eJournals Internationales Verkehrswesen 63/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/iv-2011-0011
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Läuft wie von selbst

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Christoph Hahn-Woernle
Innerbetriebliche Logistikprozesse wollen efektiv organisiert sein. Doch auch komplexe Automaten können den Menschen nicht vollständig ersetzen, sondern nur Teil der Gesamtorganisation einer intralogistischen Anlage sein. Beispiel Kommissionierung.
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Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 39 LOGISTIK Intralogistik Innerbetriebliche Logistikprozesse wollen efektiv organisiert sein. Doch auch komplexe Automaten können den Menschen nicht vollständig ersetzen, sondern nur Teil der Gesamtorganisation einer intralogistischen Anlage sein. Beispiel Kommissionierung. D er erste Schritt in Richtung Automatisierung war die Einführung von automatischen Regalbediengeräten. Mittlerweile richtet sich der Automatisierungsgrad eines Distributionszentrums immer mehr nach den Anforderungen des Anwenders. Automatisierung - aber wie? Moderne Logistiksysteme bestehen aus zahlreichen unterschiedlichen Komponenten. Jeder einzelne Bestandteil erfordert eine konstante Überwachung, um die Eizienz der gesamten Anlage zu gewährleisten. Davon, dass Automaten die Arbeit des Menschen komplett übernehmen, ist man in der Intralogistik noch weit entfernt. Zu breitgefächert und unterschiedlich sind die Aufgaben, die in einem Logistikzentrum anfallen. Automaten sind vielmehr dazu geeignet, begrenzte Spezialaufgaben, bei denen hohe Reproduzierbarkeit und hohe Leistungen gefordert sind, zu übernehmen. Überschreiten die Durchsatzforderungen eine bestimmte Grenze, wird eine automatische Lösung unumgänglich. Um Leistungsfähigkeit und Flexibilität zu verbinden, kombiniert man deshalb in vielen Bereichen automatische Teilsysteme zu komplexen Einheiten. Beispiele für eine solche Clusterbildung sind Identifikation, Transport, Einlagerung und Auslagerung. Diese Cluster werden sukzessive durch neu entwickelte Spezialzellen ergänzt. So werden Aufgaben wie Palettieren, Depalettieren und Komissionierung Teil eines (teil-)automatisierten Prozesses. Kommissionierprozess Ein Beispiel für eine Spezialzelle innerhalb eines Clusters ist der Kommissionierprozess. Efektive und vor allem fehlerfreie Kommissionierung stellt an das Lagerpersonal höchste Anforderungen. Schnell vergreift sich der Kommissionierer mal am Lagerplatz oder entnimmt die falsche Stückzahl. Wird nach dem eigentlichen Kommissioniervorgang keine Warenausgangskontrolle durchgeführt, ist die Falschlieferung nicht zu vermeiden. Das verursacht unnötige Kosten. Das Schlimmste ist jedoch der verärgerte Kunde. Die Konkurrenzfähigkeit von Kommissioniersystemen beruht deshalb sowohl auf Leistung als auch auf Qualität. Die Leistung misst man an der Anzahl der Artikel-Entnahmen pro Stunde aus einer Ladeeinheit, die Qualität an einer fehlerfreien und artikelschonenden Kommissionierung. Ein herkömmliches Kommissionierungssystem funktioniert folgendermaßen: Dem Mitarbeiter wird mithilfe von Bildschirmen, Displays, Lichtanzeigen oder Papier die Menge, der Entnahme- und der Abgabeort der zu kommisionierenden Ware angezeigt. Danach ist dieser Vorgang am Warehouse Management System zu quittieren. High Performance Picking System Durch verschiedene (teil-)automatische Systeme werden Qualität und Leistungsfähigkeit weiter gesteigert. Jedoch steht hier immer noch der Mensch im Mittelpunkt. Das HPPS (High Performance Picking System) von viastore systems ist zum Beispiel ein Prinzip, um Aufträge besonders schnell und efektiv zu kommissionieren. Bis zu 40 % mehr Wirtschaftlichkeit ist erreichbar durch ein vollautomatisches Lagerbehälterhandling. Weitere Vorteile sind reduzierte Kommissionierwege, eine ergonomisch günstige Lagerbehälterposition zum Greifen der Ware sowie kurze Einlernzeiten für die Mitarbeiter. Im