zu ihrem Schaden wird verschließen können. Im interkulturellen Austausch um mögliche Deutungen und Bedeutungen biblischer Texte ergeben sich aufgrund unterschiedlicher involvierter Weltwissenssysteme Friktionen, die sich als wechselseitig produktiv erweisen können. 65 Die Ausarbeitung einer diesbezüg‐ lichen interkulturellen Hermeneutik unter postkolonialem Vorzeichen, die eine solche produktive Inbeziehungsetzung unterschiedlicher Hermeneutiken und Exegesen auch unter diskurstheoretischen Perspektiven reflektiert, erscheint als dringliche Aufgabe gegenwärtiger neutestamentlicher Wissenschaft. Werner Kahl, 1962 geboren in Essen. Promotionsstu‐ dium (New Testament Studies, Doctor of Philosophy) an der Emory University in Atlanta, Georgia; 1999 bis 2002 Habilitationsstipendiat der Deutschen Forschungs‐ gemeinschaft. Feldforschungen in Ghana, Lecturer an der Legon University in Accra. Seit 2006 ausserplanmä‐ ßiger Professor für Neues Testament an der Goethe-Uni‐ versität Frankfurt. 2006-2020 Studienleiter der Missionsakademie an der Universität Hamburg. Visiting Professor am Baptist University College in Kumasi, Ghana, am Piula Theological Seminary, Samoa, und an der Shanghai University. Seit 2022 Pfarrer der Evangelischen Stadtkirchen‐ gemeinde in Hanau. Veröffentlichungen v. a. zur Wunderfrage, zum synoptischen Problem, zu Reflexionen neutestamentlicher Traditionen im Koran und zu afrikanischen Bibelinterpretationen. Zeitschrift für Neues Testament 26/ 52 (2023) DOI 10.24053/ ZNT-2023-0010 Postkoloniale Bibelhermeneutik und Exegese 27
