eJournals Internationales Verkehrswesen 63/1

Internationales Verkehrswesen
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0020-9511
expert verlag Tübingen
10.24053/iv-2011-0015
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2011
631

Multimodales Mobilitätsmanagement

11
2011
Christian Scherf
Frank Wolter
Aufgabe im Projekt BeMobility ist der Betrieb einer Elektrofahrzeugflotte als integraler Bestandteil des Öffentlichen Verkehrs in der Modellregion Berlin-Potsdam. Technische Defizite wie kurze Reichweiten und lange Ladezeiten werden durch kundengerechte Integrationsformen an der Nahtstelle zwischen Individual- und Kollektivverkehr kompensiert. Diese neue Mobilität soll es mit den Vorteilen des Privatautos aufnehmen und die multimodale Nutzungsform attraktiv machen.
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Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 53 MOBILITÄT E-Carsharing Multimodales Mobilitätsmanagement Aufgabe im Projekt BeMobility ist der Betrieb einer Elektrofahrzeugflotte als integraler Bestandteil des Öfentlichen Verkehrs in der Modellregion Berlin-Potsdam. Technische Defizite wie kurze Reichweiten und lange Ladezeiten werden durch kundengerechte Integrationsformen an der Nahtstelle zwischen Individual- und Kollektivverkehr kompensiert. Diese neue Mobilität soll es mit den Vorteilen des Privatautos aufnehmen und die multimodale Nutzungsform attraktiv machen. I m Zusammenhang mit E-Carsharing als Vervollständigung des Öfentlichen Verkehrs ist ein Nutzertyp von Interesse, den die Mobilitätsforschung seit einigen Jahren als möglichen Trendsetter ausgemacht hat: den sogenannten „Multimodalen“ (Canzler et al. 2007). Hierzu zählen Personen, in deren Verkehrsmittelwahl das Auto nur eine Fortbewegungsoption neben anderen darstellt und keine dominante Position mehr einnimmt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn der jeweilige Nutzer keinen Privat-Pkw besitzt oder ihn vor Ort nicht zur Verfügung hat, so dass der finanzielle wie auch gedankliche Spielraum entsteht, alternative Verkehrsmittel zu nutzen. Eine Voraussetzung zur Herausbildung derartiger Nutzungstypen ist allerdings grundlegend das Bestehen von attraktiven Alternativen, wie einem funktionierenden und dichten Netz im Öfentlichen Verkehr. Daher ist der Typ des "Multimodalen" in erster Linie in Metropolen anzutrefen, in denen die Voraussetzungen für einen vielfältigen Öfentlichen Verkehr günstiger sind als in ländlichen Regionen. Eine Verbindung aus Mietsystemen und Elektromobilität macht gerade in der heutigen Situation Sinn. Vermietkonzepte mit Elektrofahrzeugen können nämlich in vielerlei Hinsicht vorteilhaft sein: ฀ Erstens besteht die Möglichkeit, durch eine intensive Nutzung eine höhere Auslastung zu erreichen. Im Gegensatz beispielsweise zum Sharingfahrzeug wird das durchschnittliche Privatauto nur für ca. 10 % der Zeit am Tag überhaupt genutzt. In der übrigen Zeit verbraucht es aber Platz, vielerorts auch öfentlichen Raum. Dabei liegt die mittlere Weglänge der Fahrten im motorisierten Individualverkehr nach den statistischen Angaben von „Mobilität in Deutschland“ nur bei rund 15 km und die mittlere Wegedauer - ohne Berufswege - bei gut 20 min (Infas/ DLR 2010: 89). Das E- Carsharing verspricht hier seinem Prinzip nach eine höhere Nutzungseizienz. ฀ Zweitens können im Vermietgeschäft bereits heute Kunden mit der neuen Technik in Berührung kommen und erste Erfahrungen sammeln. Auch Fahrzeughersteller, Mobilitätsdienstleister, Ladesäulenhersteller und Energiedienstleister können wertvolle Hinweise auf zukünftige Geschäftsmodelle sowie Anwendungsformen erproben und ihre Angebote weiterentwickeln. Derzeit sind elektrische Straßenfahrzeuge u. a. aufgund der hohen Batteriekosten bei geringen Reichweiten aber noch nicht in der Lage, zu konkurrenzfähigen Preisen ähnliche Leistungen wie konventionelle Autos zu bieten. Daher werden sie in absehbarer Zeit ohne zusätzliche staatliche (Kauf )anreize voraussichtlich nicht sonderlich attraktiv für Privatkunden sein. ฀ Drittens führt ein ausschließlicher Wechsel des Antriebsaggregats nicht automatisch zu neuen Nutzungsformen. Antriebstechnik und Nutzungsvorstellung stehen dabei in einem engen Zusammenhang. Die herkömmliche Technik dient gleichsam als Gradmesser für die als ausreichend erachtete Geschwindigkeit, Reichweite und Annehmlichkeit, die zusammen das Leitbild der sogenannten „Rennreise-Limousine“ ergeben (Canzler/ Knie 1994). Diese technischen Größen wirken zurück auf die soziale Vorstellungswelt und Verhaltensweisen des Anwenders (Knie 1998). Die Etablierung neuer integrierter Mobilitätsformen mit automobilem Bestandteil erscheint somit leichter im Rahmen von Mietmodellen umsetzbar, als dies mit privat besessenen Fahrzeugen möglich wäre. Abb. 1: Smart an RWE-Ladesäule an der Carsharingstation der Erprobungsplattform Elektromobilität auf dem EUREF-Campus Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 54 MOBILITÄT E-Carsharing Herausforderungen zukünftiger Mobilität in Metropolen Die Gewährleistung von Mobilität steht weltweit vor drei wesentlichen Herausforderungen, die ihrerseits bei der technischen, aber auch nutzungsbezogenen Weiterentwicklung des Autos sowie von Mobilitätsangeboten zu berücksichtigen sind. Erstens entzieht die Verknappung und Verteuerung des Erdöls insbesondere dem Straßenverkehr langfristig die Energiegrundlage. Zweitens schaft der Zusammenhang zwischen zunehmender Motorisierung und Urbanisierung in Metropolen - auch in den neuen Wirtschaftsmetropolen Asiens - Emissions- und Platzprobleme durch den rasch zunehmenden Individualverkehr. Drittens ist der CO 2 -Ausstoß von konventionellen Kraftfahrtzeugen eine zentrale Ursache des Klimawandels, der nur bei einer deutlichen Reduktion von Kohlendioxid kontrollierbar bleibt. Diese drei Herausforderungen lassen sich nicht allein durch technische Ansätze lösen, sondern erfordern auch Änderungen in der Mobilitätskultur bzw. im Verkehrsverhalten. Die Engpässe liegen somit sowohl in der Gestaltung von geeigneten Rahmenbedingungen und Anreizsystemen als auch in der Entwicklung innovativer Angebote für ökologisch wie ökonomisch nachhaltige Nutzungsformen im Straßenverkehr (Brake 2009). Besonders erfolgversprechend erscheinen dabei Innovationen, die dem technischen Fortschritt und dem sozialen Wandel gleichermaßen Rechnung tragen. Die deutsche Bundesregierung hat sich 2009 mit dem Entwicklungsplan Elektromobilität das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2020 etwa eine Millionen Elektrofahrzeuge auf deutsche Straßen zu bringen und Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität zu entwickeln. Dieses Ziel kann auf mehreren Wegen erreicht werden. Zum einen kann die Leistungsfähigkeit der Fahrzeugbatterien und der Ladeinfrastruktur so weit gesteigert werden, dass die Nutzungsqualität eines Elektrofahrzeuges das Niveau konventioneller Straßenfahrzeuge erreicht. Hierzu sind allerdings erhebliche Investitionen in die Grundlagenforschung sowie Zeit notwendig. Zum anderen besteht die Möglichkeit, ein Nutzungsumfeld zu finden, das einen sinnvollen und kundenorientierten Einsatz der Elektroautos mit der heute verfügbaren Technik ermöglicht. Beide Wege schließen sich dabei nicht zwingend aus. Angesichts der spezifischen Mobilitätsbedürfnisse in Stadt und Land sowie der Notwendigkeit mit Batteriefahrzeugen und Ladeinfrastruktur erste Praxiserfahrungen zu sammeln und eine massenhafte Markteinführung vorzubereiten, erscheinen Bemühungen in beide Richtungen notwendig. Die Modellregion Berlin-Potsdam Das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) hat im Jahr 2009 das Förderprogramm Modellregionen Elektromobilität aufgelegt. Es wird mit insgesamt 130 Mio. EUR aus dem Konjunkturpaket II gefördert. Ziel des Programms, welches acht Modellregionen umfasst, ist die Förderung von Elektromobilität im öfentlichen Raum. Die Koordination liegt auf Bundesebene bei der Nationalen Organisation Wasserstof- und Brennstofzellentechnologie (NOW). Eines der Förderprojekte aus dem Förderprogramm des BMVBS ist BeMobility - BerlinelektroMobil. In der Modellregion Elektromobilität Berlin-Potsdam hat es die Integration von Elektrofahrzeugflotten in den Öfentlichen Verkehr zum Ziel. Regional werden BeMobility und weitere Elektromobilitätsprojekte durch die TSB Innovationsagentur Berlin GmbH/ Forschungs- und Anwendungsverbund Verkehrssystemtechnik (FAV) betreut. Dass BeMobility ausgerechnet im Großraum Berlin angesiedelt ist, ist kein Zufall. Berlin verfügt über ein sehr gut ausgebautes öfentliches Verkehrsnetz. Darüber hinaus gilt Berlin als relativ verkehrsträgerofen, eine Grundvoraussetzung für den Projekterfolg. Die Mobilitätsforschung zeigt, dass ein Auto nicht nur ein technisches Konsumgut darstellt, sondern auch einen unterschwelligen Nutzungsanreiz für seinen Besitzer. So halten einmal die Fixkosten, z. B. die Kfz-Versicherung und Steuern, zu einem regen Gebrauch des Autos an, um den Pkw-Besitz lohnenswert und eizient zu machen. Beim direkten Verkehrsträgervergleich werden zudem oft nur die direkten Out-of-pocket-Kosten (u. a. Kraftstokosten) berücksichtigt, ohne beispielsweise den anteiligen Verschleiß und Wertverlust mit einzurechnen. Alternative Mobilitätsoptionen geraten so schnell aus dem Blickfeld, selbst wenn sie in der Gesamtrechnung günstiger ausfallen. Es gibt Anzeichen dafür, dass diese autogeprägte Sichtweise in Metropolen wie Berlin weniger stark verbreitet ist als in den ländlichen Regionen Deutschlands. Mit einer durchschnittlichen Autodichte von rund 320 Fahrzeugen pro 1 000 Einwohner liegt Berlin weit unter dem deutschen Bundesdurchschnitt von etwa 500 Pkw je 1 000 Einwohner. Damit hat Berlin die geringste Pkw-Dichte aller Bundesländer. Durch den geringen Verbreitungsgrad von Privatautos denkt und handelt Abb. 2: Elektro- und Hybridfahrzeuge bei BeMobility Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 55 ein bedeutender Teil der Einwohner Berlins jenseits der Relevanzkriterien, die ein privat besessenes Automobil vorgibt. Die Nutzung verschiedener Verkehrsmittel gilt in der Stadt als „gelebter Alltag“. Dementsprechend haben sich bereits einzelne Angebote etablieren können, welche die Benutzung anstelle des Besitzes von Individualverkehrsmitteln in den Vordergrund rücken. So existieren u. a. bereits seit mehreren Jahren das Mietradsystem Call a Bike oder das Leihwagenangebot Flinkster/ DB Carsharing, die von der Deutschen Bahn betrieben werden. Ziele des Projekts BeMobility Das Forschungsprojekt BeMobility - BerlinelektroMobil umfasst zehn Konsortialpartner, die unter Führung der Deutschen Bahn gemeinsam an der Integration von Elektrofahrzeugen in den Öfentlichen Verkehr arbeiten. Die Bandbreite der Projektbeteiligten reicht von den Unternehmen der Energiewirtschaft RWE, Solon, Vattenfall und DB Energie über den Automobilzulieferer Bosch, den Parkhausbetreiber Contipark, die Informationsdienstleister HaCon sowie das DAI-Labor der TU Berlin bis zu Verkehrsdienstleistern. Sowohl der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg als auch die Deutsche Bahn mit ihrem Tochterunternehmen DB Fuhrpark sind Projektpartner. Wissenschaftlich begleitet und Abb. 3: Standorte von e-Flinkster koordinativ unterstützt wird das Projekt durch das Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ). Das Ziel von BeMobility ist, Elektrofahrzeuge in den Öfentlichen Verkehr zu integrieren und damit eine Kombination aus Technologie- und Nutzungsalternative zum Privatfahrzeug mit klassischem Verbrennungsmotor zu schafen. Das Ziel besteht ganz bewusst nicht aus der Fortführung des Privatautos mit anderen, nämlich elektrischen, Mitteln. Vielmehr soll die Praxistauglichkeit bereits vorhandener Elektrofahrzeuge und entsprechender Ladeinfrastruktur demonstriert werden. So sollen ein nachhaltiger Lösungsbeitrag zu den vielfältigen Herausforderungen im Verkehr in Ballungsräumen geleistet und die industrie- und wettbewerbspolitischen Ziele der Bundesregierung im Kontext der Elektromobilität unterstützt werden. Aufgabe im Projekt BeMobility ist der Betrieb einer Elektrofahrzeugflotte als integraler Bestandteil des ÖV unter Echtbedingungen. Elektroautos und -fahrräder sollen in der Modellregion Berlin-Potsdam den ÖV ergänzen. Dabei werden die technischen Defizite der Elektrofahrzeuge wie kurze Reichweiten und lange Ladezeiten durch hierauf abgestimmte Nutzungsszenarien kompensiert. So kann der bereits existierende akku- und elektrotechnische Stand im entsprechenden Einsatzkontext erprobt und für die breite Öfentlichkeit schon heute erfahr- und erlebbar werden. BeMobility als Bestandteil des Öfentlichen Verkehrs Ein derart adäquater Kontext ist aus der Perspektive der Projektentwickler das Carsharing bzw. Leihradsystem, mit dem breite Nutzergruppen zeitnah erreichbar sind. Konkret geschieht dies durch öfentlich zugängliche Elektrofahrzeuge, die an elektrifizierten Carsharing- und Mietrad-Stationen geladen werden. Der Öfentliche Stadtverkehr soll dabei die Basismobilität im Alltag sicherstellen, während Elektroautos und Pedelecs die Flexibilität der Kunden weiter erhöhen. Der Öfentliche Regional- und Fernverkehr auf der Schiene dient wiederum als natürliche Reichweitenverlängerung der Elektroautos. Je nach Mobilitätsanlass soll der Nutzer fallbezogen auf das jeweils am besten geeignete Verkehrsmittel bzw. eine Kombination von Verkehrsmitteln zurückgreifen. Die Nutzung von verschiedenen elektrisch betriebenen Verkehrsträgern auf der Schiene und der Straße senkt die lokalen Verkehrsemissionen. Alle Ladestellen an den Carsharing-Stationen liefern zertifizierten Ökostrom aus regenerativen Quellen. Der Einsatz regenerativer Energien zur Stromgewinnung trägt perspektivisch dazu bei, die Abhängigkeit vom Erdöl und den CO 2 -Beitrag des Verkehrssektors zu senken. Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 56 MOBILITÄT E-Carsharing Fahrzeugflotte und Standorte Die im Rahmen des Projektes nutzbare elektrische Fahrzeugflotte besteht derzeit aus dem Smart ed und dem Citroën C1 (Umbaufahrzeug). In Kürze werden weitere Elektrofahrzeuge verfügbar sein und das Angebot ergänzen. Neben dem i-MiEV von Mitsubishi werden auch Fahrzeuge von Peugeot (iOn) und Citroën (C-Zero) hinzukommen. Außerdem befindet sich das Hybridfahrzeug Prius Plug-In von Toyota im Einsatz, ein Hybridauto, das an der Steckdose geladen wird und bis zu 20 km rein elektrisch zurücklegen kann. Dieses Fahrzeug ist ein Pilotfahrzeug, das voraussichtlich erst ab 2012 in den regulären Handel kommt. Im Frühjahr 2011 soll so die Elektro- und Hybridflotte auf mindestens 40 Fahrzeuge angewachsen sein. Neben den Pkw werden auch Elektrofahrräder, sogenannte Pedelecs, das Angebot ergänzen. Pedelecs besitzen eine elektrische Tretunterstützung, die durch einen Lithium-Ionen-Akku im Fahrradrahmen versorgt wird. Dieser kann entweder an der Steckdose oder per Rückspeisung durch zusätzliches Treten aufgeladen werden. Die Zweiräder können zurzeit tageweise am Berliner Hauptbahnhof entliehen werden. 2011 sollen erste Pedelec-Stationen - vergleichbar den festen Stadtrad-Stationen - errichtet werden, an denen die Elektroräder entliehen und kabellos geladen werden können. Die Ausleihstationen für die Autos befinden sich bevorzugt an den Verkehrsknoten und Umsteigepunkten zum Öfentlichen Verkehr. In Berlin sind dies neben den größeren Fernbahnhöfen Haupt- und Ostbahnhof sowie Südkreuz auch Stationen in der Nähe von ÖPNV-Knoten wie in Schöneberg, Adlershof, der Französischen Straße und am Potsdamer Platz. Dies zielt auf eine kombinierte Benutzung von Elektrofahrzeugen und öfentlichen Verkehrsmitteln ab. Geschäftsleute, die entweder mit der Bahn aus anderen Städten angereist sind und einen Pkw für Kundenbesuche benötigen, oder lokal ansässige Geschäftsinhaber und Gewerbetreibende für Liefer- und Besorgungsfahrten, sind mögliche Zielkunden. Weiterhin können auch Privatkunden, die Besorgungen oder Einkäufe beispielsweise nach der Arbeit nach Hause bringen wollen und den Pkw am Folgetag auf dem Weg zur Arbeit wieder abgeben, eine mögliche Zielgruppe darstellen, die bei der Entwicklung des Produktbildes „Berlin Mobil“ Pate stand. Ergänzend sollen ausgewählte Wohngebiete mit öfentlichen Ausleih- und Ladepunkten ausgestattet werden. So sind weitere Leih- und Ladestationen in den Bezirken Abb. 4: Daten zum Elektroauto C1 wie aktueller Stellplatz und Reichweite in der BeMobility-Suite Alle Bilder: BeMobility Mitte und Prenzlauer Berg beantragt. Hier wohnen Menschen, die als aufgeschlossen gegenüber neuen Techniken und Verhaltensformen sowie ökologischen Themen gelten. Die Autobesitzer in diesen Bezirken können zumeist nicht auf eine private Garage für ihren Pkw zurückgreifen, sondern parken am Straßenrand im öfentlichen Raum (sogenannte „Laternenparker“). Die Parkplatzsituation in diesen Trendbezirken ist zumeist sehr angespannt. Neben den Bewohnern wollen eine Vielzahl von Besuchern der reichen Kultur- und Gastronomieszene hier parken. Die generell gute Anbindung an den Öfentlichen Verkehr erlaubt es grundsätzlich, auf einen eigenen Pkw zu verzichten bzw. den Besuch im Bezirk mit den öfentlichen Verkehrsmitteln durchzuführen. Die Besucher werden dazu seit Kurzem auch durch die Parkraumbewirtschaftung verstärkt angehalten. Um den Bewohnern einen Anreiz zum Umstieg auf den Öfentlichen Verkehr und zur Kurzzeitmiete von Elektrofahrzeugen zu geben, sollen ab Frühjahr 2011 hier Lade- und Leihstationen in vergleichsweise hoher Dichte errichtet werden. Die Präsenz im direkten Wohnumfeld soll eine weitgehend spontane Nutzung ohne längere Voranmeldung erlauben und damit ein ähnliches Flexibilitätsgefühl wie der eigene Pkw erzeugen. Das Produktbild wurde „Spontanmiete“ genannt. Integrationsansätze Die Umsetzung dieser Produktbilder und die damit verbundene Integration der Elektrofahrzeuge in den Öfentlichen Verkehr erfordert mehr als das Angebot der Elektrofahrzeuge in Vermietsystemen wie Carsharing und Fahrradverleihsystemen. Die Flotten- und Raumintegration besteht bei BeMobility bereits durch die Standortwahl der Verleihstellen bzw. Standorte für das Flinkster-Carsharing bzw. die Pedelec- Stationen der Deutschen Bahn. Ohne Einbindung in ein zusammenhängendes Energie- und Mobilitätskonzept kann das elektrische Leihfahrzeug allerdings seine ökonomische wie ökologische Eizienz nicht entfalten. Es bedarf kundengerechter Integrationsformen an der Nahtstelle zwischen Individual- und Kollektivverkehr, um eine Mobilität zu gewährleisten, die es mit den Vorteilen des Privatautos aus Kundensicht aufnehmen kann und die die multimodale Nutzungsform über den bestehenden Kundenkreis hinaus attraktiv macht. Eine Integration der Informations-, Kommunikations- und Buchungssysteme ist ein weiterer notwendiger Bestandteil der Angebote. Dies betrift u. a. auch telematische Anwendungen. Durch die zunehmende Verbreitung des Internets und leistungsfähiger, mobiler Endgeräte, wie etwa dem iPhone, können die Umstiegshürden zwischen den Verkehrsträgern gesenkt werden. Nutzer können in einem Auskunftssystem gleichzeitig mit aktuellen Hinweisen zu verschiedenen Verkehrsmitteln versorgt werden. So werden im Projektkontext auch Applikationen für mobile Endgeräte entwickelt, die beispielsweise einen Wegevergleich mit Angaben zur Wegeführung und Fahrzeit über öfentliche Verkehrsmittel gegenüber der Fahrt mit dem Auto beinhalten. Weiterhin werden Anwendungen zum Anzeigen verfügbarer Fahrzeuge im Umkreis sowie von Park- und Lademöglichkeiten im öfentlichen Raum oder in Parkhäusern programmiert. Umfangreiche Park- und Ladestellen im öfentlichen Raum wurden durch die Energieunternehmen DB Energie, RWE und Vattenfall installiert. Der Projektpartner Contipark stellt für den Nutzer kostenfreie Parksowie in ausgewählten Parkhäusern Ladeflächen bereit. Die grundsätzliche Nutzbarkeit von Ladepunkten für Elektrofahrzeuge mit ihren unterschiedlichen Ladevorrichtungen bzw. Steckern - hier gibt es noch keine Normung, so dass nicht jedes Fahrzeug an jedem Ladepunkt laden kann - und ihre Verfügbarkeit sind wichtige Informationen für die Fahrzeugnutzer. Zu den elektronischen Telematik- und Softwarelösungen tragen das DAI-Labor der TU Berlin, HaCon, Bosch sowie die DB Fuhrpark bei, um die Informationen im Internet und auf mobilen Endgeräten beim Nutzer zusammenzuführen. Diese Applikationen und Anwendungen werden derzeit entwickelt und sollen im Frühjahr 2011 den Nutzern im Rahmen der BeMobility-Suite mit statischen, aber auch dynamischen Echtzeitdaten zur Verfügung stehen. Internationales Verkehrswesen (63) 1 | 2011 57 Die tarifliche Integration ist aufgrund von gewachsenen Strukturen in unterschiedlichen Vertriebssystemen sowie der notwendigen Abstimmungen von Tarifen im Verkehrsverbund eine längerfristige Aufgabe. Als Rahmenbedingung gilt hierbei, dass der Öfentliche Verkehr gestärkt wird und keine nennenswerte Verlagerung vom Öfentlichen Verkehr auf das Auto stattfindet. Bisherigen Autofahrern ohne ÖPNV-Monatskarte sollte ein „Schnupperangebot“ zum Elektro-Carsharing angeboten werden. Um dieser Zielgruppe neben dem Autobaustein auch den ÖPNV näher zu bringen und neue, integrierte Mobilitätsroutinen zu etablieren, sollte ein entsprechendes Testangebot im Carsharing nur in Verbindung mit einer Zeitkarte im Öffentlichen Verkehr angeboten werden. Der Öfentliche Verkehr soll perspektivisch zur Befriedigung der Basismobilität genutzt werden. Zusätzliche Flexibilität über Elektroautos und Pedelecs kann dann bedarfsgerecht hinzugekauft werden. Diese Flexibilität ist extra zu bezahlen, während eine Fahrt mit dem Öfentlichen Verkehr über eine monatliche Grundgebühr bereits abgegolten ist und somit als kostenfrei im direkten Verkehrsträgervergleich empfunden werden soll. Inhabern eines Verbund-Abonnements könnten wiederum vergünstigte Konditionen für die Nutzung der Elektromobilität angeboten werden. So kann auch tariflich verdeutlicht werden, dass die Elektrofahrzeuge den Öfentlichen Verkehr ergänzen und die Flexibilität seiner Nutzer steigern sollen. Aktuell werden solche Tarifmodelle entwickelt und mit den Verbundpartnern im Öfentlichen Verkehr abgestimmt. Zielsetzung ist auch hier, im Frühjahr 2011 zusammen mit den oben erwähnten Informationsdiensten dem Nutzer entsprechend attraktive Angebote unterbreiten zu können. Ergänzend läuft im Rahmen des Forschungsprojektes die Begleitforschung, die sich den Erwartungen und Erfahrungen der Nutzer widmet. Es wurden bereits zur Jahreswende 2009 auf 2010 Befragungen zu den Produktbildern durchgeführt, die in die Auswahl und Ausgestaltung eingeflossen sind. Weiterhin werden interessierte Testkunden bereits vor der ersten Nutzung der elektrischen Carsharing- und Leihradangebote via Internet zu ihrem Mobilitätsverhalten und ihren Erwartungen an Elektromobilität als Bestandteil des Öfentlichen Verkehrs befragt. Mit Beginn der ersten Testfahrten durch Nutzer haben auch die ersten Nutzerbefragungen begonnen. Hier stehen Erfahrungen mit den Fahrzeugen und dem Handling mit BRAKE, MATTHIAS (2009): Mobilität im regenerativen Zeitalter - Was bewegt uns nach dem Öl? Hannover: Heise. CANZLER, WEERT; KNIE, ANDREAS (1994): Das Ende des Automobils - Fakten und Trends zum Umbau der Autogesellschaft. Heidelberg: C.F. Müller. CANZLER, WEERT; KNIE, ANDREAS (2009): Grüne Wege aus der Autokrise - Vom Autobauer zum Mobilitätsdienstleister, in: Forum Nachhaltig Wirtschaften, Nr. 4, 2009, S. 16-24. CANZLER, WEERT; HUNSICKER, FRANK; KARL, ASTRID; KNIE, ANDREAS; KÖNIG, ULRICH; LANGE, GÜNTER; MAERTINS, CHRISTIAN; RUHRORT, LISA (2007): DB Mobility − Beschreibung und Positionierung eines multimodalen Verkehrsdienstleisters. InnoZ- Baustein Nr. 1, Berlin: Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel. Online unter: http: / / www.innoz.de/ fileadmin/ INNOZ/ pdf/ Bausteine/ innoz-baustein-01.pdf Infas/ DLR (2010): Mobilität in Deutschland (MiD) 2008 - Ergebnisbericht. Online unter: http: / / www.mobilitaet-in-deutschland.de/ pdf/ MiD2008_Abschlussbericht_I.pdf (letzter Zugrif 05.12.2010). KNIE, ANDREAS (1998): Die Macht der Gewohnheit - 'Schließen', 'Leitbilder' und 'Institutionen' als Kategorien einer sozialwissenschaftlichen Technikforschung, in: Esser, Josef; Fleischmann, Gerd; Heimer, Thomas (Hrsg.); Soziale Schließung im Prozeß der Technologieentwicklung - Leitbild, Paradigma, Standard. Frankfurt am Main/ New York: Campus, S. 36-50. LITERATUR Frank Wolter, Dr. Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH frank.wolter@innoz.de Christian Scherf, Dipl.-Soz.tech. Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) GmbH christian.scherf@innoz.de dem Thema „Laden“ im Vordergrund. Nach vollständiger Umsetzung der Produktbilder, also der Informations- und Buchungsapplikationen sowie entsprechender integrierter Tarifangebote, wird eine weitere Befragungswelle voraussichtlich im Sommer 2011 folgen. Neben der Befragung nach den zusätzlichen Angebotsbestandteilen und dem Tarif wird auch erneut das aktuelle Mobilitätsverhalten befragt werden. So sollen unter anderem auch Rückschlüsse auf einen Verkehrsverlagerungsefekt, den Attraktivitätsgewinn des Öfentlichen Verkehrs sowie auf weitere Verbesserungen des Angebots gezogen werden. Die Plattform Elektromobilität in Berlin-Schöneberg Die Integration von Elektrofahrzeugen in den Öfentlichen Verkehr verlangt zudem eine enge Kooperation aller Beteiligten. Das Projekt BeMobility hat deshalb eine zentrale Anlaufstelle zum Test von Komponenten und der gemeinsamen Lösungsentwicklung etabliert. Diesen Ort bildet die Plattform Elektromobilität auf dem EU- REF-Campus am ehemaligen Gasometer in Berlin-Schöneberg. Betrieben wird die Plattform vom InnoZ. Gefragt war ein Ort, an dem sich eine neue Art der Zusammenarbeit entwickeln kann. Die Projektpartner bringen unterschiedliche Unternehmens- und Forschungskulturen mit, deren Synergien und Spielräume sich in der jungen gestaltbaren Plattform voll entfalten können. Die Plattform erfüllt im Wesentlichen drei Funktionen: ฀ Sie dient als Erklärzentrale, in der Fachleuten und der interessierten Öfentlichkeit die komplexen Projektzusammenhänge der integrierten Elektromobilität vermittelt werden. Auch Probefahrten, Erklärungen zu Fahrzeugen und Ausleihmöglichkeiten sowie der Ladeinfrastruktur sind Aufgabe der Erklärzentrale. ฀ Sie ist ein Praxislabor, in dem gemeinsam Lösungen entwickelt, der Gebrauch von Einzelkomponenten, wie beispielsweise Ladeanschlüssen oder auch der Informationstechnologie, zusammen mit Testnutzern erprobt und dokumentiert werden. Das InnoZ, das im gleichen Gebäude angesiedelt ist, führt die Begleitforschung von BeMobility durch. ฀ Die Plattform bildet ein Forum, das die gewonnenen Erkenntnisse im Rahmen angrenzender bzw. verwandter Themenbereiche wie Energieforschung, Stadtentwicklung und Verkehrsplanung aubereitet und ihr Zusammenwirken diskutiert. Diese Funktion weist über den engeren Projektrahmen hinaus und stiftet die thematische Anknüpfung zu einem interdisziplinären und internationalen Wissensnetzwerk, in dem der integrative Ansatz weitergedacht wird. Besondere Aufmerksamkeit erhielt die Plattform Elektromobilität, als sie im November 2010 der Minister für Wissenschaft und Technologie der Volksrepublik China, Prof. Dr. Wan Gang, besuchte. In seiner Rede unterstrich Prof. Dr. Gang, ein Auto zu besitzen sei der Traum eines jeden Chinesen, aber wenn jeder Chinese ein Auto besäße wäre dies ein Albtraum. In China bricht sich bereits die multimodale Sichtweise bahn. ɷ