Vergleich zu manuellen Systemen können so bis zu 70 % der Lagerfläche eingespart werden. Hintergrund ist der integrierte, vollautomatische Nachschubpufer und die Verteilung der Kommissionierung auf mehrere Ebenen. Letztlich entfallen die Ver- und Entsorgungswege für Lagerware, kommissionierte Ware und Leerbehälter. HPPS ist eine intelligente Kombination von Mechanik und Software - eine ausgeklügelte Führung des Kommissionierers durch die Verbindung von Warehouse Management Software zum Beispiel mit Pick-by-light- Systemen. Die Durchlaukanäle der Pick-bylight-Anlage werden zum einen automatisch mit den benötigten Ladungsträgern befüllt. Zum anderen holt das Regalbediengerät diese Behälter oder Kartons auch wieder automatisch ab, wenn sie entweder leer sind oder die Ware in absehbarer Zeit nicht benötigt wird. Dafür wurde ein Lastaufnahmemittel für das Regalbediengerät entwickelt, das sich auf das Gefälle des Durchlaufregals Läuft wie von selbst Abb. 1: Der Mensch im Mittelpunkt des Kommissioniervorgangs - doch die Entnahmebehälter werden vollautomatisch bereitgestellt und entsorgt. Foto: viastore Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 40 LOGISTIK Intralogistik neigen kann, um so die Behälter perfekt zurückziehen zu können. Durch diese automatische Ver- und Entsorgung der Greifächer kann sich der Kommissionierer vollständig auf seine Arbeit konzentrieren und spart Zeit. Er muss die leeren Ladungsträger nicht zurückschieben oder herausnehmen, wie es bei anderen Systemen der Fall ist. HPPS lässt sich in jede Anlagenkonzeption integrieren. Alle Teilprozesse des Kommissionierens und Packens werden von der Software vorausberechnet und hocheizient gesteuert. Dies beginnt schon mit der Kartonvorberechnung. Je nach Artikelspektrum und -volumen wird die geeignete Kartongröße vorberechnet. Diese wird dem Mitarbeiter bei der Kartonaufrichtung angezeigt. Hierbei wird bereits die optimale Versandart berücksichtigt. Dies ist besonders beim Pick-Pack-Verfahren notwendig. Die Kommissionierladeeinheiten (KLE) durchlaufen verschiedene Kommissionierbahnhöfe. Die benötigte Ware wird zeitnah in Greifächern angeliefert und an jedem angesteuerten Bahnhof in die Kommissionierbehälter gepickt. Die aktuelle Auftragslage steuert dynamisch die Vergabe der benötigten Greifächer. Dabei sind die Auslagerung des alten Artikels, die Einlagerung des neuen Artikels und die Zusteuerung der Behälter zeitlich koordiniert. Die Befüllung der KLE wird über ein Pick-by-light-Subsystem, über Funk oder Listen gesteuert. Der gesamte Durchlauf der KLE durchs Lager wird anhand der Reihenfolge der Aufträge, der aktuellen Auslastung der Arbeitsplätze und der Artikelverfügbarkeit verbessert. Vollautomatisches Kommissionieren Das vollautomatische Kommissioniersystem viapick ermöglicht mehr als 600 kontinuierliche Entnahmen in der Stunde - die durchschnittliche Pickleistung eines Kommissionierers unter vergleichbaren Bedingungen liegt bei rund 300 Entnahmen pro Stunde. Gleichzeitig sinkt der Installationsaufwand für den Kommissionierplatz. Arbeitsplatz- Einrichtungen wie PC, Bildschirm, Tische und Kommissionierhilfen werden nicht mehr benötigt. So amortisiert sich das System schon nach sechs bis 18 Monaten. viapick kommissioniert erkennbare, geordnete und stapelbare Produkte ganz unterschiedlicher Größen und Geometrien. Dabei entnimmt das System analog zu einem Kommissionierer die Waren aus einem herkömmlichen Lagerbehälter und legt sie geordnet in einen beliebigen Auftragsbehälter oder Versandkarton. Auch schwere oder unhandliche Produkte können problemlos kommissioniert werden. Zudem kommissioniert das System kontinuierlich mit vernachlässigbarer Fehlerrate. Insgesamt wird so die Eizienz eines Distributionszentrums deutlich gesteigert. Christoph Hahn-Woernle, Dipl.-Ing. Geschäftsführender Gesellschafter viastore systems GmbH, Stuttgart Abb. 2: Durch Pick-to-light-Anzeigen können mehrere Aufträge parallel kommissioniert werden. Foto: viastore ɷ B U S I N E S